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Die Theologie des Leibes von Johannes Paul ist gescheitert


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Geschrieben (bearbeitet)
vor 2 Stunden schrieb Studiosus:

Wenn "kann" eine Möglichkeit beschreibt, dann ja.

 

Wenn aber das "natürliche Sittengesetz" so, wie es von der Kirche verstanden wird, eingesehen werden kann (und das behauptet die Kirche ja), dann frage ich mich: Wie?

 

Nehmen wir an, es gilt das Gebot, dass wie mit Mund und Händen den Herrn loben sollen. Gilt dann, dass wir uns über keine profanen Dinge mehr unterhalten dürfen, und dass wir unsere Hände nicht mehr benutzen dürfen, um beispielsweise Speisen zuzubereiten?

Natürlich nicht! Das wäre ein kruder Fehlschluss. Daraus, dass wir unsere Hände und Münder dazu nutzen sollen, Gott zu preisen, folgt nicht, dass wir sie nur dazu benutzen sollen/dürfen, Gott zu preisen!

 

Und entsprechend gehen wir stets vor, sowohl in menschlichen wie in natürlichen Angelegenheiten:  

 

Auch wer die Welt als Gottes Schöpfung betrachtet und überzeugt ist, dass Gott dem Menschen die Füße gegeben hat, damit er (wo das angemessen ist) mit ihnen läuft, wird nichts dagegen haben, den Fuß auch dazu zu verwenden, um eine Figur in den Sand zu zeichnen oder das Pedal eines Klaviers zu bedienen. Warum sollte er auch? Er kann ja beides tun: Die Füße das eine mal zum Laufen und das andere mal zu anderen Dingen benutzen. Wenn es nicht Gottes Wille ist, dass er in genau diesem Moment die Füße zum Laufen benutzt, dann handelt er  mit seiner anderweitigen Benutzung der Füße ja auch nicht gegen Gottes Willen!

 

Wenn Mutti Erna sagt, sie soll diesen Füller nehmen und eine Glückwunschkarte an Oma schreiben, und wenn Erna das macht und den gleichen Füller später verwendet, um ihre Hausaufgaben zu machen, dann hat sie den Auftrag ihrer Mutter erfüllt. Natürlich könnte die Mutter aus anderen Gründen etwas dagegen haben, dass Erna den Füller für die Hausaufgaben benutzt; aber es wäre in einem solchen Fall absurd zu sagen, dass Erna sich über das spezifische Gebot ihrer Mutter, der Oma mit dem entsprechenden Füller eine Karte zu schreiben, hinweggesetzt habe.

 

Hinter dem steht das allgemeine Prinzip, dass dann, wenn ein Mittel X benutzt werden soll, ein Ziel A zu erreichen, noch lange nicht folgt, dass X nur dazu verwendet werden darf, A zu erreichen, und nicht auch etwa dazu, das Ziel B zu verwirklichen.

 

Warum folgt es nicht? Weil es sein kann, dass beides problemlos möglich ist: Dass X verwendet werden kann, um das Ziele A zu erreichen und um das Ziel B zu erreichen.

 

Natürlich gibt es auch Szenarien, in denen die Nutzung von X zum Zweck B mit der Nutzung von X zum Zweck A inkompatibel ist, und wo also durchaus gilt: Wenn X zum Zweck A verwendet werden soll, dann soll X nicht zum Zweck B genutzt werden. Wenn Mutti Erna beispielsweise zehn Euro gibt und ihr sagt, sie solle damit Brot und Wurst kaufen, dann würde Erna (indirekt) gegen den Willen ihrer Mutter handeln, wenn sie mit den zehn Euro Süßigkeiten kauft. Erna kann die zehn Euro eben nur einmal ausgeben; und wenn sie sie für Süßigkeiten ausgibt, ist es ihr unmöglich, sie wie verlangt für Brot und Wurst auszugeben.

 

Aber eine solche Unvereinbarkeit ist eben beileibe nicht immer gegeben, sondern nur in spezifischen Fällen; oft können wir ein Mittel problemlos für mehrere Zwecke verwenden. Und wenn das so ist, sehen wir in einer solchen Nutzung aus gutem Grund auch kein ethisches Problem. (Natürlich gibt es Fälle, in denen wir den Einsatz von X zum Zwecke B dennoch ablehnen - so etwa, wenn ein solcher Einsatz gefährlich wäre. Aber das ist eben wieder etwas anderes.)

 

Was ist nun aber die ganze kirchliche Argumentation - von Thomas v. Aquin bis Persona humana - anderes als der erwähnte Fehlschluss, der da lautet: 

 

"Anlage X soll zum Zweck A eingesetzt werden - also darf sie nur zum Zweck A und nicht etwa (auch) zum Zweck B eingesetzt werden. Gott will, dass der der Mensch seine Sexualität (in bestimmten Situationen) dazu nutzt, Kinder zu zeugen - also will er auch, dass der Mensch seine Sexualität stets nur dazu nutzt, Kinder zu zeugen."

(Bezogen auf die heutige kirchlichen Lehre wohl nicht von "Zeugung" sprechen, sondern von "zeugungsoffenen Akten" - aber in diesem speziellen Zusammenhang ist das gehopst wie gesprungen.)

 

Ein Fehlschluss wäre das deshalb, weil hier eben oftmals keine Inkompatibilität vorliegt: Der Mensch kann (oftmals) beides - seine Sexualität zur Zeugung und zu anderen Dingen nutzen, ohne dass das eine dem anderen entgegenstehen müsste.

 

Falls die kath. Lehre zu den "widernatürlichen" Akten aber einfach auf einem Fehlschluss beruht, ist sie sicher nicht als wahr erkennbar. Aber wie soll man sie denn anders verstehen? Wie ist sie denn dann gemeint, wenn nicht als Fehlschluss der dargelegten Art? Was verstehe ich an dieser Stelle miss, wenn ich denn etwas missverstehe?

 

Kannst Du diese Frage - ich meine sie absolut ernst - beantworten?

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)
vor 19 Stunden schrieb Jakobgutbewohner:
vor 23 Stunden schrieb iskander:

Warum befolgen dann nicht alle diejenigen, die sexuelle Befriedigung nicht als das Wertvollste erachten und sie nicht vergötzen, konsequent die kath. Moral, wenn sie sich dieser verpflichtet fühlen?

Als so eindimensional beobachte ich persönlich es eher nicht. A hat keine Schokolade mehr, deswegen leidet er. Er erträgt es kaum, diesem Drang nicht doch nachzukommen. Also gibt er ihm irgendwann nach. Ist Schokolade deswegen bewußt gedanklich formuliert seine höchste Lebenspriorität? Nein, eher ist er unter anderen durch ein solches Bedürfnis versklavt. B hat keine Schokolade und findet, daß sie zu teuer geworden ist in letzter Zeit. Deswegen kauft er seit Monaten keine mehr. Man kann sich fragen: Was unterscheidet ihn also von A?

 

Dem stimme ich durchaus zu, abgesehen von der Formulierung mit dem "Versklavtsein". Ich will ja gerade darauf hinaus, dass es nicht diese einfachen Dichotomien gibt, wie manche sie hier aufmachen.

bearbeitet von iskander
Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb Jakobgutbewohner:

Hast du Vorstellungen davon, wieso sich das Erleben beispielhaft von A und B so unterscheiden könnte?

 

Das ist eine sehr schwierige Frage. Generell sind Menschen sehr divers und haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Ressourcen (in einem gewissen Rahmen). Es gibt beispielsweise zum einen "zolibatär hochbegabte" Priester, aber auch solche, die sich mit Mühe durch den Zölibat quälen oder an ihm scheitern. Vermutlich hat das mit folgenden Faktoren zu tun:

 

- soziale, erotische und sexuelle Bedürfnisse

- Zufriedenheit, die man außerhalb erotisch-sexueller Beziehungen findet

- Innere und äußere Ressourcen, die einem dabei helfen, das eigene Verhalten zu regulieren (aus religiöser Sicht gewiss auch spirituelle Ressourcen)

 

Was es ausmacht, dass die Leute da so unterschiedlich sind, kann ich nicht sagen; aber Veranlagung, Sozialisation, individuelle Lebenserfahrungen, eigene Haltung und derartige Variablen werden - wie bei anderen Unterschieden zwischen verschiedenen Menschen - wohl maßgeblich sein.

 

vor 4 Stunden schrieb Jakobgutbewohner:

Du kamst wiederholt auf die anzunehmende Bedeutung von "Fleisch" zurück. Ich fand daher sinnvoll einen eigenen Thread dazu aufzumachen: https://www.mykath.de/topic/36411-was-meint-fleisch-fleischlichkeit-in-der-bibel

 

Gute Idee. Ich hoffe, dass die Theologen (m/w/d) hier, die sich bislang vornehm zurückgehalten haben, ein wenig in die Pötte kommen werden.

Geschrieben (bearbeitet)

Zu der der Problematik mit den "widernatürlichen Akten" nimmt auch ein Herr namens Stephen Law wie folgt Stellung, und zwar bezogen auf Thomas v. Aquin. (Bei Law geht es primär um homosexuelle Akte, aber natürlich gilt für alle "vollendeten" nicht-vaginalen Akte das Gleiche.)

 

Bei Thomas ist die Geschlechtskraft des Menschen zum Kinderkriegen da, und er meint, dass ein anderweitiger Gebrauch sündhaft sei. Law bemerkt dazu, dass wir alle (auch die strengsten Katholiken) nichts grundsätzlich dagegen haben, dass Körperteile auch zu anderen Zwecken als zu ihrem natürlichen Zweck gebraucht werden; als Beispiel führt er Artisten an, die auf ihren Händen laufen, obwohl die Hände kaum dazu erschaffen wurden, auf ihnen zu gehen. Er fährt fort:

 

"Aquinas is ready for this objection. He admits that it isn’t always wrong to use a body part contrary to its natural function. Walking on your hands is not a sin. But this is because, as Aquinas puts it, “man’s good is not much opposed by such inordinate use.” It is acceptable to use a body part contrary to its natural function if this helps man as a whole, or at least doesn’t frustrate the natural purpose of that whole. Walking on your hands does not frustrate the purpose God has given man, and so it is morally acceptable. But homosexuality does frustrate this purpose. Man is designed by God to procreate. Homosexuality thwarts that function. That makes it morally wrong. [...]"

 

Law dazu:

"1. Just as occasional bouts of walking on your hands won’t prevent you using them for the purpose they were intended, so occasional bouts of homosexual activity do not prevent a man from using his sexual organs to reproduce normally. Just as I might use my hands normally most of the time, but occasionally engage in a bout of hand-walking, so I might I might use my sexual organs procreativity for the most part, while also engaging in the odd homosexual fling. It is not immediately clear how Aquinas’s argument, as outlined above, allows Aquinas to justify condemning homosexual activity per se, rather than just exclusively homosexual activity."

https://stephenlaw.blogspot.com/2007/03/aquinas-on-homosexuality.html

 

So ist es, und man muss noch einen Schritt weitergehen: Nicht homosexuelle Akte vereiteln ("frustrate"), dass Kinder gezeugt werden, sondern das Fehlen heterosexueller Akte verhindert die Zeugung von Kindern. Wenn es also eine Pflicht für jeden Menschen gibt, Kinder zu zeugen, dann verstößt der asexuell lebende Mensch gegen diese Pflicht gerade so wie derjenige, der exklusiv homosexuell lebt. Dass der eine von beiden homosexuelle Akte vollzieht und der andere nicht, ist im Hinblick auf die (nicht erfolgende) Zeugung von Kindern vollkommen irrelevant - und um diese geht es hier ja!

 

Natürlich gibt es Fälle, in denen nicht-fruchtbare Akte tatsächlich dazu beitragen können, dass keine Kinder gezeugt werden. Sagen wir ein Ehepaar hat akut die moralische Pflicht, ein Kind zu zeugen, aber der Mann vollzieht so viele nicht-vaginale Akte mit seiner Frau, dass er sie nicht mehr effektiv schwängern kann. In diesem speziellen Fallen stehen die nicht-vaginalen Akte dem Gut/Zweck der Kinderzeugung bzw. dem göttlichen Auftrag, Kinder zu zeugen, tatsächlich entgegen (und verhalten sich nicht etwa einfach neutral zu ihm). In einem solchen Fall also kann man davon sprechen, dass nicht-vaginalen Akte das Kinderkriegen"vereiteln" ("frustrate") bzw. dass sie es zumindest erschweren.

 

Was aber, wenn die Frau eh noch weit von ihren fruchtbaren Tagen entfernt ist, bereits schwanger ist, gerade eine Schwangerschaft hinter sich hatte oder aus andern Gründen nicht (akut) fruchtbar ist? Vereiteln nicht-vaginale Akte in solchen Fällen auch, dass das Ehepaar seiner moralischen Pflicht, Kinder zu zeugen, nachkommt? Natürlich nicht! So wenig wie nicht-vaginale Akte, bei denen nur die Frau, nicht aber der Mann zum Höhepunkt gelangt, einer Zeugung abträglich sein müssten; oder Akte der Masturbation, die die Partner etwa vollzogen haben mögen, als sie noch Singles waren.

Auch in dem Fall, dass besagtes Ehepaar in der jeweiligen Situation ohnehin gar nicht in der Pflicht steht, Kinder zu zeugen, etwa weil ein (weiteres) Kind untragbar wäre, können nicht-vaginale Akte die Erfüllung der Pflicht zum Kinderzeugen trivialerweise nicht vereiteln, denn dann gibt es eine solche Pflicht nach Annahme eben nicht.

 

Kurz: Nicht jeder Gebrauch der Sexualität, der ungeeignet ist, ein Kind zu erzeugen, steht einer Zeugung von Kindern, wo sie erwünscht oder geboten ist, entgegen.

 

Ist das nicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit?

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)

Vielleicht nochmals zurück zur eigentlichen Frage des Threads, da ich zufällig etwas Relevantes gefunden habe. Es wurde ja schon darauf hingewiesen, dass die Verbotsnormen, die sich aus der "Theologie des Leibes" ergeben, eine Vielzahl von Annahmen voraussetzen, die zumindest hinterfragt werden können, um es vorsichtig zu sagen. Diesen Punkt macht auch Stephan Ernst:

 

"So lässt sich angesichts des Kriteriums, dass leibliche Ganzhingabe allein und ausschließlich angemessener Ausdruck für eine vorbehaltlose personale Ganzhingabe im Rahmen der ehelichen Liebe sein könne und andernfalls eine Lüge darstelle, fragen, wie sich die Forderung dieser strikten und eindeutigen Korrelation begründen lässt. Ist die Ausdrucksbeziehung zwischen den verschiedenen Formen sexuellen Handelns einerseits und der personalen Beziehung andererseits tatsächlich so eindeutig festgelegt? Humanwissenschaftlich lässt sich dies kaum begründen. Unbestritten ist, dass volle sexuelle Gemeinschaft immer auch die Person berührt und deswegen nicht leichtfertig vollzogen werden sollte. Warum aber sollte es grundsätzlich ausgeschlossen sein, dass Geschlechtsverkehr angemessener Ausdruck auch für eine noch nicht völlig vorbehaltlose Liebesbeziehung ist, sondern ein Element des Weges darstellt, auf dem ein Paar zusammenwächst und in der Liebe zunimmt? [...]

Ebenso lässt sich fragen, warum durch die Verwendung künstlicher Kontrazeptiva objektiv ein Vorbehalt gesetzt ist, der eine vorbehaltlose personale Beziehung unmöglich macht. Kann es nicht sein, dass ein Ausschluss der Fruchtbarkeit aus dem einzelnen Liebesakt von anderen sittlichen Zielen her gerechtfertigt und verantwortlich und deshalb nur indirekt in Kauf genommen sein kann, etwa wenn ein Paar noch nicht in der Lage ist, Kinder angemessen zu versorgen und zu erziehen?15 Wird dadurch wirklich die volle personale Hingabe an den anderen zerstört? Wird mit diesem Argument nicht die Qualität der personalen Beziehung an die biologische Schicht der Person und damit wieder an die Natur gebunden?16

Weiter lässt sich fragen, wann überhaupt personale Ganzhingabe tatsächlich gegeben ist. Welches Paar kann sich sicher sein, ob seine Beziehung, die die Partner selbst als Liebe empfinden und bezeichnen würden, tatsächlich eine vorbehaltlose Ganzhingabe an den anderen ist? Ist dafür die formell geschlossene Ehe das entscheidende Kriterium? Doch kann es nicht auch außerhalb der Ehe personale Beziehungen geben, für die die leibliche Ganzhingabe angemessener und wahrhaftiger Ausdruck ist? Ist die formell geschlossene Ehe eine Garantie für die Vorbehaltlosigkeit der Beziehung? Liegt nicht auch in vielen Fällen des ehelichen Verkehrs eine Lüge vor, weil die Vorbehaltlosigkeit personaler Ganzhingabe ein so hohes Ideal darstellt, dass es in der Realität des ehelichen Alltags ebenso selten verwirklicht sein dürfte wie in nicht-ehelichen, aber durchaus verbindlichen Formen des Zusammenlebens, in denen die Partner Verantwortung füreinander übernehmen?

Schließlich ist auch zu fragen, ob wirklich jeder Verkehr, dem nicht eine vollkommen vorbehaltlose personale Ganzhingabe entspricht, schon als Gebrauchen des anderen als Objekt zu verstehen ist. Wird eine solche als ausschließlich suggerierte Alternative wirklich der Vielfalt menschlicher Beziehungen gerecht? Gibt es nicht dazwischen auch Abstufungen und durchaus Verantwortbares und Gutes?17"

https://www.herder.de/stz/hefte/archiv/145-2020/4-2020/sexualmoral-auf-dem-pruefstand-chancen-auf-dem-synodalen-weg-der-deutschen-kirche/

 

Ob die "Theologie des Leibes" (TDL) als gescheitert betrachtet, dürfte auch davon abhängen, wie man zu solchen Fragen steht. Mir scheint es offensichtlich zu sein, dass von der TDL eine Vielzahl von Annahmen vorausgesetzt werden, die oft kaum begründbar sein dürften, und in vielen Fällen sogar unplausibel. 

 

Nach meiner Überzeugung handelt es sich bei der TDL - zumindest in entscheidenden Teilen - um eine nachträgliche Rationalisierung der bereits bestehenden kath. Sexualmoral. Dasselbe gilt auch für die weiter oben kritisierte "Naturrechtslehre" die allerdings auch noch den entscheidenden Nachteil hat dass sie (allem Anschein nach) auf einem Fehlschluss beruht. Das zumindest kann man von der Theologie des Leibes" nicht sagen.

 

Da kritisiert wurde, dass Alternativen zur kath. Sexualmoral oft nicht spezifisch christlich seien, will ich anmerken, dass das auch für die TDL gilt - ebenso wie für einen Großteil der christl. Ethik im allgemeinen.

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)

Ganz recht. So wie ich es sehe war die Theologie des Leibes hauptsächlich ein Herzensprojekt Johannes Pauls II. Ein verdienstvolles Projekt zweifellos, aber im Grunde auch verzichtbar, da die TdL ja die klassische theologische Anthropologie nicht ersetzt oder überschrieben, sondern sie allenfalls ergänzt und um neue Perspektiven bereichert hat. Daher kann man sie rezipieren, muss es aber nicht (sofern sie nicht - gekennzeichnet oder unmerklich - Eingang in die lehramtliche Verkündigung des Papstes gefunden hat). 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben (bearbeitet)

@Studiosus

 

Die Frage ist nur, was denn aus kath. Sicht dann die Begründung für die Sexuallehre (oder einen Großteil von ihr) wäre. Eine biblische Begründung zentraler Lehren ist sehr schwierig, und das scheint auch die Kirche selbst so zu sehen. Und die klassische "Naturrechtslehre" hat (mindestens) zwei entscheidende Probleme: 

 

- Sie ist "apersonalistisch": Nicht was dem Menschen guttut, sondern was die "Natur" angeblich fordert, steht im Mittelpunkt, wobei diese "Natur" wie ein Quasi-Subjekt mit Ansprüchen, Rechten und Forderungen behandelt wird. Das ist eine Sichtweise, die außerhalb des Themas "Sexualität" so wohl nirgendwo auftaucht.

 

- Noch schwerwiegender: Zwar kann man (unter der Annahme der Schöpfung) leicht begründen, dass es Gottes Wille ist, dass der Mensch seine Sexualität zur Zeugung gebrauchen können soll und vielleicht unter geeigneten Umständen auch tatsächlich dazu gebraucht. Dagegen bleibt völlig unklar, wie man zu der These gelangen möchte, dass es Gottes Wille sei, dass der Mensch seine Sexualität nur zur Zeugung gebrauchen soll. Vielleicht übersehe ich eine Begründung, aber es hat den Anschein, dass wir es hier mit einem Fehlschluss zu tun haben, bei dem unmittelbar von einem "X ist geboten" auf ein "Nur X ist erlaubt" geschlossen wird. Und auch die Kirche bekennt sich offiziell zu Rationalität und Logik.

 

Der Kirche bliebe natürlich noch, dass sie sich direkt auf eine göttliche Erleuchtung beruft. Und dann wäre man tatsächlich ziemlich am Ende einer möglichen Diskussion angelangt - entweder man würde der Kirche glauben oder nicht. Aber zumindest bisher hat die Kirche nicht auf diese Weise argumentiert.

bearbeitet von iskander
Geschrieben
vor 29 Minuten schrieb iskander:

@Studiosus

 

Die Frage ist nur, was denn aus kath. Sicht dann die Begründung für die Sexuallehre (oder einen Großteil von ihr) wäre. Eine biblische Begründung zentraler Lehren ist sehr schwierig, und das scheint auch die Kirche selbst so zu sehen. Und die klassische "Naturrechtslehre" hat (mindestens) zwei entscheidende Probleme: 

 

- Sie ist "apersonalistisch": Nicht was dem Menschen guttut, sondern was die "Natur" angeblich fordert, steht im Mittelpunkt, wobei diese "Natur" wie ein Quasi-Subjekt mit Ansprüchen, Rechten und Forderungen behandelt wird. Das ist eine Sichtweise, die außerhalb des Themas "Sexualität" so wohl nirgendwo auftaucht.

 

- Noch schwerwiegender: Zwar kann man (unter der Annahme der Schöpfung) leicht begründen, dass es Gottes Wille ist, dass der Mensch seine Sexualität zur Zeugung gebrauchen können soll und vielleicht unter geeigneten Umständen auch tatsächlich dazu gebraucht. Dagegen bleibt völlig unklar, wie man zu der These gelangen möchte, dass es Gottes Wille sei, dass der Mensch seine Sexualität nur zur Zeugung gebrauchen soll. Vielleicht übersehe ich eine Begründung, aber es hat den Anschein, dass wir es hier mit einem Fehlschluss zu tun haben, bei dem unmittelbar von einem "X ist geboten" auf ein "Nur X ist erlaubt" geschlossen wird. Und auch die Kirche bekennt sich offiziell zu Rationalität und Logik.

 

Der Kirche bliebe natürlich noch, dass sie sich direkt auf eine göttliche Erleuchtung beruft. Und dann wäre man tatsächlich ziemlich am Ende einer möglichen Diskussion angelangt - entweder man würde der Kirche glauben oder nicht. Aber zumindest bisher hat die Kirche nicht auf diese Weise argumentiert.

Es gibt in der Bibel einige Sexualitäts-regulierende Passagen und zum größten Teil sind es Verbote, die im Kontext der damaligen Sicht auf Frauen bzw. im Kontext der "Rituellen Reinheit" durchaus Sinn ergeben. Aus dieser Verbotskultur heraus und nicht zuletzt durch die platonisierung jüdischen Gedankenguts im neuen Testament, ist die Weiterentwicklung zu einer extrem strikten Sexualkultur nicht wirklich abwegig.

 

In einer Gesellschaft wie der unseren, in der Frauen nicht mehr als Besitz ihrer Väter, Ehegatten oder sonstigen Vormünder behandelt und die die Idee der Verunreinigung durch Sexualstoffe (Menstruationsblut, Sperma) weitgehend abgelegt hat, sind diese Regeln allerdings schwerer vermittelbar. Ob man diese antike Sicht auf Frauen und Blut aufrechterhalten will/kann, ist eine andere Frage.

 

Geschrieben (bearbeitet)
vor 8 Stunden schrieb Flo77:

Es gibt in der Bibel einige Sexualitäts-regulierende Passagen und zum größten Teil sind es Verbote, die im Kontext der damaligen Sicht auf Frauen bzw. im Kontext der "Rituellen Reinheit" durchaus Sinn ergeben. Aus dieser Verbotskultur heraus und nicht zuletzt durch die platonisierung jüdischen Gedankenguts im neuen Testament, ist die Weiterentwicklung zu einer extrem strikten Sexualkultur nicht wirklich abwegig.

 

Diese "Verbotskultur" geht aber doch wesentlich weniger weit als die kath. Sexuallehre (und wohl auch als der Platonismus, der aber eh nicht autoritativ ist). Tatsächlich ist selbst die "Verbotskultur" doch recht einseitig auf jene Frauen bezogen, die der Autorität ihres Vaters oder Ehemannes unterstehen.

Ansonsten kann man ein Verbot des Besuchs bei einer (Tempel)prostituierten und - wobei auch das schon nicht so ganz klar ist -  ein striktes Scheidungsverbot und noch ein Verbot gelebter Homosexualität begründen; aber dann hört es auch bald auf.

 

Was ist aber beispielsweise mit dem Verbot der Verhütung, aller nicht-vaginalen (heterosexuellen) Praktiken oder der Masturbation? Die einzige potentiell anwendbare Bibelstelle scheint die mit Onan zu sein (1 Mose 38, 8 ff.):

 

"Da sagte Juda zu Onan: Geh zu der Frau deines Bruders ein, und geh mit ihr die Schwagerehe ein, und lass deinem Bruder Nachkommen[2] erstehen! 9 Da aber Onan wusste[3], dass die Nachkommen nicht ihm gehören würden, geschah es, wenn er zu der Frau seines Bruders einging, dass er 〈den Samen〉 auf die Erde 〈fallen und〉 verderben ließ, um seinem Bruder keine Nachkommen zu geben. 10 Und es war böse in den Augen des HERRN, was er tat; so ließ er auch ihn sterben."

https://www.bibleserver.com/ELB.LUT/1.Mose38,9

 

Onans Weigerung, seinem Bruder Kinder zu verschaffen, wird explizit thematisiert; auf eine ethische Relevanz des Themas "Samenvergeudung" hingegen gibt es nicht einmal einen Hinweis. Wer die Stelle dennoch so interpretiert, dass Gott sich nicht an Onans Weigerung störte, seinem Bruder Nachkommen zu zeugen, sondern eben an der "Samenvergeudung" als solcher, der hat eine Agenda und versucht, die Bibel seiner Agenda mit Gewalt dienstbar zu machen. 

(Einmal abgesehen davon, dass die Natur so eingerichtet ist, dass es massenhaft zur "Samenverschwendung" kommt, auch beim potentiell fruchtbaren Verkehr; dass Samen beliebig nachproduziert wird; und dass eine Fortpflanzung auch eh nicht in jeder Situation angebracht ist. Und auch einmal abgesehen davon, dass im Fall der Frau keine "Samenverschwendung" vorkommt und man, wenn man auch ihr alle nicht-fruchtbaren Akte verbieten will, die obige Bibel-Stelle also sogar noch "kreativer" auslegen müsste.)

 

Dann doch sogar lieber noch die "Theologie des Leibes". Meines Wissens akzeptiert selbst die Kirche inzwischen, dass manche ihrer Verbote (wie das der Verhütung) nicht "direkt" aus der Bibel begründbar sind.

 

Ohne Bibel bleiben dann eben "naturrechtliche" Argumentationen, bei denen noch niemand erklären konnte, was sie von Fehlschlüssen gemäß dem Motto "X soll geschehen, also darf nur X geschehen", unterscheidet - ganz abgesehen davon, dass die "Sinnhaftigkeit" der so begründeten Verbotsnormen selbst dann völlig uneinsichtig bliebe, wenn die Argumentation gültig wäre. Man wüsste nur, dass Gott etwas gegen ein bestimmtes Verhalten hätte - aber man hätte keine Ahnung, warum ein solches Verhalten ihn eigentlich stören sollte.

 

Oder man hat stellt eben "anthropologische" und "personalistische" Überlegungen an, die - anders als "naturrechtliche" Argumentationen - nicht nur aufzeigen wollen, dass die kath. Sexualmoral richtig sei, sondern auch, dass sie sinnvoll und "menschgemäß" sei. Man könnte also immerhin die Werte erkennen, um deren Schutzes willen etwas verboten ist und von Gott abgelehnt wird.

Bei einem solchen Ansatz wird aber vermutlich die "Theologie des Leibes" oder etwas ziemlich ähnliches herauskommen. Die ganzen (impliziten) Voraussetzungen einer solchen Argumentation dürfte jedoch nur derjenige plausibel finden, der die aus ihr folgende kath. Sexualmoral ohnehin schon akzeptiert hat oder sie akzeptieren will und nun eine Begründung für diese Moral sucht. 

 

Es bliebe noch die Berufung auf eine direkte Eingebung Gottes, was in der Kirche aber keine Tradition hat; oder eine Berufung auf die bisherige Tradition allein, was aber bisher ebenfalls keine Tradition hat.

 

Wenn man also nach einer Begründung für wesentliche Teile der kath. Sexualmoral sucht, sieht es also wohl recht düster aus. Aber zumindest die konservativen Katholiken akzeptieren die kath. Sexuallehre nach meinem Eindruck ohnehin nicht wegen einer bestimmten Argumentation, sondern weil die Kirche diese Lehre verkündet. Begründungen dienen der nachträglichen Rechtfertigung und werden dann augenscheinlich gewöhnlich auch nicht ernsthaft durchdacht und geprüft. Sie haben aus meiner Sicht also (zumindest de facto) eher eine psychologische als eine erkenntnistheoretische Funktion: Sie sollen den Gläubigen vor dem schwer akzeptablen Eindruck und Gefühl schützen, dass die Lehre unbegründet und willkürlich sei.

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben
vor 54 Minuten schrieb iskander:

Man wüsste nur, dass Gott etwas gegen ein bestimmtes Verhalten hätte - aber man hätte keine Ahnung, warum ein solches Verhalten ihn eigentlich stören sollte.

Das ist zunächstmal kein wirkliches Argument. Der Wunsch Gottes ist erstmal nicht rechtfertigungspflichtig. Ja, die göttlichen Gebote ergeben sich üblicherweise aus bestimmen sozialen, geographischen und anderen Komponenten nach einer gewissen "Logik" aber per se kann es einem Gott ziemlich gleich sein, ob seine Anhänger ein Gebot verstehen oder nicht, solange sie es einhalten.

 

Die andere Frage ist die nach der Quelle der Erkenntnis.

 

vor einer Stunde schrieb iskander:

Ohne Bibel bleiben dann eben "naturrechtliche" Argumentationen, bei denen noch niemand erklären konnte, was sie von Fehlschlüssen gemäß dem Motto "X soll geschehen, also darf nur X geschehen", unterscheidet - ganz abgesehen davon, dass die "Sinnhaftigkeit" der so begründeten Verbotsnormen selbst dann völlig uneinsichtig bliebe, wenn die Argumentation gültig wäre.

Das Naturrecht ist ja nichts anderes als ein philosophisches Konstrukt. Dieses Konstrukt muss im Grunde nur in sich selbst schlüssig sein, ist dann aber - wie jede Philosophie - allenfalls in ihren Prämissen kritisierbar, aber nicht in ihren Schlüssen. Denkt man allein unter dem kirchlichen Naturrechtsbegriff, ist auch die Sicht auf die Sexualität ein logischer Schluss (Kant kam zu ähnlichen Schlüssen obwohl er nicht biblisch argumentiert).

Geschrieben (bearbeitet)
vor 2 Stunden schrieb Flo77:

Das ist zunächstmal kein wirkliches Argument. Der Wunsch Gottes ist erstmal nicht rechtfertigungspflichtig.

 

Nach klassischer kath. Auffassung ist Gott aber gut und rational, und seine Gebote sind sinnvoll und einsichtig. Bei Thomas gibt es ja sogar die überzeugung, dass wir Gott nur dadurch beleidigen könnten, dass wir gegen unser eigenes Gut verstoßen. Mehr noch: Heinzmann charakterisiert Thomas' Ethik wie folgt:

 

"Keine Vorschrift verpflichtet nur deshalb, weil es sie gibt, gleich von wem sie aufgestellt wurde, auch nicht ein Gebot Gottes. Das Gute muß vielmehr getan werden, weil es gut ist und das Schlechte unterlassen werden, weil es schlecht ist, nicht weil es geboten oder verboten ist. Ein Gebot oder ein Gesetz bindet nur, insofern es durch das Wissen vermittelt ist (mediante scientia). Wissen besagt aber in diesem Zusammenhang nicht nur faktisches, äußeres Zur-Kenntnis-Nehmen, sondern Erfassen der Richtigkeit und inneren Einsichtigkeit des Gebotenen. Für Thomas ist die Einsicht in den Sachverhalt, eine Funktion der Vernunft also, der ausschlaggebende Bezugspunkt für die Sittlichkeit einer Handlung. Vernunftgemäß handeln heißt, moralisch handeln. [...]

Er [der Mensch] steht nicht unter Gesetzen und Geboten, die zufällig oder vielleicht sogar grundsätzlich nicht faßbar sind; denen er einfach ausgeliefert wäre. Er steht vielmehr in Freiheit ihnen gegenüber. Jede Autorität und jedes Gebot muß sich vor der Vernunft des Menschen verantworten. Er darf sich ihnen nicht blind unterwerfen, sondern muß sich an ihnen entscheiden."

 

Man könnte vielleicht immer noch argumentieren, dass es schon Gründe geben werde, die Gott zu seinem Verbot bewegen, die wir aber nicht verstehen. Aber das klingt alles sehr gezwungen, und dann wäre die Sexualmoral innerhalb der kath. Moraltheologie ein echter Fremdkörper.

 

vor 2 Stunden schrieb Flo77:

Das Naturrecht ist ja nichts anderes als ein philosophisches Konstrukt. Dieses Konstrukt muss im Grunde nur in sich selbst schlüssig sein, ist dann aber - wie jede Philosophie - allenfalls in ihren Prämissen kritisierbar, aber nicht in ihren Schlüssen.

 

Nun sind die Schlussfolgerungen aus einem "Konstrukt" nur dann von Wert und Relevanz, wenn seine Prämissen wenigstens einigermaßen überzeugend sind. Ich kann mir natürlich ein Konstrukt konzipieren, zu dessen Prämissen gehört, dass in den Tiefen der Erde Einhörner leben und aus solchen Prämissen dann logische Schlussfolgerungen ziehen. Solange es aber unplausibel ist, dass in der Erde tatsächlich Einhörner wohnen, sind meine Schlussfolgerungen allesamt für die Katz und beweisen gar nichts - selbst wenn sie im logischen Sinne folgerichtig sind. Es genügt also nicht, dass ein Argument in sich selbst formal korrekt ist, damit es einen Beweiswert hat, sondern es muss auch erkennbar sein, dass seine Prämissen (wahrscheinlich) wahr sind. (Oder die Prämissen müssen zumindest innerhalb eines Glaubenssystems plausibel sein - dann wird die Argumentation zumindest den Gläubigen überzeugen.)

 

Zitat

Denkt man allein unter dem kirchlichen Naturrechtsbegriff, ist auch die Sicht auf die Sexualität ein logischer Schluss (Kant kam zu ähnlichen Schlüssen obwohl er nicht biblisch argumentiert).

 

Nein, und das ist der zweite und in der Tat fatale Punkt. Selbst wenn man von den Prämissen der kirchl. verstandenen Naturrechts ausgeht, folgt die Sexuallehre so eben gerade nicht. Oder man muss annehmen, dass es implizite Prämissen gibt, von denen zumindest absolut unklar ist, wie man sie (auch innerhalb eines theologischen Weltbildes) rechtfertigen könnte, und die meines Wissens bisher auch in der Tat auch noch niemand plausibel machen konnte. Siehe hier

 

Kant argumentiert anders. Er selbst gibt zu, dass seine Behauptung schwer zu begründen sei und bringt dann eine Begründung von einem Satz oder zwei, die extrem angreifbar ist. Man findet hier genau das gleiche Prinzip: Erst ist die Überzeugung da, die man aus irgendeinem Grund unbedingt vertreten will - und deshalb braucht man irgendein Argument und findet auch "irgendeines".

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)

@Flo77

 

Wenn Dir - vielleicht nach Lektüre des von mir zuletzt verlinkten Beitrags - einfallen sollte, wie man ausgehend vom Weltbild der kath. Kirche etwa das Verbot nicht-zeugungsfähiger sexueller Akte rechtfertigen könnte, ohne Annahmen machen zu müssen, die auch innerhalb eines theistischen Weltbildes als völlig willkürlich und komplett aus der Luft gegriffen erscheinen müssen, so lass es mich wissen. 

 

Mir fallen hier wie gesagt immer nur zwei Optionen ein:

 

- Ein Fehlschluss im Sinne von "X soll zum Zweck A verwendet werden - also darf X auch nur zum Zweck A verwendet werden." (Dass das ein Fehlschluss ist, sollte unmittelbar einleuchten; und wem es nicht unmittelbar einleuchtet, der möge sich überlegen, was es für Folgen es denn hätte, wenn eine solche Schlussweise gültig wäre.)

 

- Faktisch ganz eindeutig falsche Annahmen wie die, dass jemand, der zu irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens einen nicht-vaginalen Akt vollzogen hat, den göttlichen Willen, in einer bestimmten Situation ein Kind zu zeugen, nicht mehr oder nur noch schlecht erfüllen kann.

 

Falls Dir etwas Besseres einfällt (oder sonst jemandem): Nur zu bitte!

 

bearbeitet von iskander
Jakobgutbewohner
Geschrieben

  

Am 8.4.2025 um 18:23 schrieb iskander:

Weil mir keinerlei Hinweise darauf bekannt sind, dass die Orgasmusfähigkeit der Frau besondere negative Auswirkungen hat

Ich hatte mich hier eingeklinkt, um anzubieten, was sich mir dazu darstellt. Wenn ich mir auch deine letzten Antworten an andere anschaue, dann bekomme ich den Eindruck, daß dich meine Anmerkungen im Grunde nicht beeindruckt hatten und du eben weitermachen möchtest wie vorher. Vielleicht geht es dir auch nur darum im Rahmen irgendwelcher einzelnen Texte und deren Argumentationen zu bleiben. Ich habe nicht den Antrieb mich in meinem Zugang hier zu sehr aufzudrängen. Ich wollte das einfach nur mal eingebracht haben.

Am 9.4.2025 um 19:57 schrieb iskander:

Bist Du denn sicher, dass diese erst in sexuelle Verhaltensweisen kommen und zuvor nicht in irgendwelchen sexuellen Verhaltensweisen "drin" waren? (Kennst Du die Leute gut genug, um das ausschließen zu können?)

Es entspricht nicht meiner Mentalität irgendetwas als 100% sicher zu betrachten. Wenn ich das hier so darstellte, bin ich mir sicher genug.

Am 9.4.2025 um 19:57 schrieb iskander:

Man müsste sich aber fragen, ob Menschen, die beispielsweise eine ganz radikale Diät halten und beispielsweise auf nahezu alles "schmackhafte" sein verzichten, ausgeglichen und angenehm sind.

Das wird wohl kaum der Fall sein, wenn man alle solchen Menschen in einen Topf wirft. Bedürfnisse auf "menschliche Art" zu unterdrücken bewirkt wie wohl von mir schon sinngemäß erwähnt nach meiner Ansicht nicht innere Freiheit. Nach meinem Verständnis geht es im Christentum wie auch bereits zitiert im Grunde um eine Wandlung der Eigenschaften der Seele "durch Geist". Das wäre etwas ganz anderes.

Am 9.4.2025 um 19:57 schrieb iskander:

Du sagst zwar, dass Paulus sich selbst den Hl. Geist zuschreibt; aber nochmals der Hinweise, dass er selbst ausdrücklich sagt, dass sein Wunsch, alle  würden ehelos ist, ihm nicht vom Geist eingegeben wurde

Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn du die Verse zitieren würdest, aus denen soetwas deiner Meinung nach hervorgeht. War Christus z.B. denn verheiratet?

Am 9.4.2025 um 19:57 schrieb iskander:

Wichtiger ist, dass nach meiner Überzeugung viel mehr vernünftige Gründe dafür sprechen, den Konsum von Heroin für gefährlich und belastend zu halten als typische Sexualität; und viel weniger Gründe, ihn als Bereicherung zu empfinden als Sexualität.

Wieso auch immer.

Am 9.4.2025 um 19:57 schrieb iskander:

Beispielsweise die soziale Verlendung, die Beschaffungskriminalität, die (indirekten) medizinischen Schäden, die oftmals reduzierte Lebenserwartung.

Das was du vielleicht mit "Verelendung" meinst, könnte damit zu tun haben, daß dieses Bedürfnis von einer Mehrheit als fremd empfunden wird und deswegen die Betreffenden oft ausgegrenzt werden? Das wäre dann vielleicht ein Effekt, der vor allem auf eine Minderheitensituation zurückginge.

 

"Beschaffungskriminalität" kann sich auch vorgestellt werden, bei Menschen, die ein großes Bedürfnis empfinden um Sexualpartner zu werben, solche bei der Stange zu halten oder einfach Huren bezahlen zu können? Dafür dürften so manche Menschen etwas tun, das damit verbunden wäre schlecht zu anderen zu sein.

 

Körperliche Lebenserwartung, gut. Manche behaupten im Fall Heroin wären eher Verunreinigungen von "Straßenstoff" ein Problem. Aber es gibt wohl das Problem möglicher Überdosierungen, das insofern bei Sex nicht entsprechend vorkommt. Für mich spielt körperliche Lebenserwartung keine so entscheidende Rolle, sondern eher die Art des seelischen Zustands.

Am 9.4.2025 um 19:57 schrieb iskander:

Es ist aber ein wesentlicher Unterschied, ob etwas sich bei einer normalen Entwicklung von alleine im Menschen manifestiert, oder ob es außerhalb des menschlichen Körpers irgendwo in der Umwelt zu finden ist. Das eine gehört natürlicherweise zum Menschen dazu, das andere nicht. (Auch wenn das nicht heißt, dass etwas aus der letzteren Kategorie zwingend "schlecht" wäre.)

Das könnte man so sehen oder so, schätze ich.

 

Und es ging mir ja um Wirkungen im Zusammenhang mit insbesondere als drängend empfundenen Bedürfnissen.

Am 9.4.2025 um 19:57 schrieb iskander:

Na ja, also wenn Leute ihre Kinder nicht mehr richtig ernähren können [...] dann geht es wohl nicht einfach um "Luxus".

Dem stimme ich zu.

Am 9.4.2025 um 19:57 schrieb iskander:

Dann erneut die Frage

Mir kam es nur auf die von mir zitierten Angaben an. Meine Distanzierung diente einer Klarstellung, damit das keine unnötige Diskussion zu diesem Punkt nach sich zieht.

Geschrieben (bearbeitet)
vor einer Stunde schrieb Jakobgutbewohner:

Ich hatte mich hier eingeklinkt, um anzubieten, was sich mir dazu darstellt. Wenn ich mir auch deine letzten Antworten an andere anschaue, dann bekomme ich den Eindruck, daß dich meine Anmerkungen im Grunde nicht beeindruckt hatten und du eben weitermachen möchtest wie vorher. 

 

Ich sehe offen gesagt einfach nicht, wieso die Fähigkeit der Frau (oder auch des Mannes), einen Orgasmus zu erreichen, besondere ungünstige Auswirkungen hätte, gar noch solche, de mit dem Heroinkonsum und seinen beschriebenen Folgen vergleichbar wären.

Natürlich kann Sexualität ein Bedürfnis sein und ist es für viele Menschen. Bedürfnisse hat der Mensch allerdings viele, darunter eines nach Stimulation (im weitesten, nicht-sexuellen Sinne). Mir ist einfach nicht klar, was daran besonders negativ sein sollte, und sei es auch nur im Hinblick auf Spiritualität.

 

Zitat

Es entspricht nicht meiner Mentalität irgendetwas als 100% sicher zu betrachten. Wenn ich das hier so darstellte, bin ich mir sicher genug.

 

Ich frage das deshalb, weil im kath. Verständnis ja nicht nur der Geschlechtsverkehr, sondern jede sexuelle Aktivität bis hin zu sexuellen Empfindungen, in die jemand "einwilligt", als (objektiv) "todsündhafte" Sexualität gilt.

 

Zitat

Bedürfnisse auf "menschliche Art" zu unterdrücken bewirkt wie wohl von mir schon sinngemäß erwähnt nach meiner Ansicht nicht innere Freiheit. Nach meinem Verständnis geht es im Christentum wie auch bereits zitiert im Grunde um eine Wandlung der Eigenschaften der Seele "durch Geist". Das wäre etwas ganz anderes.

 

In der kath. Kirche gilt allerdings das Prinzip: "Im Menschen zerstört die Gnade die Natur nicht, sondern vervollkommnet sie." ("Gratia non tollit naturam, sed perficit".)

 

Zitat

Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn du die Verse zitieren würdest, aus denen soetwas deiner Meinung nach hervorgeht.

 

1. Korinther 7, 25 ff:

 

"Was aber die unverheirateten jungen Frauen betrifft, so habe ich keine Weisung des Herrn. Ich tue aber meine Meinung kund als einer, der Vertrauen verdient, weil ihm vom Herrn Barmherzigkeit widerfahren ist. 26 Ich meine nun, dass dies angesichts der gegenwärtigen Not gut ist: Für einen Menschen ist es gut, so zu bleiben, wie er ist. 27 Bist du an eine Frau gebunden, suche keine Trennung; bist du getrennt von deiner Frau, suche keine andere Frau!"

 

Pauls meint zwar, dass sein Urteil Vertrauen verdient, macht aber klar, dass es letztlich seine eigene Meinung ist. Zudem hat sein Ratschlag offenbar pragmatische Gründe (kommende Not). 
 

Zitat

War Christus z.B. denn verheiratet?

 

Das weiß ich nicht. Es scheint Argumente dafür zu geben, aber mir fehlt das historische Wissen, um sie angemessen würdigen zu können. Verheiratet waren aber mit Sicherheit einige Apostel, wenn nicht die meisten oder alle, darunter Petrus.

 

Zitat

Wieso auch immer.

 

Nur um das klarzustellen - Du weist folgende Aussage von mir zurück?

 

"Wichtiger ist, dass nach meiner Überzeugung viel mehr vernünftige Gründe dafür sprechen, den Konsum von Heroin für gefährlich und belastend zu halten als typische Sexualität; und viel weniger Gründe, ihn als Bereicherung zu empfinden als Sexualität."

 

Ich glaube, zumindest in diesem Punkt würde mir selbst die kath. Kirche zustimmen:

 

KKK, 2291 "Der Genuß von Drogen führt zu schweren Schädigungen der Gesundheit und des menschlichen Lebens. Abgesehen vom rein medizinischen Gebrauch ist er eine schwerwiegende sittliche Verfehlung. Die heimliche Herstellung von Drogen und der Rauschgifthandel sind etwas Schändliches; durch ihre verführerische Wirkung sind sie eine direkte Mitwirkung zu schwerwiegenden Verstößen gegen das moralische Gesetz."

 

Dagegen zum Thema Sexualität:

 

"Papst Franziskus hat Sexualität als den "schönsten Punkt der Schöpfung" bezeichnet. "Sexualität, Sex, ist ein Geschenk Gottes. Ohne Tabu", sagte der 81-jährige Pontifex bei einer Begegnung mit französischen Jugendlichen in dieser Woche im Vatikan. Das Geschenk habe "zwei Ziele: sich lieben und Leben hervorbringen", zitierte das Onlineportal "Vatican News" am Mittwoch den Papst. "Es ist eine Leidenschaft, leidenschaftliche Liebe. Die wahre Liebe ist leidenschaftlich. Wenn die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau leidenschaftlich ist, bringt sie dich immer dazu, Leben zu geben.""

https://franziskaner.net/jetzt-sexualitaet-ist-ein-geschenk-gottes/

 

(Ähnlich wie FI hatten sich auch schon andere Päpste geäußert.)

 

Nach der kath. Lehre ist Sexualität also - zumindest offiziell und prinzipiell - gut, während der Drogen (außerhalb medizinischer Anwendungen) schlecht sind (und zwar prinzipiell schlecht).

 

Zitat

Das was du vielleicht mit "Verelendung" meinst, könnte damit zu tun haben, daß dieses Bedürfnis von einer Mehrheit als fremd empfunden wird und deswegen die Betreffenden oft ausgegrenzt werden? Das wäre dann vielleicht ein Effekt, der vor allem auf eine Minderheitensituation zurückginge.

 

Vielleicht "auch" deswegen, aber vermutlich kaum "alleine" deswegen. Heroin erzeugt eine ausgeprägte Sucht mit Folgeproblemen. Dass man Heroin anders behandelt als sagen wir mal Kaffeetrinken hat ja einen Grund.

 

Zitat

"Beschaffungskriminalität" kann sich auch vorgestellt werden, bei Menschen, die ein großes Bedürfnis empfinden um Sexualpartner zu werben, solche bei der Stange zu halten oder einfach Huren bezahlen zu können?

 

Vorstellbar ist viel. Es scheint aber wenig dafür zu sprechen, dass von all den Leuten mit sexuellen Bedürfnissen (also der Mehrheit der Leute) viele kriminell würden, um Prostituierte bezahlen zu können. Ich habe zumindest noch nie von so etwas gehört. Dagegen scheint es unter Heroinsüchtigen einen erheblichen Anteil zu geben, der Beschaffungskriminalität begeht. Und es gibt sicher mehr Leute mit sexuellen Bedürfnissen als Heroinsüchtige.

 

Zitat

Körperliche Lebenserwartung, gut. Manche behaupten im Fall Heroin wären eher Verunreinigungen von "Straßenstoff" ein Problem. Aber es gibt wohl das Problem möglicher Überdosierungen, das insofern bei Sex nicht entsprechend vorkommt. Für mich spielt körperliche Lebenserwartung keine so entscheidende Rolle, sondern eher die Art des seelischen Zustands.

 

Ich sprach ja auch von den indirekten Folgen; Heroin ist nicht toxisch. Aber es erzeugt eine starke Sucht und hat indirekt viele negative Effekte. Wenn es auf Gesundheit, Lebenserwartung und auch soziale Folgen nicht ankommt, dann mögen die Unterschiede zwischen Sexualität und Heroin sich in der Tat ein Stück weit relativieren. Allerdings ist Sexualität immer noch ein endogenes Bedürfnis und ein Trieb, ähnlich wie das schon erwähnte Bedürfnis nach Stimulation. Was unter anderem auch bedeutet, dass man sich mit natürlichen Triebe und Bedürfnissen auseinandersetzen muss und nicht einfach einen weiten Bogen um sie machen kann wie beim Heroin.

 

Zitat

Das könnte man so sehen oder so, schätze ich.

 

Dass etwas, was im Menschen von Natur aus vorkommt, eher zu ihm gehört als etwas, was er höchstens irgendwo in der Umwelt findet, wenn er es sucht?

 

Zitat

Mir kam es nur auf die von mir zitierten Angaben an.

 

Aber bei diesen Angaben handelte es sich einfach um medizinische Aussagen.

 

Generell vielleicht folgende Anmerkung: Du bist offensichtlich wesentlich gnostischer eingestellt nicht nur als ich, sondern auch als die kath. Kirche. Das wird deutlich bei deinen Aussagen zu Themen wie Natur und Spiritualität, Sexualität, Drogen, Gesundheit und Lebenserwartung. Damit will ich nicht sagen, dass Du die Kirche zum Maßstab nehmen müsstest. Ich sehe ja selbst viele Dinge anders als die Kirche. Nur möchte ich Dich darauf hinweisen, dass es da eine erhebliche Diskrepanz gibt.

bearbeitet von iskander
Jakobgutbewohner
Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb iskander:

Generell vielleicht folgende Anmerkung: Du bist offensichtlich wesentlich gnostischer eingestellt nicht nur als ich, sondern auch als die kath. Kirche.

"Gnostisch" fungiert heute wohl oft eher als eine Art Schimpfwort ohne festen Inhalt. In letzter Zeit wurde in diesen Forum vertreten, das Mehrheitschristentum sei gnostisch beeinflusst. Laut NT gab es andererseits wohl Abgrenzungen der frühen Gemeinden zu "gnostischen Inhalten" und deren Vertretern.

 

Da fragt sich für mich schon: Was soll das denn nun bedeuten?

Geschrieben (bearbeitet)
vor 5 Stunden schrieb Jakobgutbewohner:

"Gnostisch" fungiert heute wohl oft eher als eine Art Schimpfwort ohne festen Inhalt.

 

Mir geht es nicht um eine Wertung, sondern darum, dass Du das "Kreatürliche" und "Natürliche" einschließlich Gesundheit oder Sexualität offenbar relativ wenig wertschätzt (oder je nach Fall sogar kritisch siehst), und dass Du einen deutlichen Antagonismus zwischen dem Natürlichen und dem Spirituellen empfindest. Wesentlich mehr als die offizielle Kirche. Das ist einfach erst mal eine Feststellung, keine Kritik. Ich weiß auch nicht, ob Du Dich als lehramtstreuer Katholik begreift oder nicht, und ob die Meinung der Kirche für Dich von großer Bedeutung ist oder nicht.

 

Zum Thema Heroin vs. Sexualität vielleicht noch folgende Anmerkung: Selbst wenn wir alle negativen gesundheitlichen und sozialen Aspekte des Heroins einmal komplett ausklammern würden, blieben immer noch folgende, aus meiner Sicht bedeutende Unterschiede:

 

- Bei Heroin entwickelt sich eine Toleranz; das heißt man braucht immer höhere Dosen, um noch etwas Positives zu spüren. Irgendwann kommt der Punkt, wo man Heroin nehmen muss, nur um sich normal zu fühlen. Nichts davon trifft im Normalfall auf die Sexualität zu. Sexualität kann auch langfristig als angenehm erlebt werden.

 

- Auch wenn es für viele Leute schwierig ist, dauerhaft auf jede Sexualität zu verzichten, geht es den allermeisten doch nicht so, dass sie ganz regelmäßig sexuelle Befriedigung brauchen, um schwere Entzugserscheinungen zu vermeiden.

 

- Sexualität muss nicht allein dem Vergnügen dienen, sondern kann auch als Bereicherung einer Partnerschaft und als Ausdruck der Nähe und Liebe empfunden werden und eine besondere Begegnung ermöglichen.

 

- Sexualität kann zu neuem Leben in Form von Kindern führen mit allem, was das bedeutet.

 

- Und wie schon erwähnt: Um Heroin kann man (normalerweise) einfach einen weiten Bogen machen, und damit ist das Thema dann erledigt. Die meisten Menschen sind aber nicht völlig asexuell, sondern haben sexuelle Bedürfnisse und Antriebe - und das heißt, dass sie sich in einer angemessenen und sinnvollen Wiese mit ihnen befassen sollten. Ein kompletter Zölibat mag für manche gut funktionieren, für viele aber scheint er nicht so gut geeignet zu sein.

  

vor 9 Stunden schrieb Flo77:

@iskander: Sory, aber ich denke, er wird Dich nie wirklich verstehen können.

 

https://www.mykath.de/topic/36216-fürwahrhalten-in-der-religion/page/43/#elControls_2583987_menu

 

Zumindest haben er und ich zum Teil offenbar andere recht grundlegende Überzeugungen (wobei das jetzt keine Wertung implizieren soll).

 

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)
vor 5 Stunden schrieb Jakobgutbewohner:

"Gnostisch" fungiert heute wohl oft eher als eine Art Schimpfwort ohne festen Inhalt. In letzter Zeit wurde in diesen Forum vertreten, das Mehrheitschristentum sei gnostisch beeinflusst. Laut NT gab es andererseits wohl Abgrenzungen der frühen Gemeinden zu "gnostischen Inhalten" und deren Vertretern.

 

Da fragt sich für mich schon: Was soll das denn nun bedeuten?

Gnostisch finde ich ist eindeutig definiert als "Wissen zur Erlösung". Um Erlösung/Erleuchtung etc. zu erlangen muss der Kandidat bestimmtes Wissen erlangt oder bestimmte mystische Erfahrungen gemacht haben.

 

Außerdem ist die Gnosis massiv dadurch charakterisiert, daß die irdische Welt als korrumpiert, schlecht und böse verstanden wird, während die Seele und ihre überirdische transzendente Existenz als gut gelten, weshalb der Leib abgetötet und allen körperlichen Freuden der Kampf anzusagen ist.

 

Das moderne Christentum basiert die Erlösung der Seele zum einen auf dem Wissen und der Erkenntnis, daß Jesus der Messias/Erlöser ist und wenn man mal die letzten 80 Jahre pastoraler Fehlentwicklung beiseite lässt, leben wir im "Jammertal" in dem wir uns beweisen müssen und nur der Eintritt in den Himmel das Ziel sein kann.

Natürlich wird das heute so nicht mehr unbedingt gepredigt, aber im Grunde ist solches nicht-predigen wider die Doktrin.

 

Ich hab es an anderer Stelle schon mal erwähnt: Die Übernahme des Konzepts der unsterblichen Seele war der eigentliche Bruch mit der alten Einfachheit des Judentums.

bearbeitet von Flo77
Geschrieben (bearbeitet)

Es gibt übrigens, wie ich ergänzend noch bemerken möchte, die These, dass Thomas v. Aquin (nicht nur) bei seiner Sexuallehre eine versteckte Botschaft untergebracht habe, die sich von der offiziellen Lehre unterscheidet.

 

So schreibt ein Autor namens Larry Arnhart:

 

"Consider this passage [von Thomas]: "certain special sins are said to be against nature, and so against the commingling of male and female, which is natural for all animals, is the sleeping together of men, which is specially said to be the vice against nature" (I-II, q. 94, a. 3, ad 2).  Immediately after this passage, Aquinas writes: "because of the diverse conditions of human beings, it happens that some acts are virtuous for some people, as proportionate and suitable for them, which are nonetheless vicious for others, as disproportionate for them" (ad 3).
So, having just said that homosexuality is "said to be" the "vice against nature," he then says that what is a vice for some people can be a virtue for others, if it is proportionate to their individual temperament.  Should the careful reader consider the possibility that while homosexuality is "said to be" unnatural by most people, who are naturally heterosexual, homosexuality can be naturally virtuous for those individuals naturally inclined to it?  That's the conclusion drawn by John Boswell writing about this passage: "In the end Aquinas admits more or less frankly that his categorization of homosexual acts as 'unnatural' is a concession to popular sentiment and parlance" (Christianity, Social Tolerance3, and Homosexuality [University of Chicago Press, 1980], 328)."

https://darwinianconservatism.blogspot.com/2019/06/aquinass-esoteric-teaching-on.html

 

Ein anderes Beispiel. Thomas selbst sagt:

 

"[9] Nor, in fact, should it be deemed a slight sin for a man to arrange for the emission of semen apart from the proper purpose of generating and bringing up children, on the argument that it is either a slight sin, or none at all, for a person to use a part of the body for a different use than that to which it is directed by nature (say, for instance, one chose to walk on his hands, or to use his feet for something usually done with the hands) because man’s good is not much opposed by such inordinate use. However, the inordinate emission of semen is incompatible with the natural good; namely, the preservation of the species. Hence, after the sin of homicide whereby a human nature already in existence is destroyed, this type of sin appears to take next place, for by it the generation of human nature is precluded."

https://isidore.co/aquinas/english/ContraGentiles3b.htm

 

Dazu erneut Arnhart:

 

"Consider also how when Aquinas says that homosexuality is against nature because it violates the natural law of procreation, he contradicts what he says in defense of virginity as a virtue for those who choose to remain celibate (like himself) because this suits their natural temperament (II-II, q. 152, a. 2). To the question of whether virginity is unlawful, Aquinas answers no. The first objection to his answer is that virginity is unlawful because it violates the natural law of procreation as necessary for the preservation of the species.  Here is his reply to this objection:

    "A duty may be of two sorts: it may be enjoined on the individual, and such a duty cannot be ignored without sin.  Or it may be enjoined upon a multitude; in this case, no individual in the multitude is obligated to fulfill the duty . . . . The commandment regarding procreation applies to the human race as a whole. . . . It is therefore sufficient for the race if some people undertake to reproduce physically."

Similarly, Aquinas argues that while natural law dictates marriage directed to reproduction and the rearing of children as a natural good for most people, because this is a general inclination, nevertheless some individuals will have a natural temperament that suits them for a life of celibacy, which need not impede the natural good of reproduction as long as most people marry and have children (ST, suppl., q. 41, aa. 1-2).  Aquinas leaves his careful reader to apply this to homosexuality and conclude that same-sex coupling does not impede reproduction by heterosexual couples, and thus does not violate the natural law of reproduction."

 

In der Tat: Wenn es keine Pflicht für das Individuum gibt, Kinder zu zeugen, dann kann die Ablehnung einer homosexuellen Lebensweise natürlich auch nicht damit begründet werden, dass bei einer solchen Lebensweise keine Kinder gezeugt werden. Und dass die homosexuelle Lebensweise des einen Paares andere Paare keineswegs davon abhält, heterosexuell zu leben und Kinder zu zeugen, ist so offensichtlich wie die Tatsache, dass die zölibatäre Lebensweise einer kleinen Minderheit das Überleben der menschlichen Rasse kaum gefährden wird.

 

Ich sprach bewusst von einer homosexuellen Lebensweise; aber erst recht verhindern einzelne unfruchtbare Akte wie Masturbation, Fellatio usw. natürlich nicht, dass die betroffene Person Kinder zeugt - und schon gar nicht, dass die menschliche Rasse Kinder zeugt. Entsprechende Akte verwirklichen das "Gut der Zeugung/Arterhaltung" zwar nicht, vereiteln oder erschweren dessen Verwirklichung aber auch nicht. Vielmehr verhalten sie sich zum Gut der Zeugung genauso neutral wie es das Kochen eines Tees es tut. Das Gesagte gilt natürlich auch explizit für solche nicht-vaginalen Akte, bei denen es zur Emission von Samen kommt - mit der "temporären" Ausnahme, dass ein Mann, der zu einer bestimmten Zeit (zu) viele nicht-vaginale Akte vollzieht, kurz danach womöglich weniger leicht ein Kind zeugen kann. Dass das so ist, ist schlichtweg ein empirisch-biologisches Faktum.

(Das ist eine Vereinfachung: Wenn es beispielsweise stimmt, dass lange sexuelle Inaktivität bei Männern zur Atrophie von Schwellkörpern kommt, können auch nicht-vaginale sexuelle Akte indirekt dem Ziel der Arterhaltung zugutekommen - nämlich indem sie einer Atrophie vorbeugen.)

 

(Man könnte Thomas höchstens noch unterstellen, wie folgt zu argumentieren: Unfruchtbare sexuelle Akte mit Samenemission seien zwar nicht damit inkompatibel, dass jemand sich fortpflanzt (oder gar damit, dass die menschliche Rasse sich fortpflanzt); sie seien aber damit inkompatibel, dass der in solchen Akten emittierte Samen dazu benutzt wird, Kinder zu zeugen. Es sei jedoch Gottes Wille, dass absolut jeder Samen zur Zeugung von Kindern verwendet werden solle. 

Das ist aber offenkundig absurd. Einmal abgesehen davon, dass Frauen und ihre nicht-fruchtabaren sexuellen Aktivitäten von dieser Argumentation nicht betroffen wären, würde dann auch ein Mann, der sexuell komplett inaktiv lebt, Gottes Willen missachten - denn auch sein Samen würde ja entgegen Gottes Wunsch nicht zur Kinderzeugung verwendet werden. Zudem ist selbst beim einem sexuell extrem aktiven Mann, der ausschließlich furchtbare vaginale Akte vollzieht, nahezu der gesamte Samen "natürlicherweise" für die Kinderzeugung verloren, so dass Gottes Wille "von Natur aus" ständig frustriert würde. Außerdem könnte man, wenn alles seiner natürlichen biologischen Funktion entsprechen soll, ebensogut auch behaupten, dass Gott von jedem einzelnen roten Blutkörperchen will, dass es Sauerstoff innerhalb des Organismus transportiert, weshalb Blutentnahmen, die das ja verhindern, unethisch seien. Im Übrigen sehe ich auch keinen Anhaltspunkt, dass Thomas so argumentieren würde.)

 

Es wäre in der Tat eigentlich kaum verständlich, wenn Thomas die dargelegten Widersprüche bzw. Absurditäten nicht gesehen haben sollte (die meisten relevanten Punkte waren auch damals schon ersichtlich).

 

In einem anderen Artikel argumentiert Arnhart ebenfalls, dass Thomas mitunter nicht wirklich meint, was er zu sagen scheint. Zuerst referiert er die Lehre des Thomas:

 

"Among the sins of lust, according to Thomas Aquinas and the Catholic Church, the greatest is the "sin against nature," which includes masturbation, homosexual intercourse, bestiality, and any "unnatural, monstrous, or bestial form" of sexual activity--such as fellatio, cunnilingus, or interfemoral or anal sex (Summa Theologica, II-II, q. 154, a. 11).  Traditionally, all these forms of non-procreative sex--with orgasmic pleasure achieved outside the coital insertion of a penis in a vagina--have been condemned as sodomy. Aquinas indicates that the first obvious objection to this is that surely the sins of lust that harm our neighbor--such as adultery and rape--are greater sins than the sins against nature that harm no one (ST, II-II, q. 155, obj. 1). [...]"

 

Arnhart legt dann dar, dass Thomas diesen Einwand aber nicht gelten lässt und (offiziell) bei seiner Position bleibt. Er fährt dann wie folgt fort:

 

"Notice what this means: masturbation, fellatio, and cunnilingus are worse than rape! Most of us--including most Catholics--will find that hard to swallow. Some readers--myself included--will find Aquinas's reasoning here so implausible that they will suspect that Aquinas himself does not believe it, and that he is engaging in some esoteric writing--suggesting that his exoteric endorsement of the Catholic Church's condemnation of the "vices against nature" is stated in such a way that careful readers will see a secret teaching contradicting the public teaching."

https://darwinianconservatism.blogspot.com/2019/06/is-masturbation-worse-than-rape-thomas.html

 

Arnhart begründet diesen Gedanken dann noch etwas näher und argumentiert zudem, dass Thomas an anderer Stelle mutmaßlich ebenso so verfahren sei. Thomas habe manche Dinge nicht offen sagen können, ohne eine Verfolgung zu riskieren. Er gibt folgende Beispiele:

 

"... Aquinas clearly teaches that heretics can be rightly punished with death, and thus he endorses the Inquisition, which was carried out by his own religious order--the Dominicans (II-II, q. 11, a. 3). He also declares that the Church can punish rulers who become apostates by declaring that they have no authority over their subjects (II-II, q. 12, a. 2).
Here, however, Aquinas directly contradicts his teaching that human law is to be guided by natural law rather than divine law. The contradiction even appears within the same article: "lack of faith, in itself, is not inconsistent with dominion, since dominion is introduced by the right of nations, which is human right; whereas the distinction between the faithful and the unfaithful is according to divine right, through which human right is not destroyed" (II-II, q. 12, a. 2). "But if divine right does not destroy human right," West observes, "it is logically impossible for a deviation from divine right (apostasy) to destroy the human right of a magistrate to govern" (92).
Such an obvious contradiction, West suggests, must be deliberate, and it must be deliberately designed to alert the careful reader that the surface teaching is not Aquinas's true belief. Aquinas would have been instructed in such a technique of secret writing by his reading of Maimonides'
Guide of the Perplexed.
As I have indicated in a previous post, Shadia Drury regards Aquinas's support for the Inquisition as a clear example of how he betrayed natural law. But for West, this so clearly contradicts his teaching on natural law that it must have been intended to suggest a secret teaching contrary to what appears on the surface."

https://darwinianconservatism.blogspot.com/2011/07/straussian-critique-and-defense-of_10.html

 

Die These, dass bei Thomas womöglich an einigen Stelle eine "esoterischen", versteckten Botschaft zu finden ist, die der oberflächlichen Leseweise entgegengesetzt ist, war mir bisher neu. Mir fehlen auch die Kenntnisse, um dazu viel sagen zu können. Gegen diese Auffassung spräche offenkundig, dass man Thomas eine gezielte Verstellung unterstellen muss, die eigentlich mit seinem (offiziellen) Moralsystem schwer vereinbar ist; zudem müsste man davon ausgehen, von der Meinung anderer Theologen und der Kirche abgewichen zu sein.

 

Für diese These spräche allerdings, dass man endlich eine Erklärung dafür hätte, wie ein Mensch von seiner Intelligenz Dinge behaupten kann, die entweder offensichtliche und schwere logische Brüche beinhalten und/oder evidentermaßen hochgradig absurd sind.

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)
vor 24 Minuten schrieb iskander:

"Notice what this means: masturbation, fellatio, and cunnilingus are worse than rape! Most of us--including most Catholics--will find that hard to swallow.

 

Das ist vorstellbar. Klingt überzeugend.

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben
vor 29 Minuten schrieb iskander:

Es gibt übrigens, wie ich ergänzend noch bemerken möchte, die These, dass Thomas v. Aquin (nicht nur) bei seiner Sexuallehre eine versteckte Botschaft untergebracht habe, die sich von der offiziellen Lehre unterscheidet.

Vielen Dank für diesen Hinweis!

 

Wir könnten seine Texte ja auch mal rückwärts lesen! Ich bin gespannt, auf wir viele versteckte Botschaften wir stoßen werden 😱.

 

Warum ist da eigentlich vor mir noch niemand drauf gekommen 🤔?

Geschrieben
vor 42 Minuten schrieb iskander:

Thomas v. Aquin

Zu diesem Vogel mal eine Interessefrage eines Laien:

 

Die Kirche ist ja Neuerungen gegenüber nicht sonderlich aufgeschlossen, und solchen der Theologie noch viel viel weniger. 
 

Da kommt nun im Mittelalter ein Thomas von Aquin und schreibt einige Bibliotheken voll, offensichtlich nicht mit simpler Wiederholung der „seit den Apostel getreulich überlieferten Lehre“ ( sonst wäre ja nichts bemerkenswertes an dem Mann), sondern mit vielen neuen Gedanken und Ideen.

 

Und die Kirche, der sonst neue Gedanken und Ideen auf dem Gebiet der Theologie stets ein Greuel sind, findet das alles so toll, dass seitdem kein theologisches Essay mehr geschrieben werden kann, ohne mindestens dreimal den Thomas zu zitieren.

 

Wir kommt das eigentlich?

 

Werner

Geschrieben (bearbeitet)
vor 2 Stunden schrieb Kara:

Vielen Dank für diesen Hinweis!

 

Wir könnten seine Texte ja auch mal rückwärts lesen! Ich bin gespannt, auf wir viele versteckte Botschaften wir stoßen werden 😱.

 

Warum ist da eigentlich vor mir noch niemand drauf gekommen 🤔?

 

Schade, dass Du Dich nicht ernsthaft zur Sache äußern möchtest und beispielsweise nicht auf die konkreten Argumente eingehst, die für die entsprechende These vorgebracht wurden. Zudem solltest Du Deine Schnoddrigkeit nochmals überdenken, wenn Du Dir klarmachst, was denn die Schlussfolgerung wäre, wenn die von Dir verspottete These tatsächlich falsch ist. Es würde im Hinblick auf den größten kath. Kirchenlehrer unter anderem das folgende bedeuten:

 

a) Thomas würde dann ernsthaft behaupten, dass sexuelle Akte, die nicht zur Befruchtung geeignet sind und bei denen es zur Emission des Samens kommt, dem Gut der Arterhaltung entgegensehen. (Wörtlich: "... die ungeordnete Ausscheidung des Samens widerspricht dem Wohl der Natur, nämlich der Erhaltung der Art" - "... inordinata vero seminis emissio repugnat bono naturae, quod est conservatio speciei"; hier Caput 122)

 

Auch wenn nicht-vaginale Akte nicht (oder jedenfalls nicht direkt) zur Zeugung von Kindern führen, so erschweren oder verunmöglichen sie die Zeugung von Kindern und die Erhaltung der Art auch nicht - abgesehen von ganz spezifischen Fällen (siehe meinen letzten Beitrag). Die gegenteilige Behauptung ist biologisch und empirisch schlicht und ergreifend falsch. Nicht das Vollziehen von nicht-vaginalen Akten, sondern das Nicht-Vollziehen von vaginalen Akten ist der Grund für Kinderlosigkeit. Auch wenn man damals vieles nicht wusste oder manche verkehrte Vorstellung hatte: Dass man das nicht wusste, ist kaum zu glauben. Die Aussagen von Thomas wären an dieser Stelle schlichtweg grob unsinnig, und zwar höchstwahrscheinlich auch schon nach dem damaligen Stand des Wissens.

 

b) Thomas würde des Weiteren einerseits behaupten, dass der Mensch als Individuum nicht verpflichtet sei, Kinder zu zeugen (und dadurch zur Arterhaltung beizutragen) - andererseits aber würde er argumentieren, dass diejenigen Individuen, die nicht-vaginale Akte vollziehen, sündigen, weil sie keine Kinder zeugen und dadurch nicht zum Gut der Arterhaltung beitragen. (Oder sollen diejenigen, die nicht-vaginale Akte vollziehen, auf eine andere Weise gegen das Gut der Arterhaltung handeln als dadurch, dass sie (angeblich) keine Kinder zeugen? Wenn ja, auf welche?)

 

Dass das ein Widerspruch ist, liegt auf der Hand. Wenn ein Mensch gar nicht verpflichtet ist, Kinder zu zeugen, wie soll er dann gegen die nicht-vorhandene Pflicht, Kinder zu zeugen, verstoßen? 

 

c) Man muss dann weiterhin annehmen, dass Thomas tatsächlich der Meinung ist, dass Masturbation und freiwillige nicht-vaginale partnerschaftliche Akte moralisch verwerflicher und sündhafter sind als eine Vergewaltigung (und zwar selbst als die Vergewaltigung der eigenen Mutter). Ein Mann, der unter starker sexueller Spannung steht, sollte zwar enthaltsam sein - aber im Zweifelsfall wäre es demnach immer noch besser, wenn er eine Frau vergewaltigt, als wenn er sich selbst befriedigt oder mit einer Frau, die dazu freiwillig bereit ist, einen nicht-vaginalen Verkehr verzehrt.

 

Wenn man nicht davon ausgeht, dass es bei Thomas die "esoterische" Ebene gibt, dann muss man ihm unterstellen, dass er das so meint. Es gibt zwar verzweifelte Versuche aufzuzeigen, dass der Text das nicht hergebe; aber das ist unsinnig - der Text gibt das eindeutig her.

 

d) Mit dem, was Thomas genau zu säkularem vs. religiösem Recht geschrieben habe, kenne ich mich nicht genug aus, um da definitive Behauptungen aufstellen zu können.  Wenn die Kritik aber recht hat - was noch zu prüfen wäre - würde Thomas seiner eigenen Trennung von natürlich-menschlichen und göttlichen Recht widersprechen, wenn er die Verfolgung von Ketzern und die Absetzung von apostatischen Fürsten durch die Kirche erlaubt.

 

Selbst wenn wir den letzten Punkt vorsichtshalber ausklammern, wäre das heftig. Thomas so zu lesen, dass es manche Dinge nicht so gemeint hat, wie sie dastehen, dient seiner eigenen Ehre und rettet ihn vor der Kritik, Sachen gesagt zu haben, die offenkundig falsch sind (höchstwahrscheinlich auch nach damaligem Wissensstand), erkennbar widersprüchlich oder offensichtlich grotesk.

 

Als konservativer Katholik befindet man sich da allerdings wohl in einer misslichen Lage. Wenn man sagt, dass Thomas es so gemeint hat, wie es da steht, kann es einem nicht recht sein; wenn er aber anders gedacht hat als die Kirche auch nicht.

 

bearbeitet von iskander

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