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Menschenbild


Squire

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In der Diskussion wird hier immer wieder der Begriff "christliches Menschenbild" verwendet. Meistens geht es dabei um bestimmte Moralvorstellungen, die eben nur vor dem Hintergrund des christlichen Menschbildes verstehbar seien.

 

Was ist genau ein Menschenbild? Hat man sich darunter eine Rolle vorzustellen, die man als Christ zu spielen hat? Ist das eine Art Minimalkonsens über die Gleichheit aller Menschen?

 

Gibt es außer dem "christlichen" Menschenbild noch andere, und worin unterscheiden sie sich?

bearbeitet von Squire
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Von Moral würde ich an dieser Stelle gern abstrahieren. Ethik und Moral folgen meines Erachtens aus einem bestimmten Menschenbild. Was umgekehrt bedeutet, dass ein anderes Menschenbild auch eine andere Ethik zur Folge hat.

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Zunächst geht es erst einmal um die Frage, was ist ein Mensch, was macht ihn aus?

Daran schließen sich dann erst ethische Fragestellungen an. Unter welchen Bedingungen ist ein Mensch Mensch?

 

Ein Beispiel: Wenn ich der Meinung bin, ein Mensch sei zu allererst Mitglied einer Gemeinschaft und nur da wirklich Mensch, dann muss ich auch fordern, dass das Gemeinwohl immer vor das Eigenwohl zu stellen ist. Dann kann ich jedes individuelle Recht eines Menschen negieren.

 

 

Das wäre ein anderes als das christliche Menschenbild.

 

Mit diesem Schlagwort christliches Menschenbild wäre ich vorsichtig. Ich glaube, hier gibt es durchaus konträre Vorstellungen von dem, was das ist.

 

Wieder ein Beispiel: Wenn ich davon ausgehe, dass ein mensch dann Mensch ist, wenn er Gott dient und der Wille Gottes sich allein in der Verkündigkung der katholischen Kirche zeigt, dann beginnt die Unmenschlichkeit schoh da, wo sich jemand diesen Weisungen widersetzt. In diesem Fall muss ich fordern, dass sich jede Gewissensfreiheitauf die Weisungen der Kirche hinzuordnen und sich unterzuordnen hat.

 

Ich kann aber auch davon ausgehen, dass das christliche Menschenbild eher dem humanistisch liberalem Bild entspricht. Das würde bedeuten, dass ich mit meinem Gewissen letztlich selbst herausfinden muss, wie ich nach dem Willen Gottes als Mensch zu sein und zu leben hätte. Die kirchlichen Weisungen sind dann eher ein mehr oder weniger verbindliches Angebot. Wenn ic h diesem Angebot fplgen kann, dann ist das eine Variante der Menschlichkeit, aber längst nicht die Einzige.

 

Viele Grüße,

 

Matthias

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OK, geht es beim Menschenbild denn darum zu definieren, was ein Mensch ist oder darum, welche Rollen er spielen sollte (Mitglied der Gemeinschaft, Diener Gottes usw.). Ist Menschenbild = Rolle?

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Christliches Menschenbild; Mensch = Kind Gottes, Geschöpf Gottes.

Mensch = unsterbliche Geistseele (von der Zeugung bis zum natürlichen Tod als Mensch zu achten).

 

Das materialistische Menschenbild sieht den Menschen nicht als Geschöpf Gottes als unsterblich. Die Folgen sind entsprechend.

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OK, geht es beim Menschenbild denn darum zu definieren, was ein Mensch ist oder darum, welche Rollen er spielen sollte (Mitglied der Gemeinschaft, Diener Gottes usw.). Ist Menschenbild = Rolle?

Es geht beim Menchenbil zunächst darum, was der Mensch ist. Die Rollen ergeben sich dann auf dieser Basis.

 

Übrigens ist es viel zu wenig zu sagen, der Mensch sei Kind Gottes oder Gottes Ebenbild. Man muss dann auch definieren, was das bedeutet.

Ist der Mensch als Ebenbild so frei wie Gott. Darf er sich selbst entwerfen zur Freude seines Schoepfers oder bedeutet Ebenbild, dass Gott ein festes Bild definiert, in das sich der Mensch fügen muss. Wenn ja, dann muss ich gleichzeitig Fragen, wie dieses Ebenbild aussieht, dem der Mensch gerecht werden muss.

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Rahner neigte übrigens schon in den sechziger Jahren der Meinung zu, der Mensch dürfe sehr wohl sich selbst entwerfen und die Möglichkeiten moderner Technologie seien in dieser Hinsicht nichts grundlegend Neues. (Da gibt es einen interessanten Vortrag. Müsste man mal recherchieren.)

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Ist der Mensch als Ebenbild so frei wie Gott. Darf er sich selbst entwerfen zur Freude seines Schoepfers

Das ist aber ein schönes Menschenbild! :blink: Das gefällt mir.

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Ist der Mensch als Ebenbild so frei wie Gott. Darf er sich selbst entwerfen zur Freude seines Schoepfers

Das ist aber ein schönes Menschenbild! :blink: Das gefällt mir.

Das finde ich auch und oute mich hier als Anhänger dieses Menschenbildes.

 

 

Aber es geht mir hier nicht so sehr darum mein Menschenbild zu diskutieren, sondern aufzuzeigen, dass es gar nicht so eindeutig ist, wenn man von einem christlichen Menschenbild spricht.

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Es geht beim Menchenbil zunächst darum, was der Mensch ist. Die Rollen ergeben sich dann auf dieser Basis.

Könntest du dieses "was" noch näher erläutern?

 

Ergeben sich aus einem Menschenbild von vornherein bestimmte Rollen? Solche Rollen betreffen doch allenfalls einen Teilbereich des Mensch-Seins. Warum muß man überhaupt eine bestimmte Rolle annehmen, wenn man sich für ein Menschenbild entscheidet?

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Es geht beim Menchenbil zunächst darum, was der Mensch ist. Die Rollen  ergeben sich dann auf dieser Basis.

Könntest du dieses "was" noch näher erläutern?

 

Ergeben sich aus einem Menschenbild von vornherein bestimmte Rollen? Solche Rollen betreffen doch allenfalls einen Teilbereich des Mensch-Seins. Warum muß man überhaupt eine bestimmte Rolle annehmen, wenn man sich für ein Menschenbild entscheidet?

Nun ja,

 

 

Du fragtest nach dem was der Mensch ist. Es geht beim Menschenbild m.E. darum zu bestimmen, was den Menschen ausmacht. Was ihn etwa von anderen Lebewesen unterscheidet. Und dann geht es auch darum, was der Mensch ist: ich koennte davon ausgehen, dass der Mensch etwa Zufallsprodukt der Evolution ist. Dann werde ich versuchen, aus der Evolution den Mensch zu erklären, dann werde ich weniger von Handeln und mehr von Verhalten sprechen.

Daraus ergibt sich noch keine Rolle, die ein Mensch spielt, denn Rollen definieren sich ja aus einem Sozialgefüge und nicht aus einem Individuum.

Auf der Basis des Menschenbildes kann ich dann über die Ethik seines Handelns nachdenken.

Spinnen wir den Gedanken von oben weiter: Halte ich also den Menschen für ein Produkt der Evolution, dann muss ich in bezug auf Ethik letztlich fragen, wie muss sich der Mensch verhalten um evolutiv erfolgreich zu sein (falls ich überhaupt einen Sinn im menschlichen Daseinannehmen moechte). Ich koennte jetzt noch einen Schritt weitergehen und jetzt noch annehmen, dass sich die Idee der Menschenrechte als gute Grundlage des Zusammenlebens bewährt hat. Ebenso koennte ich eine Würde des Menschen annehmen als Grundsicherung der Existenz des Individuums. Und auf dieser Basis kann ich dann eine Sozialtheorie entwickeln.

 

Das sind ganz grobe Züge, aber ich moechte damit zeigen, dass man im Bereich von menschenbild und Ethik verschiedene Ansätze verfolgen kann. Außerdem ist es moeglich, dass man zu ähnlichen Ergebnissen kommt, wie das hier postulierte christliche Menschenbild, ohne dieses auch nur annähernd zu teilen.

 

Viele Grüße,

 

Matthias

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Die Rolle - in ihrer soziologischen Bedeutung - definiert ja die Funktion eines Menschen in einem Sozialsystem. Insofern gehört sie gerade nicht zum christlichen Menschenbild, daß den Wert des Menschen ganz ohne Funktion aus seiner Gotteskindschaft heraus begründet.

 

Deine Definition, Mat

 

Ist der Mensch als Ebenbild so frei wie Gott. Darf er sich selbst entwerfen zur Freude seines Schoepfers

 

 

ist 1. sehr schön und 2. kein notwendiger Widerspruch zu

 

oder bedeutet Ebenbild, dass Gott ein festes Bild definiert, in das sich der Mensch fügen muss

 

Denn die Sünde, die es zu meiden gilt, steht ja dem "sich selbst entwerfen" gerade entgegen, weil sie den Menschen versklavt und seiner Freiheit beraubt.

 

Deshalb verfehlen wir aurch unsere Sünden gerade unsere Bestimmung, so frei zu sein wie Gott. (Das dürfte Lissies Begeisterung jetzt dämpfen, aber da kann ich nix für.)

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Noch ein diskussionstechnischer Einwand zum Thema Menschenbild: Mir fällt auf, daß es gerade in moraltheologischen Diskussionen gerne als eine Art Letztbegründung eingeworfen wird (z. B. immer von meinem herzallerliebsten Freund TB :blink: ), als ob damit ein für allemal alles hieb und stichfest sein müsse.

 

Dabei stellt sich die Frage, inwiefern ein "Menschenbild" belegpflichtig ist. Ich könnte ja z.B. (Achtung, für Schnellempörte: Dies ist eine Illustration, kein Vergleich und erst recht keine Gleichsetzung) auch Sklaverei mit einem entsprechenden "Menschenbild" rechtfertigen. Oder Heiratsverbote zwischen Angehörigen verschiedener Rassen. Oder das Verweigern eines Frauenwahlrechts. Nichts leichter als all das.

 

Indem ich ein Recht, ein Verhalten, einen Willen, eine Lebensgestaltung als "nicht der eigentlichen Bestimmung eines Menschen entsprechend" (=Menschenbild) deklariere, kann ich alles, wirklich alles, legitimieren.

 

 

Ein Menschenbild muß irgendwie anhand der Realität, anhand von humanwissenschaftlichen Erkenntnissen, anhand von Logik und Plausibilität belegbar sein. Und je mehr Restriktionen man daraus ableiten will, umso strenger müssen die Belege überprüft werden.

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Die Rolle - in ihrer soziologischen Bedeutung - definiert ja die Funktion eines Menschen in einem Sozialsystem. Insofern gehört sie gerade nicht zum christlichen Menschenbild, daß den Wert des Menschen ganz ohne Funktion aus seiner Gotteskindschaft heraus begründet.

 

Deine Definition, Mat

 

Ist der Mensch als Ebenbild so frei wie Gott. Darf er sich selbst entwerfen zur Freude seines Schoepfers

 

 

ist 1. sehr schön und 2. kein notwendiger Widerspruch zu

 

oder bedeutet Ebenbild, dass Gott ein festes Bild definiert, in das sich der Mensch fügen muss

 

Denn die Sünde, die es zu meiden gilt, steht ja dem "sich selbst entwerfen" gerade entgegen, weil sie den Menschen versklavt und seiner Freiheit beraubt.

 

Deshalb verfehlen wir aurch unsere Sünden gerade unsere Bestimmung, so frei zu sein wie Gott. (Das dürfte Lissies Begeisterung jetzt dämpfen, aber da kann ich nix für.)

Hallo Thomas,

 

der widerspruch ist nicht zwingend, aber ich meine, dass man einen solchen hier durchaus bei Manchem feststellen kann.

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Spinnen wir den Gedanken von oben weiter: Halte ich also den Menschen für ein Produkt der Evolution, dann muss ich in bezug auf Ethik letztlich fragen, wie muss sich der Mensch verhalten um evolutiv erfolgreich zu sein (falls ich überhaupt einen Sinn im menschlichen Daseinannehmen moechte). Ich koennte jetzt noch einen Schritt weitergehen und jetzt noch annehmen, dass sich die Idee der Menschenrechte als gute Grundlage des Zusammenlebens bewährt hat. Ebenso koennte ich eine Würde des Menschen annehmen als Grundsicherung der Existenz des Individuums. Und auf dieser Basis kann ich dann eine Sozialtheorie entwickeln.

 

Das sind ganz grobe Züge, aber ich moechte damit zeigen, dass man im Bereich von menschenbild und Ethik verschiedene Ansätze verfolgen kann. Außerdem ist es moeglich, dass man zu ähnlichen Ergebnissen kommt, wie das hier postulierte christliche Menschenbild, ohne dieses auch nur annähernd zu teilen.

Leider muss ich Dir hier widersprechen. Wenn man das Grundmuster Evolution ohne den Schoepfungsgedanken anlegt, dann ist das Ziel einzig die Arterhaltung bzw. bessere Anpassung. Niemals ist das Ziel der Evolution das Glueck des Individuums bzw. die Wahrung seiner "Rechte" (wo koennten die eigentlich herkommen, wenn alles nur auf biochemischen Prozessen beruht?). Aus evolutionaerer Sicht ist es vielmehr so, dass Individuen geopfert werden muessen in groesserer oder kleinerer Anzahl, damit eine moeglichst grosse Population der Art ueberlebt.

 

Und mit damit haben weder die Wuerde des Menschen noch die Menschenrechte etwas zu tun, denn die meinen zuerst das Individuum.

 

Fuer den reinen Materialisten ist also Menschenwuerde und Menschenrecht hoechstens gut, um sich selbst als Individuum zu schuetzen. Mit dem Grundprinzip der (reinen) Evolution hat das gar nichts zu tun.

bearbeitet von soames
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Du fragtest nach dem was der Mensch ist. Es geht beim Menschenbild m.E. darum zu bestimmen, was den Menschen ausmacht. Was ihn etwa von anderen Lebewesen unterscheidet.

Wenn ein Menschenbild vollständig sein soll, dann werden dazu wohl nicht nur die Unterschiede, sondern auch die Gemeinsamkeiten mit anderen Lebewesen gehören. Andererseits ist es fraglich, warum sich ein Mensch über sein Verhältnis zu anderen Lebewesen definieren soll. Der Unterschied zwischen Menschen und Tieren ist ja im Regelfall ohnehin leicht erkennbar. Dazu braucht man eigentlich kein Menschenbild (und erst recht kein spezifisch "christliches").

 

Spinnen wir den Gedanken von oben weiter: Halte ich also den Menschen für ein Produkt der Evolution, dann muss ich in bezug auf Ethik letztlich fragen, wie muss sich der Mensch verhalten um evolutiv erfolgreich zu sein (falls ich überhaupt einen Sinn im menschlichen Daseinannehmen moechte).

 

OK, wenn man die Evolution anerkennt, bedeutet es nichts weiter als sich mit den Verhältnissen zu arrangieren, wenn man sie in seinem Verhalten berücksichtigt. Wenn man dagegen die Evolution bestreitet, wird man sie wohl auch bei seinem Verhalten unberücksichtigt lassen.

 

Hängt das Menschenbild also letztlich davon ab, inwieweit man sich mit bestimmten Wissenschaften befaßt hat; gemäß der Reihenfolge: Wissenschaftliche Erkenntnis --> Menschenbild --> Ethik?

 

Bezeichnet der prätentiöse Begriff "conditio humana" eigentlich dasselbe wie "Menschenbild"?

bearbeitet von Squire
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Ich habe eine Zusammenfassung des schon erwähnten Rahner-Vortrags gefunden.

 

'Der Mensch ist, wozu er sich macht!' So lautete eine existentialistische Devise Sartres aus dem Jahr 1946. Eine andere Formulierung war diese: 'Die Existenz des Menschen geht seiner Essenz (also dem, was er ist) voraus'. D.h.: Sein Was-sein bestimmt der Mensch selbst – durch seinen Entwurf, seine Wahl, seine Freiheit. Von Psychopharmaka (obwohl er sie selbst benutzte) oder Genmanipulation war bei Sartre noch keine Rede, auch nicht von Hirntransplantation oder Neurochips.

 

20 Jahre später, 1966, war das anders. Der Theologe Karl Rahner stellte "die neue Wirklichkeit und die begonnene Zukunft der Selbstmanipulation des Menschen" fest. D.h.: Der Mensch ändert sich – und zwar aktiv und planmäßig, dies in mehrfacher Hinsicht.

  • Durch Hominisierung der Umwelt, d.h.: Er lebt in einer weitgehend selbst erzeugten Umwelt – in Wohnmaschinen, er erzeugt Kunststoffe, erfindet Nahrungsmittel usw.
  • Durch biologische Selbstmanipulation. D.h.: Der Mensch steuert die Erbauslese, Geburtenhäufigkeit, gründet Samenbanken, manipuliert das Genom.
  • Durch Prothesenkultur, künstliche Organe, transplantierte oder gar geklonte Organe, Herzschrittmacher, künstliche Gelenke usw.
  • Durch Gehirnwäsche im Großen mittels Psychopharmaka.
  • Durch Sozialmedizin, Organisation der Arbeit und Freizeit.
  • Durch eine Weltregierung aus herangezüchteten Superintelligenzen. Die steht allerdings noch aus. Die hominisierte Welt würde damit zu "einer einzigen großen Fabrik, in der der operable Mensch haust, um sich selbst zu erfinden." (Rahner 1966, 51)

Unter Auslassung moralischer Fragen (also z.B. der sittlichen Beurteilung der Anti-Paby-Pille oder von Nieren-Transplantationen) stellt der Jesuit Rahner (Jahrgang 1904, gestorben 1984) fest: Der Mensch ist grundsätzlich operabel und darf es sein. Ja, er muss sich selbst steuern, planen und manipulieren, wenn er "in vielen Milliarden Exemplaren gleichzeitig auf der Erde existieren will."

 

Platon hatte in seinem Dialog Politikos (DerStaatsmann) einen spezifischeren Grund angegeben für die Notwendigkeit der Selbstmanipulation oder Selbstzüchtung des Menschen. Er meinte: Der Mensch müsse nun für sich selber sorgen, nachdem die Götter sich zurückgezogen hätten. Zwecks Zusammenlebens der Menschen in der Polis müsse von einer Schar Weiser bzw. vom (superintelligenten) Staatsmann die Züchtung geplant und durchgeführt werden und zwar so, dass unter den Menschen und im einzelnen Menschen eine Gleichverteilung und ein Gleichgewicht zwischen Besonnenheit und kriegerischer Tapferkeit (Mut) hergestellt und die Entartung beider Tugenden, also der Besonnenheit und des Mutes, einerseits zum Privatismus der geistreichen Stillen im Lande und andererseits zur militärischen Kriegslust vermieden wird. Die ungeeigneten Naturen müssen aus dem Gewebematerial des Staates, denn Platon vergleicht den Staat mit einem Gewebe, "ausgekämmt" werden. Dann kann mit den zurückbleibenden edlen und freiwilligen Naturen der gute Statt erzeugt werden, wobei die Tapferen für die gröberen Kettfäden diesen, die Besonnenen für das "fettere, weichere, einschlagartige Gespinst". Peter Sloterdijk hat das in seiner Menschenparkrede ausgeführt. (Vgl. Sloterdijk 2001, 335)

 

Also: Selbstmanipulation darf sein, ja soll sein. Für Rahner ist das durchaus mit dem christlichen Menschenbild vereinbar. Er schreibt: "Der Mensch ist wirklich für eine christliche Anthropologie das sich selbst manipulierende Wesen." "Denn für ein christliches Selbstverständnis ist der Mensch als Freiheitswesen vor Gott in radikalster Weise derjenige, der über sich selbst verfügt, der in Freiheit sich in seine eigene Endgültigkeit hineinsetzt." "Was durch Tod und Gericht wird, ... ist die offenbar gewordene, nackte Wirklichkeit der eigenen Endgültigkeit, zu der er sich selbst gemacht hat."

 

Wenn auch der Sinn menschlichen Lebens im Jenseits liegt, also das ewige Leben ist, so ist doch "das, was der Mensch ewig sein wird, ... das, wozu er sich selbst gemacht hat", sagt Rahner. Denn: "Der Mensch beginnt sein Dasein im Unterschied zu den Sachen, die immer fertig sind, ... als das radikal offene, unfertige Wesen, und wenn sein Wesen fertig ist, ist es das durch ihn selbst in Freiheit geschaffene." (Rahner 1966, 55)

 

Bisher bewegte sich – für den Christenmenschen – die Selbstmanipulation des Menschen im Gebiet der kontemplativ metaphysischen und glaubenshaften Erkenntnis und der sittlichen Entscheidung auf Gott hin, entschwand also, wenn man so sagen darf, indem sie entsprang, auch schon in das Geheimnis Gottes hinein." (Rahner 1966, 55) Jetzt aber zeigt sich (und das entspricht der christlichen Befreiung vom numinosen Naturzwang): "Der Mensch ist nicht mehr bloß auf Ewigkeit, sondern auf Geschichte als solche selbst hin der sich selbst Tuende." Durch aktive kulturelle Evolution setzt er die biologische Evolution fort. Er tritt der Welt und Natur herrscherlich gegenüber und ist dabei Partner des weltjenseitigen Gottes. Rahner meint sogar, dass der Mensch tun darf, was er kann, was er wirklich kann. Denn: wo er wirklich nicht darf, da geht es auch nicht. Aber "es lassen sich durchaus auch biologische, psychologische und gesellschaftlich Gesetze erahnen", meint Rahner, "die unbeschadet der Freiheit der Selbstmanipulation gewissermaßen als Regelsysteme verhindern, dass solche Selbstmanipulation im Ganzen und auf die Dauer in das wesenswidrig Absurde sich verirrt." (Rahner 1966, 60)

 

Doch was ist das Wesen des Menschen? Bisher war es im Christentum als personaler Geist angesetzt, der dem absoluten Geheimnis Gottes unausweichlich konfrontiert ist. (Rahner 1966, 57) Da sieht es auf den ersten Blick dann so aus, als wäre die biologische und gesellschaftliche Selbstmanipulation des Menschen ethisch-religiös irrelevant. Aber: der Mensch ist 'ein Wesen', das seine Natur aktiv bildet. Was ist dann 'das Wesen' des Menschen, das auch der Selbstmanipulation als Horizont und verpflichtende Grenze vorgegeben ist?, fragt Rahner.

 

Rahner erklärt: Das Christentum ist eine Religion der absoluten Zukunft. Deren Ankunft ereignet sich im Tod. Dafür steht der Tod Jesu am Kreuze, der aus Liebe geschah, und seine irdisch-fleischliche Auferstehung. (Rahner 1966, 63: "Es hat unableitbar der absoluten Liebe gefallen, in ihrer größten Niederlage zu siegen".) Entsprechend wird der Christ nach seinem Tod zwar nicht irdisch-fleischlich, aber doch himmlisch-fleischlich (was immer das sein mag) auferstehen. Er hat, wenn er glaubt, eine absolute Zukunft. Also entwirft der Christ sein Dasein auf die absolute Zukunft, das Leben nach dem Tode, hin. Dann fragt sich: Welche Beziehung kann dieser Entwurf haben zum Zukunftsentwurf der Selbstmanipulation der heutigen Menschheit?

 

Letztere sei keine bloße weltliche Interimsbeschäftigung vor dem Reich Gottes, das durch den Tod kommt, meint Rahner. Sie muss als Vermittlung der Gottesliebe gesehen werden. Als eine solche Vermittlung gilt im Christentum die Nächstenliebe (die tätige Interkommunikation). Jeder ist der Nächste für jeden – bei sechs Milliarden heute (und das künftige Zusammeleben von so vielen und noch mehr Menschen war es ja, was für Rahner die Selbstmanipulation nötig machte!). Soll also die Selbstmanipulation der Menschheit eine Bezug haben zur absoluten Zukunft bzw. dem Zukunftsentwurf des gläubigen, hoffenden, sterblichen, aber wiederauferstehenden Daseins, dann ist der Sinn der Selbstmanipulation die globale, postindividualistische Nächstenliebe, oder die liebende Interkommunikation in Gestalt höhere Stufen und Weisen der Sozialität. Sozialität wäre die Gestalt und Vermittlung der glaubend-hoffenden Liebe, in der die absolute Zukunft ankommt. (Rahner 1966, 65)

 

So sieht es aus, wenn man, wie Rahner, an die Gottesliebe glaubt, und d. h. an die absolute Zukunft, die durch den Tod aufgeht. Dann kann es, ja, darf es bei der Selbstmanipulation nur um die Gestalt und Vermittlung der Liebe gehen, schreibt Rahner. Dabei ist der Tod das Unmanipulierbare (d.h. aber nicht, das er nicht als Gen-Tod, als soziales Ende etwa durch Atombomben, als physikalisches Ende also Weltkatastrophe herbeigeführt werden könnte). Er ist die notwendige, die unvermeidbare Zukunft, meint Rahner.

 

Quelle: Günter Schulte: Der Mensch fühlt, denkt und handelt. Die besondere Rolle des Gehirns und der Umwelt für die Entwicklung des autonomen Menschen. Vortrag (Mai 2003) vor der Evangelischen Akademie Iserlohn.

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Du fragtest nach dem was der Mensch ist. Es geht beim Menschenbild m.E. darum zu bestimmen, was den Menschen ausmacht. Was ihn etwa von anderen Lebewesen unterscheidet.

Wenn ein Menschenbild vollständig sein soll, dann werden dazu wohl nicht nur die Unterschiede, sondern auch die Gemeinsamkeiten mit anderen Lebewesen gehören. Andererseits ist es fraglich, warum sich ein Mensch über sein Verhältnis zu anderen Lebewesen definieren soll. Der Unterschied zwischen Menschen und Tieren ist ja im Regelfall ohnehin leicht erkennbar. Dazu braucht man eigentlich kein Menschenbild (und erst recht kein spezifisch "christliches").

 

Spinnen wir den Gedanken von oben weiter: Halte ich also den Menschen für ein Produkt der Evolution, dann muss ich in bezug auf Ethik letztlich fragen, wie muss sich der Mensch verhalten um evolutiv erfolgreich zu sein (falls ich überhaupt einen Sinn im menschlichen Daseinannehmen moechte).

 

OK, wenn man die Evolution anerkennt, bedeutet es nichts weiter als sich mit den Verhältnissen zu arrangieren, wenn man sie in seinem Verhalten berücksichtigt. Wenn man dagegen die Evolution bestreitet, wird man sie wohl auch bei seinem Verhalten unberücksichtigt lassen.

 

Hängt das Menschenbild also letztlich davon ab, inwieweit man sich mit bestimmten Wissenschaften befaßt hat; gemäß der Reihenfolge: Wissenschaftliche Erkenntnis --> Menschenbild --> Ethik?

 

Bezeichnet der prätentiöse Begriff "conditio humana" eigentlich dasselbe wie "Menschenbild"?

Hallo Squire,

 

zu deinem ersten Punkt. Das Menschenbild ist sicherlich mehr als eine Abgrenzung von anderen. Es ist aber eine Definition, wass dieses Gebilde aus Haut und Knochen zu einem Menschen macht.

Die erste Antwort der Bibel ist, der Mensch ist Mensch, weil Gott ihn als Mensch erschaffen hat. Dann, der Mensch ist als Ebenbild Gottes und als Mann und Frau erschaffen. Und diese Dinge können dann weiter ausgefaltet werden.

 

Zum Thema Evolution. Mein Beispiel ging davon aus, dass man denen Menschen als zufälliges Produkt der Evolution definiert. Das wäre ein Menschenbild, allerdings sicher kein Christliches. Damit schließe ich allerdings nicht von vorherein aus, dass Schöpfungsgedanke und Evolution sich widersprechen. Allerdings stellt sich die Frage, welche Rolle die Evolution in meinem Menschenbild spielt. Gehe ich vom Schöpfungsgedanken aus, dann ist die Evolution lediglich ein Mittel des Schöpfers. Da ist es sicherlich so, dass man bestimmte Eigenarten des Menschen aus seinem Werden in der Evolution erklären kann (z.B. Verhaltensbiologie). Andererseits lässt sich der Mensch aber nicht durch die Evolution alleine beschreiben, sondern mehr noch durch die Absicht des Schöpfers.

 

Viele Grüße,

 

Matthias

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Mit der Bezeichnung als "Ebenbild Gottes" kann man das Menschsein nur in Abhängigkeit von einem Gott definieren. Eine Wechselwirkung scheint es hier nicht zu geben, etwa dahin, dass der Gott auch ein Ebenbild des Menschen wäre. Meiner Meinung nach ist das ein höchst willkürliches Menschenbild, weil es sich nicht von dem herleitet, was man von den Menschen wahrnimmt, sondern allein von dem, was die religiösen Offenbarungen über Gott erzählen. Die Reihenfolge ist also z.B. Bibel --> Gottesbild --> Menschenbild. Es scheint völlig irrelevant zu sein, wie sich die Menschen selbst wahrnehmen oder wie sie sich und andere sehen. Im Grunde könnte man mit der Definition "Ebenbild des (biblischen) Gottes" auch zu dem Ergebnis kommen: Ein Mensch, der mit dem Gottesbild der Bibel unvereinbar ist, ist überhaupt kein Mensch, sondern irgend etwas anders. :blink: Um dieses Ergebnis zu vermeiden behilft man sich offenbar mit den Konzept der Sündhaftigkeit: Menschen, die nicht dem Gottesbild der Bibel entsprechen, sind zwar weiterhin Ebenbilder Gottes. Soweit man aber Diskrepanzen zwischen dem biblischen Idealzustand und der Realität feststellt, bezeichnet man das als Sünde. Ist das so richtig?

 

Meiner Meinung nach entfernt man sich mit diesem Menschenbild im Laufe der Zeit immer weiter von der Realität, mit der Folge, dass die Menschen immer sündhafter werden. Das kann man auch an dem zeitlichen Abstand zu den biblischen Schriften erkennen, das Gottesbild des alten Testaments ist schwerer verständlich als das des neuen (jedenfalls für einen neuzeitlichen Kuschelchristen).

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Wird nicht eher umgekehrt ein Schuh daraus? Man betrachte den Menschen, so wie er ist, und schließe daraus auf Gott, dessen Ebenbild ja der Mensch ist?

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Hallo Mat,

 

 

ich sehe in der Formulierung eines "Menschenbildes" (besonders im Zusammenhang mit einer vermuteten "Absicht des Schöpfers", aber nicht nur in diesem Zusammenhang!) auch eine große Gefahr. Die Gefahr, Idealbilder zu schaffen, die sich negativ auf die real existierenden Menschen auswirken können.

 

Wenn man ein Bild im Kopf hat, wie "der Mensch" zu sein hat, um seiner "bestimmung" gerecht zu werden, befindet man sich schnell im Sumpf von ideologischen Denkweisen: Was von dem "Bild" abweicht, ist unvollkommen, defizitär, krank, weniger wert, muß verändert werden (hin in eine vorgegebene Richtung und das ist ja das Schlimme, ansonsten habe ich nichts gegen Veränderungen), etc.

 

Vermutlich haben wir alle bestimmte Vorstellungen davon, wie Menschen idealerweise sein sollten, was "verunglückt" ist, was "menschengerecht" ist u.s.w. Ein Nebelbegriff der dann all das, was in so ein "Menschenbild" passt subsummieren soll und gleichzeitig alles, was diesem Bild nicht entspricht, ausklammert, ist der der "Menschenwürde". Oftmals ist das, was man als menschenwürdig oder menschenunwürdig bezeichnet, ja gerade das, was in das persönliche "Menschenbild" paßt oder eben nicht paßt, und je nach diesem Bild kann es sich sehr unterscheiden: So paßt zum Beispiel aktive Sterbehilfe in mein Menschenbild des selbstbestimmten und selbstbestimmenden Menschen, der zugleich alleiniger Inhaber des eigenen Lebens ist, ganz hervorragend als Akt der Menschenwürde, während im Kontext eines anderen Menschenbildes genau das Gegenteil der Fall wäre.

 

Menschenbilder scheinen mir immer etwas Heikles zu sein. Auch wenn sie wohl unvermeidbar sind: Wir sollten uns immer darüber Rechenschaft geben, daß es sich nur um Bilder und Theorien handelt, aber niemals um festgeschriebene Wahrheiten. Und je mehr Restriktionen sich aus einem Menschenbild ergeben, je weniger Menschen unter so einem Bild Platz haben, desto unpassender erscheint es mir.

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Mit der Bezeichnung als "Ebenbild Gottes" kann man das Menschsein nur in Abhängigkeit von einem Gott definieren. Eine Wechselwirkung scheint es hier nicht zu geben, etwa dahin, dass der Gott auch ein Ebenbild des Menschen wäre. Meiner Meinung nach ist das ein höchst willkürliches Menschenbild, weil es sich nicht von dem herleitet, was man von den Menschen wahrnimmt, sondern allein von dem, was die religiösen Offenbarungen über Gott erzählen. Die Reihenfolge ist also z.B. Bibel --> Gottesbild --> Menschenbild. Es scheint völlig irrelevant zu sein, wie sich die Menschen selbst wahrnehmen oder wie sie sich und andere sehen. Im Grunde könnte man mit der Definition "Ebenbild des (biblischen) Gottes" auch zu dem Ergebnis kommen: Ein Mensch, der mit dem Gottesbild der Bibel unvereinbar ist, ist überhaupt kein Mensch, sondern irgend etwas anders. :blink: Um dieses Ergebnis zu vermeiden behilft man sich offenbar mit den Konzept der Sündhaftigkeit: Menschen, die nicht dem Gottesbild der Bibel entsprechen, sind zwar weiterhin Ebenbilder Gottes. Soweit man aber Diskrepanzen zwischen dem biblischen Idealzustand und der Realität feststellt, bezeichnet man das als Sünde. Ist das so richtig?

 

Meiner Meinung nach entfernt man sich mit diesem Menschenbild im Laufe der Zeit immer weiter von der Realität, mit der Folge, dass die Menschen immer sündhafter werden. Das kann man auch an dem zeitlichen Abstand zu den biblischen Schriften erkennen, das Gottesbild des alten Testaments ist schwerer verständlich als das des neuen (jedenfalls für einen neuzeitlichen Kuschelchristen).

Damit sind wir aber genau mitten im Problem des Menschenbildes. Und wir sehen das letztendlich auch ständig Forum. Genau diese Position wird ja vor allem von der konservativen Fraktion vertreten. Gott hat ein ganz bestimmtes Bild des Menschen entworfen, dem man entsprechen muss. Und es ist schlimm, wenn man das nicht tut.

Das Problem der Sündhaftigkeit führt dabei aber nicht wie ein Taschenspielertrick zu einer Entlastung des Menschen, sondern zu eienr Belastung. Der Mensch ist selbst dafür verantwortlich, dass er dem Willen des Schöpfers entspricht. Dafür hat er seine Freiheit erhalten.

 

Deine Beobachtung über das Kuschelchristentum ist m.E. zutreffend. Aber ich glaube, dass hier auch ein anderer Gedankengang zu Grunde liegt, nämlich, dass man versucht, aus dem Bild des freien Menschen ein anderes Verhältnis zum Schöpfer zu entwickeln. Zwar existiert hier immer noch der objektive durch die Kirche formulierte Bezugsrahmen des Willens des Schöpfers, aber er ist nicht mehr uneingeschränkt gültig. Jeder muss durch sein Gewissen selbst sein Verhältnis zu seinem Schöpfer bestimmen.

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Hallo Mat,

 

 

ich sehe in der Formulierung eines "Menschenbildes" (besonders im Zusammenhang mit einer vermuteten "Absicht des Schöpfers", aber nicht nur in diesem Zusammenhang!) auch eine große Gefahr. Die Gefahr, Idealbilder zu schaffen, die sich negativ auf die real existierenden Menschen auswirken können.

 

Wenn man ein Bild im Kopf hat, wie "der Mensch" zu sein hat, um seiner "bestimmung" gerecht zu werden, befindet man sich schnell im Sumpf von ideologischen Denkweisen: Was von dem "Bild" abweicht, ist unvollkommen, defizitär, krank, weniger wert, muß verändert werden (hin in eine vorgegebene Richtung und das ist ja das Schlimme, ansonsten habe ich nichts gegen Veränderungen), etc.

 

Vermutlich haben wir alle bestimmte Vorstellungen davon, wie Menschen idealerweise sein sollten, was "verunglückt" ist, was "menschengerecht" ist u.s.w. Ein Nebelbegriff der dann all das, was in so ein "Menschenbild" passt subsummieren soll und gleichzeitig alles, was diesem Bild nicht entspricht, ausklammert, ist der der "Menschenwürde". Oftmals ist das, was man als menschenwürdig oder menschenunwürdig bezeichnet, ja gerade das, was in das persönliche "Menschenbild" paßt oder eben nicht paßt, und je nach diesem Bild kann es sich sehr unterscheiden: So paßt zum Beispiel aktive Sterbehilfe in mein Menschenbild des selbstbestimmten und selbstbestimmenden Menschen, der zugleich alleiniger Inhaber des eigenen Lebens ist, ganz hervorragend als Akt der Menschenwürde, während im Kontext eines anderen Menschenbildes genau das Gegenteil der Fall wäre.

 

Menschenbilder scheinen mir immer etwas Heikles zu sein. Auch wenn sie wohl unvermeidbar sind: Wir sollten uns immer darüber Rechenschaft geben, daß es sich nur um Bilder und Theorien handelt, aber niemals um festgeschriebene Wahrheiten. Und je mehr Restriktionen sich aus einem Menschenbild ergeben, je weniger Menschen unter so einem Bild Platz haben, desto unpassender erscheint es mir.

Hallo lissie,

 

die Frage des Ideals ist letztlich eine Frage nach der Bezugsgröße. So lange ich eine absolute Größe ansetze, an die jeden unter allen Umständen anlege, bin ich sofort bei dem Schema normal/anormal. Ich glaube, die Meisten haben ein solches Schema erlernt, denn das, was man in der eigenen Famile erfährt, erscheint normal zu sein, und alles Andere ist fremd und anormal.

 

Ich kann natürlich auch von einem subjektiven Maßstab ausgehen, wenn ich von der Idee einer Selbstidentität ausgehe. Ich meine damit, dass es darum geht, sich selbst zu finden. Ein Beispiel: Es gibt Leute, die haben ein Selbstbild von sich, dass in keiner Weise mit ihren Fähigkeiten übereinstimmen. Und solche Leute scheitern einfach. Ich denke, hier ist der Bezugspunkt, wie ist mein Verhältis zu mir selbst. Problematisch ist dabei allerdings, wie es um Menschen steht, die gar keine Chance haben, zu sich selbst zu finden, etwa weil sie unter Gewalt leiden müssen, weil sie seelisch verletzt werden usw. Aber auch hier kann man ja dann nicht mehr von einer absoluten Anormalität reden, sondern bestenfalls von Gebrochenheit. Man kann dann weiter fragen, wie können solche Menschen unter den gegebenen Bedingungen leben.

 

In diesem Zusammenhang könnte ich auch wieder den Schöpfer ins Spiel bringen, in dem ich sage, jeder Mensch ist für sich geschaffen. Und jeder muss sein Urbild entdecken bzw. warum nicht auch entwerfen.

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Wird nicht eher umgekehrt ein Schuh daraus? Man betrachte den Menschen, so wie er ist, und schließe daraus auf Gott, dessen Ebenbild ja der Mensch ist?

Das wäre vernünftig, aber das ist wohl nicht das lehramtsmäßig-katholische Gottesbild. Was Gott ist steht vor allem in der Bibel. Die Menschen müssen sich somit offenbar der Bibel anpassen.

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Du fragtest nach dem was der Mensch ist. Es geht beim Menschenbild m.E. darum zu bestimmen, was den Menschen ausmacht. Was ihn etwa von anderen Lebewesen unterscheidet.

Wenn ein Menschenbild vollständig sein soll, dann werden dazu wohl nicht nur die Unterschiede, sondern auch die Gemeinsamkeiten mit anderen Lebewesen gehören. Andererseits ist es fraglich, warum sich ein Mensch über sein Verhältnis zu anderen Lebewesen definieren soll. Der Unterschied zwischen Menschen und Tieren ist ja im Regelfall ohnehin leicht erkennbar. Dazu braucht man eigentlich kein Menschenbild (und erst recht kein spezifisch "christliches").

 

Spinnen wir den Gedanken von oben weiter: Halte ich also den Menschen für ein Produkt der Evolution, dann muss ich in bezug auf Ethik letztlich fragen, wie muss sich der Mensch verhalten um evolutiv erfolgreich zu sein (falls ich überhaupt einen Sinn im menschlichen Daseinannehmen moechte).

 

OK, wenn man die Evolution anerkennt, bedeutet es nichts weiter als sich mit den Verhältnissen zu arrangieren, wenn man sie in seinem Verhalten berücksichtigt. Wenn man dagegen die Evolution bestreitet, wird man sie wohl auch bei seinem Verhalten unberücksichtigt lassen.

 

Hängt das Menschenbild also letztlich davon ab, inwieweit man sich mit bestimmten Wissenschaften befaßt hat; gemäß der Reihenfolge: Wissenschaftliche Erkenntnis --> Menschenbild --> Ethik?

 

Bezeichnet der prätentiöse Begriff "conditio humana" eigentlich dasselbe wie "Menschenbild"?

Eigentlich ist CONDITIO HUMANA nicht synonym mit MENSCHENBILD, eher mit der Erbsünde; genaugenommen bedeutet CONDITION HUMAINE in der Sprache der frz. Philosophen nur das MENSCHSEIN (im Gegensatz etwa zu Tiersein oder Gottsein).

Unser christliches Gottesbild ist durch Jesus Christus definiert: Wir sollen werden wie er: Ergebener, gehorsamer Diener Gottvaters, ob es den "aufgeklärten" Christen passt oder nicht.

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