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Gott erlöst die Schöpfung


Martin

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Bischof Franz Kamphaus

 

Osterpredigt 2001

 

Christus, das Oster-Lamm

 

 

I.

 

Oster-Lamm! Eigenartig - Ostern verbinden wir seit eh und je mit dem Lamm. Gemeint ist nicht das kleine Lämmchen vom Bäcker, mit Schokolade überzogen: "Ach, wie süß ...", sagen wir. Nein, den Auferstandenen verbinden wir mit einem leibhaftigen Lamm aus Fleisch und Blut.

 

Die Bibel deutet das Leben Jesu im prophetischen Bild vom Gottesknecht und Sündenbock.

 

"Er wurde misshandelt und niedergedrückt ...

ein Lamm, das man zum Schlachten führt

und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer ..." (Jes 53,7).

 

Dieser Jesus ist aber nicht nur das dumme Schaf und das arme Schwein. Er ist auferweckt und verdient alles Lob:

 

"Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde,

Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit,

Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob" (Apk 5,12).

 

Der Einbildungskraft des christlichen Glaubens war es schon früh ganz wichtig, dass Jesus zwischen den Tieren zur Welt kam, zwischen Ochs und Esel. "Er lebte bei den (wilden) Tieren", sagt der Evangelist Markus (1,13) kurz und bündig von seinen vierzig Tagen Wüstenzeit. Auf einem Esel reitet er in Jerusalem ein (Mk 11,1-11). Wie könnte es auch anders sein, als dass der Schöpfer aller Kreatur seinen Geschöpfen verbunden ist. Das Stöhnen der Schöpfung geht nicht spurlos an ihm vorbei (vgl. Röm 8,18ff.).

 

II.

 

Ostern 2001 - wenn wir heute hier vom "Lamm Gottes" sprechen, "das die Sünde der Welt hinweg nimmt" (Joh 1,29), dann bleibt uns das Wort fast im Mund stecken. Wir können doch die Bilder von den BSE-Rindern und den Scrapie-Schafen nicht ausblenden. Die Maul- und Klauenseuche betrifft längst nicht mehr nur Bauern, die Bewohner von Krofdorf-Gleiberg in unserem Bistum haben das vor wenigen Tagen erfahren müssen. Wohin sind wir gekommen? Erst hatten wir Fleischberge, jetzt haben wir verkohlte Knochenhaufen, die zum Himmel stinken. Was ist das für eine Zivilisation? Wir vernichten die Grundlagen unseres eigenen Lebens. Das ist die "Sünde der Welt", dieser zerstörerische Eigennutz.

 

Die Seuche unter den Tieren offenbart eine Krankheit unter den Menschen, der Wahnsinn der Rinder ist ein Wahnsinn unserer Gesellschaft. Die industrielle Vermarktung der Tiere zeigt, wie geistlos wir mit unseren Mitgeschöpfen umgehen. Wir plündern sie aus nach Strich und Faden, machen sie zu Material unserer Manipulationskünste und Konsumgelüste. Wirtschaftsinteressen gehen über alles, auch über Leichen - über Berge von Leichen.

 

Agrarindustrie und Gentechnik - diese Wortverbindungen sagen alles. Sie setzen in eins, was auseinander zu halten ist. Tiere sind keine Autos und Landwirte keine Ingenieure. Was ist, wenn wir aus den vorgegebenen Kreisläufen der Natur aussteigen, wenn wir uns von unseren Lebenswurzeln lösen? BSE und MKS sind keine biblischen Plagen, sondern Produkte einer falschen Einstellung zum Leben. Wir wollen die Natur technisch oder industriell überholen und bekommen auf einmal die rote Karte gezeigt.

 

III.

 

 

Wenn das so weitergeht, dann gehts bald nicht mehr so weiter. Die Welt ist nicht nur ein Rohstofflager. Christen sprechen von der Schöpfung Gottes. Wir vergöttern die Welt nicht und verteufeln sie nicht, und wir dürfen sie nicht zum Teufel gehen lassen. Wir tragen Verantwortung auch für die Mitgeschöpfe. Bedenken wir das noch? Im Namen des einen Gottmenschen Jesus Christus ist bei uns Christen bisweilen der Mensch so beherrschend in den Mittelpunkt gerückt worden, dass die nichtmenschliche Kreatur ganz an den Rand geraten ist.

 

Tiere sind nicht nur Material und Lebensmittel, sie haben ihren Eigenwert. Damit werden sie nicht hochgejubelt. Heute wird man bisweilen das Gefühl nicht los, dass es mehr Tierfreunde gibt als Menschenfreunde. Menschen sind Menschen und Tiere sind Tiere. Sie sind kein Menschenersatz, aber sie sind in ihrer Eigenständigkeit zu respektieren.

 

IV.

 

Die Welt ist endlich, noch nicht vollendet. Es gibt eine Naturromantik, die mit dem christlichen Glauben nichts zu tun hat. Mensch und Natur bedürfen der Erlösung. Gott erlöst die Schöpfung, nicht nur den Menschen. Das feiern wir Ostern. Christus ist "das Haupt der neuen Schöpfung", nicht nur der Kirche. In den mittelalterlichen Darstellungen "Christus in der Mandorla" ist er wie selbstverständlich von den Tiersymbolen der Evangelisten umgeben: Der wahre Gott und der wahre Mensch - eingebettet und eingewurzelt in der Vitalität und Materialität der ganzen Schöpfung. "Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen" (Mk 16,15). Das ist der Auftrag von Ostern. Franz von Assisi hat den Vögeln gepredigt und den Wolf umarmt. Es geht nicht nur um den Menschen, es geht um die ganze Welt und um alle Geschöpfe, um die Solidarität aller Kreatur. Im Zeichen des Evangeliums finden Mensch und Tier zu einem versöhnten Miteinander.

 

Die Älteren erinnern sich sicher noch an die frühere Formulierung im Apostolischen Glaubensbekenntnis: Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches, "carnis resurrectionem". Inzwischen heißt es: "Ich glaube an die Auferstehung der Toten". Ostern geht weit darüber hinaus. "Alles Fleisch wird schauen Gottes Heil" (Lk 3,6). "Caro cardo salutis", das Fleisch ist der Angelpunkt des Heils. Alles, was lebt, hat ein Stück gemeinsamer Geschichte, wie uns die Evolution lehrt. In Christus ist "alles Fleisch" erlöst, Mensch und Tier und alle Kreatur. Darum "geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen".

 

 

 

 

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Lieber Martin,

 

ich halte die Predigt Deines Lieblingsbischofs für eine gute Predigt, auch wenn sie  - oder gerade weil sie -  verschleiert, wen Markus mit "allen Geschöpfen" gemeint hat.

 

"Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen" (Mk 16,15).

 

So tierfreundlich, wie es auf den ersten Blick scheint, war Markus nicht, denn schon im nächsten Vers heißt es: "Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden"

 

Besonders menschenfreundlich hört sich das übrigens auch nicht an - aber das nur am Rande.

 

Ich gehe davon aus, daß Markus nicht die Taufe von (gläubigen) Tieren in Erwägung gezogen hat. Von allen Geschöpfen, denen das Evangelium verkündet werden sollte, bleibt daher nur EIN Tier übrig: der Mensch.

 

"Alles Fleisch wird schauen Gottes Heil" (Lk 3,6).

 

Diese Übersetzung paßte offensichtlich besser in die Predigt des Bischofs, als die in der Einheitsübersetzung befindliche. Dort heißt es nämlich: "Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt" (und schon sind die Tiere wieder außen vor).

 

Für mich war es mal wieder interessant zu beobachten, wie sich Kirchenmänner der Bibel bedienen. Man nimmt, was man braucht, und man nimmt es so, wie man es braucht.

 

Herzliche Grüße

Cano

 

 

 

 

 

 

(Geändert von Cano um 13:10 - 17.April.2001)

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Zitat von Martin am 20:18 - 16.April.2001

Bischof Franz Kamphaus

 

Osterpredigt 2001

 

Christus, das Oster-Lamm

Auszug

 

Die industrielle Vermarktung der Tiere zeigt, wie geistlos wir mit unseren Mitgeschöpfen umgehen. Wir plündern sie aus nach Strich und Faden, machen sie zu Material unserer Manipulationskünste und Konsumgelüste. Wirtschaftsinteressen gehen über alles, auch über Leichen - über Berge von Leichen.


 

Es ist schon bemerkenswert.

 

Seit Jahren liest und  sieht man in der Presse wie "unmenschlich" mit den Tieren, die letztendlich unsere Nahrung sind, umgegangen wird.

 

Und jetzt, nach unzähligem Leid dieser armen Geschöpfe, melden sich die Kirchenvertreter auch zu Wort.

 

Warum erst jetzt?

 

Fragende Grüße

 

Pedrino

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Lieber Martin,

 

wir sollten dem Kaphausen vorschlagen einen Beratungsschein einzuführen.

 

Wenn man bei Ihm seine Predigt gehört hat bekommt man einen Schein, mit dem man ungestört und ungehindert die Tiere und die Natur behandeln darf, wie man will!

 

Gruß

Erich

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Jetzt mußt Du uns nur noch verraten, Erich,

 

was Dich zu einem derartigen Vorschlag veranlaßt hat.

 

 

 

(Geändert von Cano um 14:18 - 17.April.2001)

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>>Jetzt mußt Du uns nur noch verraten, Erich,

 

was Dich zu einem derartigen Vorschlag veranlaßt hat. <<

 

hier flatterte eben eine Taube vorbei.....

 

 

Also manchmal stellst Du Fragen !!

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Ihr habt ja vielleicht eine Art, Predigten zu verstehen!

 

>Tiere sind nicht nur Material und Lebensmittel, sie haben ihren Eigenwert. Damit werden sie nicht hochgejubelt. Heute wird man bisweilen das Gefühl nicht los, dass es mehr Tierfreunde gibt als Menschenfreunde. Menschen sind Menschen und Tiere sind Tiere. Sie sind kein Menschenersatz, aber sie sind in ihrer Eigenständigkeit zu respektieren. <

 

Wie kommst du auf die Idee, daß Mensch und Tier gleichgestellt werden.

 

>Es geht nicht nur um den Menschen, es geht um die ganze Welt und um alle Geschöpfe, um die Solidarität aller Kreatur. Im Zeichen des Evangeliums finden Mensch und Tier zu einem versöhnten Miteinander. <

 

Es geht darum, als Christ die Schöpfung nicht auszubeuten, sondern verantwortlich zu handeln.

 

Herzliche Grüße

Martin

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Zitat von Martin am 15:15 - 17.April.2001

 

Wie kommst du auf die Idee, daß Mensch und Tier gleichgestellt werden.


 

Lieber Martin,

 

nur der Mensch meint, bezüglich der Tierwelt, etwas besonderes zu sein. Aber der Mensch irrt.

 

Die Natur kennt diesen Unterschied nicht.

 

Gruß Pedrino

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Lieber Pedrino,

 

Zunächst ist es ganz einfach:

 

Jeder ist etwas "besonderes". Ich bin etwas besonderes, Du bist etwas besonderes, Menschen sind etwas besonderes und Tiere sind etwas besonderes. Die "Natur" macht da ebensoviele Unterschiede.

 

Was Du wohl meinst, ist, ob Menschen etwas "besseres" sind. Nun, diese Frage sollten wir wohl Gott überlassen.

 

Im Verhältnis zu Gott könnte ich mir eine Unterscheidungsmöglichkeit vorstellen: Menschen sind jedenfalls imstande, ihre eigenen Handlungen zu beurteilen. Daher sind sie auch imstande, sich für oder gegen Gott zu entscheiden, indem sie liebevoll handeln oder nicht. Jemand, der das nicht kann, der kann sich nicht von Gott abwenden ("sündigen" ), der braucht deshalb auch nicht Gottes besondere Unterstützung, um wieder in Ordnung zu kommen.

 

Nun mag es Indizien dafür geben, daß bestimmte Tierarten (etwa Primaten) solche Fähigkeiten ebenso haben. Man wird das nur schwer (wenn überhaupt) mit den Mitteln der Naturwissenschaft entscheiden können. Falls ja, wird Gott es wissen - und nur darauf käme es schließlich an. Derzeit können wir nur von dem ausgehen, was wir wissen.

 

Für unser Verhältnis zu Tieren und in Bezug auf die Ausbeutung der Natur gilt aber auch dann, wenn wir diesen grundlegenden Unterschied (nach unserem bisherigen Verständnis) weiterhin machen, daß wir nicht ohne Rücksicht auf die Natur leben dürfen.

 

Auch und gerade wenn man den Satz: "bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle tiere, die sich auf dem Land regen", ganz wörtlich nimmt, muß man doch bedenken, daß "Herrschaft" - besonders nach "altem" Verständnis - auch Verantwortung für die Beherrschten bedeutet. Damit ist also in keiner Weise grenzenlose und bedenkenlose Ausbeutung gemeint.

 

 

(Geändert von sstemmildt um 19:20 - 17.April.2001)

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Zitat von Erich am 13:54 - 17.April.2001

Lieber Martin,

 

wir sollten dem Kaphausen vorschlagen einen Beratungsschein einzuführen.

 

Wenn man bei Ihm seine Predigt gehört hat bekommt man einen Schein, mit dem man ungestört und ungehindert die Tiere und die Natur behandeln darf, wie man will!

 

Gruß

Erich

 


 

Lieber Erich!

Meinst du das jetzt in Bezug auf die Seuchen-Schutzmaßnahmen?

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