Jump to content

Exegese und Verweyen


Mecky

Recommended Posts

Fabianus fragte an:

 

>>In dieser Hinsicht sehr bezeichnend erscheint mir der von Dir, Mecky, einmal zitierte Hansjürgen Verweyen, der einerseits so weit geht, einen "Osterglauben ohne Auferstehung" (in Anknüpfung an Bultmann u.a.) zu vertreten, gar den christlichen Glauben ganz vom "historischen Jesus" zu trennen, und andererseits mit großem, von mir noch nicht genauer rezipiertem philosophischen Aufwand die Rationalität des christlichen Glaubens zu "retten" versucht (daran, ob dies nun eine "Letztbegründung" ist bzw. sein soll, scheiden sich ja die Geister).

 

Wenn ich aber den christlichen Glauben als unablösbar von der Person des Jesus von Nazareth, dem Christus, und seinem Leben, Sterben und seiner Auferstehung betrachte (und dies nicht als Mythos, bloßes Kerygma o.ä. ansehe) ist es doch wohl eine Belastung für diesen Glauben, wenn mir dieser Prof. erzählt (ich werde mir dies aber nicht so einfach zu eigen machen, ohne der Sache weiter nachgegangen zu sein), daß man über diesen Jesus ziemlich wenig wissen könne und insbesondere seine Auferstehung, das zentrale Heilsereignis, als bloße Behauptung erscheint

(und er diesbezüglich auch noch das umstrittene Lüdemann-Buch von 1992(?) offenbar zustimmend auf seine Literaturliste setzt).

 

Über Antworten, insbes. von Mecky, in der Du vielleicht Dein letztes Posting zur Exegese etwas näher erklärst (welchen Glauben hälst Du dann für den angemessenen?), Kryztow(was wäre aber, wenn Dir jemand erzählt, daß die Frau nach dem Verfassen des Briefes mit einem anderen vertraulich sich getroffen hat? - so unwichtig sind "Tatsachen" wohl nicht) und allen anderen würde ich mich freuen.<<

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Lieber Fabianus!

 

Da Saintys Thread für Saintys Anliegen bleiben sollte, schreieb ich Dir hier, vielleicht meldet sich auch Kryztow.

 

Ich schätze Prof. Verweyen in den meisten seiner Aussagen sehr. Deswegen ein paar Anmerkungen, die vielleicht nicht ganz Deine Frage treffen.

 

Von einer Geringachtung des Lebens Jesu oder der Unverbundenheit des Lebens Jesu mit der Auferstehung kann nicht die Rede sein - im Gegenteil. Aller (Oster-)Glaube, der materialiter (entscheidendes Wort) über das hinausgeht, was Jesus auf Erden war, bezeichnet er als Doketismus. Verweyen kam genau damit ins Kreuzfeuer der Kritik, dass er die These aufstellte, dass durch die Auferstehung materialiter nichts zu dem hinzukam, was in Jesu Leben und Schicksal schon vorhanden war. Der Glaube ist eben nicht ablösbar (und hier ist Verweyen absolut eindeutig, sogar eindeutiger, als es viele hören wollen) vom Leben Jesu.

 

Die Verbindung zwischen Verweyen und Bultmann ist absolut künstlich. Bultmann zielt auf eine eine Kerygmatisierung, die letztlich weltlos ist. Das ist von Verweyen so weit weg, wie nur was weit weg sein kann.

 

Auch ist Verweyen nicht rationalistisch - naja, er will es zumindest nicht sein. Er ist ein Kopfmensch, so weit ist der Vorwurf des Rationalisierens naheliegend. Aber es geht Verweyen in seiner Letztbegründung nicht um eine sachliche Theorie, sondern die Letztbegründung sieht Verweyen in der Traditio. Diesen Zentralbegriff, den er im letzten Mahl Jesu festmacht, faltet er aus:

 

1. Traditio = Jesus, von Gott an die Menschen übergeben

2. Traditio = Selbstübergabe Jesu an die Menschen

3. Traditio = Von Judas den Henkern übergeben

4. Traditio = Jesus, den Jüngern übergeben in seinem Leib und Blut.

 

(Ich hoffe, ich habe noch alle Tassen in rechter Weise im Schrank - es ist schon ein paar Jährchen her, dass ich das alles gelesen habe).

 

Die Letztbegründung besteht darin, dass ein Mensch von seinem inneren Wesen auf Traditio angelegt ist und sie erkennen kann. Hierin sieht Verweyen die wahre Ver-nunft: Das Vernehmen, dass sich jemand aus Liebe voll und ganz hingibt (tradere) ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Dies ist die "prima philosophia": Eine jedem gesunden Vernehmen und Denken vorausgängige Prämisse.

Falsch verstanden wird hier von Verweyens Kritikern dieses Kaprizieren auf die prima philosophia. Schnell (zu schnell, vorschnell) wird dieser Begriff von dem losgelöst, wie Verweyen ihn prägt: Als eine philosophisch-rationale Letztbegründung im Sinne einer theoretischen Philosophie. Genau darum geht es Verweyen eben nicht.

 

Glauben (als Heilsgeschenk) ist demnach nichts anderes als vernehmende (wahre Ver-nunft, wirkliches Ver-nehmen) Teilhabe an dieser Traditio: Die Hingabe Jesu als das wahrnehmen, was sie ist (nämlich ein Geschehen, in dem Jesus von Gott uns hingegeben wird, Jesus sich selbst aus freiem Willen den Menschen übergibt, Jesus von Judas den Henkern hingegeben wird und Jesus aus freiem Willen diesen Weg für die Menschen geht). Und die Antwort des Glaubens besteht wiederum in der Teilhabe an diesem Traditio-Geschehen: Sich hingeben.

 

Die Letztbegründung besteht also nicht in einem rationalen Akt, sondern durch ein Erkennen der Hingabe Jesu. Und sie füht nicht zu theoretischen Elfenbeinturm-Aktrobatereien, sondern zum Erkennen, dass diese Hingabe die letztmögliche Aussage Gottes über den Menschen ist. Und sie wirkt im Menschen, der dann nicht theoretisiert, sondern sich hingibt.

 

So weit ein Abriss von Verweyens Theologie. Ich find die erste Sahne.

bearbeitet von Mecky
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Kryztow(was wäre aber, wenn Dir jemand erzählt, daß die Frau nach dem Verfassen des Briefes mit einem anderen vertraulich sich getroffen hat? - so unwichtig sind "Tatsachen" wohl nicht)

Ich glaube wenn man wirklich verliebt ist, wird man nicht glauben dass einen die geliebte Person betrügt .... Bei Gott verschärft sich das Problem noch. Ich glaube an einen liebenden, treuen Gott. Insofern halte ich es für unmöglich, dass er mit mir spielt, mich betrügt etc. Diese Eigenschaften hat unser christlicher Gott gerade nicht, insofern bietet der Glauben Verlässlichkeit jenseits aller Fakten.

 

Und dass historische Fakten über Jesus von Nazareth spärlich sind, sehe ich auch so. Wie willst du zB Auferstehung historisch beweisen? Nachdem sie das Leben Jesu bei Gott meint, ist sie gerade nicht historisch (die Historie beruht nun einmal auf innerweltlichen Zusammenhängen). Was ich sagen kann ist, dass der Gott dem ich im Wirken und Lehren Jesu von Nazareth, so wie es uns in der Bibel überliefert ist, begegne und in der Nachfolge Jesu im eigenen Leben erfahren kann (und das ist sicherlich keine mystische oder elitäre Erfahrung, sondern eigentlich allen zugänglich) nicht bei Tod und Kreuz, Vernichtung und Schändung verschwindet, sondern zu neuem Leben und Auferstehung führt. Das ist die Botschaft der Bibel, jenseits aller Historie. Und auf sie bezieht sich mein Glauben, und von diesem Glauben aus lese ich die (zugestandenermaßen spärchlichen) Fakten.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Lieber Mecky, besten Dank für Deine ausführliche Antwort.

Ich werde mich noch einmal näher mit Verweyen befassen, ich hatte ihn eigentlich nur explizit erwähnt, weil mich mich daran erinnerte, daß Du dies auch schon getan hast und sein Werk, soweit ich es kenne (mag sein, daß ich da etwas falsch liege), mir auch als Reaktion auf durch die Exegese ausgelöste Probleme insbes. bei der Ostertheologie erschien. Die Gemeinsamkeit mit Bultmann sah ich v.a. darin, daß auch dieser die Auferstehung als "Ausdruck der Bedeutsamkeit des Kreuzes" ansah, sie also nicht als Gottes Handeln am toten Jesus, welches über sein irdisches Leben hinausgeht, ansieht, wie ich Verweyens Entwurf, den jemand einmal als "Ostern am Kreuz" zusammengefaßt hat, ähnlich verstehe.

Auch habe ich vielleicht bei Deinen Zitaten von Verweyen in diesem alten Thread Referat und seine eigene Ansicht etwas durcheinander gebracht.

Und der Verwurf an Verweyen, "rationalistisch" zu sein, stammt nicht von mir; ich sprach lediglich bzgl. Verweyen von "Rationalität" und habe mich selbst als "rationalistischer" (mit Anführungszeichen!) bezeichnet.

 

Aber eigentlich ging es mir hier auch nicht um eine Debatte über Prof. Verweyen's Theologie, sondern um Exegese und Glauben allgemein, wozu noch die Frage aus meinem letzten (?) Posting aussteht, wenn ich auch annehme, daß Du Dein Verweyen-Referat auch als Antwort darauf verstehst.

 

Fabianus

bearbeitet von Fabianus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Verweyen ist kein Exeget, sondern Fundamentaltheologe. Er sieht die Bibel nicht aus der Sicht eines Buchstabenzählers, sondern fragt nach, wie das Wort Gottes (und damit meint er wiederum einen Vorgang der traditio) zum Menschen kommen kann.

 

Er spricht von einem "garstigen Graben", eine Kluft, die mit historischen Mitteln niemals zu schließen ist: Keine historische Methode hat die Möglichkeit, etwas so sicher zu machen, dass man sein Leben darauf setzen könnte.

 

Historische Mittel vermögen dies nicht. Was aber dann? Denn unter Berufung auf das Wort Gottes, das durch das Lesen der Bibel, durch die Begegnung der Zeilen, die von Jesus handeln, ... fangen Menschen wider alle wissenschaftliche Belegschaft an, ihr Leben zu riskieren und ihre Hoffnung auf den Gott Jesu Christi zu setzen.

 

Verweyens Erklärung: Allem thematischen Wissen vorausgehend ist der Mensch auf ein Erkennen der Traditio veranlagt, die sich in Jesus Christus ereignet hat. Der Mensch ist sozusagen wie ein Schlüsselloch, das Geschehen um Jesus (Traditio) der Schlüssel. (Manchmal ist das Schlüsselloch mit Dreck verstopft: Die Sünde)

 

Nicht die historische "Beweisführung" (ein Widerspruch in sich selbst) überzeugt, sondern das Wiedererkennen der eigenen Bestimmung, die dem Leser der Bibel nun von außen durch Jesus vor Augen geführt wird: Hingabe in der Weise der Traditio Jesu. Und diese hat die Kraft, die Zeit zu überbrücken, denn die Bestimmung des Menschen ist von Gott vorgegeben und nicht der Zeit unterworfen. Nicht die Historie, sondern das Wiedererkennen der eigenen Bestimmung bildet die Brücke über den "garstigen Graben".

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Die Brücke über den "garstigen Graben" erfolgt auf zweifache Weise. Zum einen durch die Begegnung mit Jesus. Und hierbei hat jede Evangelienstelle ihren Rang. Jede von ihnen qualifiziert auf ihre Weise die Traditio Jesu.

"Liebe" ist nur ein Wort, man kann sich alles mögliche darunter vorstellen. Erst durch die Begegnung mit der Art, wie Jesus geliebt hat, wird der Schlüssel deutlich, der uns vorgehalten wird.

"Glaube" ist nicht viel. An was die Leute so alles glauben ... Erst durch die Begegnung mit dem Glauben Jesu erhält das Wort "glauben" seinen eigentlichen Sinn.

 

Aber diese erste Weise ist lediglich Papier, wenn nicht ein anderes hinzkommt. In seinem Leben war Jesus der fleischgewordene Schlüssel für das Schlüsselloch derer, die von ihm "geheilt" (im umfassenden Sinne, auch und gerade die Jünger sind hiermit gemeint) wurden. Es bildete sich eine Traditio, eine Weitergabe des Gegebenen (Heiles). Man könnte auch "Zeugnis" sagen. Die Menschen, die mit ihrer nun befreiten Ver-nunft Jesu Wirken an sich spürten, wurden in die Bewegung der Traditio hineingenommen. Sie gaben sich nun selbst hin (tradere). Neben dem alten Zeugnis, Buchstabe geworden in den Evangelien, begegnet uns die Traditio Jesu heute durch die Nachfolger der Nachfolger der Nachfolger ... die das Heil weitergaben: In den Heiligen (nicht exklusiv den Heiliggesprochenen). Der Geist Jesu ging über auf die Jünger, auf deren Nachfolger, die sich auch hingaben (trade) ... bis diese Traditio heute bei uns durch Menschen ankommt.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Von einer Geringachtung des Lebens Jesu oder der Unverbundenheit des Lebens Jesu mit der Auferstehung kann nicht die Rede sein - im Gegenteil. Aller (Oster-)Glaube, der materialiter (entscheidendes Wort) über das hinausgeht, was Jesus auf Erden war, bezeichnet er als Doketismus. Verweyen kam genau damit ins Kreuzfeuer der Kritik, dass er die These aufstellte, dass durch die Auferstehung materialiter nichts zu dem hinzukam, was in Jesu Leben und Schicksal schon vorhanden war. Der Glaube ist eben nicht ablösbar (und hier ist Verweyen absolut eindeutig, sogar eindeutiger, als es viele hören wollen) vom Leben Jesu.

 

Die Verbindung zwischen Verweyen und Bultmann ist absolut künstlich. Bultmann zielt auf eine eine Kerygmatisierung, die letztlich weltlos ist. Das ist von Verweyen so weit weg, wie nur was weit weg sein kann.

...ähm Mecky, könntest Du diese Theologen -Sprache bitte mal in verständliches Deutsch übersetzen :blink:

 

Ach ja, ich hab gestern im chat mit jemandem über diesen thread und Bultmann diskutiert, sie ist immer noch der Meinung, dass die Kernaussagen von Verweyen und Bultmann ziemlich identisch sind, könntest Du das mal genauer.....

 

Ja, ich geb zu ich bin zu faul, dass selbst nachzuschlagen :P

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

×
×
  • Neu erstellen...