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Streichung eines kirchlichen Feiertages


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Geschrieben
vor 13 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Für einen Angehöriger einer Religion, die, solange sie noch die Macht besaß, nicht gerade durch Toleranz gegenüber anderen Religionen aufgefallen ist, ist das eine merkwürdige Forderung.


Die Geschichte der katholischen Kirche ist, wie die aller großen Institutionen, nicht frei von dunklen Kapiteln. Allerdings wäre es doch ein wenig so, als würde man jedem heutigen Briten das Empire oder jedem Franzosen die Revolution persönlich anlasten – Geschichte ist eben kein Schuldschein, den man auf ewig mit sich herumträgt (auch wenn die Vergebung der Sünden zugegebenermaßen ein christliches Monopol ist).
Gerade deshalb ist es doch bemerkenswert, dass ausgerechnet Angehörige einer ehemals dominanten Religionsgemeinschaft heute für Toleranz und Minderheitenrechte eintreten. Das ist nicht merkwürdig, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Reifung und eines gewachsenen Verständnisses von Pluralismus. Wer, wenn nicht diejenigen, die aus der Geschichte gelernt haben, sollten sich für Respekt und Gleichbehandlung aller einsetzen?
Mein Anliegen ist ja gerade, ein Modell vorzuschlagen, das der Pluralität gerecht wird, und die Verschiedenheit respektiert. Die Forderung nach individuellen Feiertagsregelungen ist kein exklusives katholisches Privileg, sondern ein Plädoyer für Respekt gegenüber allen religiösen Traditionen. Das ist, wenn man so will, die säkulare Variante der berühmten Goldenen Regel: Was du willst, das man dir tut, das tue auch den anderen.
Vielleicht ist es gerade die Erfahrung, dass Macht nicht ewig währt, die den Sinn für Toleranz schärft. Und vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns alle daran erinnern, dass gesellschaftlicher Fortschritt oft darin besteht, alte Fehler nicht zu wiederholen – sondern neue Wege des Miteinanders zu suchen.

Geschrieben
vor 24 Minuten schrieb Frey:

Mein Anliegen ist ja gerade, ein Modell vorzuschlagen, das der Pluralität gerecht wird, und die Verschiedenheit respektiert.

 

Nur wenn das so ist, und du ja nicht müde wirst, den Opfercharakter kirchlicher Feiertage zu betonen, was läge näher, als daß die Gläubigen dafür zu allererst ihre eigene Freizeit opfern, und nicht die der anderen? 😉

Geschrieben
vor 19 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Nur wenn das so ist, und du ja nicht müde wirst, den Opfercharakter kirchlicher Feiertage zu betonen, was läge näher, als daß die Gläubigen dafür zu allererst ihre eigene Freizeit opfern, und nicht die der anderen? 😉

 

Ein guter Katholik ist in diesen Dingen gewandt und auch bereit, einmal auf ein Opfer zu verzichten.

Geschrieben

Sorry aber der Elephant im Raum ist doch wohl unsere normale Lebens- und Arbeitswirklichkeit, die überhaupt die Fremdbestimmung unserer Zeit erst ermöglicht.

 

In alten Zeiten konnte man drei Tage feiern, ohne daß es jemanden störte - heute kaum machbar.

 

Arbeitsschutz, Feiertage, etc. sind Abwehrrechte gegen die völlige Vereinnahmung durch den Arbeitgeber. Daß die was dagegen haben, ist zwar logisch, sollte aber nicht das gewichtige Argument sein.

Geschrieben
Am 12.6.2025 um 20:29 schrieb Frey:

Die Tatsache, dass wir den Sonntag (und inzwischen auch den Samstag) als „selbstverständliche“ Ruhe- und Erholungszeit erleben, ist doch gerade kein naturwüchsiges Bedürfnis, sondern das Ergebnis einer jahrtausendealten kulturellen und religiösen Prägung. Die säkulare Gesellschaft profitiert hier von einer Tradition, deren religiöse Wurzeln sie gerne leugnet, aber nicht so einfach abschütteln kann – ein bisschen wie jemand, der sich über die Früchte eines Baumes freut, aber die Wurzeln am liebsten kappen würde.

 

Wieso sollte es denn nicht möglich sein, Kulturgüter, die eine religiöse Entstehungsgeschichte haben, in einer säkularen oder säkularisierten Form weiterzuführen? Im Prinzip hat doch auch das Christentum das in analoger Weise gemacht, nur eben hier so, dass man religiöse Bräuche anderer in die eigene religiöse Praxis inkulturiert hat. 

 

Zudem gab es früher die Trennung zwischen Religion und säkularer Kultur oft nicht. Es ist beispielsweise doch naheliegend, dass manche religiös begründeten Regelungen (auch) zum Wohle und zum Schutz des Menschen etabliert wurden - oder vielleicht sogar vor allem zum Wohle des Menschen, und dass dies dann in ein religiöses Verständnis eingebettet wurde.

 

"Der älteste Beleg für die Regel, am siebten Tag zu „ruhen“ (hebr. shabat) in 2 Mose 23,12 hatte vor allem den Sinn, die Arbeitskraft von Mensch und Tier zu schonen, insbesondere der Frauen, Kinder und der Migranten. Daneben gab es jahrhundertelang ein Vollmondfest, das Juden nur einmal im Monat als Tag ihres Gottes Jahwe mit Opfer- und Reinheitsritualen begingen, welches von den Babyloniern „Shabbatu“ genannt wurde. Zum wöchentlichen religiösen Fest- und Ruhetag, aus dem später der christliche Sonntag hervorging, wurde der Sabbat erst in der Epoche des Babylonischen Exils im 6. Jahrhundert vor Christus. „Die Israeliten mussten in dieser Exilzeit Feldarbeit leisten und hatten kaum Gelegenheit, den Vollmond-Sabbat und andere religiöse Fest zu begehen.“ So machten sie das Ausruhen am siebten Tag – das vor dem Exil bereits als soziale Regel galt, die auch den Schwächeren in der Gruppe, Sklaven, Frauen, Kindern und Tieren Erholung bot – zu ihrem festen Brauch und werteten ihn religiös auf. „Das geschah, indem Gelehrte die religiöse Autorität des monatlichen Sabbats als Tag Gottes ausweiteten und im fünften Buch Mose innerhalb der Zehn Gebote den siebten Tag zum gottgeweihten Tag des Volkes Jahwes erklärten“, so Prof. Achenbach. „Durch den Einfluss der nach-exilischen priesterlichen Schreiber wurde das Sabbatgebot eine Lex Sacra, ein heiliges Gesetz, eine fundamentale rituelle Regel als Teil der Torah.“"

https://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2016/dez/PM_Sonntagsruhe_und_Sonntagshandel_in_der_Antike.shtml

 

Dies klingt nun gerade nicht so, als sei es den Menschen primär darum gegangen, ein religiöses Opfer im Sinne eines Verzichts zu erbringen, sondern im Gegenteil darum, das Wohlergehen der Menschen (oder das der Schwächeren) zu befördern. (Man denke auch an den Ausspruch Jesu, dass der Sabbat um des Menschen (sic!) willen da sei.)

 

Zitat

Insofern ist es schon spannend, dass auch überzeugte Säkularisten am freien Wochenende festhalten, obwohl es sich – historisch betrachtet – um ein zutiefst religiöses „Opfer“ handelt.

 

Die Antwort steckt bereits in Deiner Bemerkung: "...historisch betrachtet..."

Die historischen Wurzeln eines Phänomens sind nicht das Phänomen selbst, so wie wir es heute kennen. Dass ein bestimmtes Verhalten ursprünglich in einem bestimmten Kontext praktiziert wurde, bedeutet nicht, dass es unmöglich oder illegitim wäre, dieses Verhalten auch in einem ganz anderen Kontext zu praktizieren. 

 

Zitat

Oder anders gefragt: Wäre es nicht konsequenter, wenn der moderne Mensch, der sich so gern als autonom und vernunftgesteuert sieht, auf diese „überkommenen“ Rituale ganz verzichtet – und stattdessen konsequent durcharbeitet?

 

Das ist eine falsche Dichotomie, weil hier vorausgesetzt wird, dass der freie Sonntag entweder nur deswegen einen Sinn ergibt, weil man an ihm ein religiöses Opfer bringt, oder aber gar nicht. Ein freier Sonntag kann aber wie dargelegt auch aus ganz anderen Gründen geschätzt werden. Inkonsequent wäre es an dieser Stelle höchstens, wenn säkulare Menschen darauf bestünden, dass der freie Tag unbedingt der Sonntag sein müsste.

 

Alles andere würde darauf hinauslaufen, dass man ein Kulturgut oder eine Erfindung entweder aus genau den Gründen, aus denen sie einmal etabliert wurde, schätzen muss, oder sie aber gar nicht schätzen darf. Eine solche Auffassung scheint aber nicht begründbar zu sein und auch wenig Sinn zu ergeben. Selbst wenn - was unmöglich sein dürfte - beispielsweise ein zwingender historischer Beweis dafür geführt werden könnte, dass die erste Instrumental-Musik zu Ehren der babylonischen Götter gespielt wurde, wäre nichts daran inkonsequent, wenn auch Christen oder säkulare Menschen Instrumente spielen, sei es in Gottesdiensten oder auf säkularen Konzerten. 

 

Zitat

Oder steckt am Ende doch mehr Weisheit in diesen alten religiösen Praktiken, als man auf den ersten Blick zugeben mag?

 

Das mag man so sehen - aber die Tatsache, dass heutzutage die meisten säkularen Leute gerne freie Tage haben, ist für sich genommen noch kein Indiz hierfür. 

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