Weihrauch Geschrieben 17. Mai Melden Geschrieben 17. Mai Ich sag jetzt nix. Ich sag jetzt nix. Ich sag jetzt nix. Zitieren
Frey Geschrieben 17. Mai Melden Geschrieben 17. Mai vor 10 Minuten schrieb iskander: Zumindest kann er sehr leicht auf eine fragwürdige Weise verstanden werden. Und das ist aus meiner Sicht ein Teil des Problems - dass quasi-religiöse Vorstellungen in die Sexualität hineinprojiziert werden: Interessant ist in diesem Zusammenhang, was eine Frau zu sagen hatte, mit der JPII sehr eng befreundet war (allerdings wohl rein platonisch): Die polnischen-amerikanischen Philosophin Anna-Teresa Tymieniecka. Laut Wikipedia hatten sie und JPII "über 30 Jahre hinweg sehr persönliche Briefe ausgetauscht". Dieselbe Quelle schreibt: "Die Freundschaft dauerte bis zu seinem Tod. Tymieniecka war seine Gastgeberin, als er im Jahr 1976 New England besuchte. Fotos zeigen sie zusammen beim Skifahren und auf Camping-Reisen." Demnach besuchte sie ihn auch zuletzt am Tag vor seinem Tod. Des Weiteren veröffentlichte sie mit ihm zusammen sein Buch "Person und Tat" in englischer Übersetzung, ein Werk, das JPII. geschrieben hatte, als er noch kein Papst war. Cornwell schreibt in seinem Buch "Pope in the Winter" Tymieniecka: "Few human beings got as close to the mind and heart of Wojtyla, before he became pope, as the phenomenologist Anna-Teresa Tymieniecka. She was a vivacious, highly intelligent married woman, Polish, and yet cosmopolitan, who would collaborate with him during the mid-1970s, spending many hundreds of hours in his presence over three years while she helped him with his major philosophical work." Man wird also kaum behaupten können, dass diese Frau JPII in einer Haltung der Ignoranz und Böswilligkeit gegenübergestanden wäre. Es ist daher umso interessanter, was sie zu seinen entsprechenden Auffassungen meinte. Sie bezieht sich dabei auf sein Buch "Liebe und Verantwortung, welches er ebenfalls vor seiner Zeit als Papst verfasst hatte, und in welchem seine später verkündeten zentrale Ansichten offenbar schon enthalten sind. Ich zitiere erntet Cornwell: "Gegenüber Carl Bernstein und Marco Politi hat sie [Tymieniecka] ihre Reaktion auf dieses Werk [Liebe und Verantwortung] so beschrieben: 'Er ist ein Mann von höchster Selbstbeherrschung, der seine schöne, harmonische Persönlichkeit vervollkommnet hat', sagte sie. Und genau darin lag ihrer Meinung nach das Problem. Wenn man [wie er] über Liebe und Sex nur geschrieben hat, weiß man sehr wenig darüber. Ich war wirklich erstaunt, als ich Liebe und Verantwortung las. Ich dachte, er weiß offensichtlich nicht, wovon er spricht. Wie kann er über solche Dinge schreiben? Die Antwort ist, dass er keine Erfahrungen dieser Art hat.'" Das ist eben nicht selten der Eindruck, wenn man derartige Texte liest - nicht nur von JPII. Cornwell selbst meint. "Das 1960 erschienene Buch [Liebe und Verantwortung] liest sich bisweilen wie die Feldnotizen eines Anthropologen vom Mars über die menschlichen Sexualpraktiken. Ein Mischmasch aus Ethik, Anatomie, Physiologie, Fruchtbarkeitsdiagrammen, klinischen Beschreibungen des weiblichen Orgasmus, abstrakten Analysen von Beziehungen und Emotionen, die er aus seinem Kontakt mit jungen Menschen gewonnen hat. Es ist wie ein Essay über die Phänomenologie der Farbe von einem farbenblinden Physiologen. Das zugrundeliegende Thema - dass wir die Menschen nicht wie Dinge behandeln sollten - ist natürlich unbestreitbar. Der Begriff der Selbsthingabe ist theologisch fundiert, berücksichtigt aber nicht die gelebte Erfahrung in der Zeit, flüchtige Emotionen, Schwächen und ungleiche Triebe und Zwänge.[...] [S]ubjektive Erfahrung ist in Johannes Pauls Theologie des Leibes kaum erkennbar. Seine Kommentare sind losgelöst von den Realitäten des Sexuallebens. [...] Es gibt auch keinen einzigen Hinweis in dem gewaltigen 600-seitigen Kompendium auf den Genuss von Sex, die Freuden, die Enttäuschungen, das Leid und die Einsamkeit von Verlust und Verlassenheit. Er spricht von der 'Ekstase' des Sex als einer quasi-spirituellen Erfahrung in Begriffen, die vom wirklichen Leben losgelöst sind. [...] Gleichzeitig verpackt er seine These in eine schwülstige, von Jargon geprägte Prosa.“ Vielleicht wäre die zölibatäre Kirche klüger beraten, wenn sie sich nicht als Lehrmeisterin in Detailfragen der Sexualität verstehen würde, und wenn sie nicht dort großer moralische Probleme konstruieren würde, wo denjenigen welche sehen kann, der in ihrer moraltheologischen Tradition lebt. Die Kritik am Begriff der „Ganzhingabe“ und an der Sexualmoral Johannes Pauls II., wie sie hier vorgetragen wird, ist weder neu noch besonders originell. Sie offenbart allerdings ein grundlegendes Missverständnis katholischer Anthropologie und Theologie – und eine bemerkenswerte Einstellung gegenüber einer jahrhundertelangen, differenzierten Tradition. Der Begriff der Ganzhingabe ist keineswegs ein willkürliches Konstrukt des 20. Jahrhunderts, sondern tief in der biblischen und patristischen Tradition verwurzelt. Bereits Paulus spricht im Epheserbrief (Eph 5,25ff.) von der gegenseitigen Hingabe von Mann und Frau als Abbild der Hingabe Christi an die Kirche. Die frühe Kirche hat diesen Gedanken aufgenommen und weiterentwickelt. Die marianische Frömmigkeit, wie sie etwa bei Grignion de Montfort begegnet, ist nur eine von vielen Ausprägungen. Wer den Begriff der Ganzhingabe als „fragwürdig“ bezeichnet, offenbart seine Unkenntnis sowohl der Schrift als auch der Theologiegeschichte. Dies wird nicht dadurch besser, dass man sie mit zeitgeistigen Ressentiments gegen „quasi-religiöse Projektionen“ in der Sexualität garniert. Dass Johannes Paul II. als Zölibatär „keine Ahnung“ von Sexualität habe, ist ein beliebter, aber intellektuell schwacher Vorwurf. Es ist der klassische Fehlschluss, Erfahrung mit Kompetenz zu verwechseln. Nach dieser Logik dürfte auch ein Arzt keine Krebspatienten behandeln, wenn er nicht selbst an Krebs erkrankt war. Johannes Paul II. hat in „Liebe und Verantwortung“ und in seiner „Theologie des Leibes“ eine der tiefgründigsten und menschenfreundlichsten Anthropologien des 20. Jahrhunderts entwickelt. Er hat Sexualität nicht auf Triebbefriedigung reduziert, sondern als personale, leib-seelische Ganzhingabe verstanden – als einen Akt, in dem sich zwei Menschen in Freiheit, Treue und Liebe einander schenken. Wer das als „abgehoben“ oder „realitätsfern“ abtut, hat entweder den Text nicht verstanden oder will ihn nicht verstehen. Die Forderung, Theologie solle sich an „gelebter Erfahrung“ orientieren, ist populär, aber gefährlich. Wer die Wahrheit über den Menschen nur aus der subjektiven Erfahrung ableitet, landet im Relativismus. Die Kirche lehrt nicht, weil sie „alles besser weiß“, sondern weil sie aus der Offenbarung und aus einer langen Reflexion über das Menschsein schöpft. Die Sexualmoral der Kirche ist keine Sammlung von „Feldnotizen vom Mars“, sondern der Versuch, das Geheimnis des Menschen im Licht Gottes zu verstehen. Zitieren
iskander Geschrieben 17. Mai Melden Geschrieben 17. Mai @Frey Falls der von mir gebrauchten Begriff "quasi-naturalitisch" zu Missverständnissen führen sollte, hier noch ein kleiner Nachtrag dazu. Es wird, auch von Theologen, Humane vitae und ähnlichen Verlautbarungen vorgehalten, die Argumentation beruhe auf einem naturalistischen Fehlschluss, wie Du ihn angesprochen hast - wo man nämlich vom Sein direkt aufs Sollen schließt. Das halte ich aber nicht für ganz richtig, weil hier ja nicht ganz unmittelbar und in einer problematischen Weise vom Sein aufs Sollen geschlossen wird, sondern vom Sein ganz unmittelbar auf Gottes Wille - und dann erst aufs Sollen. (Es ist so - also will Gott, dass es so ist - also soll der Mensch sich entsprechend verhalten.) Deshalb die Rede von einem quasi-naturalistischen Fehlschluss. Die implizite Prämisse, die verwendet wird, ist offensichtlich unvernünftig (auch innerhalb eines theistischen Denk-Rahmens). Sie lautet: "Wenn Gott die Natur auf diese und jene Weise eingerichtet hat, dann will er auch, dass sie so bleibt wie sie ist, ohne dass der Mensch regulierend in sie eingreifen würde." Da im Zusammenhang mit der Verhütung offenbar ganz unmittelbar von der Biologie in ihrer Faktizität darauf geschlossen wird, dass die Biologie so bleiben muss, wie sie ist, ohne dass überzeugend erklärt würde, warum das gerade hier (anders als sonst wo) der Fall sein soll, wird offenbar dieser Fehlschluss benutzt. Zitieren
Frey Geschrieben 17. Mai Melden Geschrieben 17. Mai (bearbeitet) vor 5 Stunden schrieb iskander: Zuletzt möchte ich nochmals die folgenden Fragen stellen, auf die bisher noch niemand geantwortet hat: Falls es im konkreten gar nicht wünschenswert ist, dass ein Kind entsteht - und diese Möglichkeit wird ja zugegeben: Welchen Sinn ergibt es dann, darauf zu beharren, dass entsprechende sexuelle Akte dennoch zur Zeugung eines Kindes führen können müssen? Wieso sollte ein rationaler und menschenfreundlicher Gott darauf insistieren, dass etwas möglich sein muss, was gar nicht wünschenswert ist? Und wenn der sexuelle Akt nicht deswegen fruchtbar sein muss, weil ein Kind gezeugt werden soll, was ist die potentielle Fruchtbarkeit des sexuellen Aktes dann eigentlich mehr sein als ein reiner Selbstzweck? Solche Fragen nach dem einsichtigen Sinn werden in aller Regel umschifft; statt zu sagen, warum ein bestimmtes Verhalten "Sinn macht", versucht man aufzuzeigen, dass sich angeblich aus der Natur ableiten lässt, dass Gott es so wünscht. Aber wenn Gottes Wille sinnvoll sein soll, kann man auf diese Weise Fragen wie die gerade gestellten nicht zur Seite schieben. Ich könnte an dieser Stelle erneut eine Antwort aus katholischer Perspektive geben. Allerdings zeigt die Erfahrung in dieser Diskussion, dass dies den Vorwurf nach sich zieht, eine suggestive oder tendenziöse Sprache zu verwenden oder gar ausschließlich die katholische Sichtweise zu vertreten, was miteinander in Verbindung stehe. Ich habe den Eindruck, dass die Diskussion auf diese Weise nicht wirklich weiterbringt. Das ist meines Erachtens auch nicht weiter schlimm, denn niemand ist verpflichtet, die katholische Sexualmoral gutzuheißen oder sich nach ihr zu richten. bearbeitet 17. Mai von Frey Zitieren
iskander Geschrieben 17. Mai Melden Geschrieben 17. Mai (bearbeitet) vor 4 Stunden schrieb Frey: Der Begriff der Ganzhingabe ist keineswegs ein willkürliches Konstrukt des 20. Jahrhunderts, sondern tief in der biblischen und patristischen Tradition verwurzelt. Bereits Paulus spricht im Epheserbrief (Eph 5,25ff.) von der gegenseitigen Hingabe von Mann und Frau als Abbild der Hingabe Christi an die Kirche. Die frühe Kirche hat diesen Gedanken aufgenommen und weiterentwickelt. Die marianische Frömmigkeit, wie sie etwa bei Grignion de Montfort begegnet, ist nur eine von vielen Ausprägungen. Zum Begriff der Ganzhingabe in einem theologischen Kontext habe ich nun ja gar nichts gesagt. Und ich habe den Begriff auch innerhalb eines erotisch-sexuellen Kontextes nicht "rundheraus" abgelehnt. Etwas anderes ist es allerdings zu sagen, dass jeder einzelne sexuelle Akt (zumindest in der von Liebe getragenen Ehe) jederzeit so erlebt würde oder werden "sollte". Ebenfalls wäre zu fragen, was der Begriff im erotisch-sexuellen Kontext genau bedeuten kann oder soll. Ich würde auch nicht behaupten, dass es prinzipiell völlig illegitim wäre, eine gewisse Analogie zwischen einer religiösen und einer erotisch-sexuellen Ganzhingabe aufmachen zu wollen. Solche Betrachtungsweise mögen aus christlicher Sicht ihren Sinn haben, und das respektiere ich. Jedoch sehe ich eben auch die Gefahr, dass man derartige Analogien oder Bilder überstrapaziert, und dass die - wohl doch bedeutsamen - Unterschiede zu sehr aus dem Blick geraten. Dies kann dann im ungünstigsten Fall zu problematischen Urteilen über den Charakter der Sexualität führen. Übrigens klingt die gerade zitierte Passage von Dir tendenziell so, als läge die marianische Frömmigkeit auf einer ähnlichen Ebene wie "die gegenseitigen Hingabe von Mann und Frau als Abbild der Hingabe Christi an die Kirche", oder als sei das doch etwas Verwandtes. Vielleicht interpretiere ich das nur so, aber wenn es so gemeint wäre, würde das selbst wieder Fragen aufwerfen. Diejenigen, die in Teilen der marianischen Frömmigkeit eine versteckte und sublimierte Erotik sehen, würden eine solche Bemerkung jedenfalls goutieren. (Ich selbst möchte mir das an dieser Stelle nicht zueigen machen, sondern nur auf das Problem hinweisen.) Zitat Wer den Begriff der Ganzhingabe als „fragwürdig“ bezeichnet, offenbart seine Unkenntnis sowohl der Schrift als auch der Theologiegeschichte. Ich bezeichne nicht den "theologischen" Begriff der "Ganzhingabe" als problematisch, sondern seine womöglich doch etwas weitgehende und zu wenig angepasste Übertragung auf die sexuelle Vereinigung. Zitat Dass Johannes Paul II. als Zölibatär „keine Ahnung“ von Sexualität habe, ist ein beliebter, aber intellektuell schwacher Vorwurf. Es ist der klassische Fehlschluss, Erfahrung mit Kompetenz zu verwechseln. Nach dieser Logik dürfte auch ein Arzt keine Krebspatienten behandeln, wenn er nicht selbst an Krebs erkrankt war. Ein Arzt mag sehr viel über die Krankheit seines Patienten wissen - das innere Erleben des Patienten mag ihm aber dennoch recht unzugänglich sein, wenn er eine vergleichbare Krankheit selbst noch nicht erlebt hat. Für die Arbeit des Arztes kommt es nun glücklicherweise gewöhnlich auch gar nicht darauf an, dass er das phänomenologische Erleben seines Patienten mitvollziehen kann. Er sollte zwar natürlich eine gewisse Empathie an den Tag legen, aber ansonsten kann und darf er sich auf die "objektiven" (im Sinne von: "nicht zum persönlichen Erleben gehörenden") Aspekte der Krankheit und ihrer Behandlung konzentrieren. Wenn JPII nun allein über die "objektivierbaren" Aspekte der Sexualität geschrieben hätte (wie bestimmte Erregungskurven aussehen, wann die Menopause einsetzt usw.), dann läge eine echte Analogie vor. Aber es geht ihm doch auch - und vor allem - um den phänomenologischen Aspekt des sexuellen Erlebens. Denn von diesem hängt doch auch alles ab. Man kann ja beispielsweise durch eine biologische Untersuchung nicht erkennen, ob nun der sexuelle Akt stets eine "Ganzhingabe" ist (bzw. sein sollte), und wenn ja, was das genau bedeutet. Solche Fragen lassen sich doch nur unter Berücksichtigung des Ergebnisgehalt der Sexualität erörtern. Ganz konkret: Was wäre, wenn ein Paar sagt, dass es den sexuellen Verkehr als einen Akt der tiefen Liebe und Begegnung wahrnimmt, nicht unbedingt aber als einen der "Ganzhingabe". Oder was wäre, wenn ein anderes Paar sagt, dass es den sexuellen Akt auch dann als "Ganzhingabe" empfindet, wenn es verhütet, weil die Fruchtbarkeit im gegenseitigen Einverständnis ausgeschlossen wird - und daher nicht als etwas empfunden wird, das man dem anderen verweigert? Was, wenn die Frau im konkreten Fall sagt, dass sie sich in so einem Fall nicht als von ihrem Mann "benutzt" erlebt, und dass sie einen solchen Sexualakt auch nicht als "Lüge" versteht? Dann könnte ein Befürworter der "Theologie des Leibes" doch wohl nur phänomenologisch argumentieren. Denn aus Beschreibungen der vom Erleben unabhängigen Prozesse lässt sich hier doch wohl wenig gewinnen. Mit Graphen oder Diagrammen lässt sich hier ja offenbar wenig gewinnen. Zur Illustration der Tatsache, dass es solch ein Erleben durchaus gibt, zitiere ich aus McCorys "Turning Point": "Colette [Potvin] told the group she had been married seventeen years, had five children and three miscarriages, and had undergone a hysterectomy. It is important, she said, that the assembly understand “the true woman, how she thinks, how she reacts, how she suffers, how she lives.” Discussion of birth control methods is taking up “too much space,” she declared. “One doesn’t base her conjugal life on a method.” She said it is time to “change directions, to find the true meaning of sexuality in the Christian life, to see how sex is embodied in the great commandment: Love your neighbor as yourself. [...] For the woman, she said, the conjugal act is a total gift of body and soul to the loved one — “a gift of pleasure and of physical and psy- chological fulfillment that leaves the man marvelously happy. Where I come from, we marry primarily to live with a man of our choice. Children come as a normal consequence of our authentic love and not as the goal.” Colette said a woman cannot consider the conjugal act in a strictly analytical way or from an exclusively biological viewpoint, to the detriment of its other aspects: “The physiological integrity of the conjugal act is less important than the repercussions of that love on the couple and on their family. The conjugal orgasm is the result of a very strong physical attraction and a spiritual bonding which joins bodies and spirits in a union on all levels: physical, intellectual, and moral, and it carries with it a whole gamut of wonderful, sensual pleasures. The day after such a communion with her spouse, the woman is more serene.... She is more patient with her children, more loving toward everyone.” Periodic continence, said Colette, “can have a positive value if it is agreed on by both husband and wife for the good of one or the other and if it doesn’t upset the tranquility of the family. But if it impedes the couple from living a serene, intimate conjugal life, one has to question its value and its affects. Must we sacrifice the psychological benefits of marital relations in order to preserve the biological integrity of an act? Is that a human way to act? Is it Christian?” [...] A morality that emphasizes the biology of the act in all circumstances is unfair, especially to the woman, she said. “It should be adjusted to take into account the good of the marriage, the good of the couple, the good of the children and of the whole family community.” A long silence followed. It was broken by de Riedmatten: “This,” he said, “is why we wanted to have couples on our Commission.” He asked Colette to repeat her talk when the bishops and cardinals arrived, and she did." Das Interessante ist, dass diese Frau den sexuellen Akt ebenfalls als eine Art von Ganzhingabe betrachtet, aber doch zu ganz anderen Schlussfolgerungen gelangt als JPII. Für sie impliziert die völlige Hingabe offenbar nicht zwingend, dass der Zeugungsaspekt stets eingeschlossen sein müsste. Sie empfindet einen sexuellen Akt ohne Zeugungsaspekt offenbar nicht als "Lüge". Nun kann man sagen, dass diese Frau - und auch viele Eheleute - einfach einer verzerrte Wahrnehmung haben. Wie der sexuelle Akt zu erleben sei, was er für den Menschen zu bedeuten habe: dies könne man den Schriften von JPII entnehmen. Aber woher weiß man, dass die Interpretation von JPII die richtige ist? Woher weiß man überhaupt, dass es eine einzige normative Interpretation für alle Menschen gibt? Schließlich geht es hier doch um Dimensionen des Erlebens. Zitat Johannes Paul II. hat in „Liebe und Verantwortung“ und in seiner „Theologie des Leibes“ eine der tiefgründigsten und menschenfreundlichsten Anthropologien des 20. Jahrhunderts entwickelt. Er hat Sexualität nicht auf Triebbefriedigung reduziert, sondern als personale, leib-seelische Ganzhingabe verstanden – als einen Akt, in dem sich zwei Menschen in Freiheit, Treue und Liebe einander schenken. Wer das als „abgehoben“ oder „realitätsfern“ abtut, hat entweder den Text nicht verstanden oder will ihn nicht verstehen. Es mag ja viel Beachtenswertes dort zu finden sein. Ich denke auch nicht (soweit ich das wissen kann bzw. mich erinnere), dass die von mir zitierten Autoren das abstreiten (würden). Und dass "sich zwei Menschen in Freiheit, Treue und Liebe einander schenken", tue ich auch nicht als „abgehoben“ oder „realitätsfern“ ab. Wie allerdings die Äußerungen von Colette Potvin verdeutlichen, muss man vielleicht auf dieser Grundlage nicht unbedingt zu allen Schlussfolgerungen gelangen, zu denen JPII gelangt ist. Es geht mir darum - und ich denke auch den von mir zitierten Autoren - dass sich doch manche Zuspitzungen, Vereinfachungen, Pauschalisierungen oder Engführungen bei JPII finden lassen. Der Knackpunkt sind dabei nicht Werte wie Liebe, Treue und Hingabe, sondern manche seiner Auffassungen dazu, wie diese Werte verwirklicht werden müssen und wie sie nicht verwirklicht werden dürfen. Das wäre an sich auch alles kein Problem - wenn nicht Millionen Menschen von der Überzeugungen, die JPII formuliert hat, indirekt getroffen würden. JPII hat hier in mehrfacher Hinsicht eine maßgebliche Rolle gespielt. Es geht hier ja nicht einfach um die Reflexionen eines Theologen, sondern diese Reflexionen stützen eine Doktrin mit weitreichenden (und teils sehr leidvollen Folgen), für welche unbedingter Gehorsam eingefordert wird. Es ist übrigens eine Doktrin, mit der die Kirche auch viele Menschen von sich weggetrieben hat. Grundsätzlich, aber auch angesichts der enormen Bedeutung, die JPII in dieser Hinsicht zukommt, muss also auch eine kritische Analyse möglich bleiben. Wenn zudem eine Phänomenologin und sehr enge und langjährige Freundin von JPII, die ihm menschlich wie auch philosophisch verbunden war, und die als verheiratete Frau selbst Erfahrungen mitbrachte, an manchen Aspekten seiner Auffassung eine Kritik übt, so ist das vielleicht doch etwas, was man nicht allzu rasch zur Seite wischen sollte. Zudem scheint es, dass JPII sich doch rechteinseitig hat beraten lassen, wie Barberi und Selling darlegen: "During the mid to late 1950s, “his [Wojtyła's] philosophy on marriage and sexuality was significantly influenced by his closest advisor, Dr. Wanda Poltawska, a psychiatrist..." [...] Dr. Poltawska’s paper also frequently referred to neurosis in women caused by the use of contraceptives … which Wojtyla accepted as valid." 13 These beliefs were also reflected in Love and Responsibility.14 Poltawska also theorized that in countries where the contraceptive attitude prevailed, abortion would be the logical outcome of contraceptive failure.15 [...] Most importantly, “There is little doubt that most of the ideas on sex, birth control and abortion, expressed by Wojtyla in his books and later in his papal sermons, were originally developed in his discussions with Dr. Poltawska.” [...]" "Under the influence of his advisors (e.g., Dr. Poltawska) Karol Wojtyla believed that if contraception were allowed, this would lead spouses to using each other merely as objects for sexual pleasure, to forms of ‘sexual slavery’, to neurosis on the part of the woman, and to the tendency for couples to choose abortion if contraception failed. [...]" "As it turned out, “Dr. Poltawska’s medical and psychiatric theories forwarded to the Vatican by Wojtyla persuaded Paul VI to reject the advice of his Western experts who favored the limited use of contraception by married couples.” 16 [...]" "... But Jonathan Kwitny, noted in his biography of John Paul II, that he could not find any scientifically accepted proofs of Dr. Poltawska’s claims or any references to her research in serious scientific journals.” Es geht also nicht nur um die phänomenologisch Intuition von JPII, sondern auch darum, ob er sich ausgewogen genug hat beraten lassen. Es muss die Frage erlaubt sein, ob nicht unwissenschaftliche Behauptungen empirischer Natur seine Anthropologie von JPII - die ja auch Basis seiner ethischen Wertutteile ist- beeinflusst haben mögen. Zitat Die Forderung, Theologie solle sich an „gelebter Erfahrung“ orientieren, ist populär, aber gefährlich. Wer die Wahrheit über den Menschen nur aus der subjektiven Erfahrung ableitet, landet im Relativismus. Die Kirche hat lange Zeit über nicht versucht, ihre Sexualmoral auf Basis phänomenologischer Analysen zu rechtfertigen, sondern auf Grundlage der manifesten, intersubjektiv (grundsätzlich) jederzeit zugänglichen Eigenschaften der Sexualität als eines biologischen Phänomens. JPII allerdings bemüht sich um eine personalistische und phänomenologische Begründung. Vom Grundgedanken her ist das zwar sympathisch - aber wenn in einem Zusammenhang wie diesem um Phänomenologie geht, ist die "gelebte Erfahrung" eben durchaus relevant. Nebenbei übrigens auch ein Lob: Es ist angenehm, dass Du sachlich belibst, audh wenn Deine Psoition eine deutliche Kritik erfährt. Das hat man auch schon anders erlebt. bearbeitet 17. Mai von iskander Zitieren
Weihrauch Geschrieben 17. Mai Melden Geschrieben 17. Mai (bearbeitet) vor 3 Stunden schrieb Frey: Wer den Begriff der Ganzhingabe als „fragwürdig“ bezeichnet, offenbart seine Unkenntnis sowohl der Schrift als auch der Theologiegeschichte. Ich bin schon noch da. Darum geht es überhaupt nicht. Dieser Begriff triggert dunkle Seiten in manchen Menschen. Sei es dass sie meinen, sich dem Partner sexuell ganz hingeben zu müssen, oder dass ein Partner meint, dergleichen vom anderen verlangen zu dürfen. Es gibt Situationen, in denen das im Einvernehmen wunderbar funktionieren kann, weil die Grenzen beiden bekannt sind und eingehalten werden. Meist ist das aber nicht der Fall, und dann endet es fatal. vor 3 Stunden schrieb Frey: Dass Johannes Paul II. als Zölibatär „keine Ahnung“ von Sexualität habe, ist ein beliebter, aber intellektuell schwacher Vorwurf. Es ist der klassische Fehlschluss, Erfahrung mit Kompetenz zu verwechseln. Das hat nichts mit Intellektualität zu tun, und es ist auch kein Fehlschluss. Wer die Gefahr nicht kennt, kommt darin um. Du kennst sie nicht, denn würdest du sie kennen, würdest du keinen so abwegigen Vergleich anbringen, wie diesen. vor 3 Stunden schrieb Frey: Nach dieser Logik dürfte auch ein Arzt keine Krebspatienten behandeln, wenn er nicht selbst an Krebs erkrankt war. Man muss solche schlimmen Erfahrungen nicht selbst machen, das stimmt. Aber man kann den Opfern, die solch bittere Erfahrungen gemacht haben zuhören. Wie viele Studien zum Thema sexuellen Missbrauchs braucht es denn noch, um zu begreifen, was in der Sexualität der Menschen schief gehen kann. vor 3 Stunden schrieb Frey: Johannes Paul II. hat in „Liebe und Verantwortung“ und in seiner „Theologie des Leibes“ eine der tiefgründigsten und menschenfreundlichsten Anthropologien des 20. Jahrhunderts entwickelt. Eine Anthropologie des Menschen beschreibt ihn so, wie er ist, nicht wie jemand meint, dass er sein sollte. Eine Anthropologie entwickelt nichts, sie beschreibt Tatsachen. Der Sündenfall ist keine Tatsache, nicht mal ein Mythos, aus dem man irgendeine Lehre ziehen könnte, schon gar nicht die, dass Ungehorsam von Übel, und Gehorsam der Weg zum Heil sei. Wer auf so dünnem Eis eine Anthropologie aufbaut, schadet sich selbst und anderen. Jeder Pädagoge und mittlerweile viele Eltern wissen, dass es verkehrt ist, ihren Kindern einzureden, dass sie von Geburt an schlecht sind. Wenn man ihnen dann noch erzählt, dass sie Kinder Gottes sind, kommt dabei ein total schizophrenes Gottes- und Menschenbild heraus, welches Menschen krank, abhängig und hörig macht. Hörigkeit, Macht- und Besitzansprüche, Gehorsam und sexueller Missbrauch liegen ganz nah beieinander, darum findet er meist im familiären Umfeld statt, und darum kann man ihn auch so leicht vertuschen. Aber eben nicht nur dort. Der Mensch hat die Veranlagung dazu, auf diese Weise zu entgleisen. Darum geht es, wenn ich sage, dass der Begriff Ganzhingabe in diesem Setup fragwürdig ist. Ich hoffe, dass ich es einigermaßen hinbekommen habe, wohlwollend rüber zukommen, als ich ans Eingemachte ran ging. bearbeitet 17. Mai von Weihrauch 2 1 Zitieren
iskander Geschrieben 17. Mai Melden Geschrieben 17. Mai (bearbeitet) vor 5 Stunden schrieb Frey: Ich könnte an dieser Stelle erneut eine Antwort aus katholischer Perspektive geben. Allerdings zeigt die Erfahrung in dieser Diskussion, dass dies den Vorwurf nach sich zieht, eine suggestive oder tendenziöse Sprache zu verwenden oder gar ausschließlich die katholische Sichtweise zu vertreten, was miteinander in Verbindung stehe. Ich habe den Eindruck, dass die Diskussion auf diese Weise nicht wirklich weiterbringt. Das ist meines Erachtens auch nicht weiter schlimm, denn niemand ist verpflichtet, die katholische Sexualmoral gutzuheißen oder sich nach ihr zu richten. Im konkreten Zusammenhang ging es mir darum, dass wir normalerweise nach Sinn und Nutzen von Geboten fragen. Wenn Gott beispielsweise wollte, dass ein Mensch in einer bestimmten Situation ein Kind zeugt, und wenn Gott vom Menschen in ebendieser Situation verlangen würde, dass er zeugungsoffene sexuelle Akte vollzieht, so wäre der Sinn hinter dieser Forderung einleuchtend. Man könnte den Zweck des göttl. Gebots an den Menschen, zeugungsoffene Akte zu vollziehen, leicht erkennen - der Zweck bestünde eben in der Zeugung eines Kindes. (Ob die Annahme, dass Gott dem einzelnen Menschen solche Befehle gibt, wirklich plausibel ist, spielt an dieser Stelle keine Rolle.) Wenn hingegen von Gott angeblich die Direktive kommt, dass sexuelle Akt auch dann unbedingt zeugungsoffen sein müssen, wenn keine Zeugung stattfinden soll, so erscheint dieses Gebot als vollkommen sinnlos. Es ist nicht erkennbar, welches Ziel durch dieses Gebot erreicht werden sollte. Fragt man nach dem Sinn und Zweck für das angebliche göttliche Gebot, so wird kein Zweck genannt; stattdessen wird - zumindest innerhalb des "biologischen" Argumentationsrahmens - gesagt, dass aus der Natur folge, dass es dieses göttliche Gebot gebe und dass es gelte. Es wäre etwa so, als würde ein Chef auch dann verlangen, dass sein Zimmer auf eine hohe Temperatur geheizt wird, wenn er sich im Urlaub befindet. Kein Mitarbeiter darf die Heizung, die der Chef selbst so hochgestellt hat, herunterdrehen. Auf die Frage, was denn der konkrete Sinn dieser Anordnung des Chefs sein soll, wird nicht etwa ein einsichtiger Zweck nennen (der beispielsweise gegeben wäre, wenn es im fragliche Zimmer ohne ständige Beheizung zu schimmeln anfangen würde); vielmehr bekommt man als Antwort zu hören, dass sich aus dem Verhalten des Chefs ableiten lasse, dass er das mit der Heizung eben so will. Das Verbot, die Heizung herunterzudrehen, wird nicht als sinnvoll ausgewiesen, sondern es wird nur bekräftigt, dass der Chef es entsprechend angeordnet hat. Du wirst jetzt vermutlich antworten, dass es da doch um andere Dinge gehe als bei der Verhütung, und das ist korrekt. Es geht mir aber nicht um die Details des Falles, sondern um die Veranschaulichung eines Prinzips: Es werden Regeln aufgestellt, von denen überhaupt nicht klar ist, welchen Sinn sie haben. Auf die Frage, warum diese Regeln vernünftig sein sollen, bekommt man keine Antwort, sondern es wird erklärt, dass man beweisen könne, dass die Autorität diese Regeln wolle. Das Gut, das durch die Regeln geschützt oder verwirklicht werden soll, ist nicht erkennbar. Oder prägnanter: Es ist nicht klar, was die jeweilige rationale Absicht hinter den Geboten von Gott oder auch dem hypothetischen Chef ist; es hat vielmehr den Anschein, als ob die jeweiligen Gebote reine Selbstzwecke darstellen würden. (Zumindest gilt das für den Denkrahmen, bei dem man mit der biologischen Natur argumentiert. In diesem Punkt ist der "personalistische" Ansatz von JPII überlegen - dort wird immerhin auf nachvollziehbare Zwecke verwiesen, die hinter den entsprechenden Maximen stehen und die durch ihre Befolgung erreicht werden sollen: der Schutz und die Verwirklichung bestimmter personaler Werte.) Meine Kritik an suggestiver und tendenziöser Sprache bezieht sich natürlich nicht darauf, dass jemand eine andere Meinung vertritt als ich, sondern dass jemand die eigene Auffassung häufig mit positiven Wörtern umrahmt ("die Rhythmen der Schöpfung respektieren", "Verantwortung im Dialog", "wahre Freiheit" usw.), während die gegnerische Position oftmals ein negatives Framing erfährt ("Verhütung zerstört (sic!) dagegen die fertile Kapazität des Aktes", "Selbstermächtigung gegen die empfangene Gabe", "sich selbst absolut setzen" usw.). Es ist ein wenig so, als würde jemand, der meine Auffassung vertritt, im Zusammenhang mit der freien Wahl der Geburtenregelung allzu oft positiv konnotierte Begriffe wie "einzig rationale Herangehensweise", "Verantwortung jenseits eines simplen Biologismus" usw. benutzen; sobald er aber über die exklusive Erlaubtheit der NFP spricht, würde er häufig negativ klingende Ausdrücke wie "Unterwerfung unter das rein Biologische", "Verbeugung vor dem Faktisch-Natürlichen" usw. gebrauchen. (Meine Beispiele mögen nicht perfekt sein - ich habe mir nicht die Mühe gemacht, an dieser Stelle lange nachzugrübeln - aber ich denke, du weißt, was ich meine.) Problematisch wäre das vor allem dann, wenn solche suggestiven Formulierungen dort stehen würden, wo man eigentlich Argumente erwarten dürfte; wenn sie also Argumente nicht begleiten oder auf den Punkt bringen, sondern diese eher ersetzen. Sprache ist an dieser Stelle aber letztlich doch Nebenpunkt. Meine eigentliche Kritik lautet, dass keine Argumente erkennbar sind, bei denen nicht bereits entweder die zu beweisende These vorausgesetzt wird, oder aber andere Thesen, die eines Beweises dringend bedürften. Das Hauptproblem sehe ich momentan an der folgenden Stelle: Es wird ständig davon gesprochen, dass jeder einzelne sexuelle Akt (nicht allein, aber auch) auf die Zeugung "hingeordnet" sei. Teilweise werden auch sinnentsprechende Formulierungen gebraucht. Mir ist einfach nicht klar, was dieses "hingeordnet" bedeuten soll, und bisher konnte es mir auch niemand erklären. Es scheint mir, wenn man es wirklich genau nimmt (und das will ich diesmal tun), drei grundsätzliche Möglichkeiten zu geben: a) Der Term ist rein empirisch-deskriptiv gemeint; er beschreibt einfach die biologische Wirklichkeit so, wie sie sich dem Beobachter unbestreitbar darstellt. Dazu gehört eben die Tatsache, dass manche sexuellen Akte potentiell fruchtbar sind - und andere nicht. Wenn das so gemeint ist, bedarf die Rede, dass jeder sexuelle Akt auf die Zeugung "hingeordent" ist, zwar keiner weiteren Begründung; dafür müsste dann allerdings gezeigt werden, wie aus den unstrittigen biologischen Tatsachen ein göttlicher Wille hergeleitet werden kann, welcher die künstliche Verhütung verbietet. Dabei gestehe ich der Kirche an dieser Stelle selbstredend zu, dass sie auf Grundlage eines theistischen Weltbildes argumentiert; das Problem ist jedoch, dass - wenn ich das richtig sehe - auch innerhalb eines theistischen Denkrahmens eine solche Rechtfertigung nicht möglich ist. Es scheint, dass man vielmehr einen Fehlschluss benötigen würde: Man würde ausgerechnet im Zusammenhang mit der Sexualität die Gesetze der Biologie direkt mit den verpflichtenden Normen Gottes in eins setzen - und zwar ohne dass man eine Begründung dafür geben könnte, warum es gerechtfertigt sein sollte, an dieser Stelle anders zu verfahren als im Normalfall. b) Die Redeweise von der "Hinordnung" soll einfach zum Ausdruck bringen, dass die faktische Biologie, wie man sie vorfindet, von Gott erschaffen wurde - dass es also Gott selbst war, der die Sexualität so konzipiert hat, dass beispielsweise manche (aber nicht alle) sexuellen Akte zur Fortpflanzung führen können. Ein entsprechende Interpretation der Wirklichkeit ist innerhalb eines theistischen Bezugsrahmens natürlich legitim; aber mir ist unklar, wie man aus ihr heraus ohne den bereits erwähnten Fehlschluss ein generelles Verbot der Verhütung rechtfertigen könnte. c) Der Term "hingeordnet" ist so zu verstehen, dass er das Verbot jeder Verhütung bereits implizit beinhaltet. Die Aussage, dass jeder sexuelle Akt auf die Zeugung "hingeordnet" ist, würde dann also wohl bedeuten, dass Gott im Hinblick auf jeden sexuellen Akt will, dass dieser potentiell fruchtbar ist. Dann aber wäre eben zu zeigen, warum jeder sexuelle Akt in diesem speziellen, normativen Sinne auf die Zeugung "hingeordnet" ist (und das wäre natürlich zu zeigen, ohne den besagten Fehlschluss zugrundezulegen). Ansonsten hätte man kein Argument, sondern man würde die eigene Position einfach bekräftigen, indem man sie auf eine bestimmte Weise formuliert. (Es mag auch weitere mögliche Interpretationen geben, die ich übersehe.) Deshalb wäre meine primäre und dringlichste Frage: Was bedeutet "hingeordnet" eigentlich? Gibt es so etwas wie einen kanonischen Sinn dieses Begriffs (der ja auch in Humane vitae zu finden ist)? Falls nein, in welchem Sinne würdest Du ihn gff. innerhalb Deiner eigenen Argumentation verstanden wissen wollen? bearbeitet 18. Mai von iskander Zitieren
iskander Geschrieben 17. Mai Melden Geschrieben 17. Mai @Weihrauch ich glaube, an dieser Stelle redet ihr wohl aneinander vorbei. Es zeigt aber vielleicht auch, dass der Begriff "Ganzhingabe" etwas schillernd ist und erst einmal einer Klärung bedürfte. Zitieren
Frey Geschrieben 18. Mai Melden Geschrieben 18. Mai (bearbeitet) vor 11 Stunden schrieb iskander: Das Hauptproblem sehe ich momentan an der folgenden Stelle: Es wird ständig davon gesprochen, dass jeder einzelne sexuelle Akt (nicht allein, aber auch) auf die Zeugung "hingeordnet" sei. Teilweise werden auch sinnentsprechende Formulierungen gebraucht. Mir ist einfach nicht klar, was dieses "hingeordnet" bedeuten soll, und bisher konnte es mir auch niemand erklären. Es scheint mir, wenn man es wirklich genau nimmt (und das will ich diesmal tun), drei grundsätzliche Möglichkeiten zu geben: a) Der Term ist rein empirisch-deskriptiv gemeint; er beschreibt einfach die biologische Wirklichkeit so, wie sie sich dem Beobachter unbestreitbar darstellt. Dazu gehört eben die Tatsache, dass manche sexuellen Akte potentiell fruchtbar sind - und andere nicht. Wenn das so gemeint ist, bedarf die Rede, dass jeder sexuelle Akt auf die Zeugung "hingeordent" ist, zwar keiner weiteren Begründung; dafür müsste dann allerdings gezeigt werden, wie aus den unstrittigen biologischen Tatsachen ein göttlicher Wille hergeleitet werden kann, welcher die künstliche Verhütung verbietet. Dabei gestehe ich der Kirche an dieser Stelle selbstredend zu, dass sie auf Grundlage eines theistischen Weltbildes argumentiert; das Problem ist jedoch, dass - wenn ich das richtig sehe - auch innerhalb eines theistischen Denkrahmens eine solche Rechtfertigung nicht möglich ist. Es scheint, dass man vielmehr einen Fehlschluss benötigen würde: Man würde ausgerechnet im Zusammenhang mit der Sexualität die Gesetze der Biologie direkt mit den verpflichtenden Normen Gottes in eins setzen - und zwar ohne dass man eine Begründung dafür geben könnte, warum es gerechtfertigt sein sollte, an dieser Stelle anders zu verfahren als im Normalfall. b) Die Redeweise von der "Hinordnung" soll einfach zum Ausdruck bringen, dass die faktische Biologie, wie man sie vorfindet, von Gott erschaffen wurde - dass es also Gott selbst war, der die Sexualität so konzipiert hat, dass beispielsweise manche (aber nicht alle) sexuellen Akte zur Fortpflanzung führen können. Ein entsprechende Interpretation der Wirklichkeit ist innerhalb eines theistischen Bezugsrahmens natürlich legitim; aber mir ist unklar, wie man aus ihr heraus ohne den bereits erwähnten Fehlschluss ein generelles Verbot der Verhütung rechtfertigen könnte. c) Der Term "hingeordnet" ist so zu verstehen, dass er das Verbot jeder Verhütung bereits implizit beinhaltet. Die Aussage, dass jeder sexuelle Akt auf die Zeugung "hingeordnet" ist, würde dann also wohl bedeuten, dass Gott im Hinblick auf jeden sexuellen Akt will, dass dieser potentiell fruchtbar ist. Dann aber wäre eben zu zeigen, warum jeder sexuelle Akt in diesem speziellen, normativen Sinne auf die Zeugung "hingeordnet" ist (und das wäre natürlich zu zeigen, ohne den besagten Fehlschluss zugrundezulegen). Ansonsten hätte man kein Argument, sondern man würde die eigene Position einfach bekräftigen, indem man sie auf eine bestimmte Weise formuliert. (Es mag auch weitere mögliche Interpretationen geben, die ich übersehe.) Deshalb wäre meine primäre und dringlichste Frage: Was bedeutet "hingeordnet" eigentlich? Gibt es so etwas wie einen kanonischen Sinn dieses Begriffs (der ja auch in Humane vitae zu finden ist)? Falls nein, in welchem Sinne würdest Du ihn gff. innerhalb Deiner eigenen Argumentation verstanden wissen wollen? Der Begriff "Hinordnung"steht nicht losgelöst für sich alleine, sondern im Kontext der Schöpfungstheologie. Kanonisch ist er m.W. nicht, aber entspringt der theologischen Nomenklatur. In der katholischen Lehre steht er in engem Zusammenhang mit der Ebenbildlichkeit des Menschen zu Gott, ist aber nicht direkt daraus abgeleitet. Die Verbindung ergibt sich aus dem theologischen Verständnis des Menschen als Abbild Gottes und der Deutung seiner geschöpflichen Natur. Die Bibel betont, dass der Mensch „als Mann und Frau“ nach Gottes Bild geschaffen ist (Gen 1,27). Diese Zweigeschlechtlichkeit ist kein Zufall, sondern Ausdruck der göttlichen Schöpfungsordnung. Die geschlechtliche Polarität und ihre Ausrichtung auf die Zeugung werden als Teil der Ebenbildlichkeit verstanden: • Mann und Frau spiegeln gemeinsam die schöpferische Liebe Gottes wider . • Die Fähigkeit zur Hingabe und zur Zeugung neuen Lebens wird als Teilhabe an Gottes schöpferischer Macht gedeutet . Die „Hinordnung“ des Geschlechtsakts auf die Zeugung lässt sich aus dieser theologischen Anthropologie ableiten: Schöpfungsteleologie: Da Gott den Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat, wird die natürliche Zielrichtung (Finalität) des Geschlechtsakts – die Zeugung – als Ausdruck des göttlichen Willens interpretiert. Personalität und Hingabe: Die gegenseitige Selbstschenkung von Mann und Frau in der Ehe gilt als Abbild der dreifaltigen Liebe Gottes. Diese Hingabe schließt die Offenheit für neues Leben ein, da sie die schöpferische Dimension Gottes widerspiegelt. Max Weber würde vom subjektiv gemeinten Sinn sozialen Handelns sprechen. Eine Hinordnung ist dann die subjektiv gemeinte Ausrichtung sozialen Handelns hin auf eine normative Ordnung. Selbstverständlich: Wer die Ebenbildlichkeit negiert, und schöpfungstheologisch eine andere Auffassung vertritt, was in der Moderne die Regel ist, für den ergibt die Hinordnung keinen Sinn. Es ist übrigens nicht so selbstverständlich wie ist klingt: Die zentrale Übung, um im Menschen das Ebenbild Gottes zu sehen, findet sich im sogenannten „Prinzip und Fundament“ der ignatianischen Exerzitien. Ignatius von Loyola stellt darin heraus, dass der Mensch geschaffen ist, um Gott zu loben, ihm zu dienen und dadurch zum Heil zu gelangen. Jeder Mensch ist Geschöpf und Ebenbild Gottes, was die Grundlage für eine Haltung der Achtung und Wertschätzung gegenüber sich selbst und allen anderen Menschen bildet. Dieses Fundament einmal für einen Tag für sich persönlich anzuwenden ändert den Blick auf die Umgebung, und ist eine echte Herausforderung. Wenn das mißlingt, kann man Humanae Vitae getrost beiseite legen. Was auch mißverstanden werden könnte: Hingabe (nicht Hinordnung) betrifft beide, Frau und vor allem Mann. Ich zitiere mal Eph 5,25ff: "Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, nachdem er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort, damit er sie sich selbst darstelle als eine Gemeinde, die herrlich sei, sodass sie weder Flecken noch Runzeln noch etwas Ähnliches habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei. Ebenso sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Denn niemand hat je sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es, wie auch Christus die Kirche. Denn wir sind Glieder seines Leibes. Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein. Dieses Geheimnis ist groß; ich aber deute es auf Christus und die Kirche.“ Die Moderne hat daran einiges zu kommentieren, aber die Stelle zeigt zwei Dinge: Sie erläutert den Begriff Hingabe, und sie richtet sich an Männer. Ich habe manche Geschichten von Frauen gehört, und wer sich mit feministischer Soziologie beschäftigt hört vieles: Ich bin sicher, dass Männern unserer Zeit Eph 5,25ff gut tun würde. Aber dass es Spannungsverhältnisse zwischen Kirche und Moderne gibt, erwähnte ich ja bereits. bearbeitet 18. Mai von Frey Zitieren
Flo77 Geschrieben 18. Mai Melden Geschrieben 18. Mai Wenn das so ähnlich denn wenigstens im Text stünde. Zitieren
Weihrauch Geschrieben 18. Mai Melden Geschrieben 18. Mai (bearbeitet) vor 12 Stunden schrieb iskander: ich glaube, an dieser Stelle redet ihr wohl aneinander vorbei. Es zeigt aber vielleicht auch, dass der Begriff "Ganzhingabe" etwas schillernd ist und erst einmal einer Klärung bedürfte. Ich denke schon, dass ich den Standpunkt von Frey verstehen kann, sowohl kirchengeschichtlich als auch theologisch und auch was die Heilige Schrift betrifft. Aber ich bin, wie du, nicht damit einverstanden, nicht mit dem Menschenbild von Mann und Frau, das im Alten und Neuen Testament beschrieben ist, weil es biologisch und daher auch anthropologisch seit "Adam und Eva" falsch ist, weswegen ich aber niemandem einen Vorwurf mache. Aber es hat die Tradition der Kirche über zwei Jahrtausende geprägt. Aus einer völlig falsch verstandenen Natur des Menschen, wurde ein angeblich göttliches Naturrecht abgeleitet, weil Gott den Menschen angeblich so geschaffen hat. Gott hat den Menschen aber nicht so erschaffen sondern anders. Da ist im kirchlichen Menschenbild von Anfang an der Wurm drin gewesen. Die Theologie die auf dieser falschen Prämisse aufgebaut wurde, war folglich über Jahrhunderte ebenso falsch: der Mann ist das Haupt der Frau. Das zieht sich bis heute durch. Eine fachliche Autorität in Sachen der Natur des Menschen ist die Kirche nicht gewesen, und da wird die viel beschworene Tradition zum Bumerang, wenn sich irgendwann herausstellt, dass man fast zwei Jahrtausende von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist, über die Natur des Menschen, die angeblich von Gott offenbart und getreulich tradiert wurde. So kam es zu diesem theologischen Machtgefälle zwischen Mann und Frau, welches bis heute in der Kirche Bestand hat. Als dann die weibliche Eizelle entdeckt und verstanden worden ist, hatte die Kirche ein theologisches Problem, und darum wurde Marias unbefleckte Empfängnis aus dem Hut gezaubert, weil auf einmal "offenbart worden ist", dass die angebliche Erbsünde nicht nur durch das Erbgut des Mannes an "seine" Nachkommenschaft, sondern auch durch das Erbgut der Frau vererbt wird. Peinlich für die Lehre vom Sohn Gottes, wenn sich plötzlich herausstellt, dass er mit der Erbsünde belastet ist, wo er doch nach traditioneller Lehre ohne Sünde ist, weil er nicht von einem Mann sondern von Gott "gezeugt" wurde. Darum musste jetzt auch Jesu Mutter von der Erbsünde "freigesprochen" werden. Nichts leichter als das, für die Kirche. Solche "Feinheiten" finden sich in keiner mir bekannten kirchengeschichtlichen Abhandlung. @Frey Ich kenne Eph 5: vor 3 Stunden schrieb Frey: Was auch mißverstanden werden könnte: Hingabe (nicht Hinordnung) betrifft beide, Frau und vor allem Mann. Ich zitiere mal Eph 5ff: ... [Zitat Eph 5,25-32] ... Die Moderne hat daran einiges zu kommentieren, aber die Stelle zeigt zwei Dinge: Sie erläutert den Begriff Hingabe, und sie richtet sich an Männer. Nur wenn man so selektiv zitiert wie du es getan hast. Unmittelbar davor steht nämlich dies in Eph 5: Zitat Eph 5,21-24 Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Furcht Christi! Ihr Frauen euren Männern wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist. Er selbst ist der Retter des Leibes. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen in allem den Männern unterordnen. Halten wir fest: Die Frau hat sich in allem dem Mann unterzuordnen, der Mann aber nicht in allem der Frau. Christus ist das Haupt der Kirche, der Mann das Haupt der Frau - daran hat sich trotz des neuen Menschenbildes, in dem die Frau bei der Fortpflanzung dem Mann gleichrangig zur Seite steht, und neuerdings mit gleichem Recht von ihren Nachkommen sprechen kann wie der Mann, nichts geändert. Daran hält man fest, weil es die Tradition immer schon so gehalten hat, und weil die Autorität der Kirchenmänner das immer schon so gelehrt hat. Die Kirchenmitglieder haben der Autorität der von Gott eingesetzten Kirchenmänner zu gehorchen, und dann haben wir noch unfehlbare Päpste, die fleißig Enzykliken schreiben, in denen schließlich von der "Ganzhingabe" der Eheleute die Rede ist. Zitat Humanae Vitae: Diese Liebe ist schließlich fruchtbar, da sie nicht ganz in der ehelichen Vereinigung aufgeht, sondern darüber hinaus fortzudauern strebt und neues Leben wecken will. "Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung [sic.!] und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. Kinder sind gewiß die vorzüglichste Gabe für die Ehe und tragen zum Wohl der Eltern selbst sehr bei (8)." Wieso mit der Erbsünde belastete Kinder die vorzüglichste Gabe für eine Ehe sein sollen, weiß der Teufel. Bei ihrer theologischen Erziehung werden die Kinder nicht um "Adam und Eva im Paradies" herumkommen, und man wird sie ein Leben lang darauf hinweisen, dass sie Sünder sind, und es wird keinem von ihnen gut tun. Mit dieser "frohen Botschaft", dass alle Menschen Sünder sind, begann die Trauerfeier für Jorge Mario Bergoglio (sein päpstlicher Siegelring war längst zerbrochen worden). Ich dachte ich hör nicht recht, aber die Kirche muss anscheinend allen Menschen ständig vorhalten, dass sie Sünder sind. Das den versammelten Präsidenten vieler Länder, vielen Vertretern anderer Religionen, dem Publikum am Petersplatz und an Millionen Fernsehgeräten zu sagen und sich voller Demut als sakramentaler Heilsbringer in Szene zu setzen, ist - räusper - völlig fehl am Platz. Diese übergriffige Machtdemonstration hätte man sich sparen können, denn die Menschen vieler Religionen trauerten um den Verlust der von ihnen geschätzten Person Jorge Mario Bergoglio und wollten dieser die letzte Ehre erweisen, unabhängig davon welcher Religion sie angehören. Ich lasse mir nicht den Schuh anziehen, jemals von der Erbsünde belastet worden zu sein. Ich mache Fehler, aber ich bin kein schlechter Mensch, sondern ein Mensch wie jeder andere auch. bearbeitet 18. Mai von Weihrauch 1 Zitieren
Frey Geschrieben Sonntag um 14:28 Melden Geschrieben Sonntag um 14:28 Mir ging es in meiner Antwort an @iskander um eine begriffliche Klärung, um die er gebeten hat, und um die ich mich bemüht habe. Die Antwort von @Weihrauch zeugt von einer großen inneren Betroffenheit, die Antwort ist eine kritische, teils polemische Auseinandersetzung mit kirchlicher Anthropologie, insbesondere dem traditionellen Menschenbild von Mann und Frau, sowie der Lehre von der Erbsünde. Diese ist nicht untypisch für eine Generation, die katholisch sozialisiert sind, und den gesellschaftlichen Wandel direkt erleben. Die Antwort bringt eine klare Ablehnung gegenüber bestimmten kirchlichen Lehren zum Ausdruck. Dies geschieht mit einer Mischung aus Argumentation, Ironie und Empörung. Die Sprache ist emotional gefärbt, und unterstreicht die starke innere Betroffenheit. Es wird deutlich, dass sie sich von der kirchlichen Tradition in zentralen Fragen entfremdet fühlt und sich aktiv von deren Menschenbild distanziert. Von außen betrachtet, könnte man sagen, dass sie sich in einem Prozess der Ablösung und Selbstpositionierung durchläuft. Sie grenzt sich von autoritären, als übergriffig empfundenen Strukturen ab und sucht nach einem selbstbestimmten, aufgeklärten Verständnis von Menschsein und Geschlechterrollen. Machtausübung, Ausgrenzung, und das Festhalten an überholten Traditionen werden als problematisch dargestellt. Aus soziologischer Sicht können solche Strukturen zu kollektiven Traumata, Generationenkonflikten und einer Kultur der Angst und Unterordnung führen. Das ist ein persönlicher Weg, der nachvollziehbar und zu respektieren ist. Zitieren
Merkur Geschrieben Sonntag um 14:55 Melden Geschrieben Sonntag um 14:55 vor 6 Stunden schrieb Frey: In der katholischen Lehre steht er in engem Zusammenhang mit der Ebenbildlichkeit des Menschen zu Gott, ist aber nicht direkt daraus abgeleitet. Die Verbindung ergibt sich aus dem theologischen Verständnis des Menschen als Abbild Gottes und der Deutung seiner geschöpflichen Natur. Die Bibel betont, dass der Mensch „als Mann und Frau“ nach Gottes Bild geschaffen ist (Gen 1,27). Diese Zweigeschlechtlichkeit ist kein Zufall, sondern Ausdruck der göttlichen Schöpfungsordnung. Das ist anscheinend eine Ausprägung des idealisierten Naturverständnisses, das dieser Lehre zugrunde liegt. Grundlage ist nicht der Mensch, wie er ist, sondern wie die Bibel ihn beschreibt (oder wie man die biblischen Aussagen interpretiert). Zitieren
Frey Geschrieben Sonntag um 15:19 Melden Geschrieben Sonntag um 15:19 vor 16 Minuten schrieb Merkur: Das ist anscheinend eine Ausprägung des idealisierten Naturverständnisses, das dieser Lehre zugrunde liegt. Grundlage ist nicht der Mensch, wie er ist, sondern wie die Bibel ihn beschreibt (oder wie man die biblischen Aussagen interpretiert). Die katholische Lehre sieht die Zweigeschlechtlichkeit als Teil der Ebenbildlichkeit Gottes, leitet dies aber nicht ausschließlich aus der Beobachtung des Menschen ab, sondern aus einer bestimmten Lesart der biblischen (=überlieferten) Schöpfungserzählung. Das führt zu einem idealisierten, normativen Menschenbild, das sowohl Orientierung bietet als auch Anlass zu kritischer Diskussion gibt. In vielen Religionen und Kulturen ist die binäre Geschlechterordnung dominant und wird oft mit einer göttlichen oder natürlichen Ordnung begründet. Aber auch außerhalb religiöser Kontexte existieren Wertesysteme, die auf einer idealisierten, normativen Vorstellung von Natur und Geschlecht basieren, etwa in bestimmten philosophischen oder traditionellen Gesellschaftsmodellen. Die katholische Lehre ist also nicht einzigartig, sondern Teil eines breiteren Musters, das sich in vielen religiösen und kulturellen Systemen findet, auch wenn die Ausprägungen und Begründungen variieren Zitieren
iskander Geschrieben Sonntag um 15:22 Melden Geschrieben Sonntag um 15:22 (bearbeitet) vor 8 Stunden schrieb Frey: Personalität und Hingabe: Die gegenseitige Selbstschenkung von Mann und Frau in der Ehe gilt als Abbild der dreifaltigen Liebe Gottes. Diese Hingabe schließt die Offenheit für neues Leben ein, da sie die schöpferische Dimension Gottes widerspiegelt. Hier wäre dann allerdings zu zeigen, dass die Abbildlichkeit von Mann und Frau tatsächlich mit einschließt, dass jeder einzelne Geschlechtsakt, den Mann und Frau vollziehen, fruchtbar sein muss. Der gedankliche Sprung von der Aussage "Mann und Frau sind ein Ebenbild des dreieinigen Gottes" auf den Schluss "also müssen ihre sexuellen Akte immer fruchtbar sein, und zwar auch dann, wenn gar keine Kinder gezeugt werden sollen" ist schon erheblich. Dabei wäre auch zu bedenken, dass natürlicherweise (und nicht aufgrund eines künstlichen Eingriffs) die allermeisten sexuellen Akte unmöglich zur Zeugung von Kindern führen können, weil ihnen das entsprechende Potential fehlt. Deshalb stellt sich auch die Frage, was eigentlich genau behauptet werden soll, wenn gesagt wird, dass jeder sexuelle Akt "auf das Leben hingeordnet" und "von sich aus fruchtbar" sei, eine "prokreative Dimension" besitze usw. Ich versuche im folgenden aufzuzeigen, dass mögliche sprachlichen Unklarheiten und Ambiguitäten im Zusammenhang mit der hier diskutierten Fragestellung eine Schwierigkeit darstellen. Zitat Da Gott den Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat, wird die natürliche Zielrichtung (Finalität) des Geschlechtsakts – die Zeugung – als Ausdruck des göttlichen Willens interpretiert. Danke für die Erläuterung. Am Begriff der "natürlichen Zielrichtung" bzw. "Finalität" scheint mir das eigentliche Problem deutlich zu werden. Was heißt das nämlich? Vor allen Dingen: Implizieren solche Begriffe einen göttlichen Willen, der da lautet, dass jeder sexuelle Akt zur Zeugung dienen soll (oder zumindest so beschaffen sein muss, dass er zur Zeugung dienen könnte, wenn die natürlichen Umstände es zuließen)? Dazu folgende Überlegungen: 1. Die Absichten Gottes bei der Erschaffung der Sexualität und ihre Implikationen Wenn Gott die Sexualität erschaffen hat, dann gewiss zumindest auch deshalb, weil er wollte, dass der Mensch in der Lage sein möge, Kinder zeugen. Anders lässt sich nämlich von einer theistischen Warte her gar nicht erklären, wieso die Sexualität, so wie sie eben ist, von Gott erschaffen wurde. Plausibel ist zudem die Annahme, dass Gott auch will, dass der Mensch (als Gruppe) auch tatsächlich Kinder zeugt und sich auf diese Weise fortpflanzt. Hier kann man also tatsächlich mit Fug und Recht von "Finalität" sprechen; Gott hat die sexuelle Anlage aus bestimmten Absichten heraus erschaffen. Nur folgt aus all dem nicht, dass Gott wollen würde, dass jeder einzelne sexuelle Akt zur Zeugung führen könne. Betrachten wir die zuerst genannte Absicht Gottes: Den Willen, dass der Mensch in der Lage sei, Kinder zu zeugen. Dadurch, dass manche sexuellen Akte "nicht für die Zeugung offen" sind, wird Gottes Wunsch, das der Mensch in der Lage sein solle, Kinder zu zeugen, offensichtlich überhaupt nicht tangiert. Denn auch wenn es sexuelle Akte gibt, die nicht zeugungsoffen sind, ändert das ja gar nichts daran, dass der Mensch auch weiterhin in der Lage bleibt, Kinder zu zeugen. Es besteht hier also keine Unverträglichkeit mit dem Willen Gottes. Und auch der Wille Gottes, dass die Menschheit sich fortpflanzt, wird keineswegs per se durch die Tatsache, dass es sexuelle Akte gibt, denen die Zeugungsoffenheit fehlt, konterkariert. Ein Konflikt könnte nur dann entstehen, wenn es nicht genug sexuelle Akte gibt, die zeugungsoffen sind. Dabei ist es aber egal, ob die Leute nun zu oft künstlich verhüten, zu oft NFP betreiben oder zu oft vollständig enthaltsam leben: So oder so würden die Menschen, wenn sie zu wenige fruchtbare sexuelle Akte vollziehen, die Erfüllung von Gottes Wille, dass die Menschheit sich fortpflanze, gefährden. Es wäre also nicht der unfruchtbare sexuelle Akt als solcher, der dazu führen könnte, dass Gottes Wille nicht verwirklicht wird, sondern das Fehlen von genügend fruchtbaren sexuellen Akten (und zwar von tatsächlich fruchtbaren Akte, nicht einfach von unverhüteten!). Ein Verbot der Sterilisation könnte eventuell mit dem göttlichen Willen, dass der Mensch in der Lage sein solle, Kinder zu zeugen, begründet werden - allerdings auch nur dann, wenn man sich nicht mit der Annahme begnügt, dass Gott "grundsätzlich" möchte, dass der Mensch fähig ist, Kinder zu zeugen, sondern postuliert, dass Gott wolle, dass jeder einzelne Mensch stets dazu fähig sein müsse. (Eine solche "starke" Annahme ist allerdings unnötig, um die Existenz und Eigenart der Sexualität aus theistischer Sicht zu erklären, und kann daher schwerlich gerechtfertigt werden.) Kurz: Man kann aus einer theistischen Sicht zwar durchaus plausibel machen, dass Gott will, dass der Mensch in der Lage ist, Kinder zu zeugen, und er zudem will, dass der Mensch dies (als Gruppe) auch tatsächlich tut. Daraus folgt aber keineswegs die viel weitreichendere Behauptung, dass Gott auch wollen würde, dass jeder einzelne sexuelle Akt zur Zeugung von Kindern führen soll bzw. führen können soll. Es bestünde in keiner Weise ein erkennbarer Widerspruch im Denken Gottes, wenn er zwar das eine will, das andere aber nicht. 2. Natürliche Funktion In der Natur existieren viele Entitäten, die eine gewisse biologische "Funktion" bzw. eine gewisses "Potential" besitzen. Dies entspräche weitgehend dem, was - wenigstens aus menschlicher Sicht - der "Nutzen" einer biologischen Entität wäre. So hat ein Erythrozyt (ein rotes Blutkörperchen) die Funktion, Sauerstoff im Organismus zu transportieren. Aus einer theistischen Perspektive hat Gott zwar die menschliche Natur erschaffen; das heißt aber wohl nicht, dass er jeden einzelnen Erythrozyten erschaffen hätte oder von jedem einzelnen wollen würde, dass dieser tatsächlich Sauerstoff im Blut transportiert. Viel plausibler ist die Annahme, dass Gott einfach den Organismus geschaffen und so "eingerichtet" hat, dass dieser Erythrozyten produziert. Gottes Wille bezöge sich dann auch nicht auf einzelne Erythrozyten, sondern bestünde darin, dass der Mensch genug Erythrozyten hat, um gut und gesund leben zu können und auch noch über eine biologische Reserve zu verfügen. Deshalb wäre eine Blutentnahme, die dazu führt, dass manche Erythrozyten nicht länger ihrer natürlichen Funktion nachkommen können, auch nicht gegen Gottes Wille gerichtet. (Und selbst wenn Gott im Hinblick auf jeden einzelnen Erythrozyten wollte, dass dieser Sauerstoff transportiert, müsste dies kein unbedingter kategorischer Wille sein ("es muss auf jeden Fall so sein"), sondern es könnte sich auch um einen Willen handeln, der je nach Situation Ausnahmen zulässt ("es soll normalerweise so sein, muss aber nicht in jedem Fall so sein").) Ähnlich sieht es mit Akten aus: Die biologische Funktion des Kauens besteht zwar im Zerkleinern von Nahrung zum Zweck der Nahrungsaufnahme; daraus folgt aber nicht, dass Gott mit jedem einzelnen Kauvorgang bezwecken würde, dass Nahrung zerkleinert und anschließend gegessen wird, oder dass Gott im Hinblick auf jeden einzelnen Akt des Kauens wollen würde, dass dieser unabhängig von den Umständen unbedingt zur Nahrungsaufnahme führen müsse oder führen können müsse. Viel plausibler ist doch wohl die Annahme, dass Gottes Absicht in Wahrheit einfach darin besteht, den Menschen so auszurüsten, dass dieser die Fähigkeit beisitzt, sich zu ernähren. (Zudem kann man annehmen, dass Gott auch will, dass der Mensch sich tatsächlich ausreichend ernährt.) Entsprechend besitzen zwar manche sexuellen Akte die natürliche Funktion, dass sie zur Zeugung führen können; daraus folgt aber nicht, dass Gott mit jedem sexuellen Akt die Zeugung von Kinder "bezwecken" würde, oder dass er wollte, dass jeder sexuelle Akt zur Zeugung führen muss oder zu ihr führen können muss. Auch hier genügt es für eine theistische Erklärung der beobachtbaren Wirklichkeit vollkommen, wenn man annimmt, dass Gottes Wille darin besteht, den Menschen so auszustatten, dass dieser Kinder zeugen kann. (Und es wie gesagt auch plausibel, dass Gott will, dass der Mensch sich tatsächlich ernährt.) Eine "Finalität" im eigentlichen Sinne wäre also nicht auf der Ebene der biologischen Funktionen zu verorten, sondern in den übergeordneten Absichten, die Gott mit der Erschaffung dieser Funktionen verfolgt hat. Wir sollten daher entweder nicht sagen, dass die biologische Funktion als solche eine "Finalität" aufweist; oder wir sollten den Begriff zumindest nicht so verwenden, dass er impliziert, dass die biologische Funktion unmittelbar mit dem Willen Gottes korrespondiert (gar noch einem kategorischen). Und was hier für den allgemeinen Fall gilt, gilt auch für den der Sexualität; es ist kein Grund erkennbar, warum gerade hier eine Ausnahme bestehen sollte. Aus den bisherigen Betrachtungen (1. und 2.) ergibt sich somit, dass auch dann, wenn wir die Sexualität theistisch als eine Schöpfung Gottes interpretieren, nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, warum ein göttlicher Wille bestehen sollte, dem gemäß jeder sexuelle Akt immer (potentiell) zur Zeugung führen muss. Damit stellt sich folgendes Problem: Entweder beschreiben Begriffe wie "Finalität", "Hinordnung auf die Zeugung", "natürliche Zielrichtung", "prokreative Dimension des sexuellen Akts" usw. einfach nur die unbestreitbaren biologischen Tatsachen - also insbesondere das Faktum, dass manche sexuellen Akte (aber keineswegs alle) zur Zeugung führen können. Vielleicht - und vermutlich - sollen solche Begriffe zusätzlich auch noch die Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass man die manifesten biologischen Tatsachen von Gott geschaffen wurden. Dann kann man (zumindest aus theistischer Sicht) diese Begriffe problemlos und legitimerweise benutzen, um die relevanten Phänomene zu beschrieben. In diesem Fall implizieren diese Begriffe allerdings auch nicht, dass es Gottes Wille wäre, dass jeder einzelne sexuelle Akt furchtbar wäre, oder dass die künstliche Verhütung verboten wäre. Es wäre vielmehr erst zu beweisen, dass solches gelten soll. Oder aber Begriffe wie "Finalität", "Hinordnung auf die Zeugung" usw. implizieren bereits, dass es Gottes Wunsch und Wille sei, dass jeder einzelne sexuelle Akt zur Zeugung führen soll oder führen können soll. Dann wäre aber zu zeigen, wieso solche Begriffe adäquat sind; warum es gerechtfertigt sein soll, zu behaupten, dass alle sexuellen Akte unter sie fallen. (Man kann eine Behauptung über ein Phänomen schließlich nicht einfach dadurch beweisen, dass man es mit Begriffen beschreibt, die implizieren, dass die eigene Behauptung zutrifft!) Die kath. Postion muss ausgehend von der manifesten biologischen Natur und der Überzeugung, dass diese von Gott eingerichtet wurde, an irgendeiner Stelle zu der Schlussfolgerung "voranschreiten", dass Gott will, dass jeder sexuelle Akt offen für die Zeugung sei (bzw. dass Gott etwas gegen die Verhütung hat). Dazu bedarf es einer validen Argumentation - einer Argumentation, die zumindest aus theistischer Sicht überzeugt. Eine solche Argumentation wurde meines Wissens aber noch nicht vorgetragen. Begriffe wie "Hinordnung auf die Zeugung", "natürliche Zielrichtung", "Finalität" usw. verschleiern aus meiner Sicht genau dieses Problem. Denn sie sind schillernd und es ist nicht klar, was sie bedeuten sollen. Sie können so interpretiert werden, dass die eigentliche These noch nicht behaupten, aber auch so, dass sie es doch tun. Das verdeckt die argumentative Lücke, weil auf diese Wiese Fehlschlüsse der Ambiguität befördert werden. Man akzeptiert einen vermeintlich harmlosen Begriff, der die zu beweisende These noch nicht zu enthalten scheint, und dann schlägt der Begriff so um, dass er sie eben doch schon beinhaltet - und scheinbar ist damit das Ziel erreicht. Um dieses Problem zu beheben, ist es eigentlich egal, ob man Begriffe wie "Finalität", "natürliche Zielrichtung" usw. so verwendet, dass sie die zu beweisende Behauptung bereits beinhaltet oder so, dass sie das noch nicht tut. Wichtig ist nur die Konsistenz: - Wenn Begriffe wie "Finalität" usw. noch keinen göttl. Willen beinhalten sollen, dem gemäß jede einzelne sexuelle Akt fruchtbar sein soll, dann ist zu zeigen, dass aus einer so verstandenen Finalität - unter Hinzunahme weiterer Prämissen - auf einen derartigen göttl. Willen geschlossen werden kann. - Wenn Begriffe wie Finalität hingegen bereits beinhalten, dass Gott im Hinblick auf jeden einzelnen sexuellen Akt will, dass dieser fruchtbar sei, dann muss man plausibel machen, warum es begründet sein soll, das tatsächliche Bestehen einer solchen Art von Finalität zu behaupten. Und genau das wird, soweit ich sehe, nirgendwo geleistet. Es wird nirgendwo erklärt, wie man von den manifesten biologischen Tatsachen in puncto Sexualität - auch wenn man diese als Schöpfung Gottes interpretiert! - darauf schließen kann, dass Gott will, dass jeder sexuelle Akt stets potentiell fruchtbar sein muss. Die einzige Argumentation, die sich in diesem Zusammenhang findet, geht wie gesagt offensichtlich so: "Gott hat die Natur so geschaffen, dass sie sich auf eine gewisse Weise verhält - also will Gott auch, dass sie so bleibt, wie er sie geschaffen hat, und er ist dagegen, dass der Mensch sie verändert oder regulierend in sie eingreift." Da dies im allgemeinen ein Fehlschluss ist, müsste aufgezeigt werden, warum speziell im Fall der Sexualität die Natur in ihrer Faktizität unmittelbar mit dem Willen Gottes identifiziert werden muss, während etwas Derartiges ansonsten nicht getan werden darf. Das wurde aber, soweit ich das sehe, bisher nicht geleistet. Es hat somit den Anschein, dass die katholische Argumentation an dieser Stelle unergründbar ist, und dass diese Tatsache nur deswegen nicht so offenkundig ist, weil manche verwendeten Schlüssel-Begriffe eine fehlende Klarheit und eine gewisse Ambiguität aufweisen. Falls ich das falsch sehe, und falls man doch ausgehend von der biologischen Natur, unter der Annahme des Theismus und auf Grundlage hinreichend geklärter Begriffen (von denen erkennbar ist, ob sie die zu beweisende These bereits beinhalten oder noch nicht) valide auf die Geltung der kath. Sexualmoral schließen kann, so lasse ich mich natürlich gerne korrigieren. Unabhängig von dieser "biologischen" Argumentation werden natürlich immer wieder auch andere Gründe aufgeführt, die für die kirchliche Lehre sprechen sollen - ein alternative Herangehensweise bestünde etwa im "personalistischen" Ansatz von JPII. Aus Gründen, wie ich sie zum Teil schon dargelegt habe, bezweifle ich aber auch die Tragfähigkeit alternativer Argumente. bearbeitet Sonntag um 17:27 von iskander Zitieren
Merkur Geschrieben Sonntag um 15:37 Melden Geschrieben Sonntag um 15:37 vor 13 Minuten schrieb Frey: Die katholische Lehre sieht die Zweigeschlechtlichkeit als Teil der Ebenbildlichkeit Gottes, leitet dies aber nicht ausschließlich aus der Beobachtung des Menschen ab, sondern aus einer bestimmten Lesart der biblischen (=überlieferten) Schöpfungserzählung. Das führt zu einem idealisierten, normativen Menschenbild, das sowohl Orientierung bietet als auch Anlass zu kritischer Diskussion gibt. Die Diskussion wird um so kritischer, je größer der Unterschied zu dem wird, was man zwischenzeitlich über den Menschen und seine Persönlichkeit herausgefunden hat. Das wird man auf die Dauer nicht einfach ignorieren können. 1 Zitieren
Weihrauch Geschrieben Sonntag um 15:41 Melden Geschrieben Sonntag um 15:41 @Frey Ich möchte dir von einem Erlebnis erzählen. Als junger Mann verdiente ich meinen Lebensunterhalt als Taxifahrer. Eines Nachts sah ich am Straßenrand einen Mann der eine Frau brutal verprügelte. Über Funk alarmierte ich zuerst die Polizei, und beschützte anschließend die im Gesicht stark blutende Frau. Ein Polizeifahrzeug war schnell zur Stelle, aber anstatt das Fahrzeug zu verlassen, kurbelte der Polizist auf der Beifahrerseite bloß das Fenster runter, fragte den Mann ob das seine Frau sei. Nachdem der Mann das mit einem Ja bestätigt hatte, kurbelte der Polizist das Fenster wieder hoch, und damit war der Fall erledigt. Der Mann hatte damals (1982) noch das Recht, seine Frau zu schlagen, und auch die Vergewaltigung in der Ehe war hier in Deutschland noch nicht strafbar. Was denkst du, woher das kommt? Zitat Als der Bundestag die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe beschloss „Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt.“ „Wenn es ihr versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft.“ „„ ... und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu stellen.“ Solchermaßen wurden die Frauen noch 1966 vom Bundesgerichtshof belehrt. Und Paragraf 177 des Strafgesetzbuchs lautete ganz in diesem Geiste: „Wer eine Frau mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zum außerehelichen Beischlaf mit ihm oder einem Dritten nötigt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.“ Vielleicht verstehst du jetzt den Grund für meine Empörung ein wenig besser. Zitieren
Frey Geschrieben Sonntag um 15:44 Melden Geschrieben Sonntag um 15:44 vor 1 Minute schrieb Merkur: Die Diskussion wird um so kritischer, je größer der Unterschied zu dem wird, was man zwischenzeitlich über den Menschen und seine Persönlichkeit herausgefunden hat. Das wird man auf die Dauer nicht einfach ignorieren können. Das ist ein valider Punkt - Wissenschaft sollte niemals ignoriert werden, auch wenn sie sich selten auf der normativen, oft aber auf der empirischen Ebene bewegt. Diese Erkenntnisse im besten Popperschen Sinn müssen in jedem normativen System berücksichtigt werden und zur kritischen Reflektion beitragen. Zitieren
iskander Geschrieben Sonntag um 16:12 Melden Geschrieben Sonntag um 16:12 (bearbeitet) vor 31 Minuten schrieb Weihrauch: Der Mann hatte damals (1982) noch das Recht, seine Frau zu schlagen, und auch die Vergewaltigung in der Ehe war hier in Deutschland noch nicht strafbar. Das ist nicht ganz so. Zwar konnte der vergewaltigende Mann nicht wg. Vergewaltigung, aber wg. (einfacher) Nötigung, Körperverletzung und anderer Delikte belangt werden. Traurig genug, wie es war, aber ganz so extrem war es dann doch nicht. Ein Recht, seien Frau zu schlagen, gab es auch früher nicht. Der Polizist im von Dir geschilderten Fall dürfte sich in jedem Fall der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht haben. Dass das damals zum Teil so gehandhabt wurde. ist schlimm genug, aber kodifiziert war es nicht. Das Urteil, das Du erwähnst, steht m.W. im Zusammenhang mit dem (sehr fragwürdigen Schuldprinzip) bei der Scheidung, nicht mit dem Strafrecht. Ich hatte das mal nachgelesen, und so weit mich mich erinnere, ging der Fall so: Die Frau hatte sich geweigert, mit ihrem Mann Sex zu haben und ihm gesagt, er solle doch zu Prostituierten gehen oder sich selbst befriedigen. Das Gericht sah das als einen Mangel an ehelicher Pflichterfüllung und also als Grund zur Scheidung; aber ich nehme an, dass es das auch im umgekehrten Fall so gesehen hätte. Das Problem ist hier eher das damalige Scheidungsrecht. Bei aller berechtigten Kritik an den Bibelstellen, die die Unterordnung der Frau unter den Mann verlangen oder sie negativ darstellen, muss man auch bedenken, dass leider in fast allen (Hoch)kulturen Frauen diskriminiert wurden und teils werden. Die religiöse Begründung dafür - wo es eine gibt - dient manchmal wohl eher der Rationalisierung, als dass sie unbedingt der primäre Grund wäre. bearbeitet Sonntag um 16:14 von iskander Zitieren
Weihrauch Geschrieben Sonntag um 16:21 Melden Geschrieben Sonntag um 16:21 Ich empfehle jedem, sich den von mir verlinkten Beitrag anzuhören, da wird die Thematik, auch das mit der Nötigung ausführlicher dargestellt. Weil Politik hier nicht mehr gern gesehen wird, habe ich mich bei den Zitaten sehr zurückgehalten und es mir verkniffen, zu zitieren wer damals immer noch dagegen gestimmt hat. Aber weil hier immer wieder die Gesellschaft ins Spiel gebracht wurde, möge mir die Moderation in diesem Fall gnädig gestimmt sein. Zitieren
Weihrauch Geschrieben Sonntag um 16:30 Melden Geschrieben Sonntag um 16:30 vor 12 Minuten schrieb iskander: Bei aller berechtigten Kritik an den Bibelstellen, die die Unterordnung der Frau unter den Mann verlangen oder sie negativ darstellen, muss man auch bedenken, dass leider in fast allen (Hoch)kulturen Frauen diskriminiert wurden und teils werden. Die religiöse Begründung dafür - wo es eine gibt - dient manchmal wohl eher der Rationalisierung, als dass sie unbedingt der primäre Grund wäre. Mit Verlaub, das ist eine absurde Relativierung, denn es kommt darauf an, woher die Haltung gegenüber Frauen ihre Wurzeln bezogen hat, und in unserem Kulturkreis ist es eindeutig, dass diese Haltung schon lange existierte, bevor die BRD mit ihren Gesetzen gegründet worden ist. Zitieren
iskander Geschrieben Sonntag um 16:44 Melden Geschrieben Sonntag um 16:44 (bearbeitet) vor 1 Stunde schrieb Merkur: Das ist anscheinend eine Ausprägung des idealisierten Naturverständnisses, das dieser Lehre zugrunde liegt. Grundlage ist nicht der Mensch, wie er ist, sondern wie die Bibel ihn beschreibt (oder wie man die biblischen Aussagen interpretiert). Selbst wenn man vom biblischen Menschenbild ausgeht, sehe ich nicht, wie man auf dieser Grundlage große Teile der kath. Lehre rechtfertigen könnte. Nimm diese zwei Positionen: 1. "Der Mensch ist als Abbild Gottes zur Fruchtbarkeit berufen." 2. "Jeder sexuelle Akt muss entweder fruchtbar sein, auch wenn wag kein Kind entstehen soll; oder wenn er es nicht sein kann, etwa weil einer Frau Uterus und Eierstöcke entfernt wurden, muss er doch so vollzogen werden, als wäre er fruchtbar. Will ein Mann zu Untersuchungszwecken seinen Samen in einem Kondom auffangen, so muss das Kondom durchlöchert sein, damit ein wenig Samen in die Vagina seiner definitiv unfruchtbaren Frau gelangt." Das erste könnte man wohl als ein biblisches Menschenbild oder als eine Interpretation desselben begreifen. Das zweite wäre die kath. Lehre. Ich denke es ist recht offenkundig, dass zwischen 1. und 2. doch ein ziemlich großer Abstand liegt, und dass es schwierig sein dürfte, von 1. nach 2. zu gelangen, ohne verschiedene zusätzliche und sicher nicht unproblematische Annahmen zu machen. Auch aus einem "idealisierten" Menschenbild folgt die kath. Sexualmoral kaum ohne Weiteres. bearbeitet Sonntag um 16:52 von iskander Zitieren
iskander Geschrieben Sonntag um 16:51 Melden Geschrieben Sonntag um 16:51 vor 13 Minuten schrieb Weihrauch: Mit Verlaub, das ist eine absurde Relativierung, denn es kommt darauf an, woher die Haltung gegenüber Frauen ihre Wurzeln bezogen hat, und in unserem Kulturkreis ist es eindeutig, dass diese Haltung schon lange existierte, bevor die BRD mit ihren Gesetzen gegründet worden ist. Na ja, aber existierte eine ähnliche Haltung nicht vermutlich schon bei den Römern? Und war es nicht so, dass die Frauen im Mittelalter teilweise mehr Rechte hatten als in der Neuzeit (oder irre ich mich in diesem Punkt)? Im Recht des Frankenreichs Vergewaltigung einer Frau mit dem Tode bestraft - unter Maria Theresia hingegen wurde ein Vergewaltiger nur dann betraft, wenn die Frau einen guten Ruf hatte. Im Mittelalter gab es mächtige Äbtissinnen, die einen ähnlichen Stand hatten wie Bischöfe. Später undenkbar. Ist das nicht alles etwas zu komplex, um das alles unmittelbar mit der Bibel zu erklären? Muss man nicht davon ausgehen, dass da viele Faktoren mit hineinspielen? 1 Zitieren
Frey Geschrieben Sonntag um 16:56 Melden Geschrieben Sonntag um 16:56 Das Beispiel der strafrechtlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland der 1980er Jahre wirft zentrale Fragen nach der Entstehung, Legitimation und Persistenz von Geschlechterungleichheit auf. Es verdeutlicht exemplarisch, wie gesellschaftliche Strukturen, Ideologien und Diskurse zusammenwirken, um Ungleichheiten entweder zu stabilisieren oder infrage zu stellen. Die Debatte um Relativierung versus Verantwortungsübernahme ist dabei typisch für Gesellschaften im Wandel, die ihre eigenen Traditionen kritisch reflektieren. Trotz gesellschaftlicher Veränderungen ist die Zahl der Vergewaltigungsdelikte leider nicht zurückgegangen: In den 1980er Jahren wurden jährlich knapp 7.000 Fälle registriert, in den 2000er Jahren stieg die Zahl auf etwa 8.800, und im Jahr 2023 lag sie bei 12.300 – davon waren rund 94 % der Opfer Frauen. Was sind die Ursachen für diese Entwicklung? Sicherlich nicht die Enzyklika Humanae Vitae. Ein Blick weiter zurück in die Geschichte offenbart noch drastischere Beispiele für gesellschaftliche Gewaltbereitschaft und deren Legitimation. Gerade diese Entwicklung unterstreicht meine These, die ich mit Nachdruck vertreten möchte: Es sind vor allem die Männer, die in unserer heutigen Gesellschaft einen Blick auf Epheser 5,25ff werfen sollten: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, nachdem er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort, damit er sie sich selbst darstelle als eine Gemeinde, die herrlich sei, sodass sie weder Flecken noch Runzeln noch etwas Ähnliches habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei. Ebenso sind die Männer verpflichtet, ihre eigenen Frauen zu lieben wie ihre eigenen Leiber; wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst.“ Offenbar haben viele Männer bei Epheser 5,24 aufgehört zu lesen – sofern sie die Bibel überhaupt jemals aufgeschlagen haben. Zitieren
Weihrauch Geschrieben Sonntag um 17:25 Melden Geschrieben Sonntag um 17:25 (bearbeitet) vor 37 Minuten schrieb iskander: Na ja, aber existierte eine ähnliche Haltung nicht vermutlich schon bei den Römern? Ja natürlich, und schon viel früher, denn der Same des Mannes war zu allen Zeiten sichtbar und wurde mit der Fortpflanzung in Verbindung gebracht. Das weibliche Gegenstück des Erbgutes von Mensch und manchen Tieren war bis zum Jahr 1827 niemandem sichtbar. Deswegen mache ich weder der Kirche, noch der Philosophie oder sonstwem einen Vorwurf. Ist halt in dieser Beziehung weltweit dumm gelaufen. Shit happens. Ich kehre aber nur vor der eigenen Haustür, und da spielt die Wirkungsgeschichte der Bibel bei uns eine ebenso wichtige Rolle, wie die Kirchengeschichte, die Kirche und ihre Tradition. Das Problem ist, dass man sich immer noch auf eine in dieser Beziehung der Sexualmoral trotz der damaligen Unwissenheit der kirchlichen Autoritäten, bei Paulus angefangen, über die Apologeten und Kirchenväter auf die Tradition beruft, und es trotz besseren Wissens immer noch nicht schafft, diesen anthropologischen Fehler offen einzugestehen, und sich hartnäckig weigert seine Haltung zu ändern. Und das betrifft viele der im Synodalen Weg in Deutschland angesprochenen Themen, die nicht zuletzt wegen dem sexuellen Missbrauch in der Kirche angestoßen worden ist. Das betrifft auch die Frauenordination, denn aus damaliger Sicht waren die 12 Apostel "selbstverständlich" Männer, analog zu den 12 Söhnen Jakobs, den 12 Stämmen Israels, weil eben nur die Männer Kinder zeugen konnten, und Frauen nicht. Alle biblischen Genealogien sind darum männlich und nicht auch weiblich, weil alle Welt nur den männlichen Samen vor Augen hatte, nicht aber die weibliche Eizelle. Daher auch das Machtgefälle zwischen Mann und Frau. Was glaubst du, warum ich mich so intensiv mit der Urgeschichte und der biblischen Schöpfungserzählung darin auseinandergesetzt habe? In der Miss-Interpretation dieser Texte steckt die Wurzel dieses Übels, dort könnte man ansetzen, und beginnen biblisch fundiert seine Haltung gegenüber Frauen durchgängig zu ändern. Das wäre eine Chance, endlich den ungesunden Sündenfall zu den Akten zu legen, auf dem die überzogenen Machtansprüche der Kirche letztendlich beruhen. Jesus Christus wird dadurch theologisch keineswegs sinnlos. Vielleicht kommt irgendwann ein Evangele auf dieselbe Lösung und die RKK muss dann über kurz oder lang nachziehen. "Es ist nichts verborgen, was nicht an den Tag kommen soll." Es ist nur eine Frage der Zeit. Aber jeder empfindet das verständlicherweise als Angriff auf - die Autorität und die Tradition wegen einem falschen Verständnis "der Rolle des Lehramts der Kirche als der Lehrautorität der mit dem Nachfolger Petri geeinten Bischöfe, welche das stets tiefere Eindringen der Kirche in das Wort Gottes leitet". Dann halt nicht. Ist ja nicht mein Problem, dass den Kirchen hierzulande die Leute davonlaufen. Schade ist es trotzdem. bearbeitet Sonntag um 17:35 von Weihrauch Zitieren
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