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Gnade und Natur


Inge33

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vor 2 Stunden schrieb Inge33:

Ich lese oft "Gnade setzt die Natur voraus". Dieser Satz wird verwendet, als verstehe er sich von selbst. Tut er aber nicht, zumindest nicht für mich. Was bedeutet das? Hat jemand eine Idee?

Könntest du erklären, in welchem Zusammenhang du diesen Satz liest? Ich hab den noch nie (bewusst) gelesen. (Was nichts heißen muss...) Vielleicht hast du ein Beispiel?

Mir kommt der Satz sogar extrem missverständlich vor. Rein grammatikalisch könnte man ihn m.E. sogar in beide "Richtungen" lesen. Vermutlich ist gemeint: Ohne Natur keine Gnade. Aber man könnte es theoretisch auch umgekehrt verstehen, oder? Ohne Gnade keine Natur. 

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Alles bisher Geschriebene geht in die richtige Richtung: Gnade setzt die Natur voraus (Gratia [prae]supponit naturam) ist eines der scholastischen Hauptaxiome aus der Gnadenlehre.

 

Kurz gesagt läuft es auf das hinaus, was Spadafora eingangs schrieb: Die Gnade, man unterscheidet da nochmal sehr feingliedrig zwischen geschaffener, ungeschaffener, eingegossener, zuvorkommender, rechtfertigender Gnade usw., setzt sozusagen ein Gefäß voraus, in dem sie Wohnung nehmen und wirksam werden kann. Das ist in diesem Satz die Natur. Hier geht es konkret um die Natur des Menschen, der die Gnade Gottes empfangen soll. Das funktioniert, seit der Mensch gefallen ist, nicht mehr ohne Weiteres.

 

Deshalb spricht z. B. Thomas einerseits von praeparatio, der Vorbereitung auf die Gnade, und andererseits von dispositio, der "Fähigkeit" zum Empfang bzw. Wirksamwerden der Gnade. Man darf sich die Gnade nicht wie eine Art Zauberelixier vorstellen, sondern sie verstärkt sozusagen im Menschen angelegte Potenziale, das kann man trainieren, sich vorbereiten. Das trifft vor allem auf die virtutes, die Tugenden zu. Allerdings geht das nur, wenn eine bestimmte Grundlage, eine Disposition, vorhanden ist. Fehlt diese kann die Gnade, so die ältere Überzeugung, nicht wirksam werden (das war u. a. der Grund, warum geistig Behinderten außer der Taufe zumeist keine weiteren Sakramente, insbesondere nicht die Firmung, gespendet wurden. Man ging davon aus, dass die im Sakrament vermittelte Gnade in ihnen aufgrund ihrer Einschränkung nicht entfaltet werden könnte). 

 

Gnade und Natur stehen nach dieser klassischen Interpretation also in einem kommunikativen Verhältnis zueinander und bedingen sich. Und die Gnade wandelt auch die Natur und führt sie zur Vollendung. Thomas beschreibt diesen Vorgang als motio, als Bewegung auf Gott zu, die von der Gnade unterstützt wird. 

 

In der zeitgenössischen Theologie hat man sich von der Trennung zwischen Natur und Gnade sukzessive verabschiedet. Man spricht im Rückblick, insbesondere auf den Neo-Thomismus, etwas verächtlich von einer "Stockwerkstheologie", im Erdgeschoss wohnt die Natur, im ersten Stock die Gnade. Man ist bemüht, die Gnadenlehre weniger von der Übernatur her zu denken, sondern sie integrativ, als vom Menschen her gedacht, zu verstehen. Insgesamt ist man in der Theologie von dem eher technischen Ansatz der Scholastik und Neuscholastik abgerückt und überlässt solche komplizierten Themen wie "Gnade" der höheren Einsicht Gottes. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 27 Minuten schrieb Inge33:

Vielen Dank! Heißt das, dass der Mensch mitwirken muss mit der Gnade, sonst kann sie nicht wirken? Das heißt, der freie Wille ist entscheidend?

Zwingend ist das nicht. Nach katholischer Auffassung wohl ja, nach traditioneller calvinistischer Auffassung nein. Ich persönlich stehe der zweiten Meinung näher.

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vor 23 Stunden schrieb Inge33:

Ich lese oft "Gnade setzt die Natur voraus". Dieser Satz wird verwendet, als verstehe er sich von selbst. Tut er aber nicht, zumindest nicht für mich. Was bedeutet das? Hat jemand eine Idee?

Gnade ist übernatürlich, weil sie göttlich ist. Sie wirkt aber auf das Natürliche, also die Natur des Menschen, indem sie diese Natur (teilweise) über sich selbst hinaushebt: zB wird das Prozesshafte der Natur (Physiologie, Neurologie) nicht beseitigt, aber es unterliegt nicht mehr ausschließlich den natürlichen Gesetzmäßigkeiten, wenn die übernatürliche Gnade wirksam ist. So kann also übernatürliche Gnade nur im Kontext der (Bestätigung der) Natur gedacht werden.

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vor 19 Stunden schrieb Inge33:

Vielen Dank! Heißt das, dass der Mensch mitwirken muss mit der Gnade, sonst kann sie nicht wirken? Das heißt, der freie Wille ist entscheidend?

 

Ja der freie Wille ist entscheidend. Der Mensch kann sich der angebotenen Gnade widersetzen, weil er freien Willen hat. Es gibt aber auch theologische Denkrichtungen, die einen auf Gottes Willen beruhenden Determinismus predigen. Der freie Wille des Menschen resultiert natürlich letztendlich aus dem Willen Gottes: er schuf den Menschen mit freiem Willen, eben weil er den Menschen als sein Bild erschaffen hat - der freie Wille des Menschen ist das kreatürliche Analogon zu Gottes absoluter Autonomie.

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Ich finde das Nachdenken über das Verhältnis von "Gnade" und "Natur" sehr spannend und auch sehr inspirierend. Auch denke ich, dass es doch nicht unwichtig ist und erhebliche Konsequenzen für entsprechende Schlussfolgerungen  mit sich bringt, wie man genau dieses Verhältnis / Beziehung von Natur und Gnade genauer versteht.

 

Was meiner Beobachtung nach jedoch ziemlich ungeklärt bleibt, ist, wie Gesprächs- / Diskussionsteilnehmer jeweils den Begriff "Natur" verstehen. Gerade in kirchlichen / theologischen Kontexten stößt man auf Bedeutungsebenen des Wortes "Natur", die man außerhalb dieses Kontextes gar nicht versteht und dessen Bedeutungsebene dann auch gar nicht teilt. Die Folge: man redet von Anfang an aneinander vorbei.

 

Also, man muss im Bereich von Kirche und Theologie, wo der Satz, "Gnade setzt die Natur voraus", beheimatet ist und verwendet wird, zuerst klarmachen, was man

 

a. ) genau unter "Natur" versteht

b. ) aufgrund welcher Erkenntnisquellen man zu seinen Einsichten über die "Natur" des Menschen komnt..

 

Wenn wir ganz allgemein über die "Natur des Menschen" sprechen, so sind die verschiedenen Wissenschaften die Quelle unserer Erkenntnis. Wollen wir wissen, was genauer die "Natur des Menschen" ausmacht, muss ich die Erkenntnisse in den unterschiedlichsten Wissenschaften studieren und zur Kenntnis nehmen. 

 

Dabei stellt man verblüfft fest, dass in Bezug auf das, was in der Theologie die "gefallene"  Menschennatur bezeichnet wird, sich keinerlei Hinweise in den Wissenschaften finden lassen. Dass es in Bezug auf die Erkenntnisse der Neturwissenschaften über die Menschennatur so einen "Sünden -Fall" des Menschen überhaupt nicht gibt, er eine reine theologische Spekulation darstellt....

 

Wenn gesprochen wird von der "Menschennatur" vor und nach dem "Fall" so kann man nüchtern feststellen, dass sich von den Wissenschaften her keinerlei Belege für eine solche Veränderung der "Natur" des Menschen im Verlauf seiner geschichtlichen Entwicklung als "Gattung" feststellen lässt. 

 

Die Wissenschaften kennen schlichtweg keinen "Urzustand" der Menschennatur, der zu einem konkreten Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte stattgefunden haben soll und der die "Menschennatur" radikal verändert hätte, so dass die "Natur" des Menschen vor und nach dem "Fall" eine komplett andere wäre.

 

Genau diese Einsicht, dass hier bestimmte theologische Spekulationen über die "Menschennatur" sich mitunter vollkommen unterscheiden von Erkenntnissen der Wissenschaften über die "Menschennatur" führt zu erhablichen Konsequenzen für den Austausch über den Satz, "die Gnade setzt die Natur voraus". Ich kenne den Satz noch ausführlicher: "die Gnade zerstört nicht die Natur, sondern setzt sie voraus, erhebt und vollendet sie".

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vor 6 Stunden schrieb Cosifantutti:

Wenn wir ganz allgemein über die "Natur des Menschen" sprechen, so sind die verschiedenen Wissenschaften die Quelle unserer Erkenntnis. Wollen wir wissen, was genauer die "Natur des Menschen" ausmacht, muss ich die Erkenntnisse in den unterschiedlichsten Wissenschaften studieren und zur Kenntnis nehmen.

 

Warum nur die Wissenschaften? Warum nicht die Offenbarung? Ist ja schließlich ein Satz des Christentums, um den es geht

 

vor 6 Stunden schrieb Cosifantutti:

Dabei stellt man verblüfft fest, dass in Bezug auf das, was in der Theologie die "gefallene"  Menschennatur bezeichnet wird, sich keinerlei Hinweise in den Wissenschaften finden lassen. Dass es in Bezug auf die Erkenntnisse der Neturwissenschaften über die Menschennatur so einen "Sünden -Fall" des Menschen überhaupt nicht gibt, er eine reine theologische Spekulation darstellt....

 

Wenn gesprochen wird von der "Menschennatur" vor und nach dem "Fall" so kann man nüchtern feststellen, dass sich von den Wissenschaften her keinerlei Belege für eine solche Veränderung der "Natur" des Menschen im Verlauf seiner geschichtlichen Entwicklung als "Gattung" feststellen lässt. 

 

Die Wissenschaften kennen schlichtweg keinen "Urzustand" der Menschennatur, der zu einem konkreten Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte stattgefunden haben soll und der die "Menschennatur" radikal verändert hätte, so dass die "Natur" des Menschen vor und nach dem "Fall" eine komplett andere wäre.

 

Genau diese Einsicht, dass hier bestimmte theologische Spekulationen über die "Menschennatur" sich mitunter vollkommen unterscheiden von Erkenntnissen der Wissenschaften über die "Menschennatur" führt zu erhablichen Konsequenzen für den Austausch über den Satz, "die Gnade setzt die Natur voraus". Ich kenne den Satz noch ausführlicher: "die Gnade zerstört nicht die Natur, sondern setzt sie voraus, erhebt und vollendet sie".

 

Wenn man die Offenbarung außen vor läßt für die Bestimmung der Natur des Menschen, wird man ihr - aus christlicher Sicht - natürlich nicht gerecht.

 

Oder, mit den Worten des Zweiten Vatikanums zu sprechen, der mit bekannteste Abschnitt aus Gaudium et Spes, Absatz 22: "Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf."

 

Für Nichtgläubige ist das natürlich Quatsch, aber who cares?

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vor 1 Stunde schrieb rorro:

Warum nur die Wissenschaften? Warum nicht die Offenbarung? Ist ja schließlich ein Satz des Christentums, um den es geht

 

Wenn man die Offenbarung außen vor läßt für die Bestimmung der Natur des Menschen, wird man ihr - aus christlicher Sicht - natürlich nicht gerecht.

 

Oder, mit den Worten des Zweiten Vatikanums zu sprechen, der mit bekannteste Abschnitt aus Gaudium et Spes, Absatz 22: "Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf."

 

Für Nichtgläubige ist das natürlich Quatsch, aber who cares?

 

Glauben oder Wissen, du hast die Wahl. 

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Es ist irgendwie zu "meinem" Thema geworden, aber ich würde einmal folgende Frage aufrufen: Wenn es den Sündenfall und daraus folgend die gefallene Natur des Menschen nicht gibt, sondern allenfalls, wie @Cosifantutti andeutete, eine Art unveränderten Ur-Zustand des Menschen, wozu sollte es dann der Gnade überhaupt bedürfen? Wozu braucht es sie? Dann gibt es diese tiefgreifende Entfremdung des Menschen von Gott, welche die Gnade überbrücken helfen soll, ja nicht. Dann genügt die Natur und die Gnade wäre überflüssig. 

 

Man könnte weiter fragen: Wozu war es dann nötig, dass Gott in seinem Ratschluss von Anfang an die Inkarnation seines Sohnes geplant hat und warum musste uns dieser den Himmel erst wieder aufschließen? [Ich weiß, dass die franziskanische Schultradition darauf alternative Antworten gefunden hat, aber ein bedeutender, ich würde sagen der dominantere theologische Traditionsstrang geht kurz gesagt so: Sündenfall -> Paradies verschlossen - Inkarnation - Passion (Sühneleiden/Kreuzesopfer] Christi und Auferstehung -> Versöhnung der Menschheit mit Gott - Himmel wieder offen] 

 

 

bearbeitet von Studiosus
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vor 10 Minuten schrieb rorro:
vor 18 Minuten schrieb Marcellinus:

Glauben oder Wissen, du hast die Wahl. 

 

Das "Wissen" der Welt ist Dein Glauben. Und vorläufig.

 

Vorläufig ja, aber Wissen auch dann, wenn man es nicht glaubt. DAS ist der Unterschied!

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vor 58 Minuten schrieb Marcellinus:

Vorläufig ja, aber Wissen auch dann, wenn man es nicht glaubt. DAS ist der Unterschied!

 

Nicht wirklich. Der katholische Glaube ist ja auch wahr, wenn man nicht dran glaubt (weil sich bspw. nie damit beschäftigt hat oder nie damit eine einladende Begegnung hatte).

Genauso sind viele "gewußte" Sachen vorläufig wahr, mit denen ich mich nie beschäftigt habe.

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vor 2 Stunden schrieb rorro:

 

Warum nur die Wissenschaften? Warum nicht die Offenbarung? Ist ja schließlich ein Satz des Christentums, um den es geht

 

 

Wenn man die Offenbarung außen vor läßt für die Bestimmung der Natur des Menschen, wird man ihr - aus christlicher Sicht - natürlich nicht gerecht.

 

Oder, mit den Worten des Zweiten Vatikanums zu sprechen, der mit bekannteste Abschnitt aus Gaudium et Spes, Absatz 22: "Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf."

 

Für Nichtgläubige ist das natürlich Quatsch, aber who cares?

Genau das meine ich ja, dass man ständig aneinander vorbeiredet, wenn man sich nicht über die Bedeutung von Begriffen verständigt.

 

Wenn ich von "Natur" des Menschen spreche, seine "naturale" "natürliche" biologische Beschaffenheit, dann sind für Erkenntnisgewinne über die "Natur" des Menschen die "Natur"- Wissenschaften zuständig. 

 

Das, was Theologen mit "Natur" des Menschen meinen zB im Zusammengang mit der "gefallenen" Menschennatur ist ein rein theologisches Gedanken-Konstrukt....

 

Auf diese unterschiedlichen Ebenen wollte ich hinweisen....diese Unterscheidung hat ja nicht zuletzt erhebliche Bedeutung für das Verständnis vom Verhältnis zwischen Natur und Gnade

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Während Augustinus bezüglich des Heils der Schöpfung das von Gott Offenbarte über die Erkenntnisse des Menschen (über die Natur inklusive auch seine eigene) stellte, vertrat Thomas ("Gnade setzt die Natur voraus") dagegen die Meinung, dass das Heil der Schöpfung in und mit der Natur (auch der des Menschen) geschähe, und darum die Gotteserkenntnis nicht gegen die Welterkenntnis ausgespielt werden dürfe. Je nachdem kann man sich auf Augustinus oder Thomas berufen, also so wie man es gerade in einer Streitfrage wie dieser genehm ist, und in beiden Fällen die Weisheit der Väter und der Tradition der Kirche hochhalten.

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vor einer Stunde schrieb Studiosus:

Es ist irgendwie zu "meinem" Thema geworden, aber ich würde einmal folgende Frage aufrufen: Wenn es den Sündenfall und daraus folgend die gefallene Natur des Menschen nicht gibt, sondern allenfalls, wie @Cosifantutti andeutete, eine Art unveränderten Ur-Zustand des Menschen, wozu sollte es dann der Gnade überhaupt bedürfen? Wozu braucht es sie? Dann gibt es diese tiefgreifende Entfremdung des Menschen von Gott, welche die Gnade überbrücken helfen soll, ja nicht. Dann genügt die Natur und die Gnade wäre überflüssig. 

 

Man könnte weiter fragen: Wozu war es dann nötig, dass Gott in seinem Ratschluss von Anfang an die Inkarnation seines Sohnes geplant und warum musste uns dieser den Himmel erst wieder aufschließen? [Ich weiß, dass die franziskanische Schultradition darauf alternative Antworten gefunden hat, aber ein bedeutender, ich würde sagen der dominantere theologische Traditionsstrang geht kurz gesagt so: Sündenfall -> Paradies verschlossen - Inkarnation - Passion (Sühneleiden/Kreuzesopfer] Christi und Auferstehung -> Versöhnung der Menschheit mit Gott - Himmel wieder offen] 

 

 

Ein paar Anmerkungen: ich habe nicht von einem wie immer gearteten "Urzustand" des Menschen gesprochen, sondern zunächst mal darauf hingewiesen, dass der Begriff "Natur" des Menschen keinesfalls so eindeutig ist und man sich zunächst darüber verständigen muss, was man denn genauer unter der "Natur" des Menschen versteht. Und dann eben auch darauf verwiesen, dass für Erkenntnisse der "Natur" eben logischerweise die "Natur"- Wissenschaften zuständig sind.

 

Die theologische Verwendung des Begriffes "Natur" ist in meinen Augen davon zu unterscheiden und ist eine theologische Konstruktion.... Wenn wir die Vorstellung vom "Sündenfall" betrachten, so können wir doch ganz allgemein sagen, dass von den Naturwissenschaften her es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass so etwas innerhalb der realen Menschheitsgeschichte irgendwann mal stattgefunden hat. Die "Menschennatur" hat sich schlicht kontinuierlich über Millionen von Jahren entwickelt wie sie sich eben real entwickelt hat. Es gab in der realen Menschheitsgeschichte nie   (  im physikalisch verstandenen Sinne ) eine "Zeit" des Paradieses, in der die "Natur" des Menschen eine vollkommen andere gewesen wäre als im realen Sinne zeitlich "nach" dem "Sündenfall" und der Vertreibung aus dem Paradies.

 

Das macht Reflexionen über das Verhältnis von Natur und Gnade keinesfalls überflüssig. Nur sollten wir uns immer sehr genau bewusst machen, wenn wir uns in der Welt der theologischen Spekulationen und Konstruktionen befinden, was für Schlüsse jeweils aus diesen Konstruktionen gezogen werden.

 

Beispiel: Augustinus mit seiner "massa damnata" oder die Lehre von der doppelten Prädistination des Menschen etc...

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vor 12 Minuten schrieb Cosifantutti:

Wenn wir die Vorstellung vom "Sündenfall" betrachten, so können wir doch ganz allgemein sagen, dass von den Naturwissenschaften her es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass so etwas innerhalb der realen Menschheitsgeschichte irgendwann mal stattgefunden hat.

 

Das ist an sich richtig, nur welchen Beweiswert sollte das haben? Der Sündenfall und seine Folgen ist, da bin ich völlig bei Dir, nichts, was von der "Naturwissenschaft" beobachtet oder analysiert werden könnte. Das zu versuchen wäre in etwa so sinnvoll wie die tatsächlich unternommenen Versuche, das Gewicht der Seele wissenschaftlich messen zu wollen. 

 

Du weißt ja selbst darauf hin, dass Natur im naturwissenschaftlichen Gebrauch und Natur im philosophisch-theologischen Gebrauch nicht identisch sind, sondern durchaus etwas Verschiedenes meinen. Gleichzeitig führst Du als Argument gegen die verletzte Natur des postlapsarischen Menschen an, die Naturwissenschaft könne den Sündenfall und seine Folgen für die menschliche Natur (theologisch!) nicht fassen und beschreiben, also gebe es sie nicht. Damit hältst Du die zurecht angemahnte Unterscheidung der Naturbegriffe selbst nicht ein und bewertest einen theologische Gegenstand mit naturwissenschaftlichen Kriterien. Das erscheint mir nicht ganz stimmig. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Stunden schrieb Studiosus:

 @Cosifantutti  ich würde sagen der dominantere theologische Traditionsstrang geht kurz gesagt so: Sündenfall -> Paradies verschlossen - Inkarnation - Passion (Sühneleiden/Kreuzesopfer] Christi und Auferstehung -> Versöhnung der Menschheit mit Gott - Himmel wieder offen] 

 

 

Auch da kann man anmerken: Von Gott her war wohl der Himmel nie "verschlossen"... nur die Menschen haben das in ihrer radikalen Existenzangst, die sie dann auf Gott selber porojiziert es so empfunden. Die "Erlösung" durch Jesus geschieht ja durch sein Leben, seine Verkündigung von der Herrschaft Gottes, sein Tod am Kreuz war nicht die Voraussetzung für die Erlösung sondern die letzte Konsequenz seines Leben, seiner Verkündigung.... mit Recht kann man sagen, Jesus ist eine Art "Ursakrament" für die Welt, wenn wir sein Leben, seine Existenz, seine Verkündigung meditieren, haben wir einen Zugang zur Wirklichkeit Gottes. Aber von Gott selber her, war wohl die Türe zu ihm nie zu. 

bearbeitet von Cosifantutti
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vor 7 Minuten schrieb Cosifantutti:

Von Gott her war wohl der Himmel nie "verschlossen"... nur die Menschen haben das in ihrer radikalen Existenzangst, die sie dann auf Gott selber porojiziert es so empfunden

 

Worauf stützt sich diese Ansicht? Das scheint mir doch eher eine sehr moderne, mithin existentialistisch umhauchte Interpretation der Heilsgeschichte zu sein. 

 

Über den Rest deines Beitrages kann man diskutieren. Sicher erschöpft sich die Sendung Christi nicht in der Passion, sondern - wie ich andeutete - es spielt sein gesamtes Leben, angefangen beim Wunder der Inkarnation über seine Lehre und sein Wirken, eine heilsgeschichtliche Rolle. Dass das Kreuzesopfer Christi hingegen die zentrale Heilstat darstellt, steht meines Erachtens außer Frage. Zumindest hat die Kirche es schon immer so gedeutet und verkündet. Das ist mehr als eine Beglaubigung oder die Konsequenz eines Lebens oder einer Lehre. Und mehr als das Schicksal eines Menschen, der für seine Überzeugungen unter die Räder gekommen ist. 

bearbeitet von Studiosus
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vor einer Stunde schrieb rorro:

 

Nicht wirklich. Der katholische Glaube ist ja auch wahr, wenn man nicht dran glaubt (weil sich bspw. nie damit beschäftigt hat oder nie damit eine einladende Begegnung hatte).

Genauso sind viele "gewußte" Sachen vorläufig wahr, mit denen ich mich nie beschäftigt habe.

Es sind unterschiedliche Ebenen der Erkenntnis. Glaubenswahrheiten sind eben Wahrheiten im Sinne des Bekenntnisses. Das Credo, in dem die fundamenralen Wahrheiten des Glaubrns zusammengefasst sind, nennen wir zurecht Glaubensbekenntnisse. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften ( zB Schwerkraft etc .. );benötigen ein solches Bekenntnis nicht

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vor 17 Minuten schrieb Cosifantutti:

Jesus ist eine Art "Ursakrament" für die Welt, wenn wir sein Leben, seine Existenz, seine Verkündigung meditieren, haben wir einen Zugang zur Wirklichkeit Gottes.

 

Die Verwendung des Begriffs Ursakrament für Jesus Christus, wie er sich aus Lumen Gentium ableitet, scheint mir doch etwas mehr zu meinen als eine reine Meditation über ihn oder seine Botschaft. Das Konzil bezeichnet die Kirche, da sie die Sakramente von Christus erhalten hat, als Grundsakrament und in diesem Sinne ist Christus das Ursakrament, da er es ist, der eigentlich in den Sakramenten wirkt und handelt. Das zu dem Begriff Ursakrament. 

 

Mir kommt das, was Du über die Rolle der Person Jesu Christi im Heilsplan schreibst, etwas wenig vor. Es geht ja nicht nur darum, sein Leben und Wirken zu meditieren, sondern sein Kreuzesopfer ist elementare Voraussetzung für die universale Erlösung der Menschheit und der Weg, über die verlorengegangene Freundschaft mit Gott wiedererlangt werden kann. 

 

Johannes Paul II. hat das in dem Interviewband "Die Schwelle der Hoffnung überschreiten" ziemlich gut ins Wort gebracht: Jesus Christus ist nicht nur irgendeine Figur der Religionschichte, irgendein Weisheitslehrer wie Sokrates oder Buddha, der den Menschen neue Einsichten über Gott und die Welt gebracht hat, sondern er ist die inkarnierte Wahrheit, die letztgültige Offenbarung Gottes. An dieser Sonderstellung und Unvergleichbarkeit Christi dürfte man als Christ nicht vorbei kommen. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 16 Minuten schrieb Studiosus:

 

Das ist an sich richtig, nur welchen Beweiswert sollte das haben? Der Sündenfall und seine Folgen ist, da bin ich völlig bei Dir, nichts, was von der "Naturwissenschaft" beobachtet oder analysiert werden könnte. Das zu versuchen wäre in etwa so sinnvoll wie die tatsächlich unternommenen Versuche, das Gewicht der Seele wissenschaftlich messen zu wollen. 

 

Du weißt ja selbst darauf hin, dass Natur im naturwissenschaftlichen Gebrauch und Natur im philosophisch-theologischen Gebrauch nicht identisch sind, sondern durchaus etwas Verschiedenes meinen. Gleichzeitig führst Du als Argument gegen die verletzte Natur des postlapsarischen Menschen an, die Naturwissenschaft könne den Sündenfall und seine Folgen für die menschliche Natur (theologisch!) nicht fassen und beschreiben, also gebe es ihn nicht. Damit hältst Du die zurecht angemahnte Unterscheidung der Naturbegriffe selbst nicht ein und bewertest einen theologische Gegenstand mit naturwissenschaftlichen Kriterien. Das erscheint mir nicht ganz stimmig. 

Jetzt starte ich nochmals einen Versuch: wir sind uns ja erfreulicherweise darüber einig, dass der Begriff "Natur" unterschiedlich verwendet wird. Ich habe deine bisherigen Ausführungen an verschiedenen Stellen über den Sündenfall lediglich so ( miss ? - ) verstanden, als wäre da ein raumzeitliches Geschehen in der realen Menschheitsgeschichte mitgemeint, vor allem dein Hinweis "nach" dem Sündenfall, als ein zeitliches Geschehen im Sinne der Chronologie... . Wenn man bei diesen Vorstellungen von "Paradies" Sündenfall" etc .. strikt auf der theologisch-philosophisch spekulativen Ebene bleibt, ist doch alles in Ordnung und die Ebenen bleiben sauber differenziert. Die Crux ist eben, dass wir für die unterschiedliche Verwendung des Begriffes "Natur" nur ein Wort haben und keine sprachliche Differenzierung wie etwa bei "sky" und "Heaven"

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vor 25 Minuten schrieb Studiosus:

Johannes Paul II. hat das in dem Interviewband "Die Schwelle der Hoffnung überschreiten" ziemlich gut ins Wort gebracht: Jesus Christus ist nicht nur irgendeine Figur der Religionschichte, irgendein Weisheitslehrer wie Sokrates oder Buddha, der den Menschen neue Einsichten über Gott und die Welt gebracht hat, sondern er ist die inkarnierte Wahrheit, die letztgültige Offenbarung Gottes. An dieser Sonderstellung und Unvergleichbarkeit Christi dürfte man als Christ nicht vorbei kommen. 

Vollkommene Zustimmung. Mich stört bisweilen nur die einsseitige Fixierung auf den Tod am Kreuz im Zusammenhang mit der Vorstellung der "Erlösung" ... das gesamte Leben Jesu ist sozusagen das "Sakrament Gottes" in der Welt... sein gesamtes öffentliches Auftreten.... natürlich verdichtet sich das alles nochmals in seinen letzten Lebenstagen. Jesu Tod am Kreuz besiegelt nochmal auf vollkommen eindeutige Weise seine ganze Botschaft von Gott während seines öffentlichen Auftretens. 

 

 

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