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Bewusstes Erleben (Qualia)


KevinF

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Im Fürwahrhalten-Thread ergab sich eine Diskussion um die Philosophie des Geistes.

 

Ich würde diese gerne hier fortführen.

 

Um meine letzte Antwort an @iskander noch einmal auf den Punkt zu bringen:

 

On 9/16/2024 at 3:46 PM, iskander said:

2) Kann man das Bewusstsein aus funktionalen Zuständen heraus verstehen und es aus ihnen ableiten?


Hier wäre meine Antwort (wie ausgeführt) ebenfalls ein nein - aus einem reinen System funktionaler Zustände und ihrer Verhaltensweisen lassen sich nur weitere funktionale Zustände und ihre Verhaltensweisen ableiten.

 

 


Das ist doch aber nur wieder die Argumentation "Diesen Prozess können wir uns auch ohne bewusstes Erleben vorstellen, also kann er nicht hinreichend für Bewusstsein sein."

 

In Bezug auf das Gehirn als Ganzes ist diese Argumentation unstrittig ungültig, da es offensichtlich Bewusstsein erzeugt.

Warum sollte sie dann bezüglich der funktionalen Aspekte des Gehirns gültig sein?

 

Dass Bewusstsein durch Berechnung (Computation) entsteht kann a priori unmöglich ausgeschlossen werden.

 

Die Aussage "das kann ich mir aber auch ohne Bewusstsein vorstellen" weist lediglich darauf hin, dass uns "P-Zombies" als logisch möglich erscheinen.

 

Dass sie faktisch unmöglich sind, würde ich als factum brutum betrachten, davon hattest Du mich im Laufe der Diskussion ja bereits überzeugt.

 

Aber warum soll das ein Problem für den Naturalismus sein?
Wo soll das Mysterium sein?

 

Haben wir abgesehen von Deiner Ablehnung des Funktionalismus überhaupt einen Dissens oder ist der Rest nur Semantik?

Edited by KevinF
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Marcellinus

Ich verstehe nicht einmal den Sinn dieser Frage. ;) 

 

Besteht irgendein Zweifel, daß es so etwas wie Bewußtsein bei Menschen gibt? Ich denke, nein. 

Ist es ein Teil unseres Gehirns und seiner (ich sag mal vorsichtig) Eigenschaften / Fähigkeiten? Ganz offensichtlich ja.

Wissen wir, wie genau das Bewußtsein entsteht? Nein. (Aber wir wissen, welche Teile des Gehirns wir betäuben müssen, um es auszuschalten)

Ist das ein Problem? Nun, aus meiner Sicht kein größeres als unser Nichtwissen in anderen Bereichen unseres Gehirns. 

Gibt es einen Grund, anzunehmen, daß wir nicht mehr als heute über unser Bewußtsein herausfinden können? Nein. 

 

Es scheint mir also wieder eines dieser philosophischen Probleme zu sein, auf den die Philosophie selbst zwar keine Antwort weiß (weil sich das Problem durch bloßes Denken nicht lösen läßt), aber es gibt für mich keinen Zweifel, daß es darauf eine theoretisch-empirische Antwort geben wird, und wir heute schon sehr viel mehr wissen (könnten), wenn wir die Philosophie außen vor ließen. :)

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Marcellinus

Ich weiß nicht mal wirklich, wo das Problem ist. Bewußtsein ist doch im Kern nichts anderes als ein Bild von uns selbst, und wie alle anderen Bilder in unserem Kopf, werden sie von unserem Gehirn erzeugt. Ansätze dazu finden sich meines Wissens auch schon bei vielen Tieren. Bewußtsein, als eine Ich-Perspektive, scheint also nicht einmal etwas besonderes zu sein.

 

Es ist auch nicht die einzige Perspektive, die unser Gehirn erzeugt. Man könnte die hier die ganzen Personal-Pronomen durchgehen. Neben der Ich-Perspektive gibt es die Du-Perspektive, die immer dann greift, wenn wir uns mit einem Gegenüber auseinandersetzen. Auch das ist nichts Magisches. Wir können nicht wirklich die Gedanken eines anderen lesen, unser Gehirn tut nur so, und je genauer wir ihn kennen, umso besser paßt es; wenn nicht, dann kann die sogenannte Empathie auch gehörig in die Hose gehen. 

 

Dann gibt es die Wir-Perspektive, die immer dann greift, wenn wir uns als Gruppe empfinden. Sich im seelischen Gleichklang mit vielen anderen zu befinden, kann eine beglückende oder auch erschreckende Erfahrung sein, für einen selbst, in letzterem Fall vor allem für andere. Auch das Bild produziert ganz eindeutig unser Gehirn. Wissen wir, wie es funktioniert? Nein. Ist das ein Problem, oder der Hinweis auf etwas Metaphysisches. Ebenso sicher nein. 

 

Diese wenigen Beispiele verweisen übrigens darauf, daß es sich bei unseren Bewußtseinszuständen durchaus nicht nur um ein naturwissenschaftliches Problem handelt, sondern vor allem um ein psychologisches oder soziologisches. Vielleicht noch ein Grund, warum weder die Physik noch die Philosophie uns da Antworten liefern kann. Die Physik versucht es aber meines Wissens auch nicht. ;)

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Der Threadtitel "Bewusstes Erleben" bringt mich auf die Idee, dass das Problem möglicherweise gar nicht darin besteht das "Bewusste" sondern das "Leben" zu definieren. Vielleicht ist es bloß eine ideologische und weder eine geistes- noch eine naturwissenschaftliche Diskussion. Die einen tendieren scheinbar dazu, über ein angebliches "Bewusstsein" künstlicher Intelligenz "Leben" zusprechen zu wollen, aber eigentlich geht es darum, dem Menschen das Lebendige abzusprechen: Mensch > Trockennasenaffe > Maschine, alles ist Materie, alles ist Physik. Die anderen tentieren dazu, den Unterschied zwischen belebter und unbelebter Materie hoch zu halten. 

 

Wieso sollte das Zünglein an der Waage eigentlich das "Bewusstsein" sein, wo doch in keiner Definition des Lebens, das Bewusstsein eine Rolle spielt? 

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Marcellinus
vor einer Stunde schrieb Weihrauch:

aber eigentlich geht es darum, dem Menschen das Lebendige abzusprechen:

 

Wo bzw. bei wem siehst du das?

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Marcellinus
vor 10 Minuten schrieb Weihrauch:

Bei allen Beteiligten, inklusive dir und mir. 

 

Zitier’ es, oder laß es!

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Marcellinus

Bei der Gelegenheit, es gibt meines Wissens keine allgemein verbindliche Definition von Leben. Da fällt mir Nietzsche ein: 

 

Alle Begriffe, in denen sich ein ganzer Prozeß semiotisch [d.h. in einem absoluten  Begriff] zusammenfaßt, entziehn sich der Definition; definierbar ist nur das, was keine Geschichte hat.

 

Leben kennen wir bisher nur auf der Erde, und da ist es ein Prozeß, der aus einfachen Eiweißbausteinen über einzelne Zellen bis zu den heutigen Lebewesen geführt hat. Und wir Menschen, als Teil dieser Entwicklung von Leben, haben nun angefangen, Maschinen zu bauen, die einzelne Funktionen haben, die es bisher nur bei Lebewesen gab. Fingen diese Maschinen nun auch noch an, sich selbst zu reproduzieren, könnte man von künstlichem Leben sprechen. Da sind wir zwar noch nicht, aber wir können es am Horizont sehen. 

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Was soll ich zitieren: Alles ist Physik, alles ist Materie, Computer (haben oder) werden "Bewusstes Erleben (Qualia)" haben? Willst du abstreiten, dass sich die Diskussion darum dreht, dass das niemand gesagt hätte? Niemand hat es bisher explizit ausgesprochen, aber wenn Mensch und Maschine ein Erleben von Bewusstsein haben, leben Mensch und Maschine oder weder Mensch noch Maschine.

 

Abgesehen davon, dass ein Bewusstsein "der Maschine" reine Spekulation ist, noch dazu eine weder verifizierte noch eine falsifizierbare (was es "noch" nicht gibt, lässt sich schlecht falsifizieren). "Noch nicht" ist suggestiv, aber keine Gewähr dafür, dass etwas jemals eintreten wird, und wenn, stellt sich das unlösbare Problem herauszufinden, wie es ist, eine Fledermaus oder eben eine KI zu sein.

 

Wenn man das Bewusstsein des Menschen als "Krone der Schöpfung" vom Thron gestoßen hat, ist alles andere was das Leben per Definition ausmacht auch kein Problem für die Robotik mehr. Mein Beitrag hier ist bezeichnenderweise von allen Beteiligten ignoriert worden. Nicht zuletzt darum halte ich das "Bewusstsein" in diesem Zusammenhang der KI für einen ideologischen Strohmann, und wer sich auf einen Strohmann erst einmal eingelassen hat, ist Teil der Strohmanndiskussion, egal welche Position er dabei einnimmt. Darum sagte ich "alle Beteiligten".

 

Ich bin jedenfalls gegen eine Vermaschinisierung des Lebens, eine Entmenschlichung durch "bewusste" Maschinen, aber für die Verzauberung des Lebens, für den Menschen inklusive seiner Phantasie, seines Wunschdenkens, seiner Illusionen, seiner Märchen, seiner Poesie, seiner Hoffnung, seinem Glauben und seiner Liebe. Die Wahrheit interessiert mich nicht, aber die Wirklichkeit des Dialoges zwischen dir und mir, lasse ich mir nicht nehmen, was zweifellos eine ideologische Haltung meinerseits ist.  

Edited by Weihrauch
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Marcellinus
vor 48 Minuten schrieb Weihrauch:

Was soll ich zitieren: Alles ist Physik, alles ist Materie, Computer (haben oder) werden "Bewusstes Erleben (Qualia)" haben? Willst du abstreiten, dass sich die Diskussion darum dreht, dass das niemand gesagt hätte?


Aber ich nicht!, Und das hast du behauptet! Ist übrigens auch nicht meine Terminologie.

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On 9/19/2024 at 7:17 PM, Marcellinus said:

Ich verstehe nicht einmal den Sinn dieser Frage. ;) 

 

Es geht um zwei Fragen, 1.) ist das Bewusstsein ein Problem für den Naturalismus ("Qualiaproblem"), 2.) Entsteht Bewusstsein durch Computation, so dass theoretisch auch ein Computerprogramm Bewusstsein erlangen könnte?

 

Ich meine zu 1 nein, bei 2 sehe ich zumindest keine zwingenden Gründe, die dagegen sprechen. Vielmehr erscheint es mir die naheliegendste Erklärung zu sein, dass unser Bewusstsein tatsächlich durch Berechnung erzeugt wird.

 

On 9/19/2024 at 7:30 PM, Marcellinus said:

Wissen wir, wie es funktioniert? Nein. Ist das ein Problem, oder der Hinweis auf etwas Metaphysisches. Ebenso sicher nein. 

 

Sehe ich auch so.

 

 

Edited by KevinF
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7 hours ago, Weihrauch said:

Wenn man das Bewusstsein des Menschen als "Krone der Schöpfung" vom Thron gestoßen hat, ist alles andere was das Leben per Definition ausmacht auch kein Problem für die Robotik mehr. Mein Beitrag hier ist bezeichnenderweise von allen Beteiligten ignoriert worden. Nicht zuletzt darum halte ich das "Bewusstsein" in diesem Zusammenhang der KI für einen ideologischen Strohmann, und wer sich auf einen Strohmann erst einmal eingelassen hat, ist Teil der Strohmanndiskussion, egal welche Position er dabei einnimmt. Darum sagte ich "alle Beteiligten".

 

Du bist bis jetzt der Einzige, der die Debatte ideologisiert. Was soll das?

 

 

7 hours ago, Weihrauch said:

Entmenschlichung durch "bewusste" Maschinen,

Non Sequitur.

 

7 hours ago, Weihrauch said:

Die Wahrheit interessiert mich nicht

 

Schlechte Voraussetzung für eine Diskussion.

Edited by KevinF
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vor 3 Minuten schrieb KevinF:

Du bist bis jetzt der einzige, der die Debatte ideologisiert. Was soll das?

 

Ich bin bis jetzt der einzige, der offen dazu steht.

 

Trotzdem zitiere ich euch (Marcellinus und dich) fair, d.h. so dass eure Gedankengänge nachvollziehbar bleiben, und nicht wie ihr aus dem Zusammenhang gerissene Satzfetzen.

 

Ihr lehnt hier so häufig Metaphysik ab - aber was hat das mit dem Thema KI zu tun? 

 

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1 minute ago, Weihrauch said:

Trotzdem zitiere ich euch (Marcellinus und dich) fair, d.h. so dass eure Gedankengänge nachvollziehbar bleiben, und nicht wie ihr aus dem Zusammenhang gerissene Satzfetzen.

 

Ich habe Dich nirgendwo sinnentstellend zitiert.

 

Falls Du anderer Meinung bist, dann zeige mir bitte wo und sage, was Du stattdessen gemeint hast.

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vor 36 Minuten schrieb KevinF:
vor 7 Stunden schrieb Weihrauch:

Entmenschlichung durch "bewusste" Maschinen,

Non Sequitur.

 

vor 7 Stunden schrieb Weihrauch:

Die Wahrheit interessiert mich nicht

 

Schlechte Voraussetzung für eine Diskussion.

 

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vor 12 Minuten schrieb Weihrauch:

Trotzdem zitiere ich euch (Marcellinus und dich) fair, d.h. so dass eure Gedankengänge nachvollziehbar bleiben, und nicht wie ihr aus dem Zusammenhang gerissene Satzfetzen.

 

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Allgemein: Wenn ich zur Zeit nicht immer so schnell antworte, bitte ich um Nachsicht. Ich will versuchen - wenn vielleicht auch mit etwas Verzögerung - auf alles einzugehen, was sich an mich richtet.

 

@KevinF

 

Ich beziehe im Folgenden nicht allein auf Deinen ersten Beitrag in diesem Thread ein, sondern auch auf diesen Beitrag aus dem anderen Thread und zitiere aus beiden.

 

Am 19.9.2024 um 18:34 schrieb KevinF:

Das ist doch aber nur wieder die Argumentation "Diesen Prozess können wir uns auch ohne bewusstes Erleben vorstellen, also kann er nicht hinreichend für Bewusstsein sein."

 

Ich würde das eher so formulieren:

 

1) Identität

Zum einen haben wir eine phänomenologische Verschiedenheit: Erleben mag zwar auch eine kausale Rolle spielen, aber es geht nicht darin auf, eine kausale Rolle zu spielen. Es hat vielmehr einen bestimmten "intrinsischen" Charakter - es ist so und nicht anders beschaffen. Das bedeutet schon einmal eine Nicht-Identität: Erleben kann nicht schlechterdings damit identisch sein, ein funktionaler Zustand zu sein. Wenn man darüber spricht, welche funktionale Rolle Erleben spielt, hat man damit noch nicht alles gesagt.

 

2) Hinreichender Grund

So, wie wir funktionale Prozesse verstehen und konzeptualisieren, können wir nicht verstehen, wieso sie Bewusstsein erzeugen können sollen. Wir können zwar, wenn wir bestimmte (unproblematische) Annahmen treffen, logisch schlussfolgern, dass bestimmte funktionale Prozesse andere funktionale Prozesse verursachen.. Aber wir können auf Grundlage einer rein funktionalen Betrachtung nicht begreifen, warum Bewusstsein entstehen sollte - so wenig wir bei der Betrachtung rein funktionaler Prozesse verstehen könnten, warum Kupfer entstehen sollte. Es wäre für uns ein Mysterium und wir müssten annehmen, dass uns etwas Wichtiges verborgen bleibt.

 

Vielleicht kann man sich anhand eines Schachspiels veranschaulichen: Wenn wir das Brett, die Figuren, Regeln etc. haben, dann können wir daraus immer nur verstehen, wie eine bestimmte Konstellation auf einem Schachbrett entstehen kann. Wir können also über Aussagen über über das Schachspiel immer nur andere Aussagen über das Schachspiel ableiten, aber keine Aussagen über "völlig andere Dinge" - also etwa darüber, wie gesund Spinat ist. Wie gesagt ergibt sich das schon logisch daraus, dass die Begriffe, die in einer Schlussfolgerung vorkommen, auch in den Prämissen auftauchen müssen.

 

Zitat

In Bezug auf das Gehirn als Ganzes ist diese Argumentation unstrittig ungültig, da es offensichtlich Bewusstsein erzeugt.

 

Oder auch nicht. Zuerst einmal haben wir ja nur eine Korrelation.

 

Zitat

In Bezug auf das Gehirn als Ganzes ist diese Argumentation unstrittig ungültig, da es offensichtlich Bewusstsein erzeugt.

Warum sollte sie dann bezüglich der funktionalen Aspekte des Gehirns gültig sein?

 

Um diese Frage aus meiner Sicht zu beantworten und dabei gleich noch den Bogen zum Zombie-Argument zu spannen, würde ich sagen, dass das Argument gegen P-Zombies etwa so geht:

 

1) Das Gehirn erzeugt Bewusstsein.

2) Wenn zwei physikalische (hinreichend große) Systeme gleich (bzw. in relevanter Hinsicht sehr ähnlich) sind, dann haben sie auch die gleichen (bzw. sehr ähnliche) Wirkungen.

3) Wenn nun ein bestimmten Gehirn Bewusstsein erzeugt, dann muss auch ein gleiches (oder in relevanter Hinsicht hinreichend ähnliches) Gehirn ebenso Bewusstsein erzeugen.

 

Auch wenn man Prämisse 1) und 2) akzeptiert, müsste man wohl nicht akzeptieren, dass ein System, das einem menschlichen Gehirn nur funktional entspricht, ebenfalls Bewusstsein erzeugen kann. Denn schließlich könnte es sein, dass die physikalische Realisierung doch eine wichtige Rolle spielt - ähnlich wie bei zwei funktional gleichen Fabriken, die ganz unterschiedliche Produkte herstellen. Zumindest wäre zu zeigen, wieso es allein auf den funktionalen Charakter ankommen soll.

 

Zitat

Dass sie [P-Zombies] faktisch unmöglich sind, würde ich als factum brutum betrachten, davon hattest Du mich im Laufe der Diskussion ja bereits überzeugt.

 

Also zumindest unter der Annahme, dass das Gehirn das Bewusstsein erzeugt, sind sie wohl unmöglich. Wie man sich dieses "Erzeugen" allerdings vorstellen muss, wäre eine weitere Frage.

 

Am 17.9.2024 um 19:04 schrieb KevinF:

"Man kann  die gleichen Berechnungen, die ein Computer anstellt, doch auch als Mensch anstellen. Tatsächlich haben das ja früher Menschen getan, und die hießen damals "Computer". "
 
Ja, aber sie waren zu langsam.
Kann bewusstes Denken beliebig langsam sein?
Ich würde das bezweifeln.

 

Ist aber nicht jede Geschwindigkeitsschranke beliebig? Wenn ein sehr schneller Rechenprozess ein sehr schnell arbeitendes Bewusstsein erzeugt, warum sollte dann ein sehr langsamer Rechenprozess nicht auch ein sehr langsames Bewusstsein erzeugen können?
 

Zitat

Letztlich sind das aber alles Fragen, die die empirische Wissenschaft klären muss.


Ich fürchte, dass die empirische Wissenschaft da an ihre Grenzen kommt. Sie könnte ja - im Idealfall - sowohl eine Maschine bauen, die "insgesamt" einem menschlichen Gehirn entspricht wie auch eine, die rein funktional einem menschlichen Gehirn entspricht. "Von außen" könnte man zwar den jeweiligen Output betrachten, aber nicht feststellen, ob mit diesem auch ein subjektives Erleben verbunden ist oder nicht.

Es gibt ja nun leider keine empirische Methode, um ein bewusstes Wesen von einem P-Zombie zu unterscheiden. Nur das bewusste Wesen selbst, welches womöglich entstünde, wüsste, dass es bewusst ist und könnte es auch sagen - aber ein P-Zombie würde das gleiche sagen. (Wobei ich neulich etwas gelesen habe, wie man durch geschickte Fragen angeblich einen Unterschied finden könnte; das müsste ich mir aber erst in Ruhe ansehen.)
 

Zitat

Ich wollte nur ausdrücken, dass es inkonsistent ist zu sagen, das Bewusstsein lasse sich nicht rein funktional beschreiben und dies dann als Erklärungslücke zu bezeichnen.
Weil jede mir bekannte Art der Erklärung eine funktionale Beschreibung ist. Wenn es aber prinzipiell nicht erklärt werden kann, dann kann da auch keine Lücke sein.

 

Das ist jetzt vielleicht tatsächlich eine semantische Frage. Auf jeden Fall bliebe es m.E. bemerkenswert, dass da etwas in einem Meer der Physik ist, was sich nicht physikalisch beschreiben oder erklären lässt.

 

Dass überhaupt keine (funktionalen) Erklärungen für bewusstes Erleben möglich sind, würde ich damit nicht behaupten wollen. Zum einen gibt es ja etwa psychologische Erklärungen für einzelne psychologische Phänomene (aber nicht für "das Psychische" als solches).

Und wenn man zum anderen sehr genaue Korrelationen zwischen Psychischem und Physikalischem hätte, könnte man einzelne psychische Phänomene in diesem Sinne erklären - aber eben auch nicht "das Psychische" als solches. Man könnte dann also beispielsweise sagen: "Er sieht Farben, weil dieser und jener Teil des Gehirns aktiv ist (und wir wissen ja, dass immer dann, wenn dieser Teil des Gehirns aktiv ist, der Betroffene Farben sieht)." Aber warum es überhaupt einen Zusammenhang zwischen bestimmten Typen physischer und psychischer Zustände gibt und was psychische Zustände überhaupt sind: Das wäre damit nicht erklärt.

 

Was man bräuchte, um das Phänomen des Psychischen physikalisch erklären zu können, wäre eine ontologisch-reduktive Erklärung wie im Fall von Wasser und H2O - und das ist deswegen nicht möglich, weil bewusstes Erleben kein physikalisches Objekt ist, was man etwa in seine physikalischen Bestandteile zerlegen könnte (anders als das Wasser). 

 

Zitat

Meiner Vorstellung nach ist Bewusstsein eben keine geisterhafte Eigenschaft, die zum Verhalten eines Systems hinzukommt, das ohne Bewusstsein identisch wäre (das empfände ich als magisch, um den von Dir zitierten Vorwurf zu spiegeln). Sondern das Bewusstsein geht notwendig mit dem Verhalten einher und ist durch dieses Verhalten (im weitesten Sinne) vollständig bestimmt.


Wenn ich Dich richtig verstehe, scheinst Du nicht zu behaupten, dass bewusstes Erleben schlechterdings das gleich wäre wie ein rein physikalisches bzw. funktionales System. Vielmehr scheinst Du zu sagen, dass Bewusstsein mit einem solchen System einhergeht. Das wäre dann aber nicht der typische reduktive Funktionalismus, sondern eher der non-reduktive Funktionalismus, wie ihn etwa David Chalmers vertritt. (Leider finde ich auf die Schnelle nichts Passendes dazu.)
 

Zitat

Aber was bedeutet das? Wie entsteht in Deinem Modell Bewusstsein?

 

Es gäbe hier verschiedene Ansätze, die mit dieser Auffassung grundsätzlich kompatibel ist - von einem Substanzdualismus bis hin zu einem neutralen Monismus. Allen gemein wäre aber, dass Bewusstsein ein Phänomen sui generis ist, das nicht auf das Physische im Sinne der Physik reduzierbar ist.

 

Zitat

Haben wir abgesehen von Deiner Ablehnung des Funktionalismus überhaupt einen Dissens oder ist der Rest nur Semantik?

 

Da bin ich mir selbst nicht ganz sicher - aber ich vermute schon, dass ein gewisser Dissens besteht. Zum einen würde ich das, was ein Computer unabhängig von jeder menschlichen Perspektive tut, wie gesagt nicht als "Informationsverarbeitung" oder "Rechnen" in irgendeinem bedeutungsvollen Sinne betrachten, sondern als rein physikalisches Geschehen (wobei natürlich jede physikalische Geschehen auch eine funktionale Seite hat). Zum anderen würde ich daran festhalten, dass selbst dann, wenn funktionale Prozesse ausreichend sein sollten, um Bewusstsein zu erzeugen, dies für uns nicht aus einer Analyse funktionaler Zustände ableitbar, sondern überraschend wäre. Ableitbar für uns wäre nur der "objektive" Output.

 

Zitat

Aber warum soll das ein Problem für den Naturalismus sein?
Wo soll das Mysterium sein?

 

Wenn man Naturalismus als Physikalismus versteht, dann ist das Problem, dass es offenbar einen Bereich der Realität gibt, der sich einer physikalischen Beschreibung entzieht.  Auch Deine eigene Auffassung scheint ja - falls ich Dich richtig verstehe - darauf hinauszulaufen, dass bewusstes Erleben zwar durch physikalische Prozesse verursacht wird (bzw. sie "begleitet"), aber selbst nicht einfach ein physikalischer Prozess ist.

 

 

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Am 19.9.2024 um 19:17 schrieb Marcellinus:

Es scheint mir also wieder eines dieser philosophischen Probleme zu sein, auf den die Philosophie selbst zwar keine Antwort weiß (weil sich das Problem durch bloßes Denken nicht lösen läßt), aber es gibt für mich keinen Zweifel, daß es darauf eine theoretisch-empirische Antwort geben wird, und wir heute schon sehr viel mehr wissen (könnten), wenn wir die Philosophie außen vor ließen. :)

 

Man kann sehr vieles mithilfe der Physik und verwandter Wissenschaften über das Gehirn lernen. Wenn man die Psychologie dazunimmt, kann man auch viel über den Zusammenhang zwischen einzelnen Gehirnzuständen und psychischen Zuständen lernen.

 

Allerdings stößt die so verstandene empirische Forschung dort an eine harte Grenze, wo die Frage auftaucht, was das Bewusstsein selbst ist. Ich zitiere nochmals aus Nagels "Was bedeutet das alles?"

 

"Wie jedermann weiß, hängen die Vorgänge in unserem Bewusstsein davon ab, was mit unserem Körper geschieht. Stößt man sich an der Zehe, so tut das weh. Schließt man die Augen, so kann man nicht sehen, was sich vor einem befindet. Beißt man in eine Tafel Toblerone, so schmeckt es nach Schokolade. Haut einem jemand eins über den Kopf, so wird man ohnmächtig.

Solche Belege zeigen, dass jeder Vorgang im Geist oder im Bewusstsein von einem entsprechenden Vorgang im Gehirn abhängen muss. [...] Wir wissen zwar nicht, was im Gehirn vor sich geht, wenn wir denken: ›Ich frage mich, ob ich genug Zeit habe, mir heute Nachmittag die Haare schneiden zu lassen.‹ Wir sind uns jedoch ziemlich sicher, dass dort etwas vor sich geht — etwas, das mit chemischen und elektrischen Ereignissen in den Milliarden von Nervenzellen zu tun hat, aus welchen unser Gehirn besteht. In einigen Fällen wissen wir, auf welche Weise das Gehirn das Bewusstsein beeinflusst, und das Bewusstsein das Gehirn. Wir wissen beispielsweise, dass die Reizung bestimmter in der Gegend des Hinterkopfes befindlicher Hirnzellen visuelle Empfindungen erzeugt. Und wir wissen, dass gewisse andere Hirnzellen an die Muskulatur unseres Armes Impulse weiterleiten, wenn wir uns dazu entschließen, ein weiteres Stück Torte zu uns zu nehmen. Viele Einzelheiten sind uns unbekannt, es ist jedoch klar, dass zwischen den Vorgängen in unserem Bewusstsein und den physikalischen Prozessen in unserem Gehirn komplexe Beziehungen bestehen. So weit gehört all dies zur Naturwissenschaft und nicht zur Philosophie."

 

Das stimmt, mit dem Zusatz, dass es hier zusätzlich zu den Naturwissenschaften im engeren Sinne auch der Psychologie bedarf. Denn ein Neurowissenschaftler könnte das Gehirn untersuchen, so lange er will, ohne herauszufinden, dass dieser oder jener Gehirnprozess etwa mit diesem und jenem Gefühl assoziiert ist. Um das zu erkennen, muss er die Probanden befragen, was sie jetzt gerade fühlen. Und da ist er auf die Introspektion der Probanden angewiesen.


"Es gibt jedoch auch eine philosophische Frage über die Beziehung zwischen dem Geist und dem Gehirn, und diese lautet: Ist unser Geist etwas, das zwar mit unserem Gehirn in Verbindung steht, aber doch von ihm verschieden ist, oder ist er unser Gehirn? Sind unsere Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen, Empfindungen und Wünsche Ereignisse, die zu den physikalischen Vorgängen in unserem Gehirn noch hinzukommen, oder machen sie ihrerseits eine Teilmenge dieser physikalischen Vorgänge aus?

Was geschieht beispielsweise, wenn man in einen Schokoladenriegel beißt? Die Schokolade schmilzt auf unserer Zunge und verursacht chemische Reaktionen in unseren Geschmackszellen; die Geschmackszellen senden elektrische Impulse durch die Nerven hindurch, die von unserer Zunge zu unserem Gehirn führen, und wenn diese Impulse das, Gehirn erreichen, so erzeugen sie dort weitere physikalische Reaktionen; und schließlich empfinden wir den Geschmack von Schokolade. Was ist jedoch er? Kann er schlicht mit einem physikalischen Ereignis in einigen unserer Hirnzellen identisch sein, oder muss es sich bei ihm um etwas Grundverschiedenes handeln?

 

Solche Fragen können physikalisch nicht untersucht werden. Warum nicht?

 

"Würde ein Wissenschaftler unsere Schädeldecke entfernen und in unser Gehirn hineinsehen, während wir den Schokoladenriegel essen, so würde er nichts weiter sehen als eine graue Masse von Nervenzellen. Würde er mit Messinstrumenten bestimmen, was dort vor sich geht, so würde er komplizierte physikalische Vorgänge der unterschiedlichsten Art entdecken.

Fände er jedoch den Geschmack von Schokolade?
Es sieht so aus, als könnte er ihn in unserem Gehirn nicht finden, da unsere Empfindung des Geschmacks von Schokolade in unserem Geist auf eine Weise eingeschlossen ist, die sie für jeden anderen unzugänglich macht — auch wenn er unseren Schädel öffnet und in unser Gehirn hineinblickt. Unsere Erlebnisse sind im Innern unseres Geistes
in einem anderen Sinn von ›innen‹ als jenem, in dem unser Gehirn sich im Innern unseres Kopfes befindet. Ein anderer kann unseren Schädel öffnen und sich sein Innenleben ansehen, er kann jedoch nicht unseren Geist öffnen und in ihn hineinblicken — zumindest nicht auf die gleiche Weise."

 

Aber gibt es nicht auch andere Gegenstände, mit denen sich die Physik befasst, obwohl sie sie nicht direkt untersuchen kann - man denke etwa an Schwarze Löcher?

 

Der Fall liegt hier aber anders. Solche Phänomene sind physikalische Phänomene, und sie lassen sich physikalisch beschreiben. Man kann über sie in der Sprache der (theoretischen) Physik sprechen und mithilfe physikalischer Theorien zudem (wenigstens hypothetische) Aussagen über sie ableiten. Ebenso kann man auf dieser Grundlage vorhersagen, wie solche Objekte sich verhalten sollten bzw. welche beobachtbaren Phänomene sie verursachen sollten. Und diese beobachtbaren Effekte lassen sich dann messen, so dass eine indirekte Untersuchung möglich ist. So kann man beispielsweise vorhersagen, dass ein Schwarzes Loch Licht "schlucken" bzw. ablenken sollte (je nach Entfernung).

 

All das gilt für das bewusste Erleben nun aber gerade nicht. Wir können Bewusstsein nicht in der Welt der Physik unterbringen. Natürlich mag jemand das Bewusstsein mit einem physikalischen "Ding" wie etwa einem bestimmten Gehirnzustand identifizieren; und diesen Gehirnzustand kann er dann physikalisch beschreiben und physikalisch untersuchen. Aber eben auch nur diesen Gehirnzustand und nicht das Bewusstsein "an sich". 
Und genau aus dem gleichen Grund Grund können auch aus dem Bewusstsein nicht bestimmte Wirkungen auf die physikalisch beobachtbare Welt vorhersagen. Wir können höchstens empirisch feststellen, dass es faktisch Zusammenhänge gibt - aber diese sind nicht mithilfe einer physikalischen Theorie erklärbar, und wir sind der eigentlichen Frage, was Bewusstsein ist, auch nicht nähergekommen.

 

Zitat

Bewußtsein, als eine Ich-Perspektive, scheint also nicht einmal etwas besonderes zu sein.

 

Wenn es das bei Tieren auch gibt, macht das das Rätsel bzw. Problem aber nicht geringer.

 

Zitat

Es ist auch nicht die einzige Perspektive, die unser Gehirn erzeugt. Man könnte die hier die ganzen Personal-Pronomen durchgehen. Neben der Ich-Perspektive gibt es die Du-Perspektive, die immer dann greift, wenn wir uns mit einem Gegenüber auseinandersetzen.

 

Das ist im Grunde alles das gleiche, nur von verschiedenen Seiten aus betrachtet. Um zu jemandem (sinnvollerweise!) "Du" sagen zu können, muss derjenige ein "Ich" haben; er muss ein "Subjekt" sein. Auch damit wir "wir" sagen können, müssen wir alle eine Ich-Perspektive haben und Subjekte sein. Es geht hier also nicht um den Gegensatz von "Ich" und "Du", sondern um den Gegensatz von "Subjekt" und "bloßem Ding".

 

Zu diesem "Subjekt-Sein" und seiner Relation zum Bewusstsein schreibt Searle ("Consciousness"):

 

"Conscious states only exist when they are experienced by some human or animal subject. In that sense, they are essentially subjective. [...] Because conscious states are subjective in this sense, they have what I will call a first-person ontology, as opposed to the third-person ontology of mountains and molecules, which can exist even if no living creatures exist. Subjective conscious states have a first-person ontology (“ontology” here means mode of existence) because they only exist when they are experienced by some human or animal agent. They are experienced by some "I" that has the experience, and it is in that sense that they have a first-person ontology."

 

Um Missverständnissen vorzubeugen, warnt er:

 

"Many philosophers and scientists also think that the subjectivity of conscious states makes it impossible to have a strict science of consciousness. For, they argue, if science is by definition objective, and consciousness is by definition subjective, it follows that there cannot be a science of consciousness. This argument is fallacious. It commits the fallacy of ambiguity over the terms objective and subjective. Here is the ambiguity: We need to distinguish two different senses of the objective-subjective distinction. In one sense, the epistemic sense (“epistemic” here means having to do with knowledge), science is indeed objective. Scientists seek truths that are equally accessible to any competent observer and that are independent of the feelings and attitudes of the experimenters in question. An example of an epistemically objective claim would be "Bill Clinton weighs 210 pounds". An example of an epistemically subjective claim would be "Bill Clinton is a good president". The first is objective because its truth or falsity is settleable in a way that is independent of the feelings and attitudes of the investigators. The second is subjective because it is not so settleable. But there is another sense of the objective-subjective distinction, and that is the ontological sense (“ontological” here means having to do with existence).

Some entities, such as pains, tickles, and itches, have a subjective mode of existence, in the sense that they exist only as experienced by a conscious subject. Others, such as mountains, molecules and tectonic plates have an objective mode of existence, in the sense that their existence does not depend on any consciousness. The point of making this distinction is to call attention to the fact that the scientific requirement of epistemic objectivity does not preclude ontological subjectivity as a domain of investigation. There is no reason whatever why we cannot have an objective science of pain, even though pains only exist when they are felt by conscious agents. The ontological subjectivity of the feeling of pain does not preclude an epistemically objective science of pain. There is no reason whatever why we cannot have an objective science of pain, even though pains only exist when they are felt by conscious agents. The ontological subjectivity of the feeling of pain does not preclude an epistemically objective science of pain. Though many philosophers and neuroscientists are reluctant to think of subjectivity as a proper domain of scientific investigation, in actual practice, we work on it all the time. Any neurology textbook will contain extensive discussions of the etiology and treatment of such ontologically subjective states as pains and anxieties."

 

(Inzwischen ist das Bewusstsein ein respektiertes Forschungsfeld, aber Searle hatte nicht ganz Unrecht; es gab Zeiten, als die Befassung mit dem bewussten Erleben vielerorts als anrüchig galt.)

 

Zitat

Ist es [das Bewusstsein] ein Teil unseres Gehirns und seiner (ich sag mal vorsichtig) Eigenschaften / Fähigkeiten? Ganz offensichtlich ja.

Wissen wir, wie genau das Bewußtsein entsteht? Nein. (Aber wir wissen, welche Teile des Gehirns wir betäuben müssen, um es auszuschalten)

Ist das ein Problem? Nun, aus meiner Sicht kein größeres als unser Nichtwissen in anderen Bereichen unseres Gehirns.

 

Über andere Teile des Gehirns (wenn man Bewusstsein denn als "Teil des Gehirns" auffasst) kann man aber einfach dadurch mehr herausfinden, dass man sie mit physikalischen und ähnlichen Methoden genauer untersucht, sei es mit einem Mikroskop, mit einem MRT-Scan oder was auch immer. Wenn man versucht, auf die gleiche Weise einen Gedanken als Gedanken (also nicht als ein physikalisches Geschehen, das man mit einem Gedanken identifizieren möchte) zu untersuchen, dann hat man ein Problem. Das ist auch keine Frage des Fortschritt der Wissenschaft, sondern stellt eine prinzipielle Hürde dar: Jedes physikalische Verfahren misst direkt oder indirekt physikalisch beschreibbare Objekte. (Im Sinne von Searle: Objekte, die eine Dritte-Person-Ontologie besitzen.)

Man hat mit dem "ich-haften" bewussten Erleben ein Phänomen, das nicht in die physikalische Welt hineinzupassen scheint.

 

(Und auch das, was Du als "Bilder in unserem Kopf" bezeichnest, existiert natürlich nur als etwas, was wir als bewusste Subjekte erleben. Dass der Ausdruck "Bilder im Kopf" metaphorisch zu verstehen ist, ergibt sich schon daraus, dass man diese Bilder natürlich selbst bei gründlichster Untersuchung nirgendwo in unseren Köpfen finden könnte, so wenig wie man dort jemals eine Geschmacksempfindung entdecken könnte.)

 

Zitat

Diese wenigen Beispiele verweisen übrigens darauf, daß es sich bei unseren Bewußtseinszuständen durchaus nicht nur um ein naturwissenschaftliches Problem handelt, sondern vor allem um ein psychologisches oder soziologisches.

 

Wenn sich Psychologie und Soziologie auf Physik und Biochemie reduzieren ließen, wäre es letztlich eben ein naturwissenschaftliches Problem. Wenn sich Psychologie und Soziologie nicht auf die Physik und Biochemie reduzieren lassen, bedeutet das, dass unsere Welt "Aspekte" besitzt, die einer physikalischen Beschreibung (grundsätzlich) nicht zugänglich sind. Das wäre weit mehr als die "gewöhnliche" Emergenz, bei der man ein physikalisches Makro-System durchaus aus dem Verhalten seiner Komponenten verstehen kann, selbst wenn es mehr ist als die Summe der einzelnen Komponenten.
 

Zitat

Vielleicht noch ein Grund, warum weder die Physik noch die Philosophie uns da Antworten liefern kann. Die Physik versucht es aber meines Wissens auch nicht. ;)

 

Das hat aber sicher nichts mit einer falsch verstandenen Bescheidenheit auf Seiten der Physik zu tun, sondern mit einer grundsätzlichen Unmöglichkeit, wie ich sie hier dargelegt habe. Und Psychologie und Soziologie können das auch nicht leisten. Die Soziologie etwa fragt im Hinblick auf das bewusste Erleben nach dessen sozialen Bedingungen usw., aber nicht danach, was Bewusstsein in sich selbst ist. Das ist nämlich keine soziologische Frage.

Edited by iskander
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7 hours ago, iskander said:

Allgemein: Wenn ich zur Zeit nicht immer so schnell antworte, bitte ich um Nachsicht. Ich will versuchen - wenn vielleicht auch mit etwas Verzögerung - auf alles einzugehen, was sich an mich richtet.

 

@KevinF

 

Ich beziehe im Folgenden nicht allein auf Deinen ersten Beitrag in diesem Thread ein, sondern auch auf diesen Beitrag aus dem anderen Thread und zitiere aus beiden.

 

 

Ich würde das eher so formulieren:

 

1) Identität

Zum einen haben wir eine phänomenologische Verschiedenheit: Erleben mag zwar auch eine kausale Rolle spielen, aber es geht nicht darin auf, eine kausale Rolle zu spielen. Es hat vielmehr einen bestimmten "intrinsischen" Charakter - es ist so und nicht anders beschaffen. Das bedeutet schon einmal eine Nicht-Identität: Erleben kann nicht schlechterdings damit identisch sein, ein funktionaler Zustand zu sein. Wenn man darüber spricht, welche funktionale Rolle Erleben spielt, hat man damit noch nicht alles gesagt.

 

2) Hinreichender Grund

So, wie wir funktionale Prozesse verstehen und konzeptualisieren, können wir nicht verstehen, wieso sie Bewusstsein erzeugen können sollen. Wir können zwar, wenn wir bestimmte (unproblematische) Annahmen treffen, logisch schlussfolgern, dass bestimmte funktionale Prozesse andere funktionale Prozesse verursachen.. Aber wir können auf Grundlage einer rein funktionalen Betrachtung nicht begreifen, warum Bewusstsein entstehen sollte - so wenig wir bei der Betrachtung rein funktionaler Prozesse verstehen könnten, warum Kupfer entstehen sollte. Es wäre für uns ein Mysterium und wir müssten annehmen, dass uns etwas Wichtiges verborgen bleibt.

 

Vielleicht kann man sich anhand eines Schachspiels veranschaulichen: Wenn wir das Brett, die Figuren, Regeln etc. haben, dann können wir daraus immer nur verstehen, wie eine bestimmte Konstellation auf einem Schachbrett entstehen kann. Wir können also über Aussagen über über das Schachspiel immer nur andere Aussagen über das Schachspiel ableiten, aber keine Aussagen über "völlig andere Dinge" - also etwa darüber, wie gesund Spinat ist. Wie gesagt ergibt sich das schon logisch daraus, dass die Begriffe, die in einer Schlussfolgerung vorkommen, auch in den Prämissen auftauchen müssen.

 

 

Oder auch nicht. Zuerst einmal haben wir ja nur eine Korrelation.

 

 

Um diese Frage aus meiner Sicht zu beantworten und dabei gleich noch den Bogen zum Zombie-Argument zu spannen, würde ich sagen, dass das Argument gegen P-Zombies etwa so geht:

 

1) Das Gehirn erzeugt Bewusstsein.

2) Wenn zwei physikalische (hinreichend große) Systeme gleich (bzw. in relevanter Hinsicht sehr ähnlich) sind, dann haben sie auch die gleichen (bzw. sehr ähnliche) Wirkungen.

3) Wenn nun ein bestimmten Gehirn Bewusstsein erzeugt, dann muss auch ein gleiches (oder in relevanter Hinsicht hinreichend ähnliches) Gehirn ebenso Bewusstsein erzeugen.

 

Auch wenn man Prämisse 1) und 2) akzeptiert, müsste man wohl nicht akzeptieren, dass ein System, das einem menschlichen Gehirn nur funktional entspricht, ebenfalls Bewusstsein erzeugen kann. Denn schließlich könnte es sein, dass die physikalische Realisierung doch eine wichtige Rolle spielt - ähnlich wie bei zwei funktional gleichen Fabriken, die ganz unterschiedliche Produkte herstellen. Zumindest wäre zu zeigen, wieso es allein auf den funktionalen Charakter ankommen soll.

 

 

Also zumindest unter der Annahme, dass das Gehirn das Bewusstsein erzeugt, sind sie wohl unmöglich. Wie man sich dieses "Erzeugen" allerdings vorstellen muss, wäre eine weitere Frage.

 

 

Ist aber nicht jede Geschwindigkeitsschranke beliebig? Wenn ein sehr schneller Rechenprozess ein sehr schnell arbeitendes Bewusstsein erzeugt, warum sollte dann ein sehr langsamer Rechenprozess nicht auch ein sehr langsames Bewusstsein erzeugen können?
 


Ich fürchte, dass die empirische Wissenschaft da an ihre Grenzen kommt. Sie könnte ja - im Idealfall - sowohl eine Maschine bauen, die "insgesamt" einem menschlichen Gehirn entspricht wie auch eine, die rein funktional einem menschlichen Gehirn entspricht. "Von außen" könnte man zwar den jeweiligen Output betrachten, aber nicht feststellen, ob mit diesem auch ein subjektives Erleben verbunden ist oder nicht.

Es gibt ja nun leider keine empirische Methode, um ein bewusstes Wesen von einem P-Zombie zu unterscheiden. Nur das bewusste Wesen selbst, welches womöglich entstünde, wüsste, dass es bewusst ist und könnte es auch sagen - aber ein P-Zombie würde das gleiche sagen. (Wobei ich neulich etwas gelesen habe, wie man durch geschickte Fragen angeblich einen Unterschied finden könnte; das müsste ich mir aber erst in Ruhe ansehen.)
 

 

Das ist jetzt vielleicht tatsächlich eine semantische Frage. Auf jeden Fall bliebe es m.E. bemerkenswert, dass da etwas in einem Meer der Physik ist, was sich nicht physikalisch beschreiben oder erklären lässt.

 

Dass überhaupt keine (funktionalen) Erklärungen für bewusstes Erleben möglich sind, würde ich damit nicht behaupten wollen. Zum einen gibt es ja etwa psychologische Erklärungen für einzelne psychologische Phänomene (aber nicht für "das Psychische" als solches).

Und wenn man zum anderen sehr genaue Korrelationen zwischen Psychischem und Physikalischem hätte, könnte man einzelne psychische Phänomene in diesem Sinne erklären - aber eben auch nicht "das Psychische" als solches. Man könnte dann also beispielsweise sagen: "Er sieht Farben, weil dieser und jener Teil des Gehirns aktiv ist (und wir wissen ja, dass immer dann, wenn dieser Teil des Gehirns aktiv ist, der Betroffene Farben sieht)." Aber warum es überhaupt einen Zusammenhang zwischen bestimmten Typen physischer und psychischer Zustände gibt und was psychische Zustände überhaupt sind: Das wäre damit nicht erklärt.

 

Was man bräuchte, um das Phänomen des Psychischen physikalisch erklären zu können, wäre eine ontologisch-reduktive Erklärung wie im Fall von Wasser und H2O - und das ist deswegen nicht möglich, weil bewusstes Erleben kein physikalisches Objekt ist, was man etwa in seine physikalischen Bestandteile zerlegen könnte (anders als das Wasser). 

 


Wenn ich Dich richtig verstehe, scheinst Du nicht zu behaupten, dass bewusstes Erleben schlechterdings das gleich wäre wie ein rein physikalisches bzw. funktionales System. Vielmehr scheinst Du zu sagen, dass Bewusstsein mit einem solchen System einhergeht. Das wäre dann aber nicht der typische reduktive Funktionalismus, sondern eher der non-reduktive Funktionalismus, wie ihn etwa David Chalmers vertritt. (Leider finde ich auf die Schnelle nichts Passendes dazu.)
 

 

Es gäbe hier verschiedene Ansätze, die mit dieser Auffassung grundsätzlich kompatibel ist - von einem Substanzdualismus bis hin zu einem neutralen Monismus. Allen gemein wäre aber, dass Bewusstsein ein Phänomen sui generis ist, das nicht auf das Physische im Sinne der Physik reduzierbar ist.

 

 

Da bin ich mir selbst nicht ganz sicher - aber ich vermute schon, dass ein gewisser Dissens besteht. Zum einen würde ich das, was ein Computer unabhängig von jeder menschlichen Perspektive tut, wie gesagt nicht als "Informationsverarbeitung" oder "Rechnen" in irgendeinem bedeutungsvollen Sinne betrachten, sondern als rein physikalisches Geschehen (wobei natürlich jede physikalische Geschehen auch eine funktionale Seite hat). Zum anderen würde ich daran festhalten, dass selbst dann, wenn funktionale Prozesse ausreichend sein sollten, um Bewusstsein zu erzeugen, dies für uns nicht aus einer Analyse funktionaler Zustände ableitbar, sondern überraschend wäre. Ableitbar für uns wäre nur der "objektive" Output.

 

 

Wenn man Naturalismus als Physikalismus versteht, dann ist das Problem, dass es offenbar einen Bereich der Realität gibt, der sich einer physikalischen Beschreibung entzieht.  Auch Deine eigene Auffassung scheint ja - falls ich Dich richtig verstehe - darauf hinauszulaufen, dass bewusstes Erleben zwar durch physikalische Prozesse verursacht wird (bzw. sie "begleitet"), aber selbst nicht einfach ein physikalischer Prozess ist.

 

 

 

 

"Auch wenn man Prämisse 1) und 2) akzeptiert, müsste man wohl nicht akzeptieren, dass ein System, das einem menschlichen Gehirn nur funktional entspricht, ebenfalls Bewusstsein erzeugen kann."
 
Richtig. Aber man kann den Funktionalismus eben auch nicht a priori ausschließen.
 
 
"Also zumindest unter der Annahme, dass das Gehirn das Bewusstsein erzeugt, sind sie wohl unmöglich."
 
Dass sie ( physikalische "P-Zombies") unmöglich sind, ist hoffentlich Konsens.
Die interessante Frage ist doch, warum sind sie unmöglich, wenn sie uns logisch möglich erscheinen.
Und hier würde ich Deinen Argumenten folgend eben sagen "factum brutum", was denke ich identisch ist mit Deiner Beschreibung des Bewusstseins als ein Phänomen sui generis.
 
Eine andere Möglichkeit wäre, dass sie tatsächlich logisch unmöglich sind und wir das nur nicht sehen können, weil mit unseren Konzepten von "Funktion" und/oder "Erleben" etwas nicht in Ordnung ist.
 
Und dann wäre da noch die Frage nach den "funktionalen P-Zombies".
 
Ich würde auch hier die Möglichkeit der Existenz verneinen.
Weil a) wie gesagt der Funktionalismus nicht a priori ausgeschlossen werden kann, b) empirisch (wie Du selbst schreibst) per Definition kein Unterschied zwischen einem P-Zombie und Nicht-P-Zombie feststellbar ist und c) wir schon aus moralischen Gründen davon ausgehen müssen, dass das, was den perfekten Anschein des Bewusstseins erweckt, auch tatsächlich Bewusstsein hat.

 

"Wenn ich Dich richtig verstehe, scheinst Du nicht zu behaupten, dass bewusstes Erleben schlechterdings das gleich wäre wie ein rein physikalisches bzw. funktionales System. Vielmehr scheinst Du zu sagen, dass Bewusstsein mit einem solchen System einhergeht. Das wäre dann aber nicht der typische reduktive Funktionalismus, sondern eher der non-reduktive Funktionalismus, wie ihn etwa David Chalmers vertritt. (Leider finde ich auf die Schnelle nichts Passendes dazu.)"

 

Richtig, ich sehe keinen Weg, das Bewusstsein völlig mit seinen funktionalen Aspekten zu identifizieren ohne mein eigenes bewusstes Erleben in Zweifel zu ziehen, was mir nicht sinnvoll möglich zu sein scheint.

 

Was aber kein Problem für meine naturalistische Weltanschauung darstellt, weil die Welt trotzdem noch als vollständig durch physikalische Fakten bestimmt betrachtet werden kann.

 

Und danke für den Tipp, ich werde "The Conscious Mind" von Chalmers lesen.

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Um es auf den Punkt zu bringen, statt um den heißen Brei herumzureden:

 

Bewusstsein, Denken, damit das, was wir abstrakt als "Geist" bezeichnen, hat entweder eine rein materielle Grundlage und ist daher ein emergentes Phänomen der Materie. Das bedeutet, wenn diese Position wahr ist, dass es keinen denkenden Geist ohne Materie gibt. Philosophisch kann man sagen, dass es sich um das Primat der Materie handelt: Materie war zuerst da, und im Laufe einer Evolution ist alles an geistigen Fähigkeiten zum Denken entstanden, damit auch das Bewusstsein.

 

Die andere Position, die Grundlage des Monotheismus ist wie auch anderer philosophischer Positionen, kann man mit Primat des Bewusstseins bezeichnen. Zuerst war bewusst denkender Geist, und die Materie kam später (geschaffen durch diesen Geist).

 

Es kann nur eine korrekte Position geben: Entweder, Primat des Bewusstseins ist wahr, oder Primat der Materie. Eine Zwischenposition, weder-noch, sondern beides sei gleichzeitig entstanden, ist logisch nicht möglich.

 

Das Primat des Bewusstseins wird meist mit einem logisch ungültigen Argument vertreten: Wir wissen nicht, was Bewusstsein ist, und wie es entstand, daher muss das Primat des Bewusstseins wahr sein. Das ist ein non sequitur und Berufung auf Ignoranz bzw. Berufung auf Unwissenheit, beruht also auf Denkfehlern. Da wir nicht einmal so genau wissen, was Bewusstsein ist, können wir auch nicht wissen, wie es funktioniert, und können daher auch nicht ableiten, wie Materie ein solches Phänomen hervorbringen kann.

 

Das Phänomen der Qualia kann auch im Rahmen eines rein materiellen Denkens erklärt werden. Es ist nicht überraschend, dass unterschiedliche Perspektiven zu unterschiedlichem Erleben führen. Solle man mit Qualia etwas anderes meinen, dann entleert man den Begriff eines jeglichen Sinnes. Dann benutzt man Unsinn, um damit Unsinn zu begründen.

 

Für das Primat der Materie in Bezug auf denkenden Geist gibt es ein starkes Argument: Die Fähigkeit zum Denken entstand im Rahmen einer Evolution, daher gibt es Bewusstsein auch bei Tieren (und Qualia sowieso, wenn man sie sinnvoll definiert). Wenn Denken evolviert, ist das eine Funktion der Materie. Ob wir das vollständig erklären können oder nicht, ist irrelevant für das Argument, es reicht, zu sagen, dass diese Erklärung allen anderen überlegen ist. Denn Rationalität besteht nicht darin, auf eine perfekte Erklärung für alles zu warten, das ist reine Irrationalität. Rational sein heißt, von zwei konkurrierenden Annahmen diejenige auszuwählen, die über ein Übergewicht von Gründen, Argumenten, Beweisen und Evidenzen verfügt.

 

Was die Vertreter des Primats des Bewusstseins u. a. zu ihrem Fehler veranlasst, ist die Verwechslung von denkendem Geist mit geistigen Produkten. 1 + 1 = 2 ist ein simples Beispiel für ein geistiges Produkt, es handelt sich um eine Abstraktion, und man kann sie durchaus als immateriell bezeichnen. Aber allen geistigen Produkten gemeinsam ist, dass sie nicht denken können, alle geistigen Produkte sind statisch. Was immer auch immateriell ist, kann nicht denken, nur die Materie verfügt über die Fähigkeit der Zustandsänderung, und das ist die Voraussetzung für jede mögliche Form des Denkens.

 

Man kann anschaulich mit einem Baseballschläger verdeutlichen, dass alles Bewusstsein eine rein materielle Grundlage hat. Denn anderes kann man nicht erklären, wieso ein harter Schlag auf den Kopf zum zeitweisen (oder permanentem) Erlöschen des Bewusstseins führen kann. Wie soll eine rein physikalische Energie, oder die chemische Wirkung einer Droge, oder Überhitzung, Unterkühlung und viele andere rein materielle Phänomene, einen immateriellen "Prozess" beeinflussen können. Abgesehen davon, dass es keine immateriellen Prozesse gibt, sondern nur statische, abstrakte, unbewegliche, nicht zum Denken fähige Gegebenheiten, die daher auch kein Bewusstsein bilden können? Man kann auf die Idee 1 + 1 = 2 so oft mit dem Baseballschläger hauen, wie man will, man trifft es nicht und ändert es nicht.

 

Abstrakt gesagt: Alle Kausalität setzt Materie voraus, Materie kann Immaterielles nicht kausal beeinflussen, das Immaterielle kann Materie nicht kausal beeinflussen. Etwas Prozesshaftes kann etwas nicht prozesshaftes hervorbringen, wie eine Idee, aber eine Idee kann nicht auf den Prozess, von dem es herstammt, kausal beeinflussen. Man kann aber von einer Idee zur nächsten übergehen, das nennen wir denken. Das setzt aber etwas voraus, was sich ändern kann, also ein menschliches Gehirn oder die CPU eines Computers.

 

Aus dieser Konfusion, statische Ideen mit prozessualem Denken zu verwechseln, und beides miteinander zu vermischen, basiert die Idee des Primat des Bewusstseins.

 

Die Idee des Primats des Bewusstseins (im Monotheismus: Gott) ist noch aus einem anderen Grund falsch: Alles Bewusstsein setzt ein Sein außerhalb des Bewusstseins voraus - sonst gäbe es kein Bewusstsein. Das Bewusstsein ist nicht selbstgenügsam, es bezieht sich immer auch auf etwas, was sich außerhalb meines Selbst befindet, es ist sozusagen die Schnittstelle zwischen mir und einer von mir unabhängig existierenden Außenwelt. Wäre das Primat des Bewusstseins wahr, steht das im logischen Widerspruch zur Annahme einer Außenwelt, Gott hätte dann ein Bewusstsein, aber, ohne dass es ein Sein außerhalb und unabhängig von ihm gibt. Daher ist das Primat des Bewusstseins falsch, und es muss das Primat der Materie wahr sein. Das ist ein starkes Argument gegen Gott, und daher auch der heiße Brei, um den herumgeredet wird. Die Existenz des Bewusstseins ist ein starkes Argument gegen Gott. Beweisen kann man das mit einem simplen Baseballschläger.

 

Wenn sich die Gegner des Primats der Materie aufmachen, um zu zeigen, dass Bewusstsein unerklärlich ist, nützt ihnen das überhaupt nichts, das Argument ist für ihre Position ebenso wertlos wie Qualia und andere erfundene Ideen (die sie nicht erwägen könnten, wenn das Primat der Materie nicht wahr wäre). Natürlich wünschen wir uns eine unsterbliche Seele, und dass eine geistige Superfee existiert, die uns unsere drei sehnlichsten Wünsche erfüllt (1. nicht zu sterben und ewiges Leben zu haben, 2. dieses Leben in Frieden, Sicherheit und ohne Leid führen zu können, 3. unsere toten Verwandten und Freunde wiedersehen zu können). Was erlauben sich die Atheisten, auf dieser rosa Brille herumzutrampeln? Aber man sollte darüber reflektieren können, warum man eine Position vertritt. Ehrlich gesagt, ich finde das ja auch zum Reihern, was ich da vertrete, unglücklicherweise sehe ich mich dazu verpflichtet, für die Wahrheit und nicht für unser Wunschdenken zu sprechen.

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Wer hat hier vom Primat des Bewusstseins gesprochen?

 

vor 56 Minuten schrieb Volker:

Abstrakt gesagt: Alle Kausalität setzt Materie voraus, Materie kann Immaterielles nicht kausal beeinflussen, das Immaterielle kann Materie nicht kausal beeinflussen. Etwas Prozesshaftes kann etwas nicht prozesshaftes hervorbringen, wie eine Idee, aber eine Idee kann nicht auf den Prozess, von dem es herstammt, kausal beeinflussen. Man kann aber von einer Idee zur nächsten übergehen, das nennen wir denken. Das setzt aber etwas voraus, was sich ändern kann, also ein menschliches Gehirn oder die CPU eines Computers.

 

Beim Computer muss man wohl sagen, dass es ein Primat des Bewusstseins gibt, denn ohne menschliches Bewusstsein gäbe es kein Materiekonglomerat, welches den Namen Computer verdient. Der Computer hat einen Schöpfer, den Menschen. Damit sage ich nicht, dass der Mensch "logischerweise" auch einen Schöpfer haben müsste. Ich finde es nur seltsam, dass du hier in diesem Zusammenhang den Computer anführst, bei dem das Primat des Bewusstseins zutrifft, gegen das du eigentlich argumentieren willst.  

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Marcellinus
vor 15 Stunden schrieb iskander:

"Es gibt jedoch auch eine philosophische Frage über die Beziehung zwischen dem Geist und dem Gehirn, und diese lautet: Ist unser Geist etwas, das zwar mit unserem Gehirn in Verbindung steht, aber doch von ihm verschieden ist, oder ist er unser Gehirn? Sind unsere Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen, Empfindungen und Wünsche Ereignisse, die zu den physikalischen Vorgängen in unserem Gehirn noch hinzukommen, oder machen sie ihrerseits eine Teilmenge dieser physikalischen Vorgänge aus?

 

Das ist ein philosophische Frage, und diesem Glauben hänge ich nun mal nicht an. Ich glaube auch nicht an Geister. Damit ist für mich die Frage der "Beziehung zwischen Geist und Materie" keine. Weil es eben keine Geister gibt. Damit wird aus dieser Pseudo-Frage die der Beziehungen zwischen Materie und Materie, also die nach der Organisation der Materie, die wir Gehirn nennen. 

 

Denn das ist mittlerweile klar, aus den physikalischen Eigenschaften der einzelnen Atome, die unser Gehirn bilden, kann man seine Funktionen nicht erklären, aber das gilt ja auch schon für ein simples Rad, für dessen Funktion die Form entscheidend ist, nicht so sehr das Material, aus dem es besteht. 

 

Das ist auch der Grund, warum ein physikalischer Reduktionismus nicht funktioniert. Kein auch nur etwas komplizierteres Objekt dieses Universums läßt sich allein aus den Eigenschaften seiner Bestandteile erklären. Es braucht immer auch die Organisation dieser Materie. So werden aus Atomen Moleküle, aus Molekülen Eiweißbausteine, daraus Zellen, daraus Lebewesen, die ihrerseits wieder Arten bilden, und in höheren Formen Gruppen, Sippen und Gesellschaften.

 

Jede dieser Stufen der Entwicklung der Materie und des Lebens bildet eine eigene Integrationsstufe, mit Zusammenhängen, die es auf den jeweils niedrigeren Stufen noch nicht gab, und damit auch mit der Möglichkeit wie auch der Notwendigkeit, eigene Modelle zu entwickeln, die diese Zusammenhänge erklären, und die sich nicht auf die Erklärungsmodelle der jeweils niedrigeren Integrationsstufe erklären lassen. 

 

Das ist die Rechtfertigung für unterschiedliche theoretisch-empirische Wissenschaften, einfach weil es unterschiedliche Arten von beobachtbaren Zusammenhängen gibt. Was man allerdings nicht braucht, ist irgendeine Form von Metaphysik, die immer nur nichts anderes tut, als Behauptungen aufzustellen, für die es keine empirischen Belege gibt, und deren Antworten daher dem Reich der Fantasie und der Wunschträume entstammen. Wie die "Philosophie des Geistes". ;)

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8 hours ago, Weihrauch said:

Wer hat hier vom Primat des Bewusstseins gesprochen?

 

 

Beim Computer muss man wohl sagen, dass es ein Primat des Bewusstseins gibt, denn ohne menschliches Bewusstsein gäbe es kein Materiekonglomerat, welches den Namen Computer verdient. Der Computer hat einen Schöpfer, den Menschen. Damit sage ich nicht, dass der Mensch "logischerweise" auch einen Schöpfer haben müsste. Ich finde es nur seltsam, dass du hier in diesem Zusammenhang den Computer anführst, bei dem das Primat des Bewusstseins zutrifft, gegen das du eigentlich argumentieren willst.  

Dass unser auf physischen Gegebenheiten beruhendes Bewusstsein in der Lage ist, künstliches Bewusstsein ebenfalls auf physischen Gegebenheiten beruhend erzeugen kann, ist kein Gegenargument. Primat des Bewusstseins heißt, dass Bewusstsein vor der Materie existierte, nicht, dass materielles Bewusstsein deswegen kein weiteres materielles Bewusstsein hervorbringen kann. Primat heißt zuerst, anfänglich, vor allem anderen. Aber es heißt nicht "von da ab in Ewigkeit immer zuerst bei allem, was daraus folgt". Es ändert auch nichts daran, dass menschliches Bewusstsein auf Materie beruht, wie das der Computer auch. Immer noch ist kein Bewusstsein ohne Materie möglich, es ist immer substratgebunden. 

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Für Leute, die später dazukommen, noch dieser Hinweis. Die "Vorgängerdiskussion" im anderen Thread beginnt in etwa mit diesem Beitrag von @KevinF, meiner Antwort auf ihn und setzt sich dann in den Beiträgen etlicher Autoren fort.

 

(Da ich zur Zeit mit einem Infekt zu kämpfen habe und auch nicht so viel Zeit habe, kann es sein, dass ich Beiträge langsamer und nach und nach abarbeite. Wenn ich dann also beispielsweise erst mal nur auf einen oder zwei von drei Beiträgen eingehe, und den Rest erst später abarbeite, hat das nichts mit persönlichen Vorlieben zu tun, sondern allein mit pragmatischen Erwägungen.)

 

vor 10 Stunden schrieb KevinF:

 Richtig. Aber man kann den Funktionalismus eben auch nicht a priori ausschließen.

 

Zumindest innerhalb eines physikalistischen Verständnisses vermutlich kaum. Jedenfalls wenn man mit "Funktionalismus" hier meint, dass funktionale Prozesse Bewusstsein quasi "verursachen" und nicht mit ihm identisch sind.

 

(Gegen einen - von Dir ja aber nicht vertretenen - reduktiven Funktionalismus, würde m.E. folgendes A-priori-Argument sprechen:

Wenn a) uns zwei Phänomene grundlegend und kategorisch verschieden erscheinen und wenn b) Erscheinung und Wirklichkeit nicht völlig auseinanderfallen, müssen auch tatsächlich verschieden sein - mindestens im Sinne von unterschiedlichen Seiten einer Wirklichkeit.

Bedingung b) läuft darauf hinaus, dass weder Psychisches noch Physisches "Illusionen" sind.)

 

Zitat

Eine andere Möglichkeit wäre, dass sie tatsächlich logisch unmöglich sind und wir das nur nicht sehen können, weil mit unseren Konzepten von "Funktion" und/oder "Erleben" etwas nicht in Ordnung ist.


 Das ist natürlich ein Gedanke, der einem in den Sinn kommen mag. Allerdings würde ich das dann so interpretieren, dass die Wirklichkeit etwas beinhaltet, was wir nicht kennen, was aber eine Brücke zwischen den Phänomenen schlägt. Eine Behauptung wie die, dass es bewusstes Erleben in dem von uns intendierten Sinne nicht gibt, wäre eliminativistisch, und die These, dass es funktionale Zustände nicht im von uns intendierten Sinne gibt, käme einem radikalen Skeptizismus gleich. Deshalb meine Überzeugung, dass, wenn schon, es einfach "mehr" geben muss, als uns bewusst ist.
 

Zitat

Ich würde auch hier die Möglichkeit der Existenz verneinen.
Weil a) wie gesagt der Funktionalismus nicht a priori ausgeschlossen werden kann, b) empirisch (wie Du selbst schreibst) per Definition kein Unterschied zwischen einem P-Zombie und Nicht-P-Zombie feststellbar ist und c) wir schon aus moralischen Gründen davon ausgehen müssen, dass das, was den perfekten Anschein des Bewusstseins erweckt, auch tatsächlich Bewusstsein hat.

 

Die von Dir aufgeführten Argumente scheinen mir aber nicht zu beweisen, dass es keine funktionalen P-Zombies geben kann, sondern nur, dass es keine P-Zombies geben muss - und dass man im Zweifelsfall pragmatisch besser davon ausgeht, dass ein System kein P-Zombie ist, sondern Bewusstsein beisitzt. ;)

 

Zitat

Was aber kein Problem für meine naturalistische Weltanschauung darstellt, weil die Welt trotzdem noch als vollständig durch physikalische Fakten bestimmt betrachtet werden kann.

 

Das wäre dann sozusagen eine Art des Epiphänomenalismus - Bewusstsein existiert als ein Phänomen sui generis, spielt aber keine kausale Rolle in der Welt. Das ist eine Position, die in der Tat bestimmte Probleme vermeidet, sich aber andererseits auch andere Probleme einhandelt. Ein naheliegendes Problem wäre, dass eine Bewusstsein, das nicht kausal auf die Welt einwirkt, keinerlei (biologischen) Nutzen hat und in diesem Sinne eigentlich überflüssig wäre.

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