Jump to content

Der Opfertod Jesu


Justin Cognito

Recommended Posts

Justin Cognito

Ich habe gerade einen interessanten Aspekt über das Verständniss des Opfertodes Jesu gelesen, den ich auch angesichts aktueller Kinofilme kurz andeuten möchte.

 

Angesichts der neutestamentlichen Texte und einer langen Tradition in der Kirche besteht immer noch die Gefahr den Tod Jesu als Menschenopfer für einen blutdürstigen Gott zu sehen, der dadurch ruhig gestellt werden soll.

 

Diese Interpretation lässt sich aber angesichts aktueller Forschungen zum Opferverständniss des AT (auf dem besagte neutestamentliche Texte, vor allem Paulus basieren) aber eigentlich nicht mehr halten.

 

Denn das Sühneopfer des alttestamentlichen Kultes diente nicht dazu Gott zu besänftigen, sondern war umgekehrt ein Angebot Gottes an die sündigen Menschen mit ihrer Schuld umzugehen. Nicht Gott bedurfte also der Opfer, sondern die Menschen.

 

Dahinter steht die Einsicht, dass böse Taten eine Schuldsphäre um TäterInnen und Opfer schaffen, die auch durch Vergebung nicht einfach aus der Welt geschafft werden kann ("vergeben, aber nicht vergessen" könnte hier ein Stichwort sein). Materielle Schäden können materiell vergolten werden, aber oft ist Sühne nur durch symbolische Akte möglich (der Ermordete kann nicht mehr lebendig gemacht werden auch wenn die Mörderin ihre Tat bereut; die Mann der seine Frau betrogen hat kann seine Handlung nicht mehr ungeschehen machen). In vielen Kulturen dienten die rituellen Opfer, also das bewußte Weggeben und Vernichten von eigenen Gütern, unter anderem diese Sühne. Heutzutage kann man zB Gedenkdienste deutscher und österreichsicher Jugendlicher in Holocaustmuseen etc. als eine Art von Sühne sehen (wobei es hier nicht einmal um persönliche Schuld geht, sondern um Auf- und Abarbeitung der angesichts der Größe der Schuld noch immer bestehnden "Schuldsphäre" eines ganzen Volkes).

 

Es geht also um die Aufarbeitung eigener Schuld und eigenes Versagens, auch vor Gott. Also um eine Chance für die Menschen ihr Verhältniss zueinander und zu Gott symbolisch durch kultisches Handeln wieder in Ordnung zu bringen, nicht darum einen rachedürstigen Gott zu besänftigen.

 

Paulus nimmt in Röm 3,25 typologischen Bezug auf die Blutbesprengung der kapporet (hilasterion / Sühnedeckel auf der Bundeslade, allg. "Sühneort") im Allerheiligsten am jom-kippur Fest durch den Hohepriester. Die alljährliche Wiederholung dieses kultischen Opfers ist nicht mehr nötig, da durch Jesus eine neue Perspektive im Miteinander und im Verhältnis zu Gott möglich ist.

 

Der Text dazu:

 

Ihn / Christus hat Gott aufgestellt / eingesetzt

als kapporet/Sühneort

in seinem Blut

wegen des Aufschubs der vormals zur Zeit der Zurückhaltung Gottes begangenen Sünden

bearbeitet von Kryztow
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Justin Cognito

Ich sehe gerade dass ich einen Fehler gemacht habe - das gehört eigentlich nicht in Fragen und Antworten sondern in die Glaubensgespräche - kann das vielleicht jemand von den Moderatorinnen für mich verschieben. Herzlichen Dank.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Done! :blink:

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Justin Cognito

Und wie sieht diese neue Perspektive aus die uns Jesus aufgezeigt hat? Worin liegt sie? Ich glaube dass es um das Durchbrechen des Kreislaufs von Gewalt und Gegengewalt geht. Im Reich Gottes von dem Jesus zeitlebens sprach und dass er durch sein Handeln bereits als Realität erlebte und erlebbar machte herrscht uneingeschränkte Solidarität.

 

Unter dem Reich Gottes verstand Jesus nämlich gerade auch das Ende aller schädlichen und lebensfeindlichen Verhältnisse von Gott her, das Ende von Armut und Unterdrückung, von Gewalt und Weinen (vgl. Bergpredigt Mt. 5,1 – 7,29; Lk. 6,20-49). Im Reich Gottes braucht es keine Sühne mehr, da es keine Sünde mehr gibt. Dieses Reich Gottes war aber für Jesus eben nichts, das in ferner Zukunft lag, sondern etwas das durch sein Reden und Handeln schon gegenwärtig erfahrbar war.

 

Er prangerte die Sünden genauso scharf an wie die Propheten vor ihm , jedoch unterschied er sich von ihnen durch seinen Umgang mit denjenigen die gesündigt hatten bzw. am Rand der damaligen Gesellschaft standen. Er zeigte durch seinen Umgang mit diesen Menschen, dass Frieden und Versöhnung möglich waren und hat auch sie in äußerster Selbstverständlichkeit angenommen und ebenso selbstverständlich das Gute getan.

 

Durch sein heilsames Verhalten ermöglichte er den Menschen Umkehr, ohne dieselbe zur Vorbedingung allen Heils zu machen. Er lebte die Auseinandersetzung mit dem Bösen nicht im Rahmen einer „Sachproblematik“ von menschlicher Sünde und göttlicher Vergebungsbereitschaft, sondern im Umgang mit Menschen die vom Bösen offensichtlich betroffen waren (als Opfer und TäterInnen) und die er vom Bösen befreien wollte . Seine Solidarität galt allen Menschen, sein unbedingtes Ja zum Guten führte so weit, dass er sogar zur Feindesliebe aufrief: „Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Mt. 5,39). Jesu gelebte Haltung der gewaltlosen und unbedingten Solidarität zu den Menschen (auch zu den TäterInnen des Bösen ) ist es letztlich die seine Forderung verstehen lässt, dem Bösen nicht entgegenzutreten, sondern die andere Wange hinzuhalten . Spätere christliche Texte haben diese Radikalität beibehalten: „Vergeltet niemand Böses mit Bösen! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht“ (Röm. 12,17; vgl. 1 Thess 5,15; 1.Petr. 3,9).

 

Zusammengefasst ließe sich vielleicht sagen, dass die Botschaft Jesu Handelns und Sprechens die unbedingte Heilszusage Gottes an alle Menschen darstellte, angesichts derer das Böse an Bedeutung verliert und die es ermöglicht den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen .

 

Diese gewaltfreie unbedingt solidarische Haltung war es jedoch auch die Jesus letztendlich ans Kreuz gebracht hat und ihn sterbend die ganze Bosheit der Menschen am eigenen Leib erfahren ließ . Nach den Maßstäben der damaligen Zeit war er gescheitert und als Gekreuzigter ein „Verfluchter Gottes und der Menschen“ (zeitgenössische Deutung von Dtn 21,23, vgl. Tempelrolle 64, 6-13). Dieses Sterben und offensichtliche Scheitern Jesu führte dann auch bei seinen JüngerInnen zu Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit und auch zu ihrer Flucht. (Mk. 14, 27f. 50). Kurze Zeit nach der Hinrichtung Jesu am Kreuz sind die untergetauchten und nach Galiläa zurückgekehrten JüngerInnen plötzlich und überraschend wieder in Jerusalem.

 

Diese plötzliche und unerwartete Wende ist verknüpft mit der Botschaft, Gott habe den gekreuzigten Jesus von den Toten auferweckt. Die Auferweckung Jesu ist die Grundaussagen unseres christlichen Glaubens. Ohne auf sie näher eingehen zu wollen, ist festzuhalten dass die JüngerInnen darin die endgültige Rehabilitierung und Bewahrheitung Jesu Anspruch gesehen haben. Der Sieg des Unrechts am Kreuz und das damit verbundenen Versagen der Gerechtigkeitsidee, wird durch die rettende Tat Gottes als entscheidenden Niederlage des Bösen verstanden . Jesus wird damit zum endgültigen Sieger über das Böse. „Er wird zum Herrn über die Sünde, da er in den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt nicht eintritt (Mt. 5,39) und das Böse unter Berufung auf Gott einfach vergibt (Mk. 2,5-11). Jesus wird schließlich zum Stifter und Anfang des Friedens (Joh. 14,27; Räm. 14,17); er ist der Friede (Eph. 2,14), da er für ihn gestorben ist.

bearbeitet von Kryztow
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Krytztow,

 

erklär mir nochmal den zweck des Opfers im AT

 

Wenn ich diech richtig verstanden hatte diente es dazu das Vergebene auch vergesen zu machen. Ähnlich dem: Die Gewissenserforschung in der Fastenzeit mache ih immer schriftlich, weil ich da auch tiefer ins Detail gehe. Damit gehe ich dann zur Beichte. In der Nacht zum Ostersonntag nehme ich diese zettel mit um sie im Osterfeuer, bevor ich die Kirche betrete zu verbrennen. Damit, das was durch die Beicht Vergeben wurde, Symbolisch aus der Weltzu schaffen. Ist es das was die Menschen des Alten Testaments wollten. Ihre Schuld, ihre Sünde aus der Welt schaffen?

 

Gruß!

Frank

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Justin Cognito

Vergessen ist vielleicht das falsche Wort. Aber ich glaube mit "aus der Welt schaffen" ist der Sachverhalt ganz gut beschrieben. Das gestörte Verhälniss zueinander und zu Gott auf kultisch-rituelle Weise wieder ins rechte Lot zu bringen um weiterleben zu können. Nicht weil ein zürnender Gott sonst Verderben bringen würde, sondern weil schädliches, lebensabträgliches Handeln von sich her Schaden bringt und bewältigt werden muss. Und Gott gab dem Volk Israel auf diese Art eine Möglichkeit zur Bewältigung des eigenen Schuldig werdens.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Vergessen ist vielleicht das falsche Wort. Aber ich glaube mit "aus der Welt schaffen" ist der Sachverhalt ganz gut beschrieben. Das gestörte Verhälniss zueinander und zu Gott auf kultisch-rituelle Weise wieder ins rechte Lot zu bringen um weiterleben zu können. Nicht weil ein zürnender Gott sonst Verderben bringen würde, sondern weil schädliches, lebensabträgliches Handeln von sich her Schaden bringt und bewältigt werden muss. Und Gott gab dem Volk Israel auf diese Art eine Möglichkeit zur Bewältigung des eigenen Schuldig werdens.

So ist, denke ich, auch der Opfertod Jesu zusehen. Dadurch das Gott seinen Sohn hingegeben hat, ist "alles auf null" gestellt worden. deshalb konnte Jesus auch von denToten wieder auferstehen Mit seinem tod war die Sünde aus der welt geschafft und es gab keinen Gerund mehr für seinen Tod.

 

Ich möchte noch einen Anderen Aspekt ansprechen: Durch seinen Tod kennt er alles leid der Welt. Am Kreuz hängend, die Arme durchbort, die Beine durchbort, langsam zu ersticken ist grausam. Deshalb gibt es kein Leid, das soschlimm, als das Gott es nicht schon ertragen hätte

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

wie immer halte ich krzystofs abhandlungen für eine sehr gute theologische und historische analyse! eine sehr interessante überlegung.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Volker_Biallass

Hallo Frank :P

erklär mir nochmal den zweck des Opfers im AT

 

Das ist leicht gefragt, aber kaum so zu beantworten, dass es uns verständlich zu machen ist :blink:

 

Beim Jom Kippur / Versöhnungsfest geht es aus heutiger Sicht eigentlich um zwei Opfer, das Sühneopfer und das Schuldopfer.

 

Das Sühneopfer reinigt (unrein = nicht zum Heiligen passend), das Schuldopfer tilgt Schuld (Missetat bereuen, umkehren).

 

Wenn ich diech richtig verstanden hatte diente es dazu das Vergebene auch vergesen zu machen. Ähnlich dem: Die Gewissenserforschung in der Fastenzeit mache ih immer schriftlich, weil ich da auch tiefer ins Detail gehe. Damit gehe ich dann zur Beichte. In der Nacht zum Ostersonntag nehme ich diese zettel mit um sie im Osterfeuer, bevor ich die Kirche betrete zu verbrennen. Damit, das was durch die Beicht Vergeben wurde, Symbolisch aus der Weltzu schaffen. Ist es das was die Menschen des Alten Testaments wollten. Ihre Schuld, ihre Sünde aus der Welt schaffen?

 

Zum Jom Kippur (Lev 16) gehört neben den Brandopfern im Tempel auch der Sündenbock. Über dem bekennt der Hohepriester stellvertretend für das Volk seine (des Volkes) Sünden, lädt sie ihm damit auf, und das Tier wird daraufhin in die Wüste getrieben (und damit's bloß nicht wieder zurückkommt, dort dann von einer Klippe gestürzt).

 

Dieser Bock wird nicht Gott geopfert, sondern 'Asasel', was man am ehesten mit "aus der Welt schaffen" verdolmetschen könnte.

 

Der andere Bock, der als Brandopfer Gott dargebracht wird, bewirkt dagegen die Reinigung, also eine Heiligung bzw die Wiederherstellung der verliehenen Heiligkeit.

 

Hier steckt ein Heiligkeitsverständnis hinter, das sich im NT am ehesten in

 

Ein anderer aber, einer seiner Jünger, sagte zu ihm: Herr, lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben! Jesus erwiderte: Folge mir nach; lass die Toten ihre Toten begraben! Mt 8,21f

 

widerspiegelt. Vor Gott gibt es nichts als Leben und Zukunft, Tod und Rückwärtsgewandtheit (Grüße an Frau Lot) sind dort verpöhnt, weil sie den Menschen an das Niedere fesseln. Nur der Mensch, der ganz in seiner gegenwart steht, dort ganz auf das Leben und die Zukunft hingewandt ist, kann vor Gott treten.

 

Darum wird zuerst die Umkehr eingefordert, damit man seine Fesseln lösen kann, mit denen man so vieles hinter sich herschleppt, um sich dann zu reinigen/heiligen und vor Gott zu begeben. Der Priesterdienst kennt keine Trauer, denn Trauer gehört zwar zum Leben, aber definitiv nicht in den Tempel.

 

Sich nicht unrein zu machen ist (nach damaligen Begriff) praktisch unmöglich, denn jede Berührung mit Tod aber auch mit Sexualität und all dem, was als unrein definiert ist, macht unrein. Das stellt nichts verwerfliches dar, gebietet aber die Reinigung, wenn man sich vor Gott begeben will.

 

Insofern stellt das Tempelopfer am ehesten einen hygienischen Dienst dar, so wie wir uns halt die Hände waschen, aber auch, wie wir das Fasten als eine Reinigung auffassen.

 

Das Opfer Christi hat im Ggs zum Tempelopfer eine viel weitreichendere Dimension. Das Tempelopfer stellt nur wieder her, was an Heiligung einst verliehen und auch eingefordert wurde, muss darum stets aufs neue wiederholt werden, weil man das Unreine nicht umgehen kann, ohne zum weltentrückten Priester zu geraten. (Übrigens musste sich der Hohepriester in der Nacht vor Jom Kippur wach halten lassen, da ihn sonst im Schlaf Unreinheit überkommen könnte.)

 

Der Tod Christi dagegen wird einerseits in der Taufe als ein dauerhaftes Opfer angelegt, er in seiner Reinheit (entsprechend der Makellosigkeit der Opfertiere) wird zu einem Gewand, das den makeligen Gläubigen umgibt, ihn mit Reinheit kleidet, zum anderen und wohl noch gewichtigeren:

 

um wie viel mehr wird dann das Blut Christi, der sich selbst als Opfer ohne Fehl durch den ewigen Geist Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott! Hebr 8,14

 

und

 

Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? 1 Kor 15,55 (-> Hosea)

 

ist der Tod nichts mehr, das von Gott entfernt, denn er selbst hat ihn durchschritten und von ihm Besitz ergriffen, füllt ihn mit Zukunft und Leben.

 

Es gibt kein niederes mehr, das von Gott entfernen würde, weil Gott sich selbst ins Niederste hinab begeben hat. Damit ist die alte Vorstellung von der Unreinheit vollständig aufgehoben. Es gibt keine Schattenseite des Lebens mehr, die nicht von Leben und Zukunft aus Gott her durchleuchtet sind, es gibt nur noch die Sünde als Selbstfesselung des Menschen an das Niedere, die er aber ganz unblutig in Umkehr und Lösung auftrennen kann.

 

Unser Problem dürfte sein, dass wir das für so selbstverständlich halten, dass wir die Ungeheuerlichkeit gar nicht mehr registrieren. Insofern können wir Islam und Judentum dankbar sein, die uns auf eben diese Ungeheuerlichkeit immer wieder hinweisen, indem sie noch das ursprüngliche Reinheitsmotiv tradieren :P

 

bcnu Volker

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Justin Cognito
Insofern stellt das Tempelopfer am ehesten einen hygienischen Dienst dar, so wie wir uns halt die Hände waschen, aber auch, wie wir das Fasten als eine Reinigung auffassen.

Hygenisch aber nur in einem übertragenen Sinn, da der Tat-Folgen Zusammenhang (Tun - Ergehenszusammenhang) im Sinne des AT sich ja nicht nur auf kultische Reinheitsgebote, sondern auch auf den gesamten zwischenmenschlichen Bereich beziehen. In diesem Sinn kennt das AT eben keinen strafenden Gott der zu besänftigen wäre, sondern nur Sündenfolgen die sich aus einer unsichtbaren Tatspähre heraus in der erfahrbaren Realität zeitigen. Vor allem die Prophetentexte gehen in diese Richtung. Gott bietet in der (immer wieder zu wiederholenden) Umkehr und dem (jährlichen) Sühneopfer einen Weg an mit den Verfehlungen weiterleben zu können.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Volker_Biallass

Hallo Kryztow :P

Hygenisch aber nur in einem übertragenen Sinn, da der Tat-Folgen Zusammenhang (Tun - Ergehenszusammenhang) im Sinne des AT sich ja nicht nur auf kultische Reinheitsgebote, sondern auch auf den gesamten zwischenmenschlichen Bereich beziehen.

In diesem Sinn kennt das AT eben keinen strafenden Gott der zu besänftigen wäre, sondern nur Sündenfolgen die sich aus einer unsichtbaren Tatspähre heraus in der erfahrbaren Realität zeitigen. Vor allem die Prophetentexte gehen in diese Richtung. Gott bietet in der (immer wieder zu wiederholenden) Umkehr und dem (jährlichen) Sühneopfer einen Weg an mit den Verfehlungen weiterleben zu können.

 

Zur Frage der Strafe im AT muss bedacht werden, dass es da nicht - wie wohl aus unserer Perspektive - um den überweltlichen Richter geht, sondern dass Gott Weltgeschehen wirkt, darin für Israel so unverzichtbar ist, wie das Dialysegerät für den Nierenkranken. Jede Zurückhaltung und jeder Engpass lassen Vergiftungen sich dann ausbreiten.

 

Die Opfer können auch nicht als Kompensation für Gesetzesverstöße verstanden werden, sondern gehören selbst zum Gesetz, zum ganz gewöhnlichen Stoffwechsel. Vergleichbar den Waschungen vor dem muslimischen Gebet, die auch nicht danach fragen, wo man mit seinen Füßen war, dass sie vielleicht schmutzig geworden sind, sondern wo man nun mit ihnen hintritt, nämlich ins heilige/andere, so dass sie gereinigt werden müssen.

 

Wichtig scheint mir da auch die Unterscheidung in Lev 10,3:

 

An denen, die mir nahe sind, /

erweise ich mich heilig /

und vor dem ganzen Volk /

zeige ich mich herrlich.

 

Heilig hat hier die unangenehme Eigenschaft, dass darob die Aaronsöhne Nadab und Abihu im Tempel unvermittelt selbst in Rauch aufgingen, ganz Feuer und Flamme waren, obwohl sie Gott einen Dienst tun wollten.

 

Und auch Usa bekam's zu schmecken, was heilig heißt, als er die Lade vorm Sturz vom Karren retten wollte:

 

Als sie zur Tenne Kidons kamen, brachen die Rinder aus und Usa streckte seine Hand aus, um die Lade festzuhalten. Da entbrannte der Zorn des Herrn gegen Usa und er erschlug ihn, weil er seine Hand nach der Lade ausgestreckt hatte, sodass er dort vor Gott starb. (1Chr 13,9f; 2Sam 6,5)

 

Und wer von uns hätte denn an Usas Stelle nicht ebenfalls zugelangt, die Lade da zu schützen versucht, wo sie zu fallen droht?

 

Analog dazu bei der ersten Leidensankündigung Jesu (Mt 16,22f; Mk 8,32f):

 

Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.

 

Das AT kennt durchaus auch den zornigen/heiligen Gott, der verheerend ist, aber es beinhaltet da eine extreme Spannung gegen die Vergeltungslehre (Missetat der Väter an Kindern und Kindeskindern heimsuchen) in sich, wenn man zB Hes 18,32 hinzuzieht:

 

Ich habe doch kein Gefallen am Tod dessen, der sterben muss - Spruch Gottes, des Herrn. Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt.

 

Ohne diese rigide Radikalität der Heiligkeit Gottes und ihres Zornes liesse sich auch die Angelegenheit mit Hananias und Saphira (Apg 5) kaum verstehen. Ihr Vergehen ist ja eben nicht, dass sie noch an ihrem Eigentum hingen, sondern dass sie mit einer Lüge - und damit unrein - vor Gott traten, der im Heiligen Geist der apostolischen Gemeinschaft nicht minder gegenwärtig als in der Wolke über dem Kapporet.

 

Drum in der lutherischen Orthodoxie auch die starke Zurückhaltung bzgl des Abendmahls, weil man sich dort in der Begegnung mit dem Allerheiligsten dann durchaus auch das Gericht zuziehen kann, wenn man sich vorher nicht tiefgehend genug gereinigt hat (=Gott erweist sich denen, die sich ihm nahen, als heilig!).

 

Und drum auch die katholische Weisung zur Kommunion nur nüchtern (instant-Fasten :blink: ) und abgeklärt zu erscheinen und dann dennoch weiterhin zu bekennen "ich bin nicht würdig ...".

 

Es geht weder im AT noch im NT allein um Sündenfolgen, sondern immer auch um Heiligung, die in der Abkehr vom profanen Leben besteht. Lässt man das nicht vor allem anderen gelten, dann verliert es sich leicht, dass spätestens in Jesus Christus dann auch das profane Leben geheiligt wurde, sogar so, dass es nun voll gültiger Gottes/Heiligungs-Dienst ist, der alle kultische Verehrung in den Schatten stellt:

 

Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht? Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes! Mt 7,21f

 

Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Mt 25,40

 

Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen; denn an solchen Opfern hat Gott Gefallen. Hebr 13,16

 

Macht man diese Schleuderpartie nicht mit, mit der die Heiligkeit zu Boden gebracht wurde, dann besteht die Gefahr, dass Gott zwar zum Gerechtigkeitsinbegriff wird, aber seine Heiligkeit einbüßt, so dass man zwar mit der Soziallehre Jesu nun so einiges, aber mit seinem (unserem!) Kreuz (und seiner eigentlichen Botschaft des Himmelreichs) kaum noch was anfangen kann.

 

bcnu Volker

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

×
×
  • Neu erstellen...