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Heiligenverehrung ist Heldenverehrung


duesi

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Long John Silver
vor einer Stunde schrieb duesi:

@ LJS: Danke für deine ausführliche Schilderung. Ja, ich hatte vielleicht ein paar Dinge vermischt, die du dankenswerterweise aufgedröselt hast.😊

Filmhelden, gesellschaftlich akzeptierte Vorbilder, in der menschlichen Psyche verankerte Archetypen und tradierte Rollenbilder, das sind unterschiedliche Kategorien.

 

Für mich ist es als Mann selbstverständlich, dass, wenn beide arbeiten, auch beide gleichermaßen für den Haushalt zuständig sind. Das hat auch schon mein Großvater so gesehen. Mir geht es nicht um tradierte Rollenbilder.

 

Sondern um die Auswirkung von politischer Korrektheit auf moderne Heldenideale und den Umgang mit den eigenen Archetypen. Sicher gibt es sie noch, die Prinzessin, die gerettet werden möchte. Aber es ist ihr in unserer Zeit kaum möglich, diese Sehnsucht auszuleben, es sich selbst überhaupt einzugestehen, da die Gesellschaft ihr permanent einredet, dies sei Ausdruck weiblicher Unterlegenheit und Unselbständigkeit. Mein Satz, dass wir in der Zeit weiblicher Heldinnen leben, sollte aussagen, dass es in unserer Zeit einfacher ist, ein gesellschaftlich akzeptiertes weibliches Heldenideal zu entwerfen als ein gesellschaftlich akzeptiertes männliches Heldenideal zu entwerfen. Und ja, ich glaube tatsächlich, dass dieses weibliche Heldenideal bei vielen Frauen zu Überforderung führt.

 

Männliche Archetypen unterscheiden sich von weiblichen. Männer machen gefährliche Extremsportarten, rauben Banken aus, gehen in den Boxring, schreiben eine Doktorarbeit oder streben eine Führungsposition an mit oft immer der gleichen Grundmotivation, dadurch für andere ein Held sein zu können. Wenn Frauen das gleiche machen, ist es noch lange nicht dasselbe. Ich bin hier keineswegs biologistisch. Ich behaupte nicht, dass wir aus den biologischen Gegebenheiten Normen ableiten sollten.

 

Jedoch sollte man sich der Implikationen solcher gesellschaftlicher Rollenzuschreibungen bewusst sein. Ein Blick in matriarchal organisierte Gesellschaften ist hier erhellend. Ich habe Berichte darüber gelesen. Da werden die Männer in der Gesamtheit als faule alkoholabhängige Spezies beschrieben, denen frau nicht zu viel Geld geben darf, um sie bei der Arbeit zu halten und vor destruktivem Verhalten zu bewahren. Wenn Männer keine Helden mehr sein können, ziehen sie sich anscheinend irgendwann ganz aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zurück und werden destruktiv. Während heute die Debatte über Frauen in Dax-Vorständen geführt wird, könnte das Feld in 60-90 Jahren komplett den Frauen überlassen sein. Die Debatte könnte in 60-90 Jahren darüber geführt werden, wie frau Männer überhaupt noch für gesellschaftliche Verantwortung begeistern kann und wie frau Männer vor destruktivem Verhalten bewahren kann. 

 

Um es nochmal zu sagen: Mir geht es nicht darum, aus biologistischen Motiven soziale Normen abzuleiten. Ich finde Gleichstellung ist eine gute Sache. Mir geht es darum, dass es gesellschaftlich akzeptierte Heldenideale als Projektionsfläche für die Archetypetypen braucht. Der Trend geht jedoch dahin, dass Archetypen verleugnet und unterdrückt werden müssen.

 

 

 

Das mit dem Boxen erinnert mich an eine sehr gute Sache aus dem Schulalltag, wo Jungen bewusst zum Boxtraining angeleitet wurden (es gab da einen Boxverein, der "angeheuert" wurde),  weil man sich langsam klar wurde, dass Jungen, gerade in einem gewissen Alter, andere Beduerfnisse haben, ihre Aggressionen auszuleben als Maedchen und dass das staendige Glotzen nur darauf, dass Maedchen nicht zu kurz kommen, dazu fuehrt, dass Jungen negiert werden in ihren Beduerfnissen und eine Haltung eintritt, sie sollten einfach "maedchenhafter" werdenn, dann gaebe es auch keine Probleme. 

 

So langsam setzt sich bei manchen die Erkenntnis wieder durch, dass die Geschlechter einer spezifischen Entwicklung unterliegen  und  spezifische Angebote brauchen. Bei uns hat mit nach Geschlecht getrenntem Unterricht in den oberen Stufen in naturwissenschaftlichen Faechern gute Erfahrungen gemacht, die Kurse wurden auch von den Schuelern angenommen. 

 

Es gibt (moeglicherweise hast du das im Hinterkopf) durchaus die gesellschaftliche Tendenz Jungen und Maenner zu feminisieren zu wollen. Die ueberidentifikation mit dem Weiblichen schlaegt skurrile Blueten,  Maenner hecheln dann  bei der Geburt mit, bekommen in der Schwangerschaft ihrer Frauen Baeuche und Fressgelueste, ahmen alles moegliche nach und wissen eigentlich gar nicht mehr, wer oder was sie sind, so sehr gehen sie in ihrer Frau auf (ueberspitzt formuliert). Die Tendenz, dass fuer alle alles dasselbe sei, loest allerdings Unterschiede nicht auf, sie vernachlaessigt sie lediglich oder versucht sie aus der Welt zu reden. 

 

Mit diesem Box-Projekt wurden gute Erfolge erzielt, uebrigens. Dahinter steht die Idee, Aggressionen bei Jungen eben nicht unterdruecken zu wollen, sondern sie als natuerlich anzusehen und ihnen den ihnen zustehenden freiraum zu verschaffen, der in der Modellen von absolut gleichfoermiger Erziehung beider Geschlechter ohne Unterschiede nicht mehr vorhanden ist. Dazu gehoert auch, ihnen spezifisch maennliche Identifikationsangebote zu machen, wobei wir dann wieder bei den "Helden" waeren. 

Ich denke, ich weiss ungefaehr, was du meinst. Heutzutage wird viel zu oft das kind mit dem Bad ausgeschuettet,  weil man es allen recht tun will, aus politischer Korrektheit und/oder weil man einfach nicht mehr nachdenkt und sich alles moegliche einreden laesst, was auf dem Markt kommt, und nicht genug differenziert wird. 

 

PS: Um den Begriff der Prinzessin zu ergruenden, taugt es nicht, die heutige irrationale Abwehrhaltung gegen den Begriff heran zu ziehen. Urspruenglich war die Prinzessin im Mythos ein Wert, nicht einfach ein Pueppchen, sondern etwas, was es wert war, zu erringen, und sie war die zukuenftige Koenigin, also der passende Counterpart zum Prinzen/Koenig. Der schoenste Filmkuss, den ich persoenlich kenne, ist uebrigens der Kuss zwischen Arwen und Aragon auf der Bruecke kurz vor Ende des Filmes, das ganz nebenbei. 

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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Am 3.4.2019 um 19:13 schrieb Long John Silver:

Was das eigentliche Thema angeht:

 

Vorschlag: Maria als Vorbild. 

Die Marienverehrung hat mE nichts mit Vorbildern zu tun.  Das ist eher eine Art idealisierte Darstellung der Mutter-Kind-Beziehung, möglicherweise auch des Mutterarchetyps, ich kenne mich mit Jungs Psychologie zu wenig aus. 

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Long John Silver
vor einer Stunde schrieb Merkur:

Die Marienverehrung hat mE nichts mit Vorbildern zu tun.  Das ist eher eine Art idealisierte Darstellung der Mutter-Kind-Beziehung, möglicherweise auch des Mutterarchetyps, ich kenne mich mit Jungs Psychologie zu wenig aus. 

 

Zustimmung. 

 

IIn diesem Fall: ich meinte nicht "Marienverehrung", richtig. 

 

Vorbild ist nicht der richtige Begriff fuer das, was ich meine. Ich denke schon,  dass die Beziehung zu Maria etwas von einer Mutter- Kind-Beziehung zu hat. Ich stelle jedenfalls fest, dass ich persoenlich mich in einigen Dingen vor allem und ausschliesslich an Maria wende. Ich denke, da sind die Sachen gut aufgehoben, die ich dann meine. Weil sie Mutter ist, ja. 

 

Eine Religion mit Vater, Sohn und Heiligem Geist braucht eine Mutter in diesem Gefuege (das hat durchaus archetypische Gruende). Abgesehen davon, dass natuerlich die Mutter von Jesus der Mensch ist, dem wir am meisten verdanken durch ihr "Herr, mir geschehe, wie du gesagt hast."

 

Ich glaube, das hat einige Facetten,  natuerlich ist mir Marienfroemmigkeit voellig fremd. Aber Maria als Ansprechpartnerin, als jemand, bei dem ich meine Sorgen gut aufgehoben weiss, als jemand, der mit dem goettlichen im engsten Kontakt von allen anderen Menschen stand und steht, das sagt mir sehr viel. 

 

Aber wie gesagt, Vorbild ist nur bedingt der passende Begriff, das stimmt.  Maria fuellt eine bestimmte, wie ich finde, unabdingbare Stelle aus in der christlichen Religion.  Das sind jetzt einfach Gedanken von mir, ich moechte keinesfalls eine theologische Diskussion darueber anzetteln oder irgendwelche Lehrmeinungen provozieren. Es ist eher eine voellig gefuehlsmaessige Hinwendung. Ich dachte, beim Thema Heilige und Heldenverehrung waere es eine gute Idee, Maria ins Spiel zu bringen. Der  Pfarrer meiner Kinder, das fand ich sehr spannend, hielt einmal eine Andacht ueber ein Bild "Maria, die Knotenloeserin". Es war eine Reihe Andachten mit jeweils einem bestimmten Thema. Das hat mich sehr beeindruckt, dieses Bild und auch die Zusammenhaenge. Auch das Bild, sich unter ihren Mantel zu fluechten, weist in eine bestimmte Richtung der Mutter-Kind-Beziehung. Dass diese Beduerfnisse eine archaische Struktur haben, macht sie, fuer mich jedenfalls, nicht weniger wichtig zu begreifen und zu fuellen, im spirituellen Bereich, im Gegenteil. Sonst bleibt ein Vakuum an diesen Stellen (das, wie hier bereits angesprochen, durch anderes versucht wird zu fuellen, was aber nicht klappen wird).

 

Aber das sind natuerlich vor allem meine Erfahrungen.  Vielen anderen sagt die Person der Maria gar nichts, oder nur sehr wenig,  egal ob Protestant oder Katholik.  Das haengt immer mit einer bestimmten Biografie zusammen, nehme ich an. 

 

 

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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Aragorn und Arwen sind ja tatsächlich ein gutes Beispiel,wenn man auch Beren und Luthien kennt. Die Luthien ist eine echt toughe Frau,die mit Beren alles meistert. Arwen sitzt zu Hause und stickt Banner.

 

Wenn Jungs oder Mädels Boxen wollen,sollen sie Boxen. Wobei bei Gewaltsport die Gewalt immer problematisiert werden muss.

Wenn Jungs und Mädels Puppen spielen wollen,sollen sie das tun.

Wenn ein Mädchen Baseball spielen und ein Junge Ballett tanzen will, sollen sie das tun. Wo ist euer Problem?

 

Die Archetypen sind ja vor allem in Märchen präsent und ich denke, jede\ r fühlt sich automatisch\ unbewusst zu einem oder mehreren dieser Archetypen hingezogen. Sowohl auf der männlichen als auch auf der weiblichen Seite.

bearbeitet von mn1217
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vor 41 Minuten schrieb mn1217:

 Wobei bei Gewaltsport die Gewalt immer problematisiert werden muss. ...

Gilt Ballett bei dir als "Gewaltsport"?  Es ist jedenfalls härter als Boxen. Und wie willst du diese angebliche Gewalt "problematisieren"?

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Völlig OT..

Es muss immer klar sein, dass es nicht normal ist, andere zu schlagen ,treten usw. Da sind auch die Trainer gefordert. Innerhalb des Sportes gelten ja auch strikte Regeln.

Ballett fällt eher unter Körperverletzung,zumindest, wenn es sehr strikt betrieben wird

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Zumindest mir geht es weniger um das, was jemand machen möchte, sondern womit sich jemand identifizieren möchte. Es gibt einen sehr guten Film (Name weiß ich nicht mehr) über einen Jungen, der sich für Balett interessiert und wirklich Talent hat. Sein Vater will aus ihm einen Baseballer machen und muss erst lernen, dass er dem Jungen damit nicht gerecht wird. Der Film endet mit einer Balletszene, in der aus dem Jungen ein muskulöser dynamischer Mann geworden ist, der bei einer Balletszene zu einem kraftvollen Balletsprung ansetzt. Dem Film gelingt es, den Filmhelden trotz dieser Bezogenheit auf eine Frauendomäne als männliche Identifikationsfigur darzustellen.

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Long John Silver
vor 10 Stunden schrieb mn1217:

 

Wenn ein Mädchen Baseball spielen und ein Junge Ballett tanzen will, sollen sie das tun. Wo ist euer Problem?

 

 

Ich habe kein Problem.

 

Ich schrieb ueber Archetypen allgemein und danach ueber Ansaetze in Schulprojekten, Jungen mehr gerecht zu werden.  Bitte,  nichts in meine Postings hinein interpretieren, was nicht darin steht. 

 

 

 

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Ich denke Schulprojekte sollten gar nicht versuchen, Mädchen oder Jungs gerecht zu werden, sondern ganz allgemein Kindern /Jugendlichen gerecht zu werden.

 

Zu Archetypen wurde ja schon alles geschrieben.

Warum man die aber verehren sollte? 

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vor einer Stunde schrieb mn1217:

Zu Archetypen wurde ja schon alles geschrieben.

Warum man die aber verehren sollte? 

Alles? :lol: 

 

Verehren braucht man sie nicht, aber es ist etwas skurril so zu tun, als seien es nur unbedeutende Theorien einiger Psychologen. Mit Archetypen ist es ungefähr so wie mit Sprachen. Die gibt es eigentlich auch nur theoretisch, aber sie haben schon eine gewisse Bedeutung.

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vor 2 Stunden schrieb Merkur:

Alles? :lol: 

 

Verehren braucht man sie nicht, aber es ist etwas skurril so zu tun, als seien es nur unbedeutende Theorien einiger Psychologen. Mit Archetypen ist es ungefähr so wie mit Sprachen. Die gibt es eigentlich auch nur theoretisch, aber sie haben schon eine gewisse Bedeutung.

Die Bedeutung negiert niemand. Aber Sprachen werden nicht verehrt.

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vor 4 Minuten schrieb mn1217:

Die Bedeutung negiert niemand. Aber Sprachen werden nicht verehrt.

Doch. In der Schule wird ihre Beherrschung sogar benotet. Ohne vertiefte Kenntnis mindestens einer Sprache hat man in den meisten Gesellschaften keine Chance.

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Gerade eben schrieb Merkur:

Doch. In der Schule wird ihre Beherrschung sogar benotet. Ohne vertiefte Kenntnis mindestens einer Sprache hat man in den meisten Gesellschaften keine Chance.

Vertiefte Kenntnisse gleich Verehrung?

 Naja...

Sich damit zu beschäftigen finde ich auch wichtiig,auch bei Heldenepen. Aber eine Sprache werden keine Statuen gebaut oder Tage gewidmet oder so. Vielleicht haben wir ein unterschiedliches Bild in dem,was Verehrung meint.

 

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vor 3 Stunden schrieb mn1217:

Aber eine Sprache werden keine Statuen gebaut oder Tage gewidmet oder so. Vielleicht haben wir ein unterschiedliches Bild in dem,was Verehrung meint.

 

Doch.

Und ein Denkmal der deutschen Sprache gibt es auch. 😉😉

 

 

 

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