iskander Geschrieben 27. Mai Melden Geschrieben 27. Mai @Merkur Zitat aus Humane vitae (20): "20. Die Verwirklichung der Lehre über die rechte Geburtenregelung, die die Kirche als Gottes Gebot selbst verkündet, erscheint zweifellos vielen schwer, ja sogar ganz unmöglich. Aber wie jedes besonders hohe und wertvolle Gut verlangt dieses Gesetz vom einzelnen Menschen, von der Familie und von der menschlichen Gesellschaft feste Entschlüsse und viele Anstrengungen. Ja, seine Befolgung ist nicht möglich ohne die helfende Gnade Gottes, die den guten Willen des Menschen stützt und stärkt. Wer aber tiefer nachdenkt, wird erkennen, daß diese Anstrengungen die Würde des Menschen erhöhen und beitragen zum Wohl der menschlichen Gesellschaft." Die Kirche sagt an dieser Stelle nicht, dass ihre Forderungen den Menschen objektiv überfordern würden, sondern nur, dass sie als schwierig erscheinen mögen. Sie hält aber daran fest, dass ihre Forderungen durchaus mit Gottes Gnade zu erfüllen sind, und dass der Mensch genau dazu auch verpflichtet sei. Und dass man mit etwas rechnet, heißt noch lange nicht, dass man es billigt. Zum Beispiel werden sowohl die Kirche wie auch der staatliche Gesetzgeber den Mord verbieten und vermutlich und hoffentlich auch ernsthaft fordern, dass die Menschen es unterlassen, Morde zu begehen. Man muss aber in der Praxis natürlich damit rechnen, dass es Morde gibt und weiterhin geben wird und sich darauf vorbereiten - der Staat auf seine Weise und dir Kirche auf ihre (etwa im Zusammenhang mit der Beichte). In diesem pragmatischen Sinne ("es wird wohl leider vorkommen") rechnet natürlich auch die Kirche mit der Übertretung ihrer Sexualnormen - dass sie diese Übertretung aber billigen würde, dafür gibt es zumindest auf der Ebene des Lehramts keinerlei Hinweise. (Auf untergeordneten Ebenen mag das anders sein - je nach Zeit, Gegend und Kultur. Aber es ist das Lehramt, das im kath. Verständnis maßgeblich ist.) Ich weiß gar nicht, wie Du immer auf diese seltsame Idee kommst, dass die Kirche eigentlich gar nicht wirklich will, dass die Leute ihrer Lehre folgen. Es spricht alles gegen eine solche Annahme und nichts dafür, wie ich nun schon wirklich detailliert dargelegt habe. Dass Du dennoch daran festhältst, dass die Kirche ihre Lehre nicht ernst meinen könne: Liegt das daran, dass Dir - anders als konservativen Katholiken - diese Lehre als so wenig menschgemäß erscheint, dass Du Dir einfach gar nicht vorstellen kannst, dass jemand sie ernst meint? 1 Zitieren
Merkur Geschrieben 27. Mai Melden Geschrieben 27. Mai vor 7 Stunden schrieb iskander: Liegt das daran, dass Dir - anders als konservativen Katholiken - diese Lehre als so wenig menschgemäß erscheint, dass Du Dir einfach gar nicht vorstellen kannst, dass jemand sie ernst meint? So ist es. Zitat Die Kirche sagt an dieser Stelle nicht, dass ihre Forderungen den Menschen objektiv überfordern würden, sondern nur, dass sie als schwierig erscheinen mögen. Sie hält aber daran fest, dass ihre Forderungen durchaus mit Gottes Gnade zu erfüllen sind, und dass der Mensch genau dazu auch verpflichtet sei. Das ist klerikale Sprache und bedeutet: "Ihr tut nicht, was wir euch sagen." Das meinte ich. Was die Kirche billigt oder nicht, ist ein anderes Thema. Zitat wie ich nun schon wirklich detailliert dargelegt habe. Vielleicht nicht immer nur Deschner und Pfürtner. Hast du denn nichts von Autoren mit einem etwas positiveren Blick auf die Lehre? Zitieren
Weihrauch Geschrieben 27. Mai Melden Geschrieben 27. Mai (bearbeitet) vor 46 Minuten schrieb Merkur: Vielleicht nicht immer nur Deschner und Pfürtner. Hast du denn nichts von Autoren mit einem etwas positiveren Blick auf die Lehre? Könnte es sein, dass das etwas mit dem Verhalten der Kirche zu tun haben könnte, weswegen sie so viele Kritiker auf den Plan gerufen und so viel Apologetik nötig hat? Wie man in den Wald hineinruft ... bearbeitet 27. Mai von Weihrauch 1 Zitieren
iskander Geschrieben 28. Mai Melden Geschrieben 28. Mai vor 17 Stunden schrieb Merkur: Das ist klerikale Sprache und bedeutet: "Ihr tut nicht, was wir euch sagen." Das meinte ich. Was die Kirche billigt oder nicht, ist ein anderes Thema. Du meinst gar nicht, dass die Kirche nicht ernsthaft will, dass die Leute ihrer Sexualmoral folgen? Du meinst, die Kirche will sehr wohl, dass die Leute ihrer Sexualmoral folgen? Und sie weiß nur, dass realistischerweise in Fragen der Sexualmoral - wie auch im Fall von Diebstahl, Mord und Meineid - Gesetzesübertragungen zu erwarten sind? Dann habe ich Dich die ganze Zeit missverstanden! Wenn Du mir zustimmst, dass die Kirche - jedenfalls der Papst und seine Getreuen - ihre Sexualmoral absolut ernst meinen und dringend wollen, dass ein jeder ihnen folgt, dann sind wir einer Meinung. vor 17 Stunden schrieb Merkur: Vielleicht nicht immer nur Deschner und Pfürtner. Hast du denn nichts von Autoren mit einem etwas positiveren Blick auf die Lehre? Meine entsprechenden Darlegungen beziehen sich einfach auf die Aussagen wie auch auf das konkrete Verhalten der Päpste. Ich habe gezeigt, dass sowohl die Äußerungen wie auch das konkrete Verhalten Roms es absolut glaubwürdig macht, dass man die Sexualmoral dort sehr ernst nimmt. (Etwa - um nur ein einzelnes Beispiel zu geben -, indem man geheime Schreiben an alle Bischöfe schickt und sie auffordert, nachdrücklich für die kath. Sexuallehre einzustehen.) Ich kann natürlich auch etwas Positives zur kath. Sexuallehre sagen - dazu müsste ich nur entsprechende Enzykliken zitieren. In Humane vitae etwa werden die vielen segensreichen Auswirkungen von Humane vitae auf Vater, Mutter und Kind beschrieben. Dummerweise scheint es nur so zu sein, dass diese ganzen wunderschönen Dinge aus der Annahme abgeleitet werden, dass die kath. Sexuallehre von Gott herstamme und Gott nur das Gute wolle - und dass die vielen segensreichen Wirkungen der kath. Sexualmoral also gerade nicht aus der Empirie gewonnen werden. Empirisch scheint es vielmehr so zu sein, dass die meisten Leute - selbst gute Katholiken - eher negative Erfahrungen mit der entsprechenden Lehre machen (Mc Clory, Turning Point). Auch das übereinstimmende Urteil zahlreicher Experten und ebenso die relevanten verfügbaren Studien (etwa zur Sozialisation von Sexualstraftätern) werfen offenbar kein gutes Licht auf eine strenge Sexualmoral. Was sollte ich Deiner Meinung denn nun also nun Positiven über die offiziell gültige Lehre schreiben, wenn ich nicht etwas sagen soll, was ich selbst ehrlicherweise nicht glauben kann? Zitieren
Werner001 Geschrieben 28. Mai Melden Geschrieben 28. Mai Am 27.5.2025 um 14:58 schrieb iskander: die die Kirche als Gottes Gebot selbst verkündet Eine nette Formulierung. Da hat sich jemand was dabei gedacht. “Nein, wie kommst du darauf, niemals haben wir behauptet, dass das ein Gebot Gottes sei“? Werner Zitieren
iskander Geschrieben 29. Mai Melden Geschrieben 29. Mai vor 17 Stunden schrieb Werner001: Eine nette Formulierung. Da hat sich jemand was dabei gedacht. “Nein, wie kommst du darauf, niemals haben wir behauptet, dass das ein Gebot Gottes sei“? Werner Du meinst, man wollte sich da ein Hintertürchen offen lassen? JPII wollte ja angeblich jedes Hintertürchen zumachen, indem er die Lehre von der verbotenen Verhütung auf Wunsch von Kardinal Kardinal Caffarra dogmatisieren wollte. Das wäre dann eines von dann zwei Papst-Dogmen nach Vat I geworden, und nach üblicher Zählung (laut Wikipedia) eines von dann insgesamt vier Papst-Dogmen in 2.000 Kirchengeschichte. Auch wenn es letztlich nicht so weit kam (man konnte JPII wohl auf der Ziellinie noch stoppen): Wenn die Geschichte so stimmt, dann sagt das einiges über die Prioritäten ... Zitieren
iskander Geschrieben 3. Juni Melden Geschrieben 3. Juni (bearbeitet) Ein paar Bemerkungen im Zusammengang mit der kirchlichen Lehre zur Verhütung und auch im Zusammenhang mit meinen bisherigen Diskussionserfahrungen würde ich gerne noch anbringen. Ich beziehe mich dabei nicht allein auf die aktuelle Debatte, sondern auch auf andere Diskussionen. Auch wenn der Beitrag etwas kritisch klingen mag, will ich betonen, dass es zum Thema Debatten in diesem Forum gab, die ich als konstruktiv empfunden habe. Die kath. Lehre zur Verhütung erscheint intuitiv als paradox: Während es leicht einzusehen ist, dass sexuelle Akte dann zur Zeugung eines Kindes führen können sollen, wenn die Zeugung eines Kindes sinnvoll ist, ist es seltsam, dass sexuelle Akte auch dann zur Zeugung eines Kindes führen können sollen, wenn die Zeugung eines Kindes nicht sinnvoll ist. Welchen Sinn also ergibt ein Gebot, welches vorschreibt, dass etwas möglich sein muss, was gar nicht geschehen soll? Solche Fragen bleiben - wenn das Problem denn überhaupt gesehen wird - regelmäßig unbeantwortet. Es scheint zudem oft angenommen zu werden, dass einfach schon daraus, dass die Sexualität von Gott bewusst so geschaffen wurde, wie sie ist, folgen würde, dass es auch Gottes Wille sein müsse, dass die Sexualität unbedingt so bleibt, wie sie ist - und dass der Mensch also auf gar keinen Fall regulierend in sie eingreifen dürfe. Ein solches Argument beruht aber auf der folgenden impliziten Annahme: 'Wenn irgendetwas von Gott so geschaffen wurde, wie es ist, so ist es Gottes unbedingter Wille, dass die Sache auch so bleibt, wie sie ist.' Aus dieser Annahme ergäbe sich jedoch die absurde Konsequenz, dass der Mensch überhaupt nicht mehr in einer sinnvollen und regulierenden Weise in natürliche Prozesse eingreifen dürfte. (Beispielsweise dürfte man jemandem nicht einmal dann ein potentielles Mittel zur Hemmung der Nahrungsresorption im Darm geben, wenn für die Anwendung eines solchen Mittels gute Gründe sprächen. Ebenfalls dürfte man dann auch aus guten Gründen niemandem den Magen auspumpen. Für weitere Beispiele siehe hier.) Damit solche Absurditäten vermieden werden, müsste gesagt werden, dass die Sexualität eine Sonderfall sei, und dass ein spezifischer Grund dafür bestehe, dass hier – anders als anderswo - das Faktisch-Natürliche so belassen werden müsse, wie es ist. Als ein derartiger Grund wird mitunter genannte, dass das "Leben in seiner Entstehung" unverfügbar sei. Nicht also einfach deshalb, weil der Mensch bei der Verhütung regulierend in die Natur eingreift, sei die Verhütung verboten; das Verbot bestehe vielmehr deshalb, weil der Mensch, indem er verhütet, sich anmaße, über das menschliche Leben in seiner Entstehung (bzw. über die "Quellen des Lebens") zu verfügen. Dies war auch die Argumentation des Minderheiten-Berichts der päpstlichen Kommission, und auch Humane vitae selbst scheint eventuell so argumentieren zu wollen. Betrachtet man die Sache jedoch etwas genauer, wird schnell klar, dass dieses Argument auf eine extrem unplausible Sakralisierung des männlichen Spermas und der weiblichen Eizelle hinauslaufen müsste (siehe hier). Viele konservative Katholiken scheinen die relevanten logischen Zusammenhänge bei den "naturrechtlichen" Argumenten gegen die Verhütung nicht zu verstehen, und es scheint auch schwierig zu sein, sie ihnen zu erklären. Insbesondere scheinen sie regelmäßig dem biologistischen Fehlschluss "Es ist natürlicherweise so – also will Gott, dass es so bleibt und der Mensch es nicht verändert" zum Opfer zu fallen, ohne sich dabei im Klaren zu sein, was die logisch zwingenden Konsequenzen wären, die sich an dieser Stelle ergeben würden. (Spätestens, wenn man ein Argument auf eine "formelle" Weise darstellt und alle Prämissen samt Konklusion einzeln aufschreibt, wie ich es schon getan habe, wird die logische Struktur eindeutig sichtbar.) Ein Problem mit vielen jener Argumente, die gegen die Verhütung vorgebracht werden, besteht in einer eigenwilligen Verwendung von Sprache. Insbesondere sind Schlüssel-Begriffe oftmals "schillernd", so dass nicht klar ist, ob die getätigten Aussagen einfach nur die Tatsachen beschreiben sollen (und diese Tatsachen vielleicht noch als von Gott herkommend ausweisen sollen), oder ob die entsprechenden Aussagen bereits das Verbot der Verhütung enthalten sollen (mindestens implizit). Wenn beispielsweise gesagt wird, dass derjenige, der verhütet, die "Ordnung der Natur nicht respektiere", dann gibt es zwei Interpretationsmöglichkeiten: - Entweder wird damit einfach in einer tendenziösen Sprach die Trivialität zum Ausdruck gebracht, dass jemand, der künstlich verhütet, in die Natur eingreift – dann fehlt aber selbst unter der Annahme, dass Gott der Schöpfer der Natur ist, noch jegliche Begründung dafür, warum ein solcher Eingriff verboten sein sollte. - Oder die Behauptung soll so verstanden werden, dass es eine "Ordnung der Natur" gibt, die so geartet ist, dass sie das strikte Verbot Verhütung impliziert – dann aber wäre genau diese These zu beweisen. Vieles, was als Argument für die kath. Sexualmoral vorgetragen wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen – je nach Lesart – also entweder als eine "harmlose" Aussage, mit der noch nichts zum Thema Verhütung bewiesen ist, oder aber als eine Variation der erst noch zu beweisenden These selbst, nämlich dass Verhütung unerlaubt sei. So wird vernebelt, dass es (auch unter theistischer Prämisse!) kein Argument zu geben scheint, das aufzeigen würde, wie man von den biologischen Tatsachen zum eigentlichen Verbot der Verhütung gelangten könnte. Mitunter sind die verwendeten Formulierungen auch ganz besonders bedenklich und potentiell irreführend. Dies gilt beispielsweise für die Behauptung von Humane vitae (11), "daß 'jeder eheliche Akt' von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben muß" (Hervorhebung von mir) - was ja nur dann Sinn ergibt, wenn jeder sexuelle Akt "von sich aus" natürlicherweise auf die Zeugung hingeordnet ist. Die allermeisten sexuellen Akte sind nun aber "von sich aus" für die Zeugung völlig ungeeignet; ihnen fehlt schlichtweg das Potential, zur Erzeugung von menschlichem Leben führen zu können. Wenn dennoch behauptet wird, dass jeder einzelne sexuelle Akt natürlicherweise auf die Zeugung "hingeordnet" sei, so kann diese Aussage daher nur in einer "uneigentlichen" Weise verstanden werden, die stark vom intuitiven und naheliegenden Sprachverständnis abweicht. Da diese uneigentliche Bedeutung keineswegs offensichtlich ist, wäre sie dringend klärungsbedürftig – aber eine solche Klärung findet eben gerade nicht statt. Und durch diesen ungeklärten Sprachgebrauch kann nun jeder sexuelle Akt als eine Art von Zeungungssakt ausgegeben oder doch wenigstens ganz in die Nähe der Zeugung gerückt werden; wohlgemerkt nicht durch eine sachliche Argumentation, sondern allein durch eine sprachliche Suggestion. Und das kommt wiederum der Lehre vom Verbot jeder Verhütung zugute; denn wenn man den Anschein erwecken kann, dass in der Natur allein solche sexuellen Akte vorkommen, die eine "Zeugungsdimension" besitzen, und keinesfalls auch andere: Dann klingt das Verbot der Verhütung vielleicht doch etwas weniger unplausibel, als wenn man den Lesern explizit vor Augen führen würde, dass die weitaus meisten sexuellen Akte von Natur aus gerade keine Zeugungsfunktion besitzen. Würde man die Tatsachenverhältnisse nüchtern und in neutraler Sprache darstellen, so würde Verhütung vielleicht weniger als ein "radikaler Bruch" mit der Natur erscheinen, und womöglich eher als ein Mittel, um auf eine künstliche Weise etwas zu erreichen, was in abgewandelter Form ohnehin ein fester Bestandteil der Natur ist. Die tendenziös stark eingefärbte Sprache der kirchlichen Lehre mit ihren Ambiguitäten, Unklarheiten und Bedeutungsverschiebungen ist also keineswegs harmlos. Oder man betrachte die folgende Formulierung aus Humane vitae (12): "Diese vom kirchlichen Lehramt oft dargelegte Lehre [daß 'jeder eheliche Akt' von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben muß] gründet in einer von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte - liebende Vereinigung und Fortpflanzung -, die beide dem ehelichen Akt innewohnen. Diese Verknüpfung darf der Mensch nicht eigenmächtig auflösen." Dazu erst kurz ein Wort zur Tatsachenebene: Wenn die Frau sich in ihrem fruchtbaren Lebensabschnitt befindet; wenn Mann und Frau im Hinblick auf ihre Reproduktionsfähigkeit gesund sind; wenn die beiden ohne besonderen Blick auf den Kalender Sex haben (also insbesondere keine NFP betreiben); und wenn all ihre sexuellen Akte stets Ausdruck von Liebe sind: Dann sind ihre sexuellen Akte - stets Ausdruck von Liebe - meistens unfruchtbar - manchmal fruchtbar. (Die "Fruchtbarkeit" eines Aktes wäre sein Potential, zur Fortpflanzung dienen zu können.) Was soll es angesichts dieser Tatsachen nun konkret bedeuten, wenn gesagt wird, dass "dem" ehelichen Akt - und das heißt doch wohl: jedem ehelichen Akt - natürlicherweise unter anderem der "Sinngehalt" der Fortpflanzung "innewohnt"? Und was ist das für eine unauflösbare Verknüpfung von Liebe und Fortpflanzung? Sie muss jedenfalls die folgende Kriterien erfüllen: 1. Sie ist offenbar natürlicherweise bei jedem sexuellen Akt zu finden (also auch bei sexuellen Akten, die von Natur aus unfruchtbar sind!). 2. Diese Verknüpfung kann durch den Menschen getrennt werden, was bei der Verhütung passiert - sie muss also etwas Faktisches und Reales sein. Wie kann eine solche Verknüpfung gedacht werden? Welche Verknüpfung, die man durch Verhütung trennen kann, ist zugleich in sexuellen Akten, die natürlicherweise unfruchtbar sind, unversehrt enthalten? Geht es bei der ganzen Rede vom stets vorhandenen Sinngehalt der Fortpflanzung und von der stets vorhandenen Verknüpfung der Sinngehalte um mehr als um suggestive Wortnebel? Wenn ja, welchen verständlichen und fassbaren Sinn sollen die entsprechenden Ausdrücke dann haben? Vor allem aber stellt sich diese Frage: Wie will man ausgehend von den manifesten, von mir genannten Tatsachen zum Verbot der Verhütung gelangen? Paul VI. sagt einfach, dass es eine "von Gott bestimmte unlösbare Verknüpfung" gebe, die der Mensch nicht "eigenmächtig" trennen dürfe. Abgesehen einmal von der Schwierigkeit, dass wie gesagt im Dunkeln bleibt, um was für eine Art von unlösbarer Verknüpfung es sich überhaupt handeln soll, stellt sich die folgende Frage: Woher weiß Paul VI., dass gerade im Fall der Sexualität der Mensch nicht eigenmächtig in die Natur eingreifen darf, und dass Gott gerade hier im Hinblick auf natürliche Verbindungen wünscht, dass diese unauflöslich seien? Da der Mensch sonst grundsätzlich ja durchaus "eigenmächtig" in die Natur eingreifen und dabei auch natürliche Verbindungen auflösen darf, soweit solche Eingriffe als vernünftig erscheinen und keinen unangemessenen Schaden verursachen, stellt sich zwangsläufig die Frage: Warum also gerade bei der Sexualität nicht? Aus kath. Sicht ist die Sexualität zwar von Gott geschaffen geworden - der Rest der (gesunden) Natur aber genauso! Wir wären damit wieder beim bereits bekannten Problem: Wenn der Papst keinem "biologistischen" Fehlschluss mit absurden Konsequenzen verfallen will, braucht er eine Rechtfertigung, warum die Sexualität einen Ausnahmefall darstellen soll. Das einzige infragekommende Argument finden wir jedoch im nächsten Abschnitt (Abschnitt 13) von Humane vitae: Es ist das Argument mit der Unverfügbarkeit der "Quellen des Lebens", das aber völlig unplausibel ist (s.o.). Die Probleme bestehen, wie man sieht, nicht immer allein oder vorwiegend in sprachlichen Unklarheiten; aber diese Unklarheiten machen alles noch undurchsichtiger. Einem ungeklärten Gebrauch der Sprache bzw. vielleicht eher des Gedankens begegnen wir in anderer Form auch beim folgenden Argument für das Verbot der Verhütung, welches oft anzutreffen ist: Da der Zweck des sexuellen Aktes (auch) die Fortpflanzung sei, würde man mit der Verhütung gegen diesen Zweck verstoßen. (Mitunter spricht man statt von einem "Zweck" auch von einem "Ziel".) Die Aussage, dass die Fortpflanzung der Zweck des sexuellen Aktes sei, kann nun aber auf (mindestens) zwei Arten verstanden werden: a) Gott hat die sexuelle Anlage (auch) geschaffen, damit der Mensch sich fortpflanzen könne und sich unter geeigneten Umständen auch tatsächlich fortpflanzen möge. b) Gott "bezweckt" mit jedem einzelnen sexuellen Akt die Fortpflanzung (oder er will jedenfalls bezogen auf jeden einzelnen sexuellen Akt, dass dieser der Fortpflanzung dient oder dienen kann). Die Behauptung a) ist aus theistischer Sicht zwar gut begründet, aber aus ihr folgt für sich genommen noch überhaupt nichts für die Verhütung. Aus der Behauptung b) würde zwar tatsächlich ein Verbot der Verhütung folgen – nun erscheint diese Behauptung aber als völlig unbegründet (und sogar als ausgesprochen unplausibel). Das ganze vermeintliche Argument beruht also offenbar einfach auf einer nicht durchschauten Ambiguität der verwendeten Begrifflichkeit ("Zweck des sexuellen Aktes"). Auch jenseits von einem solch fragwürdigen Gebrauch der Sprache erwecken die mir bekannten Argumente, die von verschiedener Seite für die kirchl. Lehre vorgebracht werden, höchstens bei (sehr) oberflächlicher Betrachtung den Anschein der Schlüssigkeit, ohne aber tatsächlich schlüssig zu sein. Es möge ein Beispiel genügen: Wer Verhütung praktiziert, so heißt es, der weigere sich, am göttlichen Schöpfungsauftrag mitzuwirken. Hier kommen aber doch nun zwei Fälle in Betracht: - Wenn jemand berufen ist, in einer konkreten Situation dadurch an der Schöpfung mitzuwirken, dass er Kinder zeugt, dann würde er durch Verhütung (wie auch durch NFP und Enthaltsamkeit) tatsächlich gegen Gottes Auftrag, an der Erschaffung neuen Lebens mitzuwirken, verstoßen. - Wenn der Betreffende in einer bestimmten Situation jedoch gerade nicht in der Pflicht steht, durch Zeugung aktiv an der Erweckung neuen Lebens mitzuwirken: Wieso verstößt er durch Verhütung dann ebenfalls gegen irgendeine Pflicht, durch Zeugung an der Erweckung neuen Lebens mitzuwirken? Wie man leicht sieht, klafft gerade an der entscheidenden Stelle eine breite logische Lücke. In diesem Zusammenhang kommen einem auch die doch reichlich bemüht wirkenden Versuche in den Sinn, einen prinzipiellen moralischen Unterschied zwischen NFP und künstlicher Verhütung feststellen zu wollen und dabei zu argumentieren, dass in dem einen Fall eine "Offenheit für das Leben" gegeben sei, im anderen Falle jedoch nicht. Stellt man die Dinge nüchtern dar, dann ergeben sich folgende unbestreitbare Feststellungen: - Sowohl derjenige, der verhütet wie auch derjenige, der NFP betreibt, will zum entsprechenden Zeitpunkt keine Kinder. - Sowohl derjenige, der verhütet wie auch derjenige, der NFP betreibt, will zum entsprechenden Zeitpunkt aber dennoch Sex haben. - Sowohl die künstliche Verhütung wie die NFP dienen dazu, beide Ziele simultan zu erreichen: Sex haben zu können, aber die Wahrscheinlichkeit der Zeugung von Kindern zu minimieren. Wer NFP betreibt, hat also genau dasjenige Motiv im Sinn, das Pius XI. in Casti connubii mit erhobenem Zeigefinger denen vorwirft, die verhüten: Die Lust zu wollen, nicht aber die Last. Die einzige Differenz besteht darin, dass derjenige, der NFP betreibt, nur solche sexuellen Akte vollzieht, die von Natur aus unfruchtbar sind, während derjenige, der verhütet, auch solche Akte vollzieht, die künstlicherweise unfruchtbar sind. Das hat nun aber mit einer realen "Offenheit für das Leben" überhaupt nichts zu tun, wenn wir die Worte in ihrem üblichen Sinne verstehen und mit der "Offenheit für das Leben" die tatsächliche Bereitschaft, Kinder in die Welt zu bringen, meinen. In der Tat: Wenn sowohl derjenige, der NFP betreibt, wie auch derjenige, der verhütet, gleichermaßen bereit wären, ein neues menschliches Leben, das versehentlich dennoch gezeugt wird, zu akzeptieren, dann besteht hier grundsätzlich genau die gleiche "Offenheit für das Leben". Wenn etwas anderes behauptet wird, so geht das nur, indem man a) sowohl die Absichten wie auch das Gesamt-Verhalten der jeweiligen Paare vollständig ausblendet und nur noch auf den einzelnen Akt fokussiert; und indem man b) zusätzlich den Ausdruck "Offenheit für das Leben" so umdefiniert, dass er nicht mehr die reale Bereitschaft zu Kindern bezeichnet, sondern einfach "Verzicht auf Verhütung" bedeutet. Dann allerdings wird die Aussage, dass derjenige, der nicht verhütet, "offen für das Leben" ist, zur nichtssagenden Tautologie. Auch hier wird also mittels einer vom normalen Sprachverständnis abweichende und stark tendenziöse Verwendung von Worten etwas suggeriert, was sachlich nicht überzeugend begründet werden kann. Andere Argumente für das Verhütungsverbot, soweit sie mir bekannt sind, sind nicht besser als die angesprochenen. Man darf also ohne Übertreibung oder Böswilligkeit feststellen, dass zahlreiche Argumente, die für die kath. Lehre zur Verhütung vorgebracht werden, erstaunlich schwach sind; sie scheinen im Wesentlichen auf Fehlschlüssen zu beruhen, die sich oftmals hinter einer unklaren und tendenziösen Verwendung der Sprache verstecken. (Dass derartige Argumente überhaupt jemanden überzeugen, darunter sogar intelligente Leute, ist für mich nur durch den Wunsch erklärbar, überzeugt werden zu wollen. Es scheint, dass alles, was nach einem Argument für die kath. Sexuallehre aussieht, sofort dankbar angenommen und nicht weiter kritisch hinterfragt wird.) Was speziell jene Argumente angeht, die aus der "Theologie des Leibes" von Johannes Paul II. herkommen, werden diese offenbar auch von den Anhängern der kath. Sexualmoral unterschiedlich gewertet. Manche konservative Katholiken scheinen sie zu schätzen, andere eher nicht. Positiv kann man sagen, dass es sich bei den Argumenten, denen wir hier begegnen, zumindest nicht um grobe Fehlschlüsse oder sprachliche Konfusionen handelt. Und während innerhalb des klassischen "biologistischen" Schemas ("die Natur will es so, also darf der Mensch nicht eingreifen") die Bewahrung der Fruchtbarkeit als reiner Selbstzweck ohne jeden erkennbaren Sinn erscheint, geht es der Ethik von JPII immerhin um den Schutz personaler Werte. Wenn etwa ein Mann fragen würde, warum er mit seiner Frau keinen verhüteten Verkehr haben dürfe, dann würde die "klassische" Antwort lauten: "Weil Gott es so will. (Wir wissen nicht, warum er das so will, aber die Natur verrät uns, dass er es will.)" Die Antwort im Sinne von JPII hingegen würde in etwa lauten: "Damit Du Deine Frau nicht durch den sexuellen Akt belügst und sie nicht zum Mittel der Triebbefriedigung degradierst." Gleichzeitig wirken die Begründungsfiguren von Johannes Paul II., nach welchen jeder einzelne sexuelle Akt immer eine "Totalhingabe" sein muss und die Verhütung eine solche immer unmöglich mache, doch etwas abgehoben. Welcher normale Mensch käme spontan je auf solche Gedanken? Da scheint tatsächlich sogar die "biologistische" Argumentation ("Gott hat die Natur geschaffen wie sie sein soll, da darf der Mensch nicht eingreifen") etwas "bodenständiger". Zudem beruhen die entscheidenden Argumente von JPII sehr stark auf einer einer ganz bestimmten Intuition und sind somit doch recht subjektiv. Die allermeisten Menschen scheinen die Intuition von JPII nicht zu teilen, und es dürfte kaum möglich sein, ein gutes "objektives" Argument dafür zu finden, dass JPII mit seiner Intuition in den hier relevanten Punkten recht hat. Eine überzeugende Grundlage für absolute Verbotsnormen, die für alle Menschen kategorisch gelten sollen, ist auf diese Weise wohl eher schwierig zu geben. Das Verhältnis der Anhänger der kath. Sexualmoral zur empirisch zugänglichen Wirklichkeit ist "interessant", um es vorsichtig zu formulieren. Es werden häufig Tatsachen-Behauptungen über die positiven Auswirkungen der kath. Sexualmoral und über die negativen der Verhütung aufgestellt (das tut beispielsweise auch Humane vitae). Insofern dienen hier die Konsequenzen, die sich aus der eigenen Lehre für die Praxis und den Alltag der Menschen ergeben, offenbar als Argumente für die Richtigkeit der eigenen Überzeugung, oder zumindest als eine Art der Bestätigung. Die These, dass die Befolgung der kirchlichen Moral erhebliche positive Folgen hat (und die Verhütung erhebliche negative), wird aber augenscheinlich nicht empirisch-induktiv gewonnen. Wie sie genau begründet wird, ist unklar, und man hat den Verdacht, dass sie einfach deduktiv aus den Überzeugungen, dass die kirchliche Moral von Gott herkomme und Gottes Gebote dem Menschen generell gut bekommen, hergeleitet wird. (In diesem Fall allerdings wäre es zirkelschlüssig, die angeblich guten Auswirkungen der kirchlichen Moral als Argumente dafür zu verwenden, dass diese Moral von Gott herkommt bzw. richtig ist.) Weist man darauf hin, dass die These von den segensreichen Auswirkungen der kath. Sexualmoral sich nicht belegen lässt, und dass in Wahrheit viel dafür spricht, dass die strengen kirchlichen Verbotsnormen eher negative Auswirkungen auf die menschliche Psyche, das menschliche Sozialverhalten und in der Summe auch auf die eheliche Harmonie haben, so scheint das Interesse an den realen Konsequenzen der kath. Lehre plötzlich nahezu vollständig erloschen zu sein. Was zuvor relevant war, scheint auf einmal ohne Belang zu sein. Und nicht nur hier: Es spricht ja sehr viel dafür, dass die Menschheit ohne Verhütung auf eine große Katastrophe zusteuern würde, wenn sie dort nicht bereits angekommen wäre. Ebenfalls gibt es offenbar genug Fälle, in denen ein Verzicht auf Verhütung dramatische und mitunter schreckliche Konsequenzen hat bzw. hätte. So können sich in manchen Gegenden Frauen ihren Männern offenbar auch dann kaum verweigern, wenn diese HIV-krank sind, so dass das Verbot von Kondomen auf ein Todesurteil hinausläuft. Auf solche Tatsachen wird von konservativen Katholiken regelmäßig nicht eingegangen. Weder werden diese Tatsachen abgestritten; noch wird gesagt, dass dies eben der Preis sei, der für die kath. Sexualmoral zu zahlen sei; noch wird die eigene Position überdacht. Es wird auch nicht einmal eine mögliche eigene Unsicherheit eingeräumt, im Sinne von: 'Ja, das ist ein kritischer Punkt, auf den ich auch noch keine definitive Antwort habe.' Stattdessen wird einfach geschwiegen. Der weit verbreitete konservativ-katholische Umgang mit der Wirklichkeit besteht an dieser Stelle offenbar darin, den Kopf entschieden in den Sand zu stecken und sich die Ohren zuzuhalten. Die kath. Sexualmoral ist einzigartig innerhalb des katholischen Moral-Systems. Abgesehen natürlich von spezifisch religiösen Normen ist sie wohl der einzige Teil der katholischen Ethik, bei dem man sich in vielen Fällen direkt auf Gott beziehen muss, um die konkreten Verbote rechtfertigen zu können. (In der Theorie setzen zwar auch die Argumente aus der "Theologie des Leibes" nicht unmittelbar eine Berufung auf Gott voraus; in der Praxis aber wird aber wohl so gut wie überhaupt niemand, der nicht vom konservativen Katholizismus oder einer diesbezüglichen ähnlichen Religion herkommt, sie als überzeugend empfinden.) Das hat die folgende erstaunliche Konsequenz: Ein säkularer, humanistisch eingestellter Zeitgenosse und ein konservativer Katholik werden sich auf dem Gebiet der Ethik wohl grundsätzlich nahezu überall einigen können – nur nicht im Hinblick auf einen erheblichen Teil der Sexualmoral. Dass die Sexualmoral somit – selbst innerkatholisch betrachtet – einen sehr speziellen und doch recht merkwürdigen Sonderfall darstellt, wird von konservativen Katholiken offenbar auch dann nicht gesehen bzw. auch dann nicht als erklärungsbedürftig empfunden, wenn man sie explizit darauf hinweist. Es wurde gesagt, dass für fast alle Nicht-Katholiken die Begründungen für das Verbot der Verhütung schlichtweg unverständlich seien – eher könnten sie noch nachvollziehen, dass ein Katholik sich an das Verbot halten will, weil er dem Papst gehorchen möchte. Der Grund für dieses Unverständnis ist letztlich wohl dieser: Beim ausnahmslosen Verbot der Verhütung wird gesagt, dass etwas, was nicht zu passieren braucht und was vielleicht auch gar nicht passieren soll, dennoch unbedingt passieren können muss. Das erscheint nicht nur als sinnlos, sondern zumindest dort, wo etwas vermieden werden soll, aber dennoch unbedingt möglich bleiben muss, sogar als widersinnig - womit wir wieder am Ausgangspunkt dieses Beitrag wären. Mir ist kein einziger Fall als eben das Verbot der Verhütung (und eventuell andere Verbote innerhalb der kath. Sexualmoral) bekannt, wo jemand in einer vergleichbaren Weise argumentieren würde – auch nicht innerhalb des Katholizismus und seiner übrigen Moral. Gibt es ein weiteres Beispiel? Kennt jemand eines? Alles in allem stellt sich die folgende naheliegende Frage: Wenn konservative Katholiken die kath. Sexuallehre verteidigen, tun sie es dann deswegen, weil es so viele gut durchdachte Argumente für diese Doktrin gibt, und so wenige ernst zu nehmende Einwände gegen sie? Oder steht hinter den Versuchen, die kath. Sexuallehre argumentativ zu rechtfertigen, nicht die folgende Überlegung: 'Die kirchliche Sexuallehre muss wahr sein, weil sie von der Kirche gelehrt wird.' Es wäre eine Überlegung, zu welcher jene Kommissionsminderheit, die Paul VI. erfolgreich zur Beibehaltung des Verhütungs-Verbots geraten hatte, sich auch ganz offen bekannt hat, und zwar im Sinne des eigentlichen und hauptsächlichen Arguments, das für die fragliche Doktrin spreche. Und gilt Entsprechendes nicht auch für all die doch ein wenig krampfhaft anmutenden Versuche, einen Verbotskatalog, der historisch aus einer extrem sexualfeindlichen Haltung erwachsen ist, als sexualfreundlich und "hipp" erscheinen zu lassen? Ist das wirklich überhaupt sinnvoll bei einer Doktrin, bei der man viel mehr Zeit braucht, um alles aufzuzählen, was verboten ist, als man Zeit benötigen würde, um anzugeben, was erlaubt ist? bearbeitet 4. Juni von iskander Zitieren
Merkur Geschrieben 4. Juni Melden Geschrieben 4. Juni vor 20 Stunden schrieb iskander: Alles in allem stellt sich die folgende naheliegende Frage: Wenn konservative Katholiken die kath. Sexuallehre verteidigen, tun sie es dann deswegen, ... Oder steht hinter den Versuchen, die kath. Sexuallehre argumentativ zu rechtfertigen, nicht die folgende Überlegung: ... Es gibt hoffentlich nicht nur diese beiden Auswahlmöglichkeiten. Beide wirken nicht besonders überzeugend. Zitieren
Werner001 Geschrieben 5. Juni Melden Geschrieben 5. Juni Am 4.6.2025 um 01:28 schrieb iskander: Die kath. Lehre zur Verhütung erscheint intuitiv als paradox: Während es leicht einzusehen ist, dass sexuelle Akte dann zur Zeugung eines Kindes führen können sollen, wenn die Zeugung eines Kindes sinnvoll ist, ist es seltsam, dass sexuelle Akte auch dann zur Zeugung eines Kindes führen können sollen, wenn die Zeugung eines Kindes nicht sinnvoll ist. Welchen Sinn also ergibt ein Gebot, welches vorschreibt, dass etwas möglich sein muss, was gar nicht geschehen soll? Solche Fragen bleiben - wenn das Problem denn überhaupt gesehen wird - regelmäßig unbeantwortet. Das ist eine Folge der unausgegorenen Halbreförmchen des20. Jahrhunderts. Die traditionelle Lehre lautete: Sex ist nur ausnahmsweise zur Zeugung von Kindern erlaubt. Das war zwar Schwachsinn, aber in sich logisch konsistenter Schwachsinn. Die halbgaren „Modernisierungen“ der Lehre von Casti Connubii über Humanae Vitae bis in die jüngste Zeit haben dazu geführt, dass die Sexuallehre jetzt inkonsistenter, unlogischer Schwachsinn ist Werner Zitieren
Marcellinus Geschrieben 6. Juni Melden Geschrieben 6. Juni Am 4.6.2025 um 01:28 schrieb iskander: Die kath. Lehre zur Verhütung erscheint intuitiv als paradox: In religiösen Fragen ist die Vernunft halt nicht Erkenntniswerkzwug, sondern höchstens Mittel zum Zweck. Zitieren
Merkur Geschrieben 6. Juni Melden Geschrieben 6. Juni vor 56 Minuten schrieb Marcellinus: In religiösen Fragen ist die Vernunft halt nicht Erkenntniswerkzwug, sondern höchstens Mittel zum Zweck. Das ist so allgemein nicht richtig. Es kommt auf den Zweck und das, was man erkennen will an. Zitieren
iskander Geschrieben 6. Juni Melden Geschrieben 6. Juni (bearbeitet) vor 12 Stunden schrieb Marcellinus: In religiösen Fragen ist die Vernunft halt nicht Erkenntniswerkzwug, sondern höchstens Mittel zum Zweck. Ich verstehe Deinen Ansatz bzw. bilde mir das zumindest ein: Wenn man erst einmal eine höhere Macht oder einen Gott annimmt, der alles erschaffen hat, dann ist alles andere ohnehin willkürlich, und es gibt dann in diesem Rahmen keine sinnvolle Unterscheidung mehr zwischen vernünftig und unvernünftig. Das würde ich allerdings etwas anders sehen. Nehmen wir an, Religion sei einfach nur Fantasy, so wie der Herr der Ringe. Ob das jetzt ein angemessener Vergleich ist, oder ob Religion nicht doch mehr ist, kann dahinstehen. Denn selbst in der Fantasy, die - anders als die Religion - gar nicht den Anspruch erhebt, etwas Wirkliches zu beschreiben, legt man auf innere Logik und Stimmigkeit wert. Man würde sinngemäß einen Satz erwarten wie: "Sauron begehrte nichts mehr als den Einen Ring, und so sandte er seine Diener aus, ihn überall zu suchen." Aber man würde sich doch sehr wundern, einen Satz wie diesen zu lesen: "Sauron war der Eine Ring völlig egal und er wollte ihn nicht finden - und so sandte er seine Diener aus, ihn überall zu suchen." Und noch mehr würde einen der folgende Satz überraschen: "Sauron wollte, dass niemand den Einen Ring finden möge, auch er selbst nicht - und so sandte er seine Diener aus, ihn überall zu suchen." Bei der kath. Sexuallehre hat man m.E. eine analoge Situation: Es fehlt jede Plausibilität und innere Logik, auch unter den Voraussetzungen des Theismus und der Erschaffung des Menschen durch Gott. Dies gilt unabhängig davon, ob man die theistische Weltsicht für glaubwürdig oder einfach nur für eine ausgedachte Erzählung hält. Gehen wir einmal davon aus, dass jemand den Menschen erschaffen hat; sei es ein einziger (christlicher) Gott, mehrere Götter oder auch Außerirdische (vgl. von Däniken). In der einen oder anderen Form wurde oder wird eine solche Annahmen ja von vielen Kulturen geteilt. Und unter dieser Annahme kommt man nun gewiss zu dem Schluss, dass der oder die Schöpfer des Menschen offenbar wollten, dass der Mensch sich sexuell fortpflanzen können solle (und sich eventuell auch sexuell fortpflanzen möge). Ebenso wird man unter dieser Annahme zu dem Schluss gelangen, dass der oder die Schöpfer des Menschen wollten, dass der Mensch mittels seiner Füße gehen und stehen könne. Wie sieht es aber mit der folgenden Behauptung aus? Der oder die angenommenen Schöpfer des Menschen müssen es unbedingt ablehnen, wenn der Mensch seine Sexualität auch noch zu etwas anderem als zur Fortpflanzung gebraucht (indem der Mensch nicht-vaginale und verhütete sexuelle Akte vollzieht); und der oder die Schöpfer des Menschen müssen unbedingt etwas dagegen haben, wenn der Mensch seine Füße auch noch zu etwas anderem als zum Gehen und Stehen benutzt (indem der Mensch etwa ein Klavierpedal bedient). Eine solche Behauptung erscheint als völlig willkürlich: Warum sollten der bzw. die Schöpfer denn auch etwas gegen solche Verwendungen menschlicher Fakultäten haben? Der Mensch kann ja trotzdem weiterhin Kinder zeugen und auch weiterhin gehen und stehen, wo immer das jeweils angemessen und sinnvoll ist. Ein anderweitiger Gebrauch seiner Fakultäten hindert den Menschen hieran nicht und steht somit auch in keiner erkennbaren Weise in einem Gegensatz zu den Wünschen und Plänen des Schöpfers bzw. der Schöpfer des Menschen. Erst recht erscheint es als völlig willkürlich, dass der oder die Erschaffer des Menschen im Fall der Sexualität darauf bestehen sollen, dass nur ein ganz bestimmter Gebrauch zulässig ist, in allen anderen Fällen (Füße und co.) aber überhaupt nichts gegen anderweitige Verwendungen der jeweiligen Fakultäten einzuwenden haben sollen. Genauso aus der Luft gegriffen erscheint die Annahme, dass der oder die angenommenen Schöpfer des Menschen zwar gar nicht wollen, dass ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Kind zeugt, aber darauf bestehen sollen, dass ein Kind entstehen können muss, welches gar nicht entstehen soll. Entsprechend findet man solche Vorstellungen ja auch nirgendwo in anderen Religionen. Die Griechen glaubten, dass Prometheus den Menschen erschaffen habe. Aber niemand wäre wohl auf die Idee gekommen, dass Prometheus sich darüber grämen würde, wenn der Mensch seine Sexualität auch zu Zwecken außerhalb der Zeugung von Kindern gebraucht, während es ihm recht sei, dass der Mensch seine Füße zu anderen Zwecken als zur Fortbewegung (also etwa zum Keltern von Wein) benutzt. Natürlich könnte die kath. Kirche an dieser Stelle einfach sagen: Gott hat uns aber offenbar, dass sein Wille eben so und so aussieht, auch wenn wir als Menschen den Sinn dahinter nicht begreifen. Aber das tut die Kirche eben gerade nicht. Sie behauptet vielmehr, dass man dann, wenn man davon ausgeht, dass ein wohlwollender und vernünftiger Gott den Menschen erschaffen habe, ihre Sexuallehre rational folge. Und mein Punkt ist hier, dass genau das nicht stimmt - und dass die Argumente, die die Kirche und die Apologeten der kirchl. Lehre ins Feld führen, auch dann keinen Sinn ergeben, wenn man ausdrücklich von der Prämisse der theistischen Schöpfung ausgeht. Meine Kritik lautet also, dass die entsprechende Lehre nicht einmal in sich selbst schlüssig ist. Dass die Argumente, die für die kath. Sexuallehre so aussehen, wie sie eben aussehen, ist m.E. genau so zu erklären: Man will unbedingt etwas beweisen, was man selbst unter den eigenen Denkvoraussetzungen unmöglich beweisen oder auch nur plausibel machen kann, und was selbst unter den eigenen Denkvoraussetzungen als willkürlich und irrational erscheinen muss. bearbeitet 6. Juni von iskander 1 Zitieren
Marcellinus Geschrieben 6. Juni Melden Geschrieben 6. Juni vor 35 Minuten schrieb iskander: vor 13 Stunden schrieb Marcellinus: In religiösen Fragen ist die Vernunft halt nicht Erkenntniswerkzwug, sondern höchstens Mittel zum Zweck. Ich verstehe Deinen Ansatz bzw. bilde mir das zumindest ein Es ist nicht mein "Ansatz", sondern einfach die Beobachtung, daß Religionsvereine so verfahren. Dir müßte ja auch schon aufgefallen sein, daß sich die kath. Kirche in ihren Vorstellungen, Regeln und Dogmen nicht immer an das hält, was du als vernünftig betrachtest. 😉 Zitieren
iskander Geschrieben 6. Juni Melden Geschrieben 6. Juni vor 19 Stunden schrieb Werner001: Das ist eine Folge der unausgegorenen Halbreförmchen des20. Jahrhunderts. Die traditionelle Lehre lautete: Sex ist nur ausnahmsweise zur Zeugung von Kindern erlaubt. Das war zwar Schwachsinn, aber in sich logisch konsistenter Schwachsinn. Die halbgaren „Modernisierungen“ der Lehre von Casti Connubii über Humanae Vitae bis in die jüngste Zeit haben dazu geführt, dass die Sexuallehre jetzt inkonsistenter, unlogischer Schwachsinn ist Das stimmt grundsätzlich, wobei die Entwicklung etwas komplexer ist und schon vor dem 20. Jh. begonnen hat. Es kam irgendwann in der Neuzeit zunehmend die Sichtweise auf, dass es gar nicht so sehr darauf ankomme, dass der Mensch Kinder zeugen will, sondern darauf, dass die Zeugung von Kindern objektiv möglich bleibt. Der Mensch musste also nicht unbedingt Kinder zeugen wollen; es musste nur sichergestellt bleiben, dass tatsächlich Kinder entstehen können. Das war die moderne "laxe" Moral, die vor allem auf die Jesuiten zurückzugehen scheint. Es ging dabei aber offenbar nicht darum, dass der Mensch unter Umständen ruhig Sex haben solle, ohne dass dabei Kinder entstehen können (so wie bei der NFP), sondern eher darum, dass es genügt, dass der Mensch das Ergebnis der Kinderzeugung einfach nur zulässt und inkauf nimmt, statt es auch explizit willentlich anstreben zu müssen. (Vielleicht könnte man das ein wenig mit einem Arzt vergleichen, dem das Wohl seiner Patienten völlig egal ist, und der nur Geld verdienen will, der aber dennoch objektiv so arbeitet, dass es dem Wohl seiner Patienten dient. Der Vergleich hinkt, aber mir fällt im Moment kein besserer ein.) Soweit mag das vielleicht prinzipiell durchaus einen gewissen Sinn ergeben - jedenfalls ist hier grundsätzlich ja immer noch gewährleistet, dass Sex objektiv der Kinderzeugung dient, egal was die subjektiven Motive der Handelnden aussehen mögen. Und innerhalb dieses Denkrahmens kann man auch immer noch gegen die künstliche Verhütung argumentieren: Sie beseitigt den Grund, welcher objektiv (und unabhängig von den subjektiven Wünschen der Betroffenen) sexuelle Akte erst rechtfertigt. Der Rhythmus der Frau war damals noch kein Thema und man wusste wohl so gut wie nichts über ihn; aber irgendwann hat sich das geändert, und es wurde dann die Auffassung entwickelt, dass Ehepaare (jedenfalls unter bestimmten Bedingungen) auch ganz gezielt die unfruchtbaren Tage der Frau nutzen dürfen, um einerseits Sex zu haben, andererseits die Zeugung von Kindern zu vermeiden. Wann es genau lehramtlich zu dieser Auffassung kam, ist unklar, aber wohl ziemlich sicher nicht vor dem 19. Jahrhundert. Manche meinen sogar, dass es eigentlich erst Pius XII. war, der hier eine Erlaubnis gab. Vermutlich steht hinter dieser Neuerung sogar eine wohlwollende Überlegung: Dass man die Eheleute nicht länger vor die Wahl stellen wollte, entweder Kinder zu zeugen, die sie sich nicht leisten können, oder ganz und gar abstinent zu leben. Zudem hatte sich die Lehre von den "Ehezwecken" geändert - man sah in der Sexualität jetzt mehr als fast allein ein Instrument zur Kinderzeugung. Doch spätestens hier nun setzen eben die Probleme mit der Kohärenz der Lehre ein: Denn nach der neuen Doktrin dürfen Sexualität und Fortpflanzung durch das menschliche Verhalten im Effekt "entkoppelt" werden. Nicht nur muss der Mensch also nicht mehr subjektiv ein Kind zeugen wollen, sondern sein sexuellen Verhalten darf bewusst so gestaltet werden, dass es auch objektiv ungeeignet ist, zur Zeugung eines Kindes zu führen. Die früher mögliche "Rechtfertigung" für die sexuelle Lust - nämlich der Umstand, dass mit ihrer Hilfe ja Kinder gezeugt werden können (und zwar wirklich gezeugt werden können!) - fällt somit weg. Und damit kommt man eben zu all den bekannten Widersprüchen, Dilemmata und Aporien. Warum will Gott, dass der Mensch die künstliche Verhütung sein lässt? Was will er? - Will er, dass ein Kind entsteht, nur weil der Mensch Sex hat - auch wenn es gar nicht gut ist, wenn ein Kind entsteht? - Will er, dass ein Kind entstehen kann, nur weil der Mensch Sex hat - auch wenn es gar nicht will, dass tatsächlich ein Kind entsteht? - Will er zwar nicht, dass ein Kind entstehen kann, hat aber dennoch etwas dagegen, wenn der Mensch dafür sorgt, dass kein Kind entstehen kann - selbst wenn die Methode unschädlich ist und die Rechte von niemandem verletzt werden? Nichts von alledem erscheint auch nur ein Iota Sinn zu ergeben. Und wenn man den Vertretern der kath. Moral entsprechende Fragen stellt, kommt ja auch keine Antwort. Die inneren Widersprüche und Unstimmigkeiten der Lehre liegen darin begründet, wie sie sich historisch entwickelt hat. Nun könnte man ja aud Seiten der kichlichen Apologetik einräumen, dass die aktuelle Lehre relativ jung ist und vielleicht weiterentwickelt werden sollte, so wie sie ja in der Vergangenheit bereits weiterentwickelt wurde. Doch das ist für einen lehramtstreuen Katholiken offenbar undenkbar. Der lehramtstreue Katholik mag zwar einräumen, dass die Kirche sich früher geirrt haben mag - aber aus bis dato unbekannten Gründen ist es für ihn undenkbar, dass die Kirche sich auch heute irren könnte. So wie die kirchliche Lehre heute ist, ist sie perfekt. Und so versucht man um jeden Preis, die aktuelle Lehre, wie sie ist, als vernünftig, folgerichtig und logisch darzustellen, und als ein Geschenk an die Menschheit, das in innerer Schönheit und Harmonie erstrahlt. 1 Zitieren
iskander Geschrieben 6. Juni Melden Geschrieben 6. Juni (bearbeitet) vor 1 Stunde schrieb Marcellinus: Es ist nicht mein "Ansatz", sondern einfach die Beobachtung, daß Religionsvereine so verfahren. Dir müßte ja auch schon aufgefallen sein, daß sich die kath. Kirche in ihren Vorstellungen, Regeln und Dogmen nicht immer an das hält, was du als vernünftig betrachtest. 😉 Das stimmt. Aber genau das ist der Ansatz meiner Kritik: Ich möchte zeigen, dass die kath. Lehre tatsächlich ihren eigenen offiziellen Ansprüchen nicht genügt. Mein Bemühen geht dahin zu zeigen, dass die kirchl. Argumentation Annahmen voraussetzen müsste, die auch innerhalb ihrer eigenen Vorstellungswelt keinen Sinn ergeben. Ich hatte mal gelesen, dass der (Quasi-) Kirchenlehrer Origines es mit Berufung auf die Natur es unter anderem abgelehnt habe, dass der Mensch gefärbte Kleidung trägt. Denn wenn Gott gewollt hätte, dass der Mensch Kleider aus Purpur trägt, dann hätte er eben purpurne Schafe erschaffen. Ähnliche habe im Mittelalter bereits die Einführung der Gabel für kontroverse Diskussionen unter Theologen gesorgt. Ich möchte nun gar nicht behaupten, dass es theistisch gesehen prinzipiell unmöglich wäre, die Überzeugung zu vertreten, dass Gott die Natur genauso eingerichtet habe, wie sie sein soll, und der Mensch sie weder ergänzen noch regulieren dürfe. Konsequenterweise müsste man dann allerdings nicht nur gefärbte Kleider ablehnen, sondern Kleider überhaupt. Denn die Wolle des Schafes befindet sich natürlicherweise so wenig am menschlichen Leib wie der Purpur-Farbstoff sich natürlicherweise in der Wolle befindet. Es erscheint dann auch zweifelhaft, ob der Mensch Häuser bauen oder auch nur seine Nägel, Haare und seinen Bart schneiden darf, denn nichts von alledem ist natürlich. Aber man könnte solche Positionen, auch wenn nahezu jeder sie als absurd ansehen wird, durchaus mit einer gewissen inneren Konsistenz vertreten. Man kann aber natürlich auf theistischer Grundlage auch ein anderes Weltbild vertreten - nämlich dass Gott es dem Menschen ermöglicht habe und auch erlaube, mit seiner Vernunft auf die Natur einzuwirken und diese auch in einer sinnvollen Weise zu regulieren. Fast alle Völker, die an Gott oder Götter glauben, scheinen sich für die zweite Variante zu entscheiden. Was nun etwa das Problem mit der kirchlichen Verhütung betrifft, so ist es genau der Mangel an Konsistenz, der das Problem entstehen lässt. Die Kirche sagt normalerweise, dass der Mensch in die Natur eingreifen dürfe - nur nicht beim Thema Sexualität. Das ist ein wenig so, als würde man sagen, dass Gott es dem Menschen zwar erlauben würde, Teller, Messer, Gabel und Gläser zu verwenden, aber keine Löffel. Das ergibt aber weder dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Gott es in Ordnung findet, dass der Mensch Werkzeuge (auch beim Essen) benutzt; noch ergibt es dann Sinn, wenn man annimmt, dass Gott etwas gegen Werkzeuge hat und will, dass der Mensch mit den Händen isst. Genau das aber behauptet - um im Bilde zu bleiben - nun die Kirche: Dass man (als Theist) vernünftig einsehen könne, dass Gott zwar nichts gegen Werkzeug und Besteck im allgemeinen habe, dass er aber wohl etwas gegen Löffel habe. Und weil das einfach keinen Sinn ergibt - auch nicht aus theistischer Perspektive -, können auch die meisten gläubigen Katholiken das nicht begreifen. Die Argumente, die zeigen sollen, dass der Löffel ein Sonderfall sind, sind unbrauchbar. Wenn man beispielsweise glaubt, dass eine bestimmte Person von Gott dazu verpflichtet wird, in einer bestimmten Situation Kinder zu zeugen, dann ist es folgerichtig, auch zu glauben, dass die entsprechende Person gegen Gottes Zeugungsauftrag verstößt, wenn sie in ebendieser Situation verhütet (oder NFP betreibt oder abstinent lebt). Denn dann verweigert sich der entsprechende Mensch eben, dem Willen Gottes nachzukommen. Aber wenn die entsprechende Person von Gott in einer bestimmten Situation nicht berufen ist, Kinder zu zeugen, und wenn also kein Zeugungsauftrag für sie besteht, dann kann dieser Mensch logischerweise auch nicht gegen den Auftrag Gottes, Kinder zu zeugen, verstoßen - weder durch Verhütung noch durch NFP noch durch Abstinenz. Es ist schlichtweg nicht möglich, gegen einen Willen zu handeln, der nicht existiert, oder gegen ein Gebot zu verstoßen, das es nicht gibt. Das hat auch nichts damit zu tun, ob man glaubt, dass Gott wirklich im Hinblick auf einzelne Menschen verpflichtend will, dass diese Kinder zeugen; ja, es hat nicht einmal etwas damit zu tun, ob Gott real ist oder nicht. Wenn ein erfundener König in einem Roman seinem erfundenen Diener den Auftrag gibt, an jedem Montag die Glocken zu läuten, dann kann der Diener dadurch, dass er es am Dienstag unterlässt, die Glocken zu läuten, unmöglich gegen den Befehl seines Königs, am Montag die Glocken zu läuten, verstoßen. Und es würde auch innerhalb des ausgedachten Romans keinerlei Sinn ergeben, das Gegenteil zu behaupten und den Diener anzuklagen, weil er am Dienstag keine Glocken läutet und also den Befehl des Königs, jeden Montag die Glocken zu läuten, ignoriert. Und wenn ein Roman-Autor das anders sieht und dabei bleibt, dass man dadurch, dass man am Dienstag keine Glocken läutet, gegen das Gebot verstoßen kann, am Montag die Glocken zu läuten, und wenn er darauf ein Argument aufbaut, dann muss man eben nüchtern festhalten: Das Argument ergibt keinen Sinn und besitzt keinerlei Überzeugungskraft - auch nicht innerhalb der Welt des Romans selbst! (Die einzige hypothetische Ausnahme bestünde darin, dass es ganz spezifische Umstände derart gibt, dass nur derjenige, der am Dienstag die Glocken läutet, dies auch am Montag tun kann. Dann wäre die Weigerung, am Dienstag die Glocken zu läuten, ein indirekter Verstoß gegen das Gebot, sie am Montag zu läuten. Aber wenn nichts Entsprechendes im Roman dargelegt wird oder ersichtlich ist, scheidet eben auch diese Möglichkeit realistisch aus.) Ein System kann unabhängig davon, ob seine Grundannahmen stimmen, in sich selbst an einer bestimmten Stelle unstimmig und unlogisch sein. bearbeitet 6. Juni von iskander 1 Zitieren
Merkur Geschrieben 6. Juni Melden Geschrieben 6. Juni vor 17 Minuten schrieb iskander: Ein System kann unabhängig davon, ob seine Grundannahmen stimmen, in sich selbst an einer bestimmten Stelle unstimmig und unlogisch sein. Du erweckst den EIndruck, als ob du glaubst, dass die Vertreter dieser Moral das noch nicht gemerkt hätten. Die Möglichkeit, dass es ihnen egal ist, ziehst du anscheinend nicht in Betracht. 1 Zitieren
Marcellinus Geschrieben 6. Juni Melden Geschrieben 6. Juni vor 1 Stunde schrieb Merkur: vor 2 Stunden schrieb iskander: Ein System kann unabhängig davon, ob seine Grundannahmen stimmen, in sich selbst an einer bestimmten Stelle unstimmig und unlogisch sein. Du erweckst den EIndruck, als ob du glaubst, dass die Vertreter dieser Moral das noch nicht gemerkt hätten. Die Möglichkeit, dass es ihnen egal ist, ziehst du anscheinend nicht in Betracht. Das ist der Punkt. Die Vernunft, wie sie die kath. Kirche vertritt, ist kein Selbstzweck, sondern dient der Bestätigung des Glaubens, nicht seiner Kritik. Zitieren
iskander Geschrieben 7. Juni Melden Geschrieben 7. Juni (bearbeitet) vor 14 Stunden schrieb Merkur: Du erweckst den EIndruck, als ob du glaubst, dass die Vertreter dieser Moral das noch nicht gemerkt hätten. Die Möglichkeit, dass es ihnen egal ist, ziehst du anscheinend nicht in Betracht. @Merkur und @Marcellinus: Ehrlich gesagt bin ich mir an dieser Stelle unsicher. Offiziell würden Kirche und lehramtstreue Theologie einen solchen Verdacht weit von sich weisen. Die offizielle kirchliche Position wäre, dass zwar manche Inhalte der Verkündigung die Vernunft übersteigen, aber dass nichts gegen die Vernunft gehen darf, und dass die kirchlichen "naturrechtlichen" Argumente vernünftig seien. ("Vernünftigkeit" schließt dabei Folgerichtigkeit ein und Fehlschlüssigkeit aus.) Ich kann mir einerseits auch nicht erklären, wie man es nicht merken sollte, dass die vorgebrachten Argumente (auch innerhalb des eigenen Gedankensystems!) wenig Sinn ergeben und oftmals sogar eklatante Fehlschlüsse darstellen. Andererseits zögere ich auch, all den Leuten eine bewusste Unehrlichkeit zu unterstellen. Eine Möglichkeit bestünde darin, dass manche Leute aufgrund einer sehr starken Voreingenommenheit Sachverhalte übersehen, die an und für sich offensichtlich sind, und dass sie beispielsweise auf Fehlschlüsse hereinfallen, die sich hinter einer sprachlichen Ambiguität verstecken. Oder dass sie andere Denkfehler begehen, beispielsweise weil sie eine entscheidende Differenzierung nicht vornehmen. Oder es scheinen schon die grundlegenden Begriffe schief zu sein: Wie dargelegt scheinen beispielsweise Redeweisen wie die, dass jeder einzelne sexuelle Akt von sich aus auf die Fortpflanzung "hingeordnet" sei, schlichtweg keinen Sinn zu ergeben, den man konkret ausformulieren könnte. Weder ist jeder einzelne sexuelle Akt "von sich aus" geeignet, zur Fortpflanzung beizutragen (das ist einfach eine empirisch-biologische Tatsache); noch scheint es viel Sinn zu ergeben, Gott zu unterstellen, dass er im Hinblick auf jeden einzelnen sexuellen Akt will, dass dieser zur Zeugung dient, wenn er selbst die Natur so eingerichtet hat, dass dieser Wille höchstens durch ein permanentes großes Wunder erfüllbar wäre. Noch ist sonst ein verständlicher Sinn erkennbar, soweit ich das sehe. Es scheint sich bei entsprechenden Behauptungen vielmehr um Überbleibsel vergangener Zeiten zu handeln, als man aus Mangel an biologischem Wissen in der Theologie den Geschlechtsakt grundsätzlich - und von speziellen Ausnahmen abgesehen - als einen potentiellen Zeugungsakt verstand. Mein Verdacht wäre, dass man sich in einem Geflecht ungeklärter, untauglicher und teils überholter Begriffe verheddert, so dass man selbst gar nicht mehr merkt, dass man eigentlich gar nicht argumentiert, sondern Behauptungen aufstellt, die entweder nicht hergeben, was man beweisen will, oder die im Grunde nur Wiederholungen der zu beweisenden These sind. (Und das ist wie gesagt eine "immanente" Kritik, bei der man die grundsätzlichen Denkvoraussetzungen der kath. Lehre mitvollzieht.) Es entsteht bei mir auch der Eindruck, als würde man das eigene Denken abblocken und alles, was bei ganz oberflächlicher Betrachtung womöglich den Anschein erweckt, die eigene Position zu stützen, sofort annehmen, ohne weiterzudenken und ohne genauer zu prüfen, ob es auch wirklich Sinn ergibt. Sicher wissen kann ich das aber nicht. Wie Euch vielleicht auch schon aufgefallen ist, bekomme ich von den konservativen Katholiken dieses Forums grundsätzlich niemals eine Antwort, wenn ich die Argumente, die für die kath. Sexuallehre vorgebracht werde, analysiere und im Detail darlege, wieso sie so nicht funktionieren können, wie sie allem Anschein nach gemeint sind. bearbeitet 7. Juni von iskander Zitieren
Werner001 Geschrieben 7. Juni Melden Geschrieben 7. Juni vor 19 Stunden schrieb iskander: Der Mensch musste also nicht unbedingt Kinder zeugen wollen; es musste nur sichergestellt bleiben, dass tatsächlich Kinder entstehen können. Und dann propagiert man NFP mit dem Hinweis, dass damit die Zeugung von Kindern statistisch sicherer verhindert werden kann als mit Kondomen. Jaja, sehr logisch, dieses heiligmäßige Geschwätz, das Frommen da absondern Werner Zitieren
Werner001 Geschrieben 7. Juni Melden Geschrieben 7. Juni vor 17 Stunden schrieb Merkur: Du erweckst den EIndruck, als ob du glaubst, dass die Vertreter dieser Moral das noch nicht gemerkt hätten. Die Möglichkeit, dass es ihnen egal ist, ziehst du anscheinend nicht in Betracht. Man soll aber doch nicht böse Absicht unterstellen, wenn Dummheit als Erklärung ausreicht? Werner Zitieren
Einsteinchen Geschrieben 7. Juni Melden Geschrieben 7. Juni Ich habe das immer als widerlich empfunden: das Sperma untersuchen mit dem Finger, ob es sicher ist, dass man nicht schwanger wird, und solche anderen Dinge... Für mich wäre das Sünde. Aber das gehört zur natürlichen Familienplanung... Zitieren
Kara Geschrieben 7. Juni Melden Geschrieben 7. Juni vor 43 Minuten schrieb Einsteinchen: das Sperma untersuchen mit dem Finger, ob es sicher ist, dass man nicht schwanger wird,... Um ungewollten Schwangerschaften bei Mitleserinnen entgegenzuwirken, möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass das die falsche Körperflüssigkeit für die Untersuchung zur NFP ist 😉. vor 49 Minuten schrieb Einsteinchen: ...und solche anderen Dinge... ...sind da wesentlich vielversprechender. vor 50 Minuten schrieb Einsteinchen: Ich habe das immer als widerlich empfunden Das tut mir wirklich leid, dass du dich völlig umsonst immer so ekeln musstest. Wobei mich ja schon interessieren würde, zu welchem Ergebnis du da immer gekommen bist 😁. 1 Zitieren
Einsteinchen Geschrieben 7. Juni Melden Geschrieben 7. Juni vor 24 Minuten schrieb Kara: Um ungewollten Schwangerschaften bei Mitleserinnen entgegenzuwirken, möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass das die falsche Körperflüssigkeit für die Untersuchung zur NFP ist 😉. ...sind da wesentlich vielversprechender. Das tut mir wirklich leid, dass du dich völlig umsonst immer so ekeln musstest. Wobei mich ja schon interessieren würde, zu welchem Ergebnis du da immer gekommen bist 😁. Ich habe nur die Aufklärungshefte gelesen, die es in den siebziger Jahren gab. Selbst habe ich nicht praktiziert. Zitieren
iskander Geschrieben 7. Juni Melden Geschrieben 7. Juni vor 2 Stunden schrieb Werner001: Und dann propagiert man NFP mit dem Hinweis, dass damit die Zeugung von Kindern statistisch sicherer verhindert werden kann als mit Kondomen. Jaja, sehr logisch, dieses heiligmäßige Geschwätz, das Frommen da absondern Wobei das ursprünglich wohl eine gewisse Stimmigkeit hatte - bevor die NFP erlaubt wurde. Zitieren
Merkur Geschrieben 7. Juni Melden Geschrieben 7. Juni vor 5 Stunden schrieb iskander: Ich kann mir einerseits auch nicht erklären, wie man es nicht merken sollte, dass die vorgebrachten Argumente (auch innerhalb des eigenen Gedankensystems!) wenig Sinn ergeben und oftmals sogar eklatante Fehlschlüsse darstellen. Andererseits zögere ich auch, all den Leuten eine bewusste Unehrlichkeit zu unterstellen. Das ist auch nicht die einzige Erklärung (und außerdem nicht naheliegend. Was hätten sie davon, dir die Unwahrheit zu sagen?). Ich vermute eher, dass du zu wenig berücksichtigt, dass es sich um eine religiös begründete Moral handelt. In der Religion gelten in vieler Hinsicht andere Regeln als im außerreligiösen Bereich. Zitieren
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