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@iskander

 

Aus meiner Sicht habe ich Deine  wesentlichen Fragen alle bereits beantwortet: 
 
Deine Argumentation scheint mir immer noch auf dem falschen Dilemma "Finden einer Letztbegründung für die empirische Wissenschaft oder radikaler Skeptizismus" zu basieren. 
 
Einen dritten Weg habe ich in dem von Dir zitierten Beitrag beschrieben (hier). 
 
Auf Deine Einwände bezüglich Münchhausen-Trilemma  bin ich bereits mehrfach eingegangen, zuletzt hier.


Wir drehen uns im Kreis.

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On 9/23/2025 at 9:32 PM, iskander said:

Falls Du ein Interesse daran hast, die Richtigkeit Deiner Überzeugung zu prüfen, wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, wenn Du Dich darüber informieren würdest, worum es jeweils eigentlich geht - also etwa darum, was beispielsweise induktives Schließen überhaupt ist und worin das Induktionsproblem besteht.

 

Wenn Dir das zu aufwendig ist, Du aber dennoch ein Interesse daran hast, Deine Position zu hinterfragen, käme mir noch die folgende Möglichkeit in den Sinn. Du könntest irgendeinem Platz, an dem auch professionelle Naturwissenschaftler diskutieren (geeignete Foren, Subreddits etc.), "aufsuchen". 

 

Dort sagst Du, dass es Deiner Meinung nach in der Wissenschaft gar keiner induktiven Schlüsse brauche. Du würdest das aber nicht etwa im Sinne von Popper und seiner Philosophie verstanden wissen wollen; vielmehr seist Du der Überzeugung, dass das Wechselspiel von Beobachtung und Theorie genau das zu leisten vermöge, wofür man induktive Schlüsse angeblich benötige - also etwa um wahrscheinliche Aussagen über künftige Ereignisse treffen zu können. Induktive Schlüsse seien für solcherlei doch völlig unnötig und nichts als ein Phantasma von Philosophen.

 

(Oder alternativ - je nachdem, was Deine genaue Position ist - könntest Du sagen, dass man Deiner Meinung nach induktive Schlüsse zwar tatsächlich eine wichtige Rolle spielen und keine Kopfgeburt von Philosophen seien - dass es so etwas wie ein "Induktionsproblem" im Sinne der Philosophie gar nicht gebe. Induktive Schlüsse seien in Wahrheit doch ganz einfach durch Erfahrung - bzw. durch ein Wechselspiel von Beobachtung und Theoriebildung - zu begründen. Es gebe hier gar keine Fragen, wie Philosophen sich das einbilden.)

 

Und dann bittest Du einfach um Resonanz - besonders von solchen Wissenschaftlern, die sich Methodenfragen befasst haben. Du könntest insbesondere auch fragen, ob es überhaupt irgendeinen Wissenschaftler gibt, der je eine ähnliche Auffassung vertreten hätte wie Du.

 

War nicht an mich gerichtet, aber ich antworte trotzdem mal:

 

Induktive Schlüsse sind entweder deduktive Schlüsse mit nicht explizit gemachten Prämissen oder logische Fehler (was ich schon vor Monaten geschrieben habe).

 

Der berechtigte Kern des Induktionsproblems ist die Frage, woher wir eigentlich wissen wollen, dass die Naturgesetze auch morgen noch gelten.

 

Hierzu ist zu sagen (ich wiederhole mich):

 

Die Annahmen, dass eine Letztbegründung der Hypothese der Beständigkeit der Naturgesetze a) möglich und b) notwendig ist, sind philosophische Fiktionen:

 

Es ist nicht möglich aufgrund des Münchhausen-Trilemmas und nicht nötig, weil man  falsifizierbare Hypothesen auf Basis von empirischen Daten (vorläufig) akzeptieren kann ohne Letztbegründung gemäß dem Wechselspiel von Beobachtung/Experiment einerseits und Theoriebildung andererseits.

 

Exakt auf diesen Prozess bezieht sich @Marcellinus die ganze Zeit und bewegt sich damit auf der Ebene der Nicht-Philosophie.

 

Du kannst nun sagen, dass diese meine Ausführungen auch philosophischer Natur sind (und nahe an Popper sind), allerdings dienen sie eben nur zur Kritik des Geltungsanspruches der Induktionsphilosophie sowie zur Hinführung zur Methodik der empirischen Wissenschaften.

 

Der Unterschied zu Deiner Philosophie scheint mir vergleichbar zu sein mit dem zwischen Religion und Religionskritik.

 

(Und nur noch einmal zur Klarstellung:
 Wir sprechen aktuell über einen Teilbereich der theoretischen Philosophie (Induktionsproblem, Qualiaproblem, usw.), nicht über Philosophie im Sinne der Reflexion der westlichen Werte (Ethik) oder einer persönlichen Lebensphilosophie wie sie sich zum Beispiel im Mythos von Sisyphos von Camus findet.)

 

Posted (edited)

  

vor 5 Stunden schrieb KevinF:

Die Annahmen, dass eine Letztbegründung der Hypothese der Beständigkeit der Naturgesetze a) möglich und b) notwendig ist, sind philosophische Fiktionen:

 

Es ist nicht möglich aufgrund des Münchhausen-Trilemmas [...]


Wenn das Trilemma recht hat, kann ich auch nicht wissen, dass ich gerade einen Beitrag für Mykath schreibe - meine entsprechende Meinung wäre willkürlich oder würde auf einem Zirkelschluss oder unendlichen Regress beruhen.

 

Die allgemeine Prämisse des Trilemmas ist ja diese: Jede Überzeugung ist eine beliebige und willkürliche Annahme - oder sie ist eine völlig ist ungültig begründete Annahme. Wenn jemand also beispielsweise sagt, dass wir eine bestimmte empirische Beobachtung gemacht haben, oder dass diese Beobachtung einer bestimmten Theorie widerspricht, wären das laut Trilemma auch nur willkürliche oder falsch begründete Annahmen. Damit hätten wir dann aber auch keine Falsifikation mehr. Das Trilemma ist nicht auf die Induktion begrenzt, sondern impliziert eine generelle radikale Skepsis.

 

Ich versuche es einmal zu formalisieren, weil wir da nun schon lange drauf rumkauen. Nehmen wir an, das Trilemma gilt; dann gilt auch dies:

 

1. Jede beliebige Überzeugung ist entweder willkürlich oder ungültig begründet und kann daher kein Wissen liefern.

2. Also ist auch die Überzeugung, dass eine bestimmte Theorie durch die beobachtbaren Tatsachen widerlegt wurde, willkürlich oder ungültig begründet und kann also kein Wissen repräsentieren.

 

Das folgende hingegen wäre ein Fehlschluss: 

 

1. Jede beliebige Überzeugung ist entweder willkürlich oder ungültig begründet und kann daher kein Wissen liefern.

2. Also sind nur Überzeugungen, die induktive Schlüsse zugrundeliegen, willkürlich oder ungültig begründet - andere Überzeugungen hingegen können Wissen repräsentieren. 

 

Zitat

 

[...] weil man  falsifizierbare Hypothesen auf Basis von empirischen Daten (vorläufig) akzeptieren kann ohne Letztbegründung gemäß dem Wechselspiel von Beobachtung/Experiment einerseits und Theoriebildung andererseits.

 

 

Ohne Induktion kein Wissen über die Zukunft. Auch keine Wahrscheinlichkeits-Wissen. Die Überzeugung etwa, dass der nächste Rabe, den ich sehe, vermutlich schwarz und nicht pink sein wird, wäre dann kein Wissen. Auch kein mit Unsicherheiten behaftetes Wissen, sondern gar kein Wissen. Man hat dann nur eine Hypothese, die um nichts wahrscheinlicher wäre als ihr genaues Gegenteil. (Genau diesen Punkt, dass man ohne Induktion auch keine Wahrscheinlichkeit bekommt, macht ja -zurecht - auch Popper.)

 

Auch über einen Großteil der Gegenwart und Vergangenheit wüsste man dann nichts - denn wir beobachten ja nur einen kleinen Ausschnitt der Realität unmittelbar, und den Rest erschließen wir (auch induktiv). Dass Caesar höchstwahrscheinlich zwei Nieren hatte, wäre dann kein Wissen, sondern eine Hypothese, die nicht wahrscheinlicher wäre als die Gegen-Hypothese, dass er einen ganz anderen Körperaufbau hatte als wir. 

 

Zudem kann man ohne Induktion nicht wissen, was Messungen (wahrscheinlich) besagen. Und wenn man das nicht wissen kann, kann man mit einer Messung auch nichts widerlegen. 

 

Zitat

Induktive Schlüsse sind entweder deduktive Schlüsse mit nicht explizit gemachten Prämissen oder logische Fehler (was ich schon vor Monaten geschrieben habe).

 

Wenn man deduktive Schlüsse so definiert, dass sie probabilistische Schlüsse mit einbegreifen, dann kann man wie gesagt jeden gültigen induktiven Schluss durch Explizit-Machen seiner verborgenen Prämisse(n) auch als deduktiven Schluss darstellen.

 

vor 5 Stunden schrieb KevinF:

Exakt auf diesen Prozess bezieht sich @Marcellinus die ganze Zeit und bewegt sich damit auf der Ebene der Nicht-Philosophie.

 

@Marcellinus' Position ist hier womöglich radikaler als Deine, weil seine eigenen Überlegungen nach seiner Meinung ja nun rein gar nichts mit Philosophie zu tun haben (insofern bezieht sich das folgende vielleicht mehr auf seine als Deine Position).

 

- Gehören "Theorie" und "Empirie" zum naturwissenschaftlichen der sozialwissenschaftlichen Gegenstandsbereich? 

 

- Kann man "Theorien" und "Empire" - oder das Verhältnis von "Theorie" und "Empirie" - mit den Methoden der Naturwissenschaften untersuchen? Oder mit denen der Soziologie? Kann also beispielsweise ein Physiker ein physikalisches Experiment durchführen, in welchem er das genau Verhältnis von "Theorie" und "Empirie" empirisch erkundet?

 

- Gehen wir vor wie in der positiven Wissenschaft, wenn wir das fundamentale Verhältnis von "Theorie" und "Empirie" bestimmen wollen? Formulieren wir Hypothesen über das grundsätzliche Verhältnis von "Theorie" und "Empirie", die wir durch naturwissenschaftliche oder sozialwissenschaftliche Experimente überprüfen, um sie dann durch neuen, angepasste Hypothesen zu ersetzen? Und um dann diese neuen Hypothesen über das Verhältnis von "Theorie und "Empirie" wiederum empirisch zu überprüfen und sie wiederum durch neue zu ersetzen?

 

(Und solche Fragen stellen sich nicht nur im Hinblick auf "Theorie" und "Empirie", sondern auch im Hinblick auf viele andere Dinge, zu denen Marcellinus sich äußert.)

 

vor 5 Stunden schrieb KevinF:

Du kannst nun sagen, dass diese meine Ausführungen auch philosophischer Natur sind (und nahe an Popper sind), allerdings dienen sie eben nur zur Kritik des Geltungsanspruches der Induktionsphilosophie sowie zur Hinführung zur Methodik der empirischen Wissenschaften.

 

Okay - aber das könnte Popper auch von sich sagen. Dessen Philosophie gilt nun aber unbestritten als Philosophie, und zwar nicht nur als Rudimentär-Philosophie. Vermutlich auch, weil es ja nicht bei einer reinen Kritik blieb, sondern Popper auch einen "positiven" Entwurf dazu geliefert hat, wie seiner Meinung nach Wissenschaft zu einem Erkenntnis-Fortschritt führen kann.

 

Ich sehe persönlich generell nicht, warum eine skeptische Philosophie, die sich auf philosophische Argumente stützt, weniger philosophisch wäre als eine "positive" Philosophie. Schließlich nimmt man auch eine Position zu philosophischen Fragen ein und stützt sich dabei auf philosophische Überlegungen. Die passendere Analogie wäre daher m.E. auch nicht die zwischen Religion und Religionskritik, sondern wenn schon die zwischen (reiner) Religionskritik und Religionswissenschaft. 

 

(Apropos Popper: Dessen Kritik an der Induktion wird wiederum von Elias heftig kritisiert. Popper würde die Induktion aus philosophischen Gründen ablehnen, anstatt darauf zu schauen, wie die Wissenschaften tatsächlich arbeiten. Würde man sich die tatsächliche Arbeitsweise der empirischen Wissenschaften ansehen, so würde man vermutlich zum Ergebnis kommen, dass diese auch induktiv vorgehen. Da Du im Grunde ähnlich zu argumentieren scheinst wie Popper, hätte Elias auch Dich kritisiert. Was dem einen als Minimal-Philosophie gilt, ist für den anderen ein Symbol für eine sich selbst übernehmende Philosophie. ;) )

Edited by iskander
Posted (edited)
On 9/30/2025 at 3:17 AM, iskander said:

Ich versuche es einmal zu formalisieren, weil wir da nun schon lange drauf rumkauen. Nehmen wir an, das Trilemma gilt; dann gilt auch dies:

 

1. Jede beliebige Überzeugung ist entweder willkürlich oder ungültig begründet und kann daher kein Wissen liefern.

2. Also ist auch die Überzeugung, dass eine bestimmte Theorie durch die beobachtbaren Tatsachen widerlegt wurde, willkürlich oder ungültig begründet und kann also kein Wissen repräsentieren.

 

Das folgende hingegen wäre ein Fehlschluss: 

 

1. Jede beliebige Überzeugung ist entweder willkürlich oder ungültig begründet und kann daher kein Wissen liefern.

2. Also sind nur Überzeugungen, die induktive Schlüsse zugrundeliegen, willkürlich oder ungültig begründet - andere Überzeugungen hingegen können Wissen repräsentieren. 

 

Das Induktionsproblem ist ein Spezialfall des Münchhausen-Trilemmas  und dieser Spezialfall ist imo unlösbar, Näheres hier.
 
Du löst es ja auch nicht, sondern machst aus dem non-sequitur eine Prämisse, die Dir plausibel erscheint und brichst die Begründungskette ab.
 
Das bedeutet, so interpretiere ich das, Deine Letztbegründung beruht auf einem subjektiven Gefühl der Evidenz. 
 
Das ist eine Letztbegründung, die keine ist.

 

 

 

On 9/30/2025 at 3:17 AM, iskander said:

Ohne Induktion kein Wissen über die Zukunft. Auch keine Wahrscheinlichkeits-Wissen

 

Du suchst eine metaphysische Wahrscheinlichkeit. 
Worauf sollte diese basieren? 
 
Die Wahrscheinlichkeiten hingegen, die auf empirischen Daten beruhen, stehen in unseren physikalischen Theorien und den darauf aufbauenden Modellen: 
 
Bei deterministischen Modellen ist die Wahrscheinlichkeit implizit 1 oder 0, bei indeterministischen ist sie explizit angegeben. 
Immer mit der gedachten Fußnote, dass die Modelle falsifizierbar sind. 
 
Du suchst nun eine Wahrscheinlichkeit für das Ereignis, dass unsere Wahrscheinlichkeitsangaben falsifiziert werden. 
Und zwar ohne dass diese neue Wahrscheinlichkeit etwas an den Wahrscheinlichkeitsangaben in unseren Modellen ändern soll. 
Das aber ist eine Aufgabenstellung, die keinen Sinn ergibt.

 

 

On 9/30/2025 at 3:17 AM, iskander said:

Ohne Induktion kein Wissen über die Zukunft. Auch keine Wahrscheinlichkeits-Wissen. Die Überzeugung etwa, dass der nächste Rabe, den ich sehe, vermutlich schwarz und nicht pink sein wird, wäre dann kein Wissen. Auch kein mit Unsicherheiten behaftetes Wissen, sondern gar kein Wissen. Man hat dann nur eine Hypothese, die um nichts wahrscheinlicher wäre als ihr genaues Gegenteil. (Genau diesen Punkt, dass man ohne Induktion auch keine Wahrscheinlichkeit bekommt, macht ja -zurecht - auch Popper.)

 

Auch über einen Großteil der Gegenwart und Vergangenheit wüsste man dann nichts - denn wir beobachten ja nur einen kleinen Ausschnitt der Realität unmittelbar, und den Rest erschließen wir (auch induktiv). Dass Caesar höchstwahrscheinlich zwei Nieren hatte, wäre dann kein Wissen, sondern eine Hypothese, die nicht wahrscheinlicher wäre als die Gegen-Hypothese, dass er einen ganz anderen Körperaufbau hatte als wir. 

 

Zudem kann man ohne Induktion nicht wissen, was Messungen (wahrscheinlich) besagen. Und wenn man das nicht wissen kann, kann man mit einer Messung auch nichts widerlegen. 

 

In den empirischen Wissenschaften bilden wir falsifizierbare Hypothesen in Form von Verallgemeinerungen (da hast Du Deine Induktion 🙂 ) auf Basis von empirischen Daten gemäß dem Wechselspiel von Beobachtung/Experiment einerseits und Theoriebildung andererseits.
 
Diese Hypothesen akzeptieren wir (bei hinreichend guter Datenlage) als vorläufiges, revidierbares Wissen. 
 
Die Probleme, die Du beschreibst, existieren hier schlicht nicht.

 

 

On 9/30/2025 at 3:17 AM, iskander said:

Ich sehe persönlich generell nicht, warum eine skeptische Philosophie, die sich auf philosophische Argumente stützt, weniger philosophisch wäre als eine "positive" Philosophie.

 

Ich zweifle daran, dass wir vom selben sprechen.

 

 

On 9/30/2025 at 3:17 AM, iskander said:

(Apropos Popper: Dessen Kritik an der Induktion wird wiederum von Elias heftig kritisiert. Popper würde die Induktion aus philosophischen Gründen ablehnen, anstatt darauf zu schauen, wie die Wissenschaften tatsächlich arbeiten. Würde man sich die tatsächliche Arbeitsweise der empirischen Wissenschaften ansehen, so würde man vermutlich zum Ergebnis kommen, dass diese auch induktiv vorgehen. Da Du im Grunde ähnlich zu argumentieren scheinst wie Popper, hätte Elias auch Dich kritisiert. Was dem einen als Minimal-Philosophie gilt, ist für den anderen ein Symbol für eine sich selbst übernehmende Philosophie. ;) )

 

Von der genannten Kritik fühle ich mich nicht getroffen, denn was ich bezüglich der philosophischen Induktion ablehne, sind logische Fehler und Letztbegründungen. 
 
Erstere gelten auch in den empirischen Wissenschaften als Fehler und letztere haben dort ohnehin nichts verloren.  

 

Zu Popper kann ich nicht viel sagen.

 

 

On 9/30/2025 at 3:17 AM, iskander said:

Ich sehe persönlich generell nicht, warum eine skeptische Philosophie, die sich auf philosophische Argumente stützt, weniger philosophisch wäre als eine "positive" Philosophie. Schließlich nimmt man auch eine Position zu philosophischen Fragen ein und stützt sich dabei auf philosophische Überlegungen. Die passendere Analogie wäre daher m.E. auch nicht die zwischen Religion und Religionskritik, sondern wenn schon die zwischen (reiner) Religionskritik und Religionswissenschaft. 

 

Eher Religionskritik und Theologie 🙂

 

Edited by KevinF
Posted (edited)
Am 1.10.2025 um 22:18 schrieb KevinF:

Das Induktionsproblem ist ein Spezialfall des Münchhausen-Trilemmas  und dieser Spezialfall ist imo unlösbar, Näheres hier.

 

Das Münchhausen-Trilemma argumentiert: 'Es kann keinerlei Wissen geben, denn jede unserer Aussage, wie immer sie auch lauten mag, ist vollkommen aus der Luft gegriffen.'

Deine Position lautet (wenn ich sie richtig verstehe): 'Es kann durchaus Wissen geben - aber die Aussage, dass induktive Schlüsse berechtigt sind, gehört eben nicht zu unserem Wissen.'

 

Das sind doch zwei sehr verschiedene Dinge. 😉 

 

Zitat

Du löst es ja auch nicht, sondern machst aus dem non-sequitur eine Prämisse, die Dir plausibel erscheint und brichst die Begründungskette ab.

 

Das erste: Nein, wie schon ausgeführt. Das zweite: Ja, ich berufe mich auf Plausibilität (bzw. Einsicht). Aber daran führt eh kein Weg vorbei. Es gibt kein Wissen, das nicht von einsichtigen und plausiblen Sachverhalten abhängt

Auch nicht in der Naturwissenschaft übrigens (selbst wenn man die Induktion mal ausklammert). Ob es beispielsweise in einem konkreten Fall vernünftig ist, eine Theorie als falsifiziert zu betrachten oder aber sie mit einer Ad-hoc-Annahme zu retten (Letzteres kann durchaus vorkommen und legitim sein), ist letztlich eine Frage der Plausibilität: Welche der beiden Optionen ist überzeugender?
 

Zitat

Das bedeutet, so interpretiere ich das, Deine Letztbegründung beruht auf einem subjektiven Gefühl der Evidenz. 

 

Nicht auf einem Gefühl, sondern auf einer tatsächlichen Einsicht. Wer diese Möglichkeit abstreitet, streitet jede Erkenntnismöglichkeit ab. Denn ohne etwas einzusehen bzw. etwas zu verstehen, können wir wie gesagt gar nichts wissen. Wir könnten nicht einmal zwischen einem guten und einem schlechten Argument unterscheiden. (Und das gilt auch für Argumente, die sich auf Empirie stützen.)

 

Du scheinst zu meinen, dass man ohne Letztbegründung etwas wissen könne. Das ist aber nicht der Fall: Wenn eine Aussage nicht letztbegründet ist, dann heißt das, dass es gar keinen rationalen Grund gibt, sie für wahr zu halten. Sie ist dann entweder eine bloße willkürliche Annahme, oder eine ungültig begründete. In beiden Fällen gibt es keinen rationalen Grund, sie für wahr zu halten oder zu sagen, dass sie "Wissen" zum Ausdruck bringt. Dann sind wir als Resultat beim extremen Skeptizismus. 

 

Ich formalisiere es einmal (sage mir bitte ggf., welche Prämisse(n) Du ablehnst):

 

1. Ohne Letztbegründung gibt es nur Aussagen, die wir entweder völlig aus der Luft gegriffen oder aber völlig ungültig begründet sind.

2. Wenn eine Aussage aber völlig aus der Luft gegriffen oder völlig ungültig begründet ist, dann ist sie nicht vernünftig begründet. 

3. Ohne Letztbegründung gibt es also keine Aussagen, für deren Korrektheit irgendein vernünftiger Grund sprechen würde. [Folgerung aus 1. und 2.]

4. Wenn aber absolut kein vernünftiger Grund dafür spricht, dass eine bestimmte Aussage (vermutlich) korrekt ist, dann wissen wir auch nicht, ob sie (vermutlich) korrekt ist. Und das heißt: Dann bringt die entsprechende Aussagen auch kein Wissen zum Ausdruck.

5. Ohne Letztbegründung gibt es also überhaupt keine Aussagen, die Wissen repräsentieren. (Oder anders gesagt: Ohne Letztbegründung haben wir überhaupt kein Wissen.) [Folgerung aus 3. und 4.]

 

Zitat

Du suchst eine metaphysische Wahrscheinlichkeit. 

 

Ich bin mir nicht sicher, was Du meinst. 

 

Zitat

Worauf sollte diese basieren? 


Wie schon ausgeführt basiert meine Rechtfertigung der Induktion auf einer Argumentation, die Einsicht bzw. Plausibilität voraussetzt - aber Einsicht und Plausibilität nehmen wir auf Schritt und Tritt in Anspruch, auch im Alltag und der Wissenschaft. (Zum Beispiel, wenn wir etwas sagen wie dies: 'Dies ist eine vernünftige und plausible Interpretation der Daten - jenes nicht.')

 

Zitat

Die Wahrscheinlichkeiten hingegen, die auf empirischen Daten beruhen, stehen in unseren physikalischen Theorien und den darauf aufbauenden Modellen: 

 

Ohne Induktion handelt es sich bei diesen Theorien aber - sobald sie etwas über jenen Bereich der Wirklichkeit aussagen, den wir (noch) nicht beobachtet haben - um reine Hypothesen, von denen wir nicht einmal eine Ahnung haben, ob sie korrekt sind. Und das gleiche gilt dann natürlich auch für alle entsprechenden Wahrscheinlichkeitsangaben innerhalb dieser Theorien. 

 

Zitat

Bei deterministischen Modellen ist die Wahrscheinlichkeit implizit 1 oder 0, bei indeterministischen ist sie explizit angegeben. 
Immer mit der gedachten Fußnote, dass die Modelle falsifizierbar sind. 
 
Du suchst nun eine Wahrscheinlichkeit für das Ereignis, dass unsere Wahrscheinlichkeitsangaben falsifiziert werden. 
Und zwar ohne dass diese neue Wahrscheinlichkeit etwas an den Wahrscheinlichkeitsangaben in unseren Modellen ändern soll. 
Das aber ist eine Aufgabenstellung, die keinen Sinn ergibt.


Ich in mir nicht sicher, wie Du das meinst. Ohne Induktion haben wir aber keinen Grund zur Annahme, dass unsere naturwissenschaftlichen Theorien wahrscheinlicher sind als extrem viele (unendliche viele?) alternative Hypothesen. Daher müssten wir die Wahrscheinlichkeit der entsprechenden Theorien (nahe) bei Null ansetzen.

Nun können aber Aussagen, die von einer Theorie abgeleitet werden, nicht wahrscheinlicher sein als die entsprechende Theorie selbst. Selbst wenn eine entsprechende Theorie also Aussagen impliziert, deren Wahrscheinlichkeit von der Theorie mit 1 bzw. 100% angegeben wird, blieben diese Aussagen dennoch extrem unwahrscheinlich. Wir hätte es hier mit folgenden, Fall zu tun: "Falls die Theorie T stimmt, ist die Aussage A sehr wahrscheinlich korrekt - wir haben aber nicht den geringsten Grund zur Annahme, dass Theorie T tatsächlich stimmt."

 

Zitat

In den empirischen Wissenschaften bilden wir falsifizierbare Hypothesen in Form von Verallgemeinerungen (da hast Du Deine Induktion 🙂 ) auf Basis von empirischen Daten gemäß dem Wechselspiel von Beobachtung/Experiment einerseits und Theoriebildung andererseits.

 

Ohne "echte" Induktion (also eine, die über bloß hypothetische Verallgemeinerungen hinausgeht), stellen die entsprechenden Theorien aber kein Wissen dar - nicht einmal im Sinne einer wahrscheinlichen Annäherung an das Ideal der "empirische Adäquatheit". Die Aussagen, dass Caesar wahrscheinlich eine Milz hatte und dass morgen wahrscheinlich die Sonne aufgeht, wären dann nur unberündbare Hypothesen und kein (Wahrscheinlichkeits-)Wissen.

 

Es ist aber noch gravierender. Jede Messung setzt die Induktion voraus. Zum einen gibt es Messungen, die man öfter wiederholen muss, um sich hinreichend sicher zu sein, dass das Ergebnis (wahrscheinlich) korrekt ist. Und ja, es gibt auch Messungen, die man nicht oder nur ganz selten wiederholen kann, und die dennoch als zuverlässig gelte. Aber auch dann benötigt man die Induktion , nämlich um das Messverfahren zu validieren ("bisher hat unser Messgerät immer so und so funktioniert - also funktioniert es jetzt gerade eben, da wir X messen, vermutlich auch so wie in der Vergangenheit").

 

Ohne Induktion hat man daher höchstens noch unbewiesene und unbegründbare Hypothesen darüber, was man gemessen hat. Dann hat man aber eben auch nur noch reine unergründbare Hypothesen dazu, ob man mit einer Messung nun eine Theorie falsifiziert hat oder nicht - und kein (wahrscheinliches) Wissen dazu. Dann aber hat man gar nichts mehr: Keine Verifikation und keine Falsifikation, sondern nur noch lauter Hypothesen, von denen wir keinen Dunst haben, ob sie korrekt sind. Unser Wissen - auch unser "wahrscheinliches" Wissen - wäre dann auf unsere direkte Beobachtung beschränkt (und genau genommen sähe es sogar noch prekärer aus). 

 

Zitat

Ich zweifle daran, dass wir vom selben sprechen.

 

Das weiß ich nicht. Nur sehe ich eben nicht, wieso die Überlegungen, die Du hier anstellst, weniger erkenntnistheoretisch und wissenschaftstheoretisch sein sollten (und also weniger mit Philosophie zu tun haben sollten) als andere entsprechende Überlegungen dazu, was das die grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen unseres (nicht allein) wissenschaftlichen Erkennens sind. 

 

Zitat

Von der genannten Kritik fühle ich mich nicht getroffen, denn was ich bezüglich der philosophischen Induktion ablehne, sind logische Fehler und Letztbegründungen. 

 

Eine Rechtfertigung der Induktion beruht nicht auf formal-logischen Fehlern, genausowenig wie eine Rechtfertigung der Letztbegründung. Vielmehr beruht beides auf inhaltlich-materialen Argumenten. Und entsprechend gehst Du dann ja auch nicht so vor, dass Du meine Argumente formalisierst, um in ihnen einen formalen Fehlschluss zu entdecken (sonst wäre es ja ganz einfach, sich zu einigen). Vielmehr argumentierst auch Du ebenfalls "inhaltlich-material". Beispielsweise berufst Du Dich auf das Münchhausen-Trilemma, welches ein philosophisches (skeptisches) Argument ist. 
 

Zitat

Erstere gelten auch in den empirischen Wissenschaften als Fehler und letztere haben dort ohnehin nichts verloren.  

 

Dass induktive Schlüsse in den Wissenschaften im allgemeinen als Fehler angesehen werden, würde ich bezweifeln. Die meisten Wissenschaftler würden wohl meinen, dass die Aussage, dass auch morgen noch (von der Erde aus betrachtet) die Sonne "aufgehen" wird, "Wissen" sei - kein absolut sicheres Wissen zwar, aber doch ein ziemlich sicheres Wissen. (Und nochmals: Ohne Berufung auf die Erfahrung bzw. ohne induktive Schlüsse haben wir eben keinerlei Grundlage für irgendwelche Behauptungen über die Zukunft, es sei denn solchen von extremer Allgemeinheit.)

 

Abgesehen davon ist die Frage, ob induktive Schlüsse Geltung haben, keine, die mit naturwissenschaftlichen Mitteln untersuchbar wäre, sondern sie gehört entschieden ins Feld der Philosophie. Man kann sich einer Antwort nur annähern, indem man untersucht, worauf induktive Schlüsse beruhen und ob es rationale Gründe für das induktive Verfahren gibt.

(Das streitet meines Wissens auch kein Wissenschaftler ab. Im Gegensatz sprechen Wissenschaftler, wenn sie über Induktion reden, oft explizit von "Wissenshafttheorie" oder erwähnen bzw. berufen sich auf Popper. Und kein Wissenschaftler hat wohl je eine empirisch-wissenschaftliche Lösung des Induktions-Problems vorgeschlagen.)

 

Und die Letztbegründung gehört thematisch natürlich nicht in die Naturwissenschaft - aber sie muss auch in der Wissenschaft andauernd in Anspruch genommen werden (ganz so wie etwa auch die formale Logik). Einfach weil Erkenntnis nicht in Behauptungen bestehen kann, die man völlig willkürlich aus der Luft greift. 

 

Zitat

Zu Popper kann ich nicht viel sagen.

 

Popper hat das Induktionsprinzip (einschließlich induktiver Wahrscheinlichkeitsschlüsse) entschieden kritisiert und gemeint, dass es weder gültig noch für die Wissenschaften notwendig sei. Stattdessen hat er versucht, einen alternativen Entwurf der Wissenschaften zu skizzieren, der, soweit ich es sehe, grundsätzlich nach den selben Prinzipien zu funktionieren dürfte, die auch Du vertrittst.

Auch seine Argumente gegen die Induktion scheinen, wenn ich Dich richtig verstehe, im Wesentlichen den Deinen zu entsprechen. Ich fasse seine Überlegungen einmal so zusammen:

 

- Induktive Schlüsse sind, wie Popper feststellt, von sich aus weder im deduktiv-logischen Sinne gültig; man bräuchte also ein Induktions-Prinzip, um sie in eine logisch akzeptable Form zu bringen.

- Ein solches Induktionsprinzip kann aber nicht empirisch-induktiv gerechtfertigt werden (denn dazu bräuchte man seinerseits ja bereits induktive Schlüsse). 

- Popper diskutiert auch noch eine andere Möglichkeit, induktive Schlüsse zu begründen: Ein bestimmte apriorische Rechtfertigung durch Kant - doch verwirft Popper diese Möglichkeit (m.E. zurecht). 

 

Doch lassen wir Popper (Logik der Forschung) selbst zu Worte kommen:

 

"Man kann das Induktionsploblem auch als die Frage nach der Geltung der allgemeinen Erfahrungssatze, der empirisch-wissenschaftlichen Hypothesen und Theoriensysteme, formulieren. Denn diese Satze sollen ja "auf Grund von Erfahrung gelten"; Erfahrungen (Beobachtungen, Ergebnisse von Experimenten) können wir aber vorerst nur in besonderen Sätzen aussprechen. [...]
Versucht man, die induktiven Schlüsse in irgendeiner Weise zu rechtfertigen, so muß man ein
"Induktionsprinzip" aufstellen, d. h. einen Satz, der gestattet, induktive Schlüsse in eine logisch zulängliche Form zu bringen. [...] 

Ein solches Induktionsprinzip kann keine logische Tautologie, kein analytischer Satz sein: Gäbe es ein tautologisches Induktionsprinzip, so gäbe es ja gar kein Induktionsproblem, denn die induktiven Schlüsse wären dann, genau wie andere logische (deduktive) Schlüsse, tautologische Umformungen. Das Induktionsprinzip muß demnach ein synthetischer Satz sein, ein Satz, dessen Negation nicht kontradiktorisch ([sondern] logisch möglich) ist: man muß also fragen, welche Gründe dafür sprechen, ein solches Prinzip aufzustellen, d. h. wie es wissenschaftlich gerechtfertigt werden kann. [...]
Das Induktionsprinzip kann natürlich nur ein allgemeiner Satz sein; versucht man, es als einen "empirisch gültigen" Satz aufzufassen, so tauchen sofort dieselben Fragen nochmals auf, die zu seiner Einführung Anlaß gegeben haben. Wir müßten ja, um das Induktionsprinzip zu rechtfertigen, induktive Schlüsse anwenden, für die wir also ein Induktionsprinzip höherer Ordnung voraussetzen müßten usw. Eine empirische Auffassung des Induktionsprinzips scheitert also daran, daß sie zu einem unendlichen Regreß führt.
Einen gewaltsamen Ausweg aus dieser Schwierigkeit hat KANT dadurch versucht, daß er das Induktionsprinzip (in Form eines "Kausalprinzips") als "a priori gültig" betrachtete; sein geistvoller Versuch, synthetische Urteile a priori zu begründen, ist jedoch nicht geglückt.
Die angedeuteten Schwierigkeiten der Induktionslogik sind, wie wir glauben, unüberwindlich; und zwar auch für die heute wohl meistens vertretene Auffassung, daß induktive Schlüsse zwar nicht "strenge Gültigkeit", aber doch einen gewissen Grad von "Sicherheit" oder "Wahrscheinlichkeit" vermitteln. [...]

[D]ie besprochenen Schwierigkeiten werden nämlich durch Berufung auf die "Wahrscheinlichkeit" nicht berührt. Denn wenn man den induzierten Sätzen einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit zuschreibt, muß man sich wieder auf ein - entsprechend modifiziertes - Induktionsprinzip berufen und dieses seinerseits wieder rechtfertigen. Und wenn man das Induktionsprinzip selbst nicht als "wahr", sondern als bloß "wahrscheinlich" hinstellt, ändert sich darin nichts: Ebenso wie jede andere Form der Induktionslogik führt auch die "Wahrscheinlichkeitslogik" entweder zu einem unendlichen Regreß oder zum Apriorismus."

 

(Es wird hier m.E. deutlich, was ich bereits angemerkt habe: Dass die Frage, ob eine Rechtfertigung induktiver Schlüsse möglich ist, kein rein formal-logisches Problem darstellt; dass man hier vielmehr verschiedene potentielle Begründungsversuche zu betrachten und zu bewerten hat, was eben auf eine philosophische Analyse hinausläuft.)

 

Norbert Elias nun kritisiert Popper und seine Ablehnung der Induktion nun deutlich, ohne jedoch weiter auf seine eigentlichen Argumente einzugehen:

 

"Für einen Soziolo­gen, der sich mit den Wissenschaften befaßt, wäre es eine durchaus lösbare und in der Tat eine not­wendige Aufgabe zu bestimmen, ob zum Beispiel die  physikalischen  Wissenschaften  induktiv  oder deduktiv  verfahren.  Wenn  eine  solche  Untersu­chung durchgeführt würde, käme man aller Wahr­scheinlichkeit nach zu dem Ergebnis, daß de facto beide Operationen eine Rolle spielen und im Lauf eines wissenschaftlichen Prozesses nicht voneinan­der zu  trennen  sind.  Popper  hingegen,  wenn  ich ihn recht verstehe, geht es nicht um die Frage, wie Wissenschaftler tatsächlich verfahren, sondern dar­um,  wie  sie  verfahren sollen.  Dementsprechend betrachtet  er  es  als  sein  Recht,  wie  er  sich  aus­drückt,  das  Induktionsprinzip  zu  „verwerfen“. Nach  seiner  Ansicht  ist  die  Tatsachenfrage, ob Wissenschaftler in ihren realen Forschungen zu­weilen induktiv Vorgehen oder nicht, philosophisch ohne Belang. Um seine eigenen Worte zu zitieren:

„Und  nicht  aus  dem  Grund  verwerfen  wir  es  [sc.  das Induktionsprinzip], weil in der Wissenschaft ein solches Prinzip tatsächlich nicht angewendet wird, sondern weil wir seine Einführung für überflüssig, unzweckmäßig, ja, für widerspruchsvoll halten“ (ebd.).

Man trifft hier sofort auf den Kern des Problems. Ein  Soziologe,  der  sich  die  Aufgabe  stellt,  das reale  Vorgehen  von  Wissenschaftlern  zu  erfor­schen, und der versucht, ein theoretisches Modell eines  solchen  Vorgehens  zu  entwerfen,  ist  durch die  von  ihm  entdeckten  Belege  gebunden.  Ein Wissenschaftsphilosoph  ist  es  offenbar  nicht. Er kann, was er als Faktum vorfindet, verwerfen und nach eigenem Gutdünken beschließen, wie er ein philosophisches Modell der Wissenschaften aufbauen will."

https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zfsoz-1985-0201/html

 

Was im Zitat bereits anklingt, wird noch deutlicher, wenn man den Rest des Textes und den Folgeartikel (mit dem Untertitel "Beitrag zu einer Diskussion mit wirklichkeitsblinden Philosophen") liest: Elias sieht das von ihm beschriebene philosophische Vorgehen (so wie er es interpretiert) sehr kritisch. Poppers wissenschaftstheoretische Herangehensweise ist für ihn "Metaphysik" - und das ist nicht positiv gemeint. Er glaubt zudem, dass die Philosophie sich in ihrem Umgang mit den Wissenschaften die Position eines "Gesetzgebers", "Richters" und "Gesetzeshüters" anmaße. Und für diesen Vorwurf - sowie auch für die vermeintliche Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Philosophie, der Wirklichkeit gerecht zu werden - betrachtet er eben augenscheinlich die Ablehnung der Induktion durch Popper als paradigmatisch.

 

Ich schreibe das deshalb, weil ich es irgendwie ironisch finde, dass das, was Du selbst als eine "Minimal-Philosophie" betrachtest, welche sich zurücknimmt und den Wissenschaften allen Raum lässt, von einem Denker, dem @Marcellinus nahesteht, offenbar als Epitom einer Art von Philosophie bzw. von "Metaphysik" verstanden wird, die nicht nur nach "Gutdünken" über die reale Arbeitsweise der Wissenschaften hinweggeht, sondern die gegenüber der Wissenschaft auch noch in der Rolle eines "Gesetzgebers", "Richters" und "Gesetzeshüters" auftritt. ;)

 

Zitat

Eher Religionskritik und Theologie 🙂

 

Oder - was in die gleiche Richtung ginge - vielleicht Religionskritik und religiöse Apologetik? 🙂

 

Edited by iskander
Posted (edited)
On 10/24/2025 at 5:59 PM, iskander said:

Deine Position lautet (wenn ich sie richtig verstehe): 'Es kann durchaus Wissen geben - aber die Aussage, dass induktive Schlüsse berechtigt sind, gehört eben nicht zu unserem Wissen.'

 

Das ist Dein Sprachspiel, nicht meines. 
Für mich sind "induktive Schlüsse" wie gesagt entweder grobe logische Fehler oder deduktive Schlüsse mit nicht explizit gemachten Prämissen. 
 
Und was Prämissen angeht, so akzeptiere ich jedenfalls empirische Daten als Basis von  falsifizierbaren Hypothesen 
(was auch immer Elias kritisiert, ich fühle mich immer noch nicht angesprochen). 
 
Keine Letztbegründung, und damit keine Metaphysik, nötig. 
 
Ich verstehe ja, dass das aus Deiner Sicht ohne Letztbegründung kein Wissen ist. 
Da sich für alle praktischen Zwecke nichts ändert, scheint mir dieses Wissenskonzept allerdings eine ziemliche Kopfgeburt zu sein. 
 
An dem Wissen, das messbar ist, ändert sich jedenfalls nichts. 
Wie gesagt, wir spielen unterschiedliche Sprachspiele.

 

 

On 10/24/2025 at 5:59 PM, iskander said:

Nicht auf einem Gefühl, sondern auf einer tatsächlichen Einsicht.

 

Hast Du eigentlich berücksichtigt, dass man zwischen zwei beliebigen Punkten auf dem Zahlenstrahl überabzählbar unendlich viele weitere Punkte konstruieren kann? 
Nicht, dass ich behaupten würde, das würde der physikalischen Realität entsprechen. 
Aber es könnte Konsequenzen für Deinen Ansatz haben?

 

 

On 10/24/2025 at 5:59 PM, iskander said:

das, was Du selbst als eine "Minimal-Philosophie" betrachtest,

 

Dient hier nur der Überwindung der Metaphysik 🙂

 

 

Edited by KevinF
Posted
On 10/24/2025 at 5:59 PM, iskander said:

Oder - was in die gleiche Richtung ginge - vielleicht Religionskritik und religiöse Apologetik? 🙂

 

Ja.

Dieser Vergleich stört Dich nicht?

Posted (edited)
vor 2 Stunden schrieb KevinF:

Für mich sind "induktive Schlüsse" wie gesagt entweder grobe logische Fehler oder deduktive Schlüsse mit nicht explizit gemachten Prämissen. 

 

Das hatte ich nun aber ja durchaus mehrfach ähnlich gesagt, und zuletzt auch noch einmal bewusst die entsprechende Passage von Popper zitiert, in der er davon spricht, dass man für induktive Schlüsse "ein 'Induktionsprinzip' aufstellen [muß], d. h. einen Satz, der gestattet, induktive Schlüsse in eine logisch zulängliche Form zu bringen".

 

Das Induktionsprinzip wäre eben eine Prämisse wie "Wenn es bisher bei unzähligen Beobachtungen so war, wird es vermutlich auch bei der nächsten Beobachtung so sein." (Das wäre jetzt salopp gesprochen.) Damit kann man den konkreten induktiven Schluss in eine gültige deduktive Form bringen (sofern man dort Wahrscheinlichkeits-Aussagen zulässt).

 

Jedenfalls scheint es mir - wenn ich Dich nicht sehr missverstehe - klar, dass Du davon ausgehst, dass man nicht wissen könne, dass induktive Schlüsse berechtigt sind (weil man eben nicht wissen kann, dass ein Induktionsprinzip berechtigt ist), während Du durchaus der Meinung bist, dass es in anderen Fällen Wissen gibt. 

 

Zitat

(was auch immer Elias kritisiert, ich fühle mich immer noch nicht angesprochen). 

 

Deine Position scheint derjenigen von Popper doch sehr zu ähneln. Du scheinst das Induktionsprinzip - und mit ihm dann eben auch induktive Schlüsse - zu "verwerfen"; und zwar aus recht ähnlichen Gründen wie Popper. Und Du scheinst die grundsätzlich gleiche Art von wissenschaftstheoretische Alternative zu vertreten.

Ebenso wie Popper ist zudem auch für Dich offenbar die zentrale Überlegung wohl nicht, ob empirische Wissenschaftler faktisch induktive Schlüsse gebrauchen, sondern ob diese gerechtfertigt sind; und ob sie für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess sachlogisch betrachtet notwendig sind oder nicht. Du nimmst schließlich keine empirische Feldforschung dazu vor, wie Wissenschaftler tatsächlich verfahren (im Sinne von "500 Physiker arbeiten so, aber 300 anders"), sondern Du überlegst, welche Art von Vorgehensweise geeignet ist, Erkenntnisse zu gewinnen, und wie diese aussehen können und wo ihre Grenzen liegen. 

 

Elias kritisiert aber genau diese Art der Herangehensweise vehement (und bezeichnet sie als "Metaphysik"): Nach seiner Meinung sollte man einfach erforschen, wie Wissenschaftler tatsächlich arbeiten. 
 

Zitat

Ich verstehe ja, dass das aus Deiner Sicht ohne Letztbegründung kein Wissen ist. 
Da sich für alle praktischen Zwecke nichts ändert, scheint mir dieses Wissenskonzept allerdings eine ziemliche Kopfgeburt zu sein. 


 Nein, es ist der normale Standard-Begriff von Wissen, den ich zugrundelege. Du sprichst beispielsweise von "empirischen Daten", die Du hättest. Ohne Letztbegründung gilt aber das folgende für sämtliche Deiner Überzeugungen, die empirischen Daten betreffen:

 

- Alle diese Überzeugungen beruhen auf völlig willkürliche Annahmen - man könnte genauso gut das genaue Gegenteil annehmen.

- Alle Deiner Überzeugungen beruhen auf völlig ungültigen, komplett wertlosen Begründungen - womit sie eben auch völlig willkürlich sind. 

 

Überzeugungen solcher Art wären dann reine Spekulationen und kein Wissen - und das auch bzw. gerade im Hinblick auf den üblichen, allgemein akzeptierten Wissensbegriff. 

 

Dass es hingegen tatsächlich Überzeugungen zu empirischen Daten gibt, die Wissen darstellen (was ich ja sofort unterschreiben würde), liegt daran, dass diese Überzeugungen nicht völlig willkürlich sind, sondern dass es für sie einen guten Grund gibt - wobei dieser Grund dann letztlich in Sinneserfahrungen und den mit ihnen zusammenspielenden Einsichten und Erinnerungen beruht.

 

Zitat

Keine Letztbegründung, und damit keine Metaphysik, nötig.

 

Wie ich schon dargelegt habe: Keine Letzbegründung, kein Wissen. Ich kann mich hier nur wiederholen: 

 

"Ich formalisiere es einmal (sage mir bitte ggf., welche Prämisse(n) Du ablehnst):

 

1. Ohne Letztbegründung gibt es nur Aussagen, die wir entweder völlig aus der Luft gegriffen oder aber völlig ungültig begründet sind.

2. Wenn eine Aussage aber völlig aus der Luft gegriffen oder völlig ungültig begründet ist, dann ist sie nicht vernünftig begründet. 

3. Ohne Letztbegründung gibt es also keine Aussagen, für deren Korrektheit irgendein vernünftiger Grund sprechen würde. [Folgerung aus 1. und 2.]

4. Wenn aber absolut kein vernünftiger Grund dafür spricht, dass eine bestimmte Aussage (vermutlich) korrekt ist, dann wissen wir auch nicht, ob sie (vermutlich) korrekt ist. Und das heißt: Dann bringt die entsprechende Aussagen auch kein Wissen zum Ausdruck.

5. Ohne Letztbegründung gibt es also überhaupt keine Aussagen, die Wissen repräsentieren. (Oder anders gesagt: Ohne Letztbegründung haben wir überhaupt kein Wissen.) [Folgerung aus 3. und 4.]" 

 

Zitat

An dem Wissen, das messbar ist, ändert sich jedenfalls nichts. 

 

Wenn man sagt, dass es absolut keinen rationalen Grund gibt, der für die Überzeugung sprechen würde, dass die Messung M korrekt ist - oder dass man überhaupt auch nur eine Messung M durchgeführt hat! - dann ändert das so ziemlich alles. 😉

 

Ein weiteres Problem - das nicht ganz so gravierend ist, aber gravierend genug - betrifft die Induktion: Ohne Induktion kann man kein Messverfahren validieren - und ohne validiertes Messverfahren weiß man nicht, was man gemessen hat; und ohne Messungen keine Wissenschaft, auch keine "falsifikationistische".

 

Zitat

Hast Du eigentlich berücksichtigt, dass man zwischen zwei beliebigen Punkten auf dem Zahlenstrahl überabzählbar unendlich viele weitere Punkte konstruieren kann? 
Nicht, dass ich behaupten würde, das würde der physikalischen Realität entsprechen. 
Aber es könnte Konsequenzen für Deinen Ansatz haben?

 

Den Gedanken hatte ich auch schon, aber ich würde bezweifeln, dass Abzählbarkeit oder Überabzählbarkeit hier eine Rolle spielt. Wenn man aus einem "Abschnitt" aus den reellen Zahlen (sagen zwischen Null und Zehntausend) nach dem Zufallsprinzip einen Punkt auswählt, wäre es doch sehr unwahrscheinlich, dass der nun ganz nah bei Null oder Zehntausend liegt (sagen wir innerhalb eines Bereichs von 0 bis 0,1 oder von 9.999,9 bis 10.000). Und dies, obwohl wir hier Überabzählbarkeit hätten. Ähnlich sieht es aus, wenn man auf einer extrem langen Strecke nach dem Zufallsprinzip irgendwo ein winziges Objekt platziert. 
 

Zitat

 

Dient hier nur der Überwindung der Metaphysik 🙂

 

 

Wird aber in der Praxis immerhin ähnlich "metaphysisch" sein müssen wie die entsprechenden Überlegungen Poppers. ;) Und hier gehören dann eben beispielsweise auch Rechtfertigungen gegenüber Einwänden hinzu, wie Popper sie formuliert hat. 

 

vor 2 Stunden schrieb KevinF:

Dieser Vergleich stört Dich nicht?

 

Der Vergleich ist gewiss nicht perfekt. Aber er passt doch immerhin deutlich besser als Religion und Religionskritik. Denn Apologetik und Religionskritik sind beides argumentativ vorgehende Unternehmungen. Religion hingegen wäre der Versuch, eine Beziehung mit der Gottheit zu pflegen (vereinfacht formuliert). Religion wäre also sozusagen eine völlig andere Sportart, und sie würde auf einem ganz anderen Feld spielen. 

 

Edited by iskander
Posted
23 hours ago, iskander said:

Den Gedanken hatte ich auch schon, aber ich würde bezweifeln, dass Abzählbarkeit oder Überabzählbarkeit hier eine Rolle spielt. Wenn man aus einem "Abschnitt" aus den reellen Zahlen (sagen zwischen Null und Zehntausend) nach dem Zufallsprinzip einen Punkt auswählt, wäre es doch sehr unwahrscheinlich, dass der nun ganz nah bei Null oder Zehntausend liegt (sagen wir innerhalb eines Bereichs von 0 bis 0,1 oder von 9.999,9 bis 10.000). Und dies, obwohl wir hier Überabzählbarkeit hätten. Ähnlich sieht es aus, wenn man auf einer extrem langen Strecke nach dem Zufallsprinzip irgendwo ein winziges Objekt platziert. 

 

Zufallsgeneratoren arbeiten allerdings mit einem diskreten Wertebereich. 
Im Bereich der reinen Mathematik müsste man sich hingegen vermutlich erst einmal überlegen, mit welchen Axiomen man arbeiten möchte (Kontinuumshypothese? Auswahlaxiom?)? 
Oder vielleicht wäre für unsere Zwecke auch schon einfache Integralrechnung ausreichend um Zenons Fehler mit der Schildkröte zu vermeiden? 
 
Aber so oder so, ich wüsste nicht, wie da am Ende eine Erkenntnis über die physikalische Realität herauskommen sollte.

 

 

23 hours ago, iskander said:

Deine Position scheint derjenigen von Popper doch sehr zu ähneln. Du scheinst das Induktionsprinzip - und mit ihm dann eben auch induktive Schlüsse - zu "verwerfen"; und zwar aus recht ähnlichen Gründen wie Popper. Und Du scheinst die grundsätzlich gleiche Art von wissenschaftstheoretische Alternative zu vertreten.

Ebenso wie Popper ist zudem auch für Dich offenbar die zentrale Überlegung wohl nicht, ob empirische Wissenschaftler faktisch induktive Schlüsse gebrauchen, sondern ob diese gerechtfertigt sind; und ob sie für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess sachlogisch betrachtet notwendig sind oder nicht. Du nimmst schließlich keine empirische Feldforschung dazu vor, wie Wissenschaftler tatsächlich verfahren (im Sinne von "500 Physiker arbeiten so, aber 300 anders"), sondern Du überlegst, welche Art von Vorgehensweise geeignet ist, Erkenntnisse zu gewinnen, und wie diese aussehen können und wo ihre Grenzen liegen. 

 

Elias kritisiert aber genau diese Art der Herangehensweise vehement (und bezeichnet sie als "Metaphysik"): Nach seiner Meinung sollte man einfach erforschen, wie Wissenschaftler tatsächlich arbeiten. 

 

Noch einmal: Ich prüfe Prämissen und Schlussfolgerungen. 
 
Wer tut das nicht? 
 
Wo lehne ich Prämissen ab, die in den empirischen Wissenschaften allgemein akzeptiert werden? 
Wo lege ich Maßstäbe an die empirischen Wissenschaften an, die nicht allgemein akzeptiert sind? 
 
Was ich kritisiere, ist die Behauptung der Notwendigkeit einer Letztbegründung der empirischen Wissenschaften. 
 
Und diese Behauptung kommt aus der philosophischen Schule des reinen Rationalismus, nicht aus den empirischen Wissenschaften.

 

23 hours ago, iskander said:

 Nein, es ist der normale Standard-Begriff von Wissen, den ich zugrundelege.

 

 

Was meinst Du, wie oft ich dem Durchschnittsbürger eine korrekte physikalische Vorhersage machen muss, bevor er anerkennt, dass ich über ein entsprechendes Wissen verfüge? 
 
Du hingegen würdest, wenn ich Dich richtig verstehe, auch nach einer Milliarde korrekter Vorhersagen immer noch auf eine Letztbegründung bestehen. 
 
Das einzige, was die Letztbegründung real ändert, ist doch, dass der Philosoph, der sie vertritt, aufhört, sich zu weigern, die Realität anzuerkennen? 
 
Oder vielleicht nicht ganz: 
 
Wo Du zweifellos recht hast, ist, dass ich kein absolutes Wissenskonzept vertrete: 
 
Wissen wir, dass die Naturgesetze auch morgen (wahrscheinlich) noch gelten? 
 
Im absoluten Sinne wissen wir es nicht. 
 
Es handelt sich um eine vorläufige, falsifizierbare Hypothese auf Basis von empirischen Daten, die gilt, solange sie nicht falsifiziert ist. 
Es gelten unsere bewährten deterministischen und indeterministischen physikalischen Modelle (mit den dort angegebenen Wahrscheinlichkeiten) solange bis sie falsifiziert sind. 
 
Wie gesagt, unterschiedliche Sprachspiele 
(Dementsprechend lehne ich bereits die erste Prämisse Deines Formalisierungsversuchs ab). 
 
Aber wir drehen uns im Kreis. 
 
Einigen wir uns darauf, dass wir uns nicht einig sind?

Posted

Für mich ist die Diskussion hier dann auch zu Ende @iskander

 

Sie dreht sich, zumindest zu wesentlichen Teilen, ja auch schon seit einer Weile im Kreis.
Und ich habe nun wirklich genug Zeit für dieses Thema aufgewandt.

 

Dies nur als Info vorab, falls Du vorhast, mit einem längeren Beitrag zu antworten.

 

Posted (edited)

  

Auf den folgenden Beitrag von Dir (siehe hier) antworte ich mal hier.

 

vor 3 Stunden schrieb KevinF:

Deine Frage war sinngemäß, woher wir eigentlich wissen, dass die Naturgesetze morgen auch noch gelten.  

 

Meine Antwort war, dass es sich um eine falsifizierbare Hypothese auf Basis von empirischen Daten handelt. 
Also um vorläufiges, revidierbares Wissen.

 

Es gibt es doch nur zwei Möglichkeiten:

 

- Die empirischen Daten sind absolut keine Basis für irgendetwas. Sie erlauben keinerlei auch noch so vorsichtige Schlüsse darauf, wie die Welt morgen aussehen könnte. In diesem Fall stellt die Aussage, dass die Naturgesetze auch morgen gelten, gemäß der üblichen Begrifflichkeit kein (vorläufiges) Wissen dar, sondern sie wäre eine vollkommen unbegründete Spekulation. Es stünde um sie nicht besser als um eine x-beliebige andere noch nicht falsifizierte Hypothese, für welche es nicht den allergeringsten Anhaltspunkt gibt.

- Oder die empirischen Daten lassen eben doch zumindest den ganz vorsichtigen Schluss dazu, dass die Naturgesetze vielleicht auch noch morgen gelten könnten. Die Daten stellen doch zumindest einen gewissen Anhaltspunkt dar. Dann aber hat man es eben auch mit einem induktiven Schluss zu tun, weil man dann ja doch eine Verbindung zwischen den empirischen Daten und der Zukunft hergestellt hat.

 

Man kann schlecht beides haben: "Die Daten sind vollkommen wertlos" und "Die Daten begründen wenigstens ein vorläufiges Wissen, das immerhin ein bisschen mehr ist als eine komplett aus der Luft gegriffene Behauptung". Entweder - oder. ;) 

 

Zitat


Das ist für Dich aber überhaupt kein Wissen, sondern Du suchst absolute Sicherheit, dass die Naturgesetze morgen (wahrscheinlich) auch noch gelten. 

 

Eine absolute Sicherheit, dass etwas wahrscheinlich der Fall ist? Wenn ich mit absoluter Sicherheit weiß, dass Ereignis X mit einer Wahrscheinlichkeit von 81% eintritt, dann weiß ich es doch auch so sicher, wie wenn ich mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 90% weiß, dass Ereignis X mit 90%-iger Wahrscheinlichkeit eintritt (ebenfalls 81%). 

 

Ich habe kein Problem damit, dass wir nur mit Wahrscheinlichkeit wissen, dass etwas wahrscheinlich ist. Und dass dies wiederum nur mit Wahrscheinlichkeit gewusst wird. Ich bezweifle allerdings, dass man eine unendliche Kette von solchen Wahrscheinlichkeiten bilden kann ("Es ist wahrscheinlich, dass es wahrscheinlich ist, dass es wahrscheinlich ist .... ad infinitum"), ohne dass man dann alles aufhebt. 
 

Zitat

Und findest sie in einem philosophischen a priori. 
 
Kannst Du ja machen, nur ist das eben subjektiv, nicht objektiv. 
 
Und kann daher nicht die Grundlage der empirischen Wissenschaften sein. 

 

Kannst Du mir dann sagen, auf welcher Grundlage Du von der Geltung logische Gesetze ausgehst oder davon, dass ein komplett weißer Schwan nicht schwarz sein kann (was keine logisch-analytische Aussage ist) - wenn nicht auf der von Einsichten? Oder auch nur: Auf welcher Grundlage kommt man zu der gerechtfertigten Überzeugung, dass es im vorliegenden Fall vernünftiger ist, eine Theorie durch eine Ad-Hoc-Erklärung zu retten anstatt sie als falsifiziert aufzugeben (oder umgekehrt) - wenn nicht deshalb, weil es bei Betrachtung aller relevanten Tatsachen die plausiblere Entscheidung ist?

 

Wenn alles, was mit Einsicht oder Plausibilität zu tun hat, "subjektiv" im Sinne von "reine Meinung" ist, dann gute Nacht - auch für die Wissenschaft! ;)

 

Edited by iskander

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