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Nachrichten vom Literaturnobelpreis


Rotgold

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Immerhin kenne ich den Namen, was in der Vergangenheit bei den Preisträgern meistens nicht der Fall war 

bearbeitet von rince
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vor 30 Minuten schrieb rorro:

Ihn oder seine Literatur?

 

Ihn - und das ist natürlich eine unzureichende Antwort, denn ich plädiere seit langer Zeit dafür, bei Schriftstellern Werk und Leben auseinander zu halten, so sehr auch beides sich gegenseitig beeinflusst. Heimito von Doderer war einer der größten Schriftsteller deutscher Zunge, auch wenn er Nazi war. "Hunger" bleibt einer der größten Romane aller Zeiten, auch wenn Knut Hamsum, Nobelpreisträger auch er, Hitler bewunderte. Von Céline will ich gar nicht reden. Mit dem Egomanen Elias Canetti, Nobelpreis 1981, hätte ich es keinen Tag zusammen ausgehalten, und auch der von mir hoch verehrte Arno Schmidt soll ja im persönlichen Umgang nicht gerade einfach gewesen sein. Sagt man, ich habe mal mit seiner Frau telefoniert, zu ihm bin ich aber nicht durchgedrungen.

Also: Schlechte Manieren, miserabler Charakter und grauenhafte politische Ansichten sind das eine - die Werke sind das andere. Dennoch habe ich bei Schriftstellern auch ihre Vita im Kopf, das lässt sich nicht vermeiden und gibt natürlich auch Aufschluss über Eigenheiten des Werks.

 

Was nun Vita und Eigenheiten von Peter Handke angeht - das selbstverliebte Grübeln über die Mühen des Schriftsteller-Seins ist ja seinem Werk durchaus abzulesen - macht es mir vor allem sein Einsatz für den serbischen Nationalismus und für den Kriegsverbrecher Milošević schwer, mich beim Lesen auf die literarische Qualität seiner Texte zu konzentrieren.

Das ist das Eine. Das Andere ist die literarische Qualität, also das, was beim Nobelpreis für Literatur ja im Vordergrund steht. Und da muss ich sagen: Handkes Texte lassen mich kalt. Es ist ein grandioser Literat, keine Frage. Aber wenn ich etwas von ihm lese, habe ich eher das Gefühl "da muss ich jetzt durch" als "wie schön, dass ich das jetzt lesen darf". So etwas ist natürlich total subjektiv und sagt im Zweifel mehr über mich als über Handke aus. Aber wie gesagt: Ich mag ihn nicht.

Alfons

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Von Olga Tokarczuk hingegen habe ich bisher nichts gelesen. Dabei gibt es vieles von ihr auf Deutsch. Nach allem, was ich jetzt über sie und ihr Werk lese, freue ich mich darauf, ihre Bücher kennen zu lernen.

 

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Nun ist es  amtlich: Handke ist es.

Der SPIEGEL fragt:

Wie kommt die Nobel-Akademie dazu, so jemandem ihren Preis zu verleihen? Und das nach all den Skandalen im Umfeld der Akademie, die sogar dazu führten, dass der Preis ein Jahr lang gar nicht vergeben wurde. Sind die verrückt? Übermütig? Jetzt dem Sänger des Hoheliedes eines wahrscheinlich verantwortlichen, nicht verurteilten Massenmörders den Nobelpreis zu verleihen?


Mehr dazu: https://www.spiegel.de/kultur/literatur/literaturnobelpreis-2019-fuer-peter-handke-der-bessere-feind-a-1290913.html

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vor 4 Stunden schrieb Alfons:

Und die Literaturnobelpreise gehen an:

Olga Tokarczuk (2018)
Peter Handke (2019)

Ogott, ich kann Handke nicht ausstehen....

 

 

Ich kann Handke auch nicht mehr leiden.

Seit seiner Parteinahme für Serbien.

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vor 8 Stunden schrieb Alfons:

 

 

macht es mir vor allem sein Einsatz für den serbischen Nationalismus und für den Kriegsverbrecher Milošević schwer, mich beim Lesen auf die literarische Qualität seiner Texte zu konzentrieren.

 

 

Seinen Einsatz für den serbischen Nationalismus und für den Kriegsverbrecher Milošević kann  ich auch nicht gut heißen.

bearbeitet von Rotgold
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Am 10.10.2019 um 23:17 schrieb Rotgold:

Seinen Einsatz für den serbischen Nationalismus und für den Kriegsverbrecher Milošević kann  ich auch nicht gut heißen.

 

Der Literaturnobelpreis wird für Literatur vergeben, nicht für die korrekte politische Haltung. Man kann durchaus diskutieren, ob Handke ein würdiger Preisträger ist. Aber wenn, dann doch bitte mit Kritik am seinem literarischen Werk. Im übrigen wird es immer einen Teil der Welt geben, der die Verleihung des Preises an diesen oder jenen Schriftsteller kritisiert, und meist nicht wegen der literarischen Qualität, sondern aus politischen Gründen. Als Alexander Solschenizyn den Preis erhielt, regte sich die Hälfte der Welt, die dem real existierenden Sozialismus anhing, darüber auf; natürlich nicht wegen der literarischen Qualität, sondern aus politischen Gründen: Solschenizyn hatte für diesen Teil der Welt eine geradezu verbrecherische politische Haltung. Als im Jahr darauf Pablo Neruda den Preis erhielt, gab es von der anderen Seite der Welt Kritik, war doch Neruda Kommunist und ein Fan von Stalin, der ihn noch nach dessen Tod hymnisch feierte. Beide haben ein beeindruckendes literarisches Werk hinterlassen. Beide waren würdige Preisträger. Und auch Handke ist, auf ganz andere Art, ein würdiger Preisträger, ungeachtet seiner Verteidigung Milošević und des serbischen Nationalismus. Denn was am Ende bleibt, ist wie bei Neruda und Solschenizyn das literarische Werk.

bearbeitet von Mistah Kurtz
Nachtrag
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vor 1 Minute schrieb Mistah Kurtz:

 

Der Literaturnobelpreis wird für Literatur vergeben, nicht für die korrekte politische Haltung.

 

 

I know.

 

Aber ich muss ihn dennoch nicht mögen.

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vor 6 Minuten schrieb Rotgold:

 

I know.

 

Aber ich muss ihn dennoch nicht mögen.

 

Klar. Es gibt etliche Künstler die ich aus dem einen oder anderen Grund als Person nicht sonderlich schätze. Künstler sind oft schwierige, ja, im persönlichen Umgang eher unangenehme Menschen und in Hinblick auf ihre politischen Ansichten nicht selten mehr als nur grenzwertig. Ein Beispiel dafür ist Ezra Pound, der als Lyriker einer der ganz Großen in der angelsächsischen Literatur ist, auch wenn er politisch als Anhänger Mussolinis und des italienischen Faschismus schon weit jenseits des akzeptablen steht. Durchaus denkbar, dass er ohne diese Anhängerschaft den Nobelpreis erhalten hätte (so wie 1948 T.S. Eliot, sein Gefährte aus früheren Tagen).

 

Trotzdem: ich abstrahiere nach Möglichkeit das Werk vom Menschen. 

bearbeitet von Mistah Kurtz
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Ist die Wahl  von Peter Handke nicht politisch sehr in-korrekt?

Denn er ist weiß und männlich und alt.

 

Also fast schon ein  "dead white  male poet!"

 

😎

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Long John Silver
Am 10.10.2019 um 23:17 schrieb Rotgold:

Seinen Einsatz für den serbischen Nationalismus und für den Kriegsverbrecher Milošević kann  ich auch nicht gut heißen.

 

Ich befuerchte, wenn du politische Einstellung und persoenliche Vorlieben, korrekte Lebenslaeufe  und ob der Schriftsteller dir sympathisch ist und gut schreibt, brauchst du keinen Buecherschrank mehr, die Handvoll Buecher dann koenntest du auf dem Nachtisch stapeln, der Platz reicht aus:-)))

 

Ich lese gern Wallace, seine Afrika-Romane sind ganz toll, korrekt sind sie nicht.  Ich befuerchte eher, sie werden bald nicht mehr aufgelegt.

 

Und denk an Carroll, Stefan Zweig und ihre persoenlichen Neigungen (die beiden stellvertretend fuer die Kunst, Literatur ebenso wie Maleri und anderes,  bei der extreme Ansichten, Sublimierung von Neigungen etc.,  eigenartige private Ansichten Hand in Hand gehen mit grossartigen Werken und Kreationen). Liegt  vielleicht in der Natur der Sache.  Und in neuester Zeit an Leute wie Placido Domingo, die jaeh  in voellige Ungnade gefallen oeffentlich. 

 

Stephen King sagte einmal, dass ein Schriftsteller nicht korrekt sein darf, in dem was er schreibt, er darf sich keine Grenzen im Kopf bilden und sich lieb Kind machen wollen. Das betrifft wohl die Person ebenso wie das Werk.

 

Handke kenne ich (habe frueher ja auch mal eine Zeitlang auch Kurse in Deutsch gegeben, als Nebenerwerb), finde ich ausgesprochen langweilig. Ein typisch deutschsprachiger Schriftsteller,  der meint, Schreiben sei (leidende) Berufung. Ein Muss natuerlich, wenn man ueber deutsche Literatur im Unterricht spricht,  aber droege. 

 

Ein sehr integrer Mensch, sagt man, war Walt Whitman (den ich sehr schaetze). Ich hoffe nur, dass sie nicht irgendwann bei ihm was ausgraben, was dannin seine Biografien fuer immer und ewig als "Aber er  hat als junger Mann ...." eingeht (als dreizehnjaehriger  mal einer Farbigen an den Busen gefasst oder so was in der Art). 

 

Das mit Handke und Serbien kenne ich nur am Rande, aber ich erinnere mich an das Theater in Frankfurt mit Judith Butler wegen dieses Preises. 

 

Will sagen - es ist natuerlich sinnvoll, das Werk und persoenliches vom Autor/Kuenstler etwas zu trennen, ganz geht es natuerlich nicht, weil man immer im Hinterkopf hat, aber es sollte nicht die Beurteilung des Werkes tangieren oder gar das Werk diffamieren. 

 

Und wie gesagt - die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Warum Kuenstler meinen, sie muessten sich poliitisch aeussern, entzieht sich allerdings meiner Fassungsvermoegens. Hat euer Guenter Grass (dessen  Werk ich auch langweilig und aufgeblasen finde)  sich nicht auch ueber irgendein brisantes  politisches Thema gesprochen - irgendwas mit Israel? 

 

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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vor 3 Stunden schrieb Long John Silver:

 

Ich befuerchte, wenn du politische Einstellung und persoenliche Vorlieben, korrekte Lebenslaeufe  und ob der Schriftsteller dir sympathisch ist und gut schreibt, brauchst du keinen Buecherschrank mehr, die Handvoll Buecher dann koenntest du auf dem Nachtisch stapeln, der Platz reicht aus:-)))

 

 

 

 

 

Davon war keine Rede.

Aber beim Thema KRIEGS-VERBRECHEN ziehe ich eine rote Linie.

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vor 12 Stunden schrieb Rotgold:

Ist die Wahl  von Peter Handke nicht politisch sehr in-korrekt?

Denn er ist weiß und männlich und alt.

 

Also fast schon ein  "dead white  male poet!"

 

😎

 

Preise, bei denen es mehr um Proporz als um Leistung geht, sind entbehrlich. Konsequenterweise könnte man sie auch verlosen.

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vor 7 Stunden schrieb Rotgold:

 

Davon war keine Rede.

Aber beim Thema KRIEGS-VERBRECHEN ziehe ich eine rote Linie.

 

Welche Kriegsverbrechen hat Handke denn begangen?

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vor 52 Minuten schrieb Mistah Kurtz:

 

Welche Kriegsverbrechen hat Handke denn begangen?

 

 

Ha no - du waisch do sicher gonz g'nau, wie 's g'maint isch, gell?

Also froooog nit esóoooo .......

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Es gibt einen Kommentar in der FAZ, weshalb die Vergabe an Peter Handke nicht im Sinne des Stifters Alfred Nobel wäre. Laut seinem Testament sollte mit dem Literaturnobelpreis nicht nur literarische Qualität, sondern auch Idealismus belohnt werden. 

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Ich hab mir mal die Mühe gemacht, nachzuschauen, was sich über die Position Handkes auf die Schnelle finden läßt, und bin auf den Künstler-Appell für Miloseviv von 2004 gestoßen, den Handke mit unterzeichnet hat.

 

Das Argument war wohl im Wesentlichen der auch nach Ansicht vieler Völkerrechtler völkerrechtswidrige Krieg der Nato gegen Serbien, sowie der anschließende Prozeß in Den Haag gegen Milosevic, aber eben ausdrücklich nicht gegen die Verantwortlichen der Nato.

 

Dagegen stand (und steht wohl bis heute) die Position, die Verletzungen des Völkerrechts im Bürgerkrieg durch Serbien und seine Regierung und sein Militär sei Rechtfertigung genug. 

 

So geht es also einmal um die Frage, welcher Bruch des Völkerrechts der schwerwiegendere sei, wobei ich den Eindruck habe, daß in dieser Auseinandersetzung die Parteien den Bruch ausschließlich auf der jeweils anderen Seite sehen.

 

Zum anderen geht es darum, ob man den Literaturnobelpreis ausschließlich für die literarische Leistung vergibt, oder auch und vor allem für die moralische Integrität des Kandidaten (was immer das sein mag).

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vor 5 Minuten schrieb Marcellinus:

Zum anderen geht es darum, ob man den Literaturnobelpreis ausschließlich für die literarische Leistung vergibt, oder auch und vor allem für die moralische Integrität des Kandidaten (was immer das sein mag).

Es geht nach Alfred Nobel nicht um die moralische Integrität des Authors, sondern darum, ob Handke ein "herausragendes Werk im idealistischen Bereich" gefertigt hätte. Und da müsste doch die Frage gestattet sein, wo in seinem Werk Idealismus zu finden ist.

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vor 9 Minuten schrieb duesi:

Es geht nach Alfred Nobel nicht um die moralische Integrität des Authors, sondern darum, ob Handke ein "herausragendes Werk im idealistischen Bereich" gefertigt hätte. Und da müsste doch die Frage gestattet sein, wo in seinem Werk Idealismus zu finden ist.

 

Natürlich ist die Frage gestattet! Aber weder kann ich sie beantworten, noch weiß ich, ob man bei den anderen Empfängern dieses Preises darauf geachtet hat. Da mußt du dich an jemand wenden, der von Literatur Ahnung hat. ;)

 

Ich weiß nur, daß es darum in dieser Debatte bisher nicht geht. Hier geht es ausschließlich um Handkes Unterstützung für Milosevic und seine Ablehnung des Nato-Kriegseinsatzes gegen Serbien, übrigens der erste deutsche Militäreinsatz nach dem 2. Weltkrieg, und wesentlich durchgesetzt vom damaligen deutschen Außenminister Joschka Fischer.

 

Was meines Wissens zu einigen heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der grünen Partei geführt hat, und letztlich zum Austritt vieler fundamentalistischer Grüner, nicht selten mit kommunistischer Vergangenheit, was erst die Voraussetzung geschaffen hat für die Position der Grünen im heutigen Parteiensystem. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

bearbeitet von Marcellinus
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Hier eine kritische Stimme zum Lit-Nobel-Preis:

 

Zitat

Kunst und Künstler zu trennen ist Luxus

Wie sollten sie das können? Wenn ein Künstler Verbrechen begeht, gutheißt oder leugnet, wenn er Täter zu Opfern macht, dann ist Kunst und Künstler zu trennen ein Luxus, den man sich leisten können muss. Es ist eine perfide Form der Mülltrennung, die da stattfindet, wo solche Künstler verteidigt werden: Ja, sie haben schon mal dies oder das gesagt oder getan, sich "verlaufen", "verrannt", "verzettelt", aber man müsse abseits davon doch die Literatur als solche betrachten und sozusagen den Restmüll vom ästhetisch Brauchbaren trennen. Was aber, wenn man das nicht kann? Und zwar nicht, weil man keine Ahnung von Literatur hat, sondern gerade weil man bestimmte Ansprüche an sie hat?
 

 

 

 

https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/peter-handke-und-der-nobelpreis-perfide-muelltrennung-a-1291617.html

 

Hier gebe ich Magarete Stokowski ausnahmsweise recht.

bearbeitet von Rotgold
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vor 6 Minuten schrieb gouvernante:

Das wird sie freuen :)

Kein Zweifel! - No doubt about that! :)

 

Selle Frau kriagt ja sunscht nit all z'viel Lob vun mia! 🤭

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Ich halte den Artikel für blanken Unsinn. Zur Zeit gibt es im Kunsthistorischen Museum in Wien die Ausstellung "Caravaggio & Bernini". Caravaggio war bekanntlich ein Mörder. Er erschlug mit dem Schwert einen jungen Mann mit dem er in Streit geraten war. Es ist nicht bekannt, dass er diesen Mord jemals bedauert hätte. Soll man sich seiner Kunst verweigern? Oder wie wäre es mit der Kunst eines Benvenuto Cellini, der wegen seiner gewalttätigen Auseinandersetzungen zum Tode verurteilt wurde und sein Leben nur durch Flucht rettete. 

 

Und ich lasse keinen Zweifel daran, dass ich seine Kunst gerne konsumiere (wobei ich Kunst nicht konsumiere, aber das ist ein anderes Thema). Allerdings habe ich kein Bedürfnis mit "räudigem Trotz dieses Bedürfnis zu rechtfertigen". Legte man ernsthaft die Maßstäbe einer Stokowski an, man müsste die halbe Kunstgeschichte einstampfen. Wer sich so verarmen will, wer nur Kunst von moralisch einwandfreien Künstlern "konsumieren" will, der muss sich auch den Bildern eines Paul Gauguin verweigern, der sich eine 13-Jährige ins Bett holte, ebenso jenen eines Alexej Jawlensky, der eine 14jährige schwängerte. Und natürlich muss so jemand auch die Augen verschließen vor der Architektur eines Alfred Loos und die Ohren vor der Musik eines  Carlo Gesualdo, der aus Eifersucht seine Frau und ihren Liebhaber ermordete. Und wie ist es mit Henri Charrière, Jean Genet oder Anne Perry? Soll man deren Bücher, allesamt Mörder, nicht mehr "konsumieren"? 

 

Ich muss Künstler nicht mögen, ich mag sie für Verbrecher halten, für menschlich unter jeder Sau ... und trotzdem bin ich imstande den Wert in ihrer künstlerischen Arbeit zu schätzen, bin beispielsweise mit, ja, Ehrfurcht in der Kirche San Luigi dei Francesi  vor den Bildern des Mörders Caravaggio gestanden und hatte und habe nicht eine Sekunde das Gefühl, das in irgend einer Weise rechtfertigen zu müssen. Caravaggio war ein Mörder, ja. Und? Sind seine Bilder deshalb schlechter? Verarme sich wer will, das ist mir gleich. Mir aber vorschreiben zu wollen, wie ich die Kunst solcher Verbrecher und Mörder zu sehen oder nicht zu sehen haben, da denke ich mir in Hinblick auf diese Kreuzritter der moralischen Wohlanständigkeit in aller Ruhe: Ihr könnt mich mal. 

 

Nachtrag: ich freue mich schon auf den Besuch der "Caravaggio & Bernini"-Ausstellung im KHM Ende Oktober. 

bearbeitet von Mistah Kurtz
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