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Mythen


Domingo

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Aus einem Beitrag in einem anderen Thread habe ich endlich die Inspiration bekommen, einen neuen Thread über Mythen zu starten. Einerseits brauchen Mythen gemäß den Aussagen vieler Anthropologen, Historiker usw. nicht wörltich wahr zu sein, sondern es kommt auf die Sinnstiftung an, die sich durch die Erzählung ergibt, welche ja symbolisch oder so etwas in der Art wirkt. Andererseits scheint dies eine eher moderne Interpretation zu sein, wird die wörtliche Korrektheit der Mythen doch oft verbissen verteidigt.

 

Als Beispiel denke ich an den Mythos um Wilhelm Tell. Die Hauptelemente der Erzählung kommen in skandinavischen Mythen vor, daher hat jemand im 19. Jh. behauptet, Wilhelm Tell sei keine historische Person gewesen. Nun wurde das mW nicht akzeptiert - und ich glaube mich daran zu erinnern, dass jemandem in der Schweiz der Prozess gemacht und er sogar strafrechtlich verurteilt wurde, weil er die Existenz Tells geleugnet hatte, kann es aber nicht mehr finden (vielleicht ist das auch wieder ein Mythos - die Kräfte der Aufklärung werden verfolgt und müssen sich úhsam durchsetzen - Atheisten haben ihre eigenen Mythen, wie Giordano Bruno, ein Mystiker, der an ein platonistisches und magisches Weltbild glaubte, den manche Atheisten aber als Helden der Rationlität ansehen...).

 

Jedenfalls scheint die nichtwörtliche, aber symbolisch-sinnstifftenden Bedeutung von Mythen eine eher moderne Idee, weswegen man sich die Frage stellen könnte, ob eine solche Sichtweise nicht im Grunde ein Rückzugsgefecht ist, das Mythen zu "retten" versucht, nachdem die Geschichts- und Naturwissenschaften sie gründlich diskreditiert haben?

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Kann es sein, daß unsere heutige Sicht darauf beruht, daß in unserem Denken Fakt und Fiktion auf eine Art getrennt sind, die dem Denken der Altvorderen einfach nicht gerecht wird.

 

Für mich geht es da eher in eine Denkrichtung, die ich mir im Zusammenhang mit 1. Kön 5,15–6,38 begegnet ist: Indem der Text gelesen wird, wird der Tempel jedesmal - gedanklich - wieder aufgebaut. Ähnlich würde ich auch an andere Mythen herangehen: indem der Mythos erzählt und tradiert wird, wird er auf der nichtfaktischen Ebene trotzdem wahr.

 

Es hat für mich eine andere Form der Realitätswahrnehmung wobei die "gedankliche" Sphäre ein Spiegel der "faktischen" ist und daher auch in die faktische Welt wieder hineinwirkt.

 

Ein schönes Beispiel finde ich, sind Schöpfungsmythen. Ob nun Gott in 7 (bzw. eigentlich 6) Tagen die Welt erschuf oder ob im Anfang nur die Kluft der Klüfte klaffte ist keine wissenschaftliche Dissertation. Ich glaube auch nicht, daß diese Mythen im Ursprung als solche konzipiert waren, denn unsere gedankliche Mauer zwischen "Irdischem" und "Transzendentem" ist in dieser strikten Form glaube ich noch keine 150 Jahre alt. Dennoch waren diese Mythen für die Altvorderen "wahr" in dem Sinne, daß sie eine Wirklichkeit beschrieben, die sich in ihrer Erfahrung der Welt wiederfand.

 

Diese Mauer dürfte der Grund dafür sein, warum man den Mythos entweder auf den Symbolismus reduziert oder aber ihn im Wortsinn zu beweisen versucht (wie die Suche nach der Arche Noah oder Sodom und Gomorrha), eben weil für heutige Menschen nur die eine oder die andere Ebene "wahr" sein kann.

bearbeitet von Flo77
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Mythen sind sicher nicht historisch, sie drücken aber in der Zeit ihrer Entstehung Erklärungen aus für Dinge oder Ereignisse, die sich die Menschen sonst nicht erklären konnten.

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Mythen können zwar auf Tatsachen basieren, aber sie haben andere Funktionen als ein Tatsachenbericht. Einerseits kommen sie dem Vorstellungsvermögen entgegen, d.h. man weiß nicht ob sie wahr sind,  aber man glaubt sie gerne, ähnlich den urban legends (Spinne in der Yucca-Palme usw.). Darüber hinaus haben sie sicherlich auch eine Propagandafunktion. Beispiel hierfür ist z.B. der englische Gunpowder Plot, der sich zwar wahrscheinlich im wesentlichen so zugetragen hat wie es erzählt wird, aber gleichzeitig auch bestimmten Zwecken dient (Stärkung des Nationalbewußtseins als protestantisches Land). In diese Kategorie gehört auch der Mythos von Wilhelm Tell. 

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Ich pack hier noch mal meinen Text hinein:

 

Ein Mythos ist eine Erzählung, die einen bestimmten Sinn vermitteln soll. Dazu schildert der Mythos (egal ob naturalistisch oder übernatürlich) eine Handlung, eine Folge von Ereignissen oder Personen in einer solchen Weise, daß sich daraus scheinbar zwangsläufig spezifischen Wertungen ergeben. 

 

Ein Mythos hat damit einen auf die eigene Gruppe hin ordnenden und normativen Charakter, Eigenschaften, die die Wirklichkeit, die der Mythos zu beschreiben vorgibt, nicht hat.

 

Mythologisierung ist eine erzählerische Überformung eines Zusammenhangs, die ihre wertsetzenden Zielsetzung zu verschleiern sucht. Mythen gibt es in allen möglichen Bereichen, in der Religion, aber auch in Geschichte oder Politik. 

 

Als „ordnende Beschreibung der Welt“, und damit als Sinnstiftung, ist es die wesentliche Aufgabe des Mythos, die grundsätzliche Sinnlosigkeit der Welt vor sich und anderen zu verbergen. 

 

Ein Beispiel dafür sind die Mythen des Alten Testaments, die die Aufgabe hatten, die grundsätzliche Unterlegenheit der Israeliten gegenüber den Ägyptern zu verbergen, sehr zum Nachteil der Israeliten, die sich in militärische Abenteuer stürzten, die sie verlieren mußten.

 

 

Und dazu eine kleine Ergänzung: Daß Mythen eine bestimmte Aufgabe erfüllen, heißt nicht zwingend, daß sie zu diesem Zweck auch mutwillig konstruiert wurden. Eher umgekehrt. Menschen sind Gruppen bildende und Geschichten erzählende Primaten, und viele Geschichten, wenn sie einmal in der Welt sind, entwickeln ein Eigenleben. Die Geschichte von Wilhelm Tell ist dafür ein gutes Beispiel, stammt doch offenbar die Idee mit dem Armbrustschützen und dem Apfel ursprünglich aus Skandinavien. Menschen hören Geschichte, finden sie interessant, und passen sie mit mal mehr mal weniger Aufwand ihren eigenen Interessen an. Gilgamesh Epos und die Sintflut-Geschichte sind so ein Beispiel, wie eine Geschichte unter ganz unterschiedlichen Prämissen funktionieren kann. 

 

Gemeinsam ist diesen Mythen dagegen, daß sie einen Sinn vermitteln wollen, den diese Welt an sich nicht hergibt, aber das gilt eigentlich für jede gute Geschichte. 

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Was früher der Mythos war ist heute der Kinofilm. Weiss doch jeder dass die Story nicht wahr ist, aber kann es locker ausfiltern. Nach meinem Geschmack ist eine Story besser je plausibler sie sich wirklich hätte ereignen können. Wie Wilhelm Tell eben, oder "Murder on the Orient Express" die ohne Einsatz von Fabelwesen wie feuerspeiende Drachen oder Ausserirdische auskommen.

 

Mythen in "Heiligen Büchern" sind mmn einfach Propaganda für die jeweilige Religion. Wenn Israel mal einen Krieg gewann war es sein Supergott der dafür sorgte. Wenn es, wie meistens, einen Krieg verlor, war es die Strafe desselben Supergottes.

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Auch sehr reale Ereignisse können zu Mythen werden, zB der Untergang der " Titanic".

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vor 38 Minuten schrieb Marcellinus:

Gemeinsam ist diesen Mythen dagegen, daß sie einen Sinn vermitteln wollen, den diese Welt an sich nicht hergibt,

Das klingt mir aber sehr nach dem, was Du bei MSS kritisierst, nämlich die verabsolutierte Realität im Sinne einer physikalischen Überprüfbarkeit.

 

Könnte allerdings damit zusammenhängen, daß "Sinn" kein eindeutiger Begriff ist und im modernen Sprachgebrauch eine eher utilitaristische Konnotation hat (Sinn = Zweck). "Zweck" aber impliziert eine Bestimmung bzw. Absicht. Unter diesem Aspekt muss jede "Sinn"-Suche im Bezug auf die materielle Existenz logischerweise scheitern, da "Absicht" immer eine Form von Bewusstsein dahinter braucht um überhaupt vorhanden zu sein. Wenn dieses Bewusstsein mangels physikalischer Beweisbarkeit nicht angenommen werden kann, ergibt sich automatisch die "Sinn"-Losigkeit allen materiellen Seins.

 

Die Bedeutung von "Sinn" im Bezug auf die Mythen liegt nach meinem Verständnis vielmehr in der "Deutung" bzw. "Bedeutung". Also eher in der subjektiven Bewertung als in der objektiven Beschreibung. Der Sinn der Existenz erklärt sich nur aus der Bedeutung, die der menschliche Verstand ihr beimisst. Der Mythos ist im Grunde der über die Zeiten innerhalb einer Gruppe entwickelte Maßstab diese Bewertung vorzunehmen.

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28 minutes ago, mn1217 said:

Auch sehr reale Ereignisse können zu Mythen werden, zB der Untergang der " Titanic".

Deswegen wird der Untergang nicht zum Mythos. Aber - Kinofilm eben wieder - man erfindet eine Story mit einem arroganten englischen Aristokraten und einem selbstlosen irischen Emigranten, mixt es mit historischen Fakten (die Band spielte ja laut Ueberlebenden wirklich bis zum Schluss) und voilà - man hat den Zuschauer mit seiner selbstgestrickten Moral "beglückt".

https://www.history.com/news/the-true-stories-that-inspired-titanic-movie-characters

 

bearbeitet von phyllis
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vor 2 Stunden schrieb Domingo:

Als Beispiel denke ich an den Mythos um Wilhelm Tell. Die Hauptelemente der Erzählung kommen in skandinavischen Mythen vor, daher hat jemand im 19. Jh. behauptet, Wilhelm Tell sei keine historische Person gewesen. Nun wurde das mW nicht akzeptiert - und ich glaube mich daran zu erinnern, dass jemandem in der Schweiz der Prozess gemacht und er sogar strafrechtlich verurteilt wurde, weil er die Existenz Tells geleugnet hatte, kann es aber nicht mehr finden

jo, das halte ich für einen Mythos - oder Urban Legend, wie man heute dazu sagt :) 

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1 hour ago, Marcellinus said:

Die Geschichte von Wilhelm Tell ist dafür ein gutes Beispiel, stammt doch offenbar die Idee mit dem Armbrustschützen und dem Apfel ursprünglich aus Skandinavien.

 

Soweit ich weiß, ist der Gesslerhut eine Besonderheit der Schweizer Version. Erst durch ihn wird der Tell-Mythos zur Geschichte über den Kampf um die Freiheit. In anderen Versionen ist der begnadete Schütze zB arrogant und der König will ihn durch die Herausforderung ein wenig bescheidener machen. Andererseits haben alle Versionen das Element des späteren Aufstandes, durch den der betreffende Herrscher abgesetzt wird, das muss aber nicht zwingend mit Freiheit oder gar Demokratie zu tun haben, obwohl in der Schweizer Version der Aufstand diese Bedeutung bekommt.

bearbeitet von Domingo
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vor einer Stunde schrieb Flo77:
vor 2 Stunden schrieb Marcellinus:

Gemeinsam ist diesen Mythen dagegen, daß sie einen Sinn vermitteln wollen, den diese Welt an sich nicht hergibt,

Das klingt mir aber sehr nach dem, was Du bei MSS kritisierst, nämlich die verabsolutierte Realität im Sinne einer physikalischen Überprüfbarkeit.

 

Sinn ist eine soziale Kategorie, keine physikalische. 

 

vor einer Stunde schrieb Flo77:

Könnte allerdings damit zusammenhängen, daß "Sinn" kein eindeutiger Begriff ist und im modernen Sprachgebrauch eine eher utilitaristische Konnotation hat (Sinn = Zweck). "Zweck" aber impliziert eine Bestimmung bzw. Absicht. Unter diesem Aspekt muss jede "Sinn"-Suche im Bezug auf die materielle Existenz logischerweise scheitern, da "Absicht" immer eine Form von Bewusstsein dahinter braucht um überhaupt vorhanden zu sein. Wenn dieses Bewusstsein mangels physikalischer Beweisbarkeit nicht angenommen werden kann, ergibt sich automatisch die "Sinn"-Losigkeit allen materiellen Seins.

 

Die Bedeutung von "Sinn" im Bezug auf die Mythen liegt nach meinem Verständnis vielmehr in der "Deutung" bzw. "Bedeutung". Also eher in der subjektiven Bewertung als in der objektiven Beschreibung. Der Sinn der Existenz erklärt sich nur aus der Bedeutung, die der menschliche Verstand ihr beimisst. Der Mythos ist im Grunde der über die Zeiten innerhalb einer Gruppe entwickelte Maßstab diese Bewertung vorzunehmen.

 

Bewusstsein ist eine materielle Tatsache, wenn auch nicht in einem physikalisch-reduktionistischen Sinne. 

Zum Thema „Materialismus“ habe ich ein schönes Zitat des Soziologen Norbert Elias:

 

„Übrigens lehrte mich das Studium von medizinischen Grundwissenschaften wie Physiologie und Anatomie zugleich auch der Vorstellung zu mißtrauen, daß der Mensch ein Stück Materie sei. Was sich zeigte, war, daß der Mensch eine enorm komplizierte Organisation von Materie ist. Die gesamte Materie, aus der ein Mensch besteht, mag noch beieinander sein - wenn die Organisation der Materie nicht mehr richtig funktioniert oder ganz zusammenbricht, verliert der Organismus die Fähigkeit, sich selbst zu rekonstruieren, und wir sagen dann: der Mensch ist tot.“
(N.E. Bd 17, S. 19)

 

Unser ganzer Organismus ist eine hochkomplizierte Organisationsform von Materie, und unsere geistigen Fähigkeiten sind ein Teil davon. Der philosophische Antagonismus „Geist - Materie“ ist ein Anachronismus; er ist einfach von gestern.


Sinn ist eine menschliche Bewertung, das sehe ich wie du, allerdings oft eher eine soziale als eine individuelle. Der Sinn der Existenz ist meiner Ansicht nach eher ein Gefühl, als das Ergebnis von Überlegungen. Menschen, die diesen Sinn nicht empfinden, denen werden intellektuelle Handstände auch nicht helfen. Wenn man anfängt, über den Sinn des Lebens nachzudenken, ist er meist schon weg, und kommt durch bloßes Denken meist auch nicht wieder.

 

Mythen transportieren daher meistens nur das Selbstverständnis einer Gruppe, und treten in der Regel auch in Rudeln auf. 

 

 

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Ich denke, dass man drei Arten von Mythen unterscheiden muss:

 

1.) Mythen, die ein für die Menschen, die es erleben, unerklärbares Ereignis zu deuten versuchen.
   Darunter könnte etwa die ursprüngliche, babylonische Sintfluterzählung fallen: In einer weiten Ebene wie Mesopotamien ist es möglich, dass ein großes Gebiet überschwemmt wurde und unvorstellbar viele Menschen an dem Hochwasser starben. Dies konnten sich die Menschen nur mit dem Zorn der Götter / Gottes erklären.
 Darunter fällt auch die ursprüngliche (skandinavische) Version der Brunhildsage, in der Brunhild auf einer Insel lebt, die vom Feuer umgeben und daher unzugänglich ist. Den ersten Seefahrern, die Island aus der Ferne sahen, mag das Land so vorgekommen sein.

 

2.) Mythen, die von vornherein oder zum Großteil dazu erzählt wurden, das Ideal der jeweiligen Religion zu vermitteln.
Darunter fällt etwa die Erzählung von Abraham in der Bibel oder die Aeneis in der römischen Sagenwelt, in der der Gott bzw. den Göttern bedingungslos gehorsame Stammvater belohnt wird und sich dadurch die Legitimation seiner Nachkommen ableitet.

 

3.) Mythen, die ein historisches Ereignis ausschmücken:
 Martin Luther hat historisch existiert, der Thesenanschlag in Wittenberg in dieser Form nicht, wenn auch die 95 Thesen Luthers Werk waren.

 Kaiser Konstantin hat historisch existiert und ließ das Christentum offiziell zu und förderte es. Warum er sich dem Christentum zuwandte, bleibt unklar. Die Sage vom Kreuz am Himmel, das ihm den Sieg über seinen Widersacher versprach, ist wohl die Erfindung eines späteren Autors.

 Es gibt gute Argumente dafür, dass Mose existiert hat und wirklich Anführer einer Gruppe von Menschen war, die aus Ägypten floh. Diese Gruppe war aber mit einiger Sicherheit kein ganzes Volk und der Großteil der Auszugsgeschichte hat ziemlich sicher so nie stattgefunden.
Mit der Historizität Wilhelm Tells habe ich mich noch nicht beschäftigt. Sicher gab es den Bund der Urkantone; vermutlich wurde er durch als grausam empfundenes Handeln eines Verwalters hervorgerufen. Ziemlich sicher ist die Geschichte vom heruntergeschossenen Apfel ein aus der Wielandsage kopiertes Motiv.

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Bei den Deutungsmythen und Lehrmythen (sprich der Erklärung des Unerklärlichen und der Beschreibung des Idealen) stimme ich Dir zu, bei den Propagandamythen fehlt mir allerdings das "Mythische". Der klassische Mythos dient identifikatorischen Zwecken, d.h. die, die ihn erzählen bzw. hören sind über die gemeinsame Sprache und Vorstellungswelt miteinander verbunden. Der gemeinsame Erzählungsschatz bildet die geistige Heimat.

 

Der Thesenanschlag oder der Apfelschuss erfüllen meiner Meinung nach nicht die Kriterien für einen echten Mythos. Beiden Anekdoten fehlt z.B. in die Einbettung in einen größeren mythologischen Zusammenhang. Innerhalb einer konkreten Geschichtsschreibung wirken sie dramatisierend - der Sturm auf die Bastille ist ja auch so ein Phänomen - aber es sind singuläre Erscheinungen, die auch noch völlig innerweltlich passieren. Phyllis schrieb oben, daß sie eine Geschichte umso eher anspräche, je wahrscheinlicher sie sei. Das trifft auf die genannten drei Ereignisse tatsächlich zu - sie sind "alternative Geschichtsschreibung", die einen sehr konkreten Wahrheitsanspruch vermittelt. Damit gehen diese Anekdoten weitaus weiter und weitaus forscher voran als es ein Mythos - dessen "Wahrheit" eben ganz bewusst keine ausschließlich historisch-faktische ist - je täte.

bearbeitet von Flo77
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Vor allem sollte man überlegen, ob man zu einer zutreffenden Beschreibung des Begriffs „Mythen“ kommt, wenn man selbst solchen anhängt. 

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Es ist auch ein Mythos,dass es Menschen gäbe,die keinem Mythos anhängen.

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vor 4 Stunden schrieb Marcellinus:

Vor allem sollte man überlegen, ob man zu einer zutreffenden Beschreibung des Begriffs „Mythen“ kommt, wenn man selbst solchen anhängt. 

Damit meinst du hoffentlich nicht das Christentum. Ich habe vor vielen Jahren eine Predigt gehört, in der es um die Aussage ging: "Wenn der Glaube schwindet, werden die Dogmen zu Mythen". Ein Mythos, dem man selber anhängt, ist natürlich keiner.

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vor 5 Stunden schrieb mn1217:

Es ist auch ein Mythos,dass es Menschen gäbe,die keinem Mythos anhängen.

 

Ein besonders überzeugender Satz, wenn man „Mythos“ nicht definieren kann.

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vor 5 Stunden schrieb Flo77:

Ach die Tour...

 

Ja, die Tour! Es ist nun einmal ein grundsätzliches Problem der Menschenwissenschaften, daß hier Subjekt und Objekt identisch sind, was nicht selten den Wunsch zum Vater des Gedankens macht.

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