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Ignatianische Mystik


Christoph Overkott

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Christoph Overkott

Ignatianische Mystik

 

Mit seinem Ausspruch: „Gott suchen und finden in allen Dingen!“ hat Ignatius von Loyola (+1556) diese neue Spiritualität vertieft und uns eine Vielzahl von Übungen an die Hand gegeben, wie wir in eine solche integrative Grundhaltung hinein wachsen können. Das Begriffspaar „actio“ und „contemplatio“ findet sich gar nicht mehr in seinem Wortschatz. „Der (...) mit Gott Vereinte kann sich ganz seiner Arbeit hingeben, in aller Arbeit aber bliebe er bei Gott, denn auch in allem Tun „fand“ er ihn. Die Gottesvereinigung und der Dienst des Alltags sind bei ihm eins geworden.“

 

Das ausdrückliche Gebetsleben ist notwendig, aber es ist nicht mehr Selbstzweck des christlichen Lebens. Gebet ist „exercitium“, Einübung in jene schauende Grundhaltung, die nicht auf die Gebetszeit des Christen beschränkt ist, sondern die sein ganzes aktives Leben ausfüllt. Die persönliche Vollkommenheit sucht Ignatius nicht mehr in der Leistung möglichst vieler formeller Gebetspflichten, sondern in der liebenden Ausrichtung seines ganzen Tuns auf Gott. Die Aktion ist ein Tun, das um Gottes willen übernommen, auf hin ausgerichtet und für ihn vollbracht ist.

 

Für Ignatius geht es um eine kontemplative Grundhaltung des Menschen, in der er den Dingen und Menschen in seinem Leben begegnet, die sein ganzes Leben durchdringt. Er hielt es geradezu für eine Unvollkommenheit, wenn sich jemand nur durch lange Gebetszeiten mit Gott verbinden konnte.

 

Sein Ideal ist, dass das ganze Leben so auf Gott hingeordnet ist, dass es auch durch den tätigen Umgang mit den Menschen und Dingen nicht aus dieser Einheit mit IHM herausfallen kann. Mehr noch: dass die geschaffenen Menschen und Dinge zur Berührung mit Gott selbst – zum Gebet werden.

 

V. Görnert

bearbeitet von Christoph Overkott
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Christoph Overkott

Ich glaube, zum Einssein gehört auch die Differenzerfahrung. Denn ohne Differenzerfahrung kann es sein, dass man seinen Dienst des Alltags für die einzig mögliche Gottesvereinigung hält. Das trüge die Gefahr eines identitären Irrtums und einer chiliastischen Ideologie in sich.

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Ich glaube, zum Einssein gehört auch die Differenzerfahrung. Denn ohne Differenzerfahrung kann es sein, dass man seinen Dienst des Alltags für die einzig mögliche Gottesvereinigung hält. Das trüge die Gefahr eines identitären Irrtums und einer chiliastischen Ideologie in sich.

Lieber Christoph,

 

meinst Du nicht etwa die "geistige Indifferenz" Ignatius? Sehr wohl ist das eine sehr kostbare und tiefe praktische Mystik, die wir bei Ignatius finden. Der Begriff der geistigen Indifferenz aber meint nicht Gott in allen Dingen zu finden, sondern das Herz nicht an den Dingen dran zu hängen, als ob sie Gott oder der Sinn des Lebens wären.

 

[*] Das Priestertum ist etwas Gutes.

[*] Heiraten ist etwas Gutes.

 

Welcher Weg ist aber für mich der richtige?

 

Um das herauszufinden, brauche ich geistige Indifferenz, d.h. ich muß nicht glauben, wenn ich nicht Priester geworden bin, dann sei mein Leben gescheitert. Oder ich muß nicht eine Frau oder eine Person sosehr idealisieren, daß man ohne diese Person nicht leben kann. Klar ist es schwierig, wenn man sich verliebt hat, aber Gott schenkt auch die Kraft, die Lage zu überstehen, wenns eben halt nicht klappt.

 

Geistige Indifferenz meint sodann "engagierte Distanziertheit". Man verfolgt also einen Weg und bestimmte Ziele im Leben, aber man ist offen dafür, daß Gott einem etwas anderes zeigt, wohin er einen führen will.

 

Grüße, Carlos

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Christoph Overkott

Die Differenzerfahrung besagt: Ich bin nicht Gott, meine Liebe ist unvollkommen. Daraus erwächst das, was du geistige Indifferenz nennst: Die Offenheit anderen Berufungen und Berufen gegenüber und die Gewissheit, dass das Ende der Geschichte Gottes mit uns offen ist.

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Hallo Christopf,

 

ich hatte mich bisher nie sonderlich mit Ignatius beschäftigt. Theoretisch klingt das sehr gut. Wie kommt es, dass die Jesuiten dann einen ganz anderen "Ruf" haben. (besonders in Jesuiten-Witzen kommt das ganz gut zum Ausdruck).

 

Herzliche Grüße

Martin

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Christoph Overkott

Ein Franziskaner kommt zum Himmel, klopft bescheiden an und wird unauffällig hineingelassen. Nach einiger Zeit bemerkt er eine aufgeregte Geschäftigkeit. Blumen werden herbeigerückt, ein roter Teppich ausgerollt, alle Kerzen angezündet. Er erkundigt sich, was das bedeute, und erfährt, man erwarte einen Jesuiten. Das versteht er nicht, und er fragt bei Petrus, ob denn im Himmel nicht Gerechtigkeit ohne Bevorzugung herrsche, wieso man also bei einem Jesuiten so viel Aufhebens mache, während man seinen Eintritt kaum beachtet habe. Er erhält die Antwort: "Weißt du, Franziskaner treffen hier fast jede Woche ein, aber du ahnst nicht, wie lange es her ist, dass wir bei uns einen Jesuiten begrüßen konnten."

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Christoph Overkott

Ja, unser Albert.

 

Die schönste Geschichte von ihm ist, wie er als Prediger und Kollektensammler unter die Kreuzfahrer gegangen ist.

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Christoph Overkott

Aber zur Sache. Auch Albert Keller ist ein typischer Vertreter ignatianischer Mystik. Gottes- und Nächstenliebe sind für ihn eins:

 

"Ein Christ kann und soll sich für sein Verständnis von Liebe auf das Wort und Beispiel Jesu berufen. Der sagte: "Liebt einander, wie ich euch geliebt habe! Es gibt keine größere Liebe als die, wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde" (Joh 15, 12 f.). Und er hat mit seinem Tun dieses Wort noch überboten, da er auch noch für seine Feinde gestorben ist und sie so zu seinen Freunden machte.

 

Darauf weist Paulus im Römerbrief hin, wo er schreibt: "Schwerlich wird jemand für einen Gerechten sterben; allenfalls wird er für einen guten Menschen sein Leben wagen. Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren" (Röm 5, 7 f.).

 

Allerdings versteht Jesus unter der Hingabe des Lebens nicht als erstes, dass man für einen anderen stirbt, sondern dass man für ihn lebt, dass man nämlich bereit ist, dem andern zu dienen bis dahin, dass man alltäglich sein Leben für ihn einsetzt und aufbraucht: "Wer unter euch groß sein will, soll bei euch Diener sein, und wer bei euch Erster sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele" (Mk 10,43-45).

 

Allerdings wäre diese Botschaft, sich selbst aufzubrauchen für andere, unmenschlich - weil man sich selbst nämlich darin zum Mittel machte, und sei es zu dem besten Zweck, anderen zu helfen -, wenn er nicht auch garantieren würde mit seinem Wort und seiner Auferstehung: "Wer sein Leben um meintwillen verliert, wird es retten" (Lk 9, 24).

 

"Das also", könnte der Vorschlag des Christen lauten, "verstehe ich unter Liebe sein ganzes Leben ohne Rast und Rückhalt einzusetzen für andere, ihnen dienend im Wissen, dass gerade darin auch der Sinn und die Erfüllung des eigenen Lebens besteht."

 

Diese Liebe aber kann nicht in dem Sinn vervielfältigt werden, dass ich mit einer Liebe dies und mit einer anderen jenes liebte, denn sie verlangt das Herz ganz. Man kann nicht dem Kaiser das eine geben und Gott den Rest. Deshalb habe ich auch nicht eine Liebe für die Menschen zur Verfügung und eine andere für Gott. Das heißt aber nicht, dass ich mich für eine Seite entscheiden müsste, und zwar einfach deshalb, weil Gott nicht auf einer Seite steht, sondern umfassend hinter allem."

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Christoph Overkott

Kardinal Kasper aber geht noch ein Stück weiter und reflektiert unter Berufung auf Dietrich Bonhoeffer Wort und Beispiel Jesu im johanneischen Sinn ontologisch noch tiefer als Keller, wenn er schreibt:

 

"Jesus ist der Mitmensch schlechthin", er ist "der Mensch für andere Menschen. Sein Wesen ist Hingabe und Liebe."

 

(D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, 205; W. Kasper, Jesus der Christus, 256 f.)

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Christoph Overkott

In einem Abriss der katholischen Theologie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert hilft Ratzinger die Auseinandersetzung um die Dogmatik Hasenhüttls tiefer zu verstehen, wenn er schreibt:

 

"Ein entscheidender Ansatz, der für den gesamten Weg der katholischen Theologie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil prägend wurde, liegt in dem Disput um die sogenannten Dualismen der Theologie. Um ihr eigenes Objekt einzugrenzen und richtig zu formulieren, hatte die Theologie allmählich seit dem Ende der Väterzeit die Unterscheidung von natürlicher und übernatürlicher Ordnung ausgearbeitet, der dann in gewisser Hinsicht die Unterscheidung von Kirche und Welt entsprach. Dass gerade diese letztere Unterscheidung nur relativ ist, war und ist zu offenkundig, um bestritten zu werden. Sinn dieser Gegenüberstellung war es, die Aufgaben der christlichen Gemeinschaftsbildung in der Kirche mit seinen Voraussetzungen und Konsequenzen zu definieren. Nun hatte bereits in den fünfziger Jahren eine Kritik der sogenannten Dualismen in der Theologie eingesetzt."

 

Auch im Hinblick auf die theologische Reflexion von Gott als Liebe sowie der Gottes- und Nächstenliebe zeigt sich die Auseinandersetzung um die Dualismen sehr konkret.

 

Wenn man ein Schema aufstellt "Dualismus betont - Immanenz betont", muss man sicherlich weitere Untergliederungen vornehmen. Auch bei den Immanenz betonten Richtungen gibt es liberalere und kritischere Konzepte. Für Ratzinger von entscheidender Bedeutung ist, dass die Immanenzbetonung nicht ausschließlich und absolut ist. Auch Keller mit seinem christlichen Humanismus schließt Transzendenz und Geschichtsoffenheit nicht aus:

 

"Deshalb ist also die Nächstenliebe keine andere Liebe neben der Gottesliebe, sondern deren einzige konkrete Verwirklichung, solange wir in dieser Welt leben. So heißt es im 1. Johannesbrief (4, 20): "Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht." Deshalb ist auch die Alternative: entweder "Horizontalismus", also ganz auf Mitmenschlichkeit aus, oder "Vertikalismus", allein Gott anzielend, falsch. Wer Gott will, muss den Menschen wollen und umgekehrt. Gott ist also nicht ein anderer Name für Mitmenschlichkeit, sondern deren Bedingung. Diese Behauptung verurteilt den Atheisten nicht notwendigerweise zur Unmenschlichkeit; man kann sie nämlich auch umgekehrt lesen: Wer immer radikal für seine Mitmenschen da ist, der ist kein Atheist, was immer er von sich behaupten mag."

bearbeitet von Christoph Overkott
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