ramhol Posted October 20, 2003 Report Share Posted October 20, 2003 Mich würde interessieren, was ihr von dieser Predigt haltet: Predigt über David und Jonatan Priester: Aus einer rauen und kriegerischen Zeit 1000 Jahre v. Chr. erzählt uns die Bibel die Geschichte einer besonderen Freundschaft. Sie steht im Alten Testament, im 1. u. 2. Buch Samuel. »Der Prinz und der junge Hirte« so könnte man die Geschichte der Beziehung zwischen Jonatan und David überschreiben, diese innige, liebevolle und traurige Freundschaft zwischen zwei heranwachsenden jungen Männern. Die Bibel legt Wert darauf, dass wir von dieser Freundschaft erfahren - darum erzählt sie sehr ausführlich davon. Ich lade Sie ein, auf die Geschichte dieser Freundschaft zu hören. "Der Prinz und der junge Hirte," - wir schlagen das erste Kapitel in diesem Freundschaftsbuch auf. Kapitel I: Der Prinz Fünf Kinder hat der König Saul - drei Jungen und zwei Mädchen. Jonatan scheint der Älteste zu sein, der geborene Thronfolger seines Vaters. Wir hören von Jonatan als einem wagemutigen, ja tollkühnen Kämpfer und Soldaten. Allein mit seinem Waffenträger wagt er sich in das Lager der feindlichen Philister, in die Höhle des Löwen, und jagt das Heer der Philister in die Flucht. Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Wer so kühn und wagemutig handelt und dazu noch von Gott unterstützt wird, der hat auch die Menschen hinter sich. Jonatan ist beliebt, das Volk steht auf seiner Seite. Jonatan, ein typischer Mann, der sich schlägt, der kämpft. Jonatan, der geborene Nachfolger seines Vaters. Doch es kommt anders als man denkt. Kapitel II: Der junge Hirte Auch das vernehmen wir ganz deutlich: Das Königshaus Sauls hat keine Zukunft. Der Prophet Samuel wird von Gott beauftragt, einen neuen König zu salben, der nach Saul Israels Thron besteigen soll. Nicht Jonatan ist es, sondern ein junger Hirte, der jüngste unter den vielen Söhnen eines Mannes namens Isai - es ist David, gewandt im Umgang mit seiner Steinschleuder und auch musikalisch begabt. Lektor: "David war blond, hatte schöne Augen und eine schöne Gestalt" (1 Samuel 16,12) Priester: - so erzählt uns die Bibel. Was nun folgt, erscheint mir wie ein Zwischenspiel in einer Tragödie, wie ein kurzes Innehalten auf abschüssiger Bahn: wir erfahren vom Fall Sauls und vom gleichzeitigen Aufstieg Davids. Und in diesen beiden gegensätzlichen und miteinander verschlungenen Bewegungen findet eine außerordentliche Freundschaft Platz. Kapitel III: Liebe auf den ersten Blick David kommt nach seinem Sieg über Goliath an Sauls Hof. Was nun geschieht, erzählt am besten die Bibel selbst: Lektor: "Nach dem Gespräch Davids mit Saul schloss Jónatan David in sein Herz. Und Jónatan liebte David wie sein eigenes Leben. Saul behielt David von jenem Tag an bei sich und ließ ihn nicht wieder in das Haus seines Vaters zurückkehren. Jónatan schloss mit David einen Bund, weil er ihn wie sein eigenes Leben liebte. Er zog den Mantel, den er anhatte, aus und gab ihn David, ebenso seine Rüstung, sein Schwert, seinen Bogen und seinen Gürtel." (1 Samuel 18,1-4) Priester: Der Prinz schließt Freundschaft mit dem Hirten. Vermute ich zu viel, wenn ich sage: Bei Jonatan war es Liebe auf den ersten Blick? Im folgenden hören wir immer wieder, dass Jonatan David liebte wie sein eigenes Herz. In der Bibel meint „Herz“ mehr als in unserer Sprache. Es meint das vom Schöpfer gegebene Leben; es meint das, was den Menschen lebendig macht, was ihn erst zum Menschen macht. Herz und Seele der beiden Freunde verbinden sich miteinander. Jonatan bringt das in einer symbolischen Handlung zum Ausdruck: er schenkt David seinen Rock, seine Rüstung, sein Schwert, seinen Bogen und seinen Gurt: ein Zeichen tiefster Freundschaft und höchster Hingabe. Jonatan verbindet sein Leben mit dem Davids; er schließt mit dem Hirten einen Bund. Jonatan, dieser Kämpfer, dieser an traditionellen Erziehungsmaßstäben gemessene typische Mann, äußert seine Empfindungen einem anderen Mann gegenüber außergewöhnlich offen. Jonatan verhält sich gemessen an herkömmlichen Normen hier ganz und gar unmännlich - sehr weich und in seiner Offenheit sehr verletzbar. Jonatan will David nicht gepanzert, nicht mehr abwartend-misstrauisch gegenüber treten. Er gibt hin, er gibt sich hin. Kapitel IV: Wolken am Freundschaftshimmel Doch die Freundschaft wird bald auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Der Konflikt zwischen dem gesegneten David und dem verworfenen Saul wird so groß, dass Saul David nach dem Leben trachtet. Und Jonatan, der Sohn Sauls und Freund Davids? Seine Zerrissenheit zwischen dem Vater einerseits und dem Freund andererseits muss unerträglich gewesen sein. Er versucht zu vermitteln, zu beruhigen, zu beschwichtigen. Er tritt bei seinem Vater für David ein. Doch die Kluft wird immer größer, und Jonatan gerät zwischen die Fronten. Saul tobt, macht seinem Sohn die heftigsten Vorwürfe. Ja, Saul greift in seiner besinnungslosen Raserei sogar nach einem Speer, um seinen Sohn damit zu durchbohren. Nun weiß Jonatan, dass jeglicher Vermittlungsversuch zum Scheitern verurteilt ist. Die Kluft lässt sich nicht überbrücken. Der Bruch zwischen Saul und David ist nicht mehr zu heilen. Und so muss sich Jonatan entscheiden - er bleibt bei seinem Vater, und bleibt doch David treu. Der Prinz bleibt am Königshof, der Hirte muss sich verstecken. Kapitel V: Abschied für immer Was nun folgt, gehört für mich zu den bewegendsten Szenen, die die Bibel erzählt: Lektor: David "warf sich mit dem Gesicht zur Erde nieder und verneigte sich dreimal tief vor Jónatan. Dann küssten sie einander, und beide weinten. David hörte nicht auf zu weinen, und Jónatan sagte zu ihm: Geh in Frieden! Für das, was wir beide uns im Namen des Herrn geschworen haben, sei der Herr zwischen mir und dir, zwischen meinen und deinen Nachkommen auf ewig Zeuge. Dann brach David auf und ging weg, Jónatan aber begab sich in die Stadt zurück." (1 Samuel 20,41-21,1) Priester: Ein Abschied voller Nähe und Verzweiflung. Ein Abschied, der die Freundschaft - Gelebtes und Nichtgelebtes - in Gottes Hände legt. Es scheint mir, als würde David, der bisher Nehmende, hier den ganzen Reichtum seiner Beziehung zu Jonatan erkennen. Es ist ein Abschied, der die Endgültigkeit in sich trägt. Unwiederbringlich... "... beide weinten. David hörte nicht auf zu weinen." Kapitel VI: Das Ende Das traurige Ende ist schnell erzählt. David geht seinen Weg und Jonatan bleibt bei seinem Vater. In einer entscheidenden Schlacht gegen die Philister wird Israel geschlagen. Saul und Jonatan kommen dabei zu Tode. Als David diese Nachricht überbracht wird, stimmt er ein Klagelied an: Lektor: "Ach, die Helden sind gefallen mitten im Kampf. Jónatan liegt erschlagen auf deinen Höhen. Weh ist mir um dich, mein Bruder Jónatan. Du warst mir sehr lieb. Wunderbarer war deine Liebe für mich als die Liebe der Frauen." (2 Samuel 1,25f) Priester: David hat Jonatan nie wieder gesehen. Priester: Diese Erzählung rührt mich tief an. Mich rührt es an, wie treu zwei Menschen einander zugewandt sind. Mich bewegt die Entwicklung dieser Freundschaft, ihre Tragik und ihr Ende. In einer Welt, in der Menschen sich benutzen und ausnutzen, öffnen zwei einander ihr Herz – öffnen zwei Männer einander ihr Herz. Ich frage mich, welcher Art diese Beziehung war. War es "nur" Freundschaft - eine außergewöhnliche sicher! - oder war auch mehr dabei? Von Liebe ist ja ausdrücklich die Rede. Die Bibel verwehrt uns den neugierigen Blick in den ganz privaten Bereich, und das ist gut so! Nicht, weil sie prüde wäre; das hat vermutlich einen anderen Grund. Ich denke dass sie uns aus gewohnten Sichtweisen befreien möchte. Gerade weil sie diese Beziehung nicht festschreibt und festlegt, kann sie unsere Sichtweise für die Gefühle weit machen, die zwischen Menschen gleichen Geschlechts möglich sind. Die Bibel erzählt hier und bewertet nicht. Sie verbietet hier nicht und erlaubt auch nicht. Sie erzählt einfach vom Reichtum und von der Vielfalt der Liebe. Vielleicht mag es uns stören, wenn David in seiner Totenklage singt: " wunderbarer war deine Liebe für mich als die Liebe der Frauen." Vielleicht wehren wir uns gegen die Höherstellung, die in diesen Worten zum Ausdruck kommt. Doch fahren wir dem David nicht über den Mund. Er scheint für und mit Jonatan etwas Unvergleichliches empfunden zu haben, und der Bibel ist es wichtig, von diesen Gefühlen zu erzählen. Viel ist zwischen Menschen möglich, die sich nahe sind. So mancher vertraute Maßstab und manche festgefügte Norm kann da ins Wanken kommen. Und zum Schluss: Kann uns diese Erzählung weiter helfen, wenn wir nachdenken über die eingetragene Lebenspartnerschaft zweier Frauen oder zweier Männer, wie sie in diesem Jahr in Deutschland eingeführt wurde? David und Jonatan haben vor Gott einen Freundschaftsbund geschlossen. Ich meine, die Kirche müsste sich die sicherlich nicht einfache Frage stellen, ob es von dieser biblischen Grundlage aus nicht doch eine kirchliche Segnung dieser Partnerschaften geben kann. Ich persönlich würde das befürworten. Hilft uns diese Erzählung in unserem Nachdenken über Freundschaft und Beziehung? Ich wünsche es mir. Das Einstehen für einen Freund hat große Bedeutung. Freundschaft gehört zu den Beziehungen, durch die das Leben reich, erfüllt und beglückend wird. Die Geschichte der Freundschaft von David und Jonatan zeigt, dass es bei Freundschaft und Zuneigung immer um ein Geben und Empfangen, ein Miteinander und Füreinander geht. In alldem vermag die Liebe Gottes sichtbar zu werden. Solche Erfahrungen können für unser ganzes Leben und für unser Menschlichwerden entscheidend sein. Sie spüren, ich bin froh, von David und Jonatan zu hören, dem Prinzen und dem jungen Hirten, von ihrer Freundschaft und ihrer Liebe. Erfahre ich damit doch auch vom Reichtum menschlicher Gefühle! Link to comment Share on other sites More sharing options...
Franciscus non papa Posted October 21, 2003 Report Share Posted October 21, 2003 ganz grossartige predigt - obwohl man sich natürlich über die exegese streiten kann :-) ich find es gut. Link to comment Share on other sites More sharing options...
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