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Opfer


Ute

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Heidi warf heute in einem anderen Thread die Frage auf, warum es Opfer gibt (oder so ähnlich) und regte einen neuen Thread zu dieser Frage an.

 

Das Opfern ist aus sehr vielen (allen?) Religionen bekannt: Menschenopfer, Tieropfer, Trank- und Speiseopfer etc.

 

Die Opfernden entstammen den unterschiedlichsten Kulturen. Geopfert wurde bei den Juden, den Griechen, den Römern, den Ägyptern, den Azteken, den Maya, den Inkas, den Hindu, um nur mal die bekanntesten aufzuzählen.

 

Warum sind alle (?) Götter so scharf auf Opfer? So scharf, dass der christliche Gott sogar seinen eigenen Sohn (bzw. trinitarisch gesehen, eine Person seiner selbst) für sich selbst opfert?

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Ich vermute mal, daß Opfer in vielen Religionen einen so hohen Stellenwert haben, weil sie symbolisieren, daß der Mensch mit dem Opfer etwas, was ihm lieb, teuer oder wichtig ist, für seinen Gott bzw. Götter aufgibt und somit die Zuwendung zu Gott und die Hingabe an ihn symbolisiert, zeigt, daß die Religion wichtiger ist als irdische Dinge.

 

Ein Opfer muß nicht unbedingt materiell sein, sondern kann auch den Verzicht auf Befriedigung bedeuten, wie Fasten, Keuscheit oder Armut.

 

Ein weiterer Sinn der Opfer könnte sein, um herauszustellen, zu welchen Taten der jeweilige Gott bzw. der Glaube an Gott befähigt und somit eine Art ziemlich naiven und unbewußten Gottesbeweis darstellen. (Wenn ein Mensch SOWAS freiwillig tut, muß ja was dran sein...)

 

Mehr fällt mir momentan dazu nicht ein.

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Also, ich opfere als Symbol der Dankbarkeit. Kommt immer auf den Anlass des Rituals an... zur Ernte sind es zum Beispiel Feldfrüchte. Allerdings übergebe ich solche Opfergaben, wenn sie Naturalien darstellen, nicht dem Feuer oder ähnlichem, sondern der Natur- sprich: Tieren, die selbige dann verzehren.

Ich glaube, daß das eine Geste von Geben und nehmen ist- die Natur schenkt etwas, der Mensch gibt davon zurück oder weiter...

 

Eine andere Sache sind Blutopfer, die ja in vielen Kulturen gemacht wurden... Blut ist eine sehr machtvolle Substanz (in den meisten Überlieferungen). Vielleicht um dem betreffenden Gott zu zeigen: "sieh her ich gebe dir das wertvollste was es gibt!" ??

Ich versuche mich mal schlau zu machen... aber nicht mehr heute abend, der Spätdienst war echt zu heftig.

 

Gute Nacht euch allen,

wünscht LittleBat

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Menschen bringen ihren Göttern Opfer dar, weil sie sich etwas davon versprechen.

 

Also opfert Gott sich schliesslich selbst, weil er sich davon etwas verspricht.

 

Christen huldigen dem Opfer Gottes, weil sie sich etwas davon versprechen.

 

Und das seit 2000 Jahren.

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Opfer sind Liebesbeweise. Oder Anbetungsbeweise.

 

Götter und Menschen, die Opfer brauchen, um sich der Liebe ihrer Mitmenschen oder Anbeter sicher zu sein, sind arme Schweine. Aber da wir schließlich alle arme Schweine sind, können natürlich auch die Götter, die unserer Phantasie entspringen, nur arme Schweine sein.

 

 

Lissie

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Werner agnosticus

Ich gehe mal als Arbeitshypothese davon aus, daß Religionen ein Produkt menschlichen Denkens und Empfindens sind, wobei dieses Produkt einem (oft von den gläubigen Menschen selbst nicht bewußt durchschauten) Zweck dienen, der sich als "Bedürfnisbefriedigung" beschreiben läßt. Die Bedürfnisse können dabei recht vielfältig sein: Welterklärung, Elternersatz, Zukunftshoffnung, Sicherheits- und Geborgenheitsgefühl, Auserwähltheitsgefühl, Bestätigung der eigenen Wichtigkeit, Sehnsucht nach ausgleichender Gerechtigkeit, Hilfe in Alltagsproblemen, Schutz gegen Feinde, ...

 

Alle diese Bedürfnisse sind Dinge, die in einem gewissen Umfang, aber doch meist sehr unvollkommen, auch im zwischenmenschlichen Zusammenleben erfüllt werden können. Die Projektionswand "Gott" oder "Götter" erlaubt es, ein nach dem jeweiligen eigenen Empfinden vollkommeneres Bild der Bedürfnisbefriedigung zu entwerfen.

Wichtig für die Frage des Opfers ist an dieser Arbeithypothese, daß die religiösen Beziehungsmuster Mensch-Gott dabei frei ausgestaltete Extrapolationen realer zwischenmenschlicher Beziehungsmuster sind und viele von deren Charakteristika übernehmen. Im menschlichen Zusammenleben ist es eine alltägliche Erfahrung, daß die beschriebenen Bedürfnisbefriedigungen meist in Form eines Deals zu erreichen sind. Sie sind Geschäft, eine Hand wäscht die andere, es gibt kaum etwas umsonst. Damit ist das Prinzip der menschlichen Gegenleistung für eine erhoffte Bedürfnisbefriedigung schon in der realen Vorlage der religiösen Mensch-Gott-Beziehung vorhanden. Weiter ist es eine übliche Erfahrung, daß der Geschäftscharakter bei sehr asymmetrischen Beziehungen, in denen die Macht extrem einseitig verteilt ist, vom Schwächeren nicht offen formuliert werden darf und der Eindruck, man poche auf ein "Recht auf Gegenleistung", peinlichst vermieden werden muß. Hier werden die Leistungen des Schwächeren zu einer unsicheren Investition; aus der Bezahlung, mit der sich ein Rechtsanspruch auf die bezahlte Leistung verbindet, wird eine mit Hoffnungen auf Gegenleistung befrachtete Geste des guten Willens (das gibt es in unserer Demokratie immer noch, war aber in Feudalgesellschaften mit geringerer Garantie von Individualrechten noch viel ausgeprägter - also in den Gesellschaften, in denen die meisten Opferreligionen entstanden sind), ein "Geschenk" oder eine "Ehrfurchtsbezeugung", die den Mächtigen wohlgesonnen stimmen soll - in religiöser Sprache: ein Opfer.

Das Opfer wäre also nichts anderes als die Übernahme der alltäglichen Erfahrung des "do ut des" in die religiöse Extrapolation des Strebens nach Bedürfnisbefriedigung, wobei aufgrund des angenommenen Machtunterschiedes zwischen Mensch und Gott der Handelscharakter formal verdeckt wird durch die Deklaration als "Geschenk" oder "Ehrfurchtsbezeugung".

 

Es ist klar, daß mein Entwurf hier stark vereinfacht dargestellt ist, insbesondere habe ich hier die Eigendynamik von Religionen vernachlässigt, die sich aus ihrer sozialen Organisation und der Ausbildung religiöser Führungseliten sowie der damit verbundenen Tendenz zur Festschreibung von Traditionen ergibt. Diese Eigendynamik kann durchaus dazu führen, daß die Ausgestaltung einer Religion für den einzelnen Gläubigen weitestgehend durch ihm "aufgezwungene" (wertfrei!) Tradition bestimmt ist und hinsichtlich des ursprünglichen Zwecks der Bedürfnisbefriedigung unproduktiv oder sogar kontraproduktiv wird oder bisweilen eher der Bedürfnisbefriedigung der religiösen Führungselite dient.

 

Werner

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Für die denen Werners Texte zu lang sind, hier die Kernaussage, bezogen auf das Thema des Threads:

 

"Das Opfer wäre also nichts anderes als die Übernahme der alltäglichen Erfahrung des "do ut des" in die religiöse Extrapolation des Strebens nach Bedürfnisbefriedigung, wobei

aufgrund des angenommenen Machtunterschiedes zwischen Mensch und Gott der Handelscharakter formal verdeckt wird durch die Deklaration als "Geschenk" oder "Ehrfurchtsbezeugung". "

 

Stimmt das "do, ut des"-Prinzip im Judentum/Christentum?

 

- sola gratia

- Kain und Abel: Das Opfer war ein Dankesopfer, also gerade kein do, ut des.

- Abraham: nicht einmal ein Dankesopfer, sondern das Angebot eines Liebesopfers.

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Zitat von Werner agnosticus am 9:23 - 23.Mai.2001

Ich gehe mal als Arbeitshypothese davon aus, daß Religionen ein Produkt menschlichen Denkens und Empfindens sind, wobei dieses Produkt einem (oft von den gläubigen Menschen selbst nicht bewußt durchschauten) Zweck dienen, der sich als "Bedürfnisbefriedigung" beschreiben läßt. Die Bedürfnisse können dabei recht vielfältig sein: Welterklärung, Elternersatz, Zukunftshoffnung, Sicherheits- und Geborgenheitsgefühl, Auserwähltheitsgefühl, Bestätigung der eigenen Wichtigkeit, Sehnsucht nach ausgleichender Gerechtigkeit, Hilfe in Alltagsproblemen, Schutz gegen Feinde, ...

 

 

Werner


 

Ein paar Bibelstellen zu Deiner Arbeitshypothese hinsichtlich Bedürfnisbefriedigung. Ich glaube, jetzt verstehe ich, was Dich vom Glauben abhält!

 

Mt 16,24

 

Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.

 

 

Joh 12,24 f

 

Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.

Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.

 

 

Joh 15,18 f

 

Wenn die Welt euch haßt, dann wißt, daß sie mich schon vor euch gehaßt hat.

Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum haßt euch die Welt.

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Werner agnosticus

Hallo Stefan,


Zitat von Steffen am 9:37 - 23.Mai.2001

Stimmt das "do, ut des"-Prinzip im Judentum/Christentum?

 

- sola gratia

- Kain und Abel: Das Opfer war ein Dankesopfer, also gerade kein do, ut des.

- Abraham: nicht einmal ein Dankesopfer, sondern das Angebot eines Liebesopfers.

diese Frage kann man natürlich stellen und trefflich darüber streiten. Das Christentum legt großen Wert darauf, daß da kein Deal mit Gott stattfinde - es hat sich geradezu eine Tradition herausgebildet, die dies (zu unrecht) zu einem grundlegenden Unterschied gegenüber allen anderen Religionen zu stilisieren versucht.

Ich halte es allerdings für eine verbale "Beschönigung" (wobei ich persönlich darin gar kein schöneres Ergebnis sehe; einen Gott, mit dem man in zuverlässiger Weise handeln kann, finde ich nicht schlecht) - eine mögliche Erklärung dieses Bemühens hatte ich ja schon gegeben. Das Christentum (aber nicht nur dieses) klebt gerne Etiketten wie "Liebe" oder "Dank" an alles mögliche. Geprüft wird die Angemessenheit dieser Etikettierung selten (oft ist sie natürlich auch gar nicht prüfbar). Auch Deine Beispiele erscheinen mir bei näherer Prüfung nicht so aussagekräftig, wie sie vielleicht zunächst wirken.

 

sola gratia - eine schöne Formel, aber in der Praxis stellt sich dann heraus, daß diese Gnade an Bedingungen gebunden wird (also doch keine reine Gnade, sondern ein Geschäft ist). Das reicht von so platten Formen der Komerzialisierung wie dem Ablaßwesen, über das häufige Verknüofen der Absolution mit Handlungsauflagen (die Opfercharakter haben; ich meine nicht die Auflage, sich um Besserung zu bemühen) bis hin zu der Bindung der Gnade an den Glauben, der damit zur Voraussetzung und zu einem "Werk" wird.

Die Idee des "sola gratia" gehört überhaupt zu jenen Bestandteilen der christlichen Lehre, die zu unlösbaren Widersprüchen und zu deren Kaschierung zu den halsbrecherischsten theologischen Sprachverrenkungen führt. Ein konsequentes "sola gratia" macht das Handeln Gottes gänzlich unabhäbig vom menschlichen Verhalten. Dies ist sowohl aus praktischen Gründen unerwünscht (da Gebote dadurch einen wichtigen Teil ihrer Überzeugungskraft verlieren) als auch aus theoretischen Erwägungen, da man dann entweder die Idee einer wie auch immer gedachten "ewigen Verdammnis" und damit auch jede Begründung der (Heils-)Notwendigkeit der Kirche aufgeben muß oder aber Gott zu einem Willkürherrscher wird, der seine Gnade nach Lust und Laune gewährt (was man ja noch akzeptieren kann) oder vorenthält (was inakzeptabel ist).

 

Kain und Abel - hier liegt der Deal ganz offen zutage: Das Opfer soll eine Wohlwollensbekundung Gottes auslösen (die angestrebte Bedürfnisbefriedigung ist sozusagen ein anerkennendes Schulterklopfen vom Chef). Wo diese Gegenleistung Gottes ausbleibt und sogar eine demonstrative Mißfallenbekundung erfolgt, da stellt sich sogleich Enttäuschung, Verärgerung und Neid ein. Der Rest ist bekannt.

 

Abraham (ich nehme an, Du meinst die Sache mit Isaak) - hier steht am Anfang die Extremform der Degeneration des Handels bei einem ganz einseitigen Kräfteverhältnis: Aus der bereits vom Rechtsanspruch zur bloßen Hoffnung auf Gegenleistung herabgesunkenen Position des Schwächeren wird die direkte Befehlsabhängigkeit. Auch dem Befehl zu gehorchen ist letztlich ein Geschäft, wenn auch ein für unser Empfinden ungerechtes und sittenwidriges: Der Gehorchende handelt mit dem Ziel, negativen Sanktionen zu entgehen (diese müssen nicht immer so direkt angedroht werden wie bei "Schutzgelderpressung" oder bei der Steuererhebung durch einen absolutistischen Herrscher; sie sind in der Befehlsform bereits enthalten und bedingen den Unterschied zwischen Befehl und Bitte). Die in ihrer Härte mit fortschreitender Bewußtseinsentwicklung der Menschen immer inakzeptablere Opferforderung der ursprünglichen Abrahamsgeschichte nötigte später zur harmonisierenden Ergänzung der Geschichte (zum Glück sind trotz allem Konservatismus auch religiöse Vorstellungen in historischen Zeiträumen für Lernprozesse offen ). Das Resultat ist ein nicht mehr so anstößiges, aber auch seiner Stimmigkeit beraubtes Opfer, das eigentlich gar keines mehr ist, sondern nur noch mühsam den äußeren Anschein eines Opfers zu wahren sucht. Sekundär wurde versucht, der so an den Rand der Lächerlichkeit gekommenen Geschichte wieder mehr Tiefsinn abzugewinnen. Das Ganze wird als eine Art Glaubens- und Gehorsamstest verstanden, den Abraham bravourös besteht (so die fromme Deutung; für jeden Außenstehenden versagt hier Abraham als Vater in verbrecherischer Weise). Damit kommt aber auch wieder der Deal ins Spiel. Denn ein Test macht nur Sinn, wenn sein Ausgang auch Konsequenzen hat. Das Opfer Abrahams (das jetzt nicht mehr in der Tötung seines Sohnes besteht, sondern in der Bereitschaft zur Tötung seines Sohnes) wird also wieder zu Grundlage für ein nicht näher bestimmtes, aber fraglos als vorteilhaft angenommenes Verhalten Gottes.

 

Viele Grüße

Werner

 

P.S.: Danke für Deinen Versuch, eine Zusammenfassung meiner Ausführungen für Eilige oder Leseunlustige zu liefern. Sollte ich vielleicht selbst ab und zu praktizieren. Hoffentlich führt das nicht dazu, daß keiner mehr die "Vollversion" liest wink3.gif. Das Problem der langen Texte ist mir durchaus bewußt. Andererseits geht Kürzung zwangsläufig auf Kosten der Differenzierung. Wahrscheinlich muß man einfach damit leben, daß in einem Forum unterschiedliche Teilnehmergruppen unterschiedliche Darstellungsweisen (sprachlich; in der Länge; in der Schwerpunktsetzung ...) praktizieren und jeder nur einen Teil des Gesamtforums als für ihn gewinnbringend erlebt.

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Werners Arbeitshypothese erscheint mir widerspruchsfrei. Aber eine Frage ist damit noch nicht zufriedenstellend geklärt:

 

Was ist warum dazu geeignet, als Opfergabe zu dienen?

 

Erwähnt wurden bereits Blut- und Trankopfer, Menschen- und Tieropfer, aber auch Verzichts-Opfer und Naturalien.

 

Dass z.B. Verzichts-Opfer dazu dienen können, zu zeigen, wozu man glaubensmäßig imstande ist, bzw. die Hingabe zu zeigen, hat Isi2 bereits geschrieben.

 

Blut und Leben gelten als wertvoll, also geeignet als Gegengabe eines Deals. DAS allerdings bedingt, dass der Opfernde über das Leben seines Opfers verfügt.

 

Welches Licht wirft die Art der Opfergaben auf die Götter?

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Danke Ute, dass Du meine Anregung aufgegriffen hast.

 

Bisher finde ich drei Erklärungsvarianten für die „Erfindung“ des Opfers in Euren Antworten:

 

 

1) Eine Geste der UNTERWERFUNG und HINGABE

 

"...daß der Mensch mit dem Opfer etwas, was ihm lieb, teuer oder wichtig ist, für seinen Gott bzw. Götter aufgibt und somit die Zuwendung zu Gott und die Hingabe an ihn symbolisiert, "(Isi)

 

 

2) Ein Ausdruck der DANKBARKEIT – Der Wunsch etwas zurückzuschenken

 

"...als Symbol der Dankbarkeit. Ich glaube, daß das eine Geste von Geben und nehmen ist- die Natur schenkt etwas, der Mensch gibt davon zurück oder weiter..."

 

 

3) BERECHNUNG hinter dem ein Sicherheitsbedürfnis steht.

 

"...ein "Geschenk" oder eine "Ehrfurchtsbezeugung", die den Mächtigen wohlgesonnen stimmen soll... in Form eines Deals zu erreichen ...."(W.A.)

 

---------------------

 

Blutopfer...? haben sie einen besonderen Charakter?

Symbol der eigenen Macht?

Die Freude an der Grausamkeit?

....

 

 

Heidi

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Werner agnosticus

Hallo MichelAngelo,

 

Ein paar Bibelstellen zu Deiner Arbeitshypothese hinsichtlich Bedürfnisbefriedigung. Ich glaube, jetzt verstehe ich, was Dich vom Glauben abhält!

Ich denke nicht, daß Du verstehst, was mich vom Glauben abhält. Die Gründe dafür findest Du nicht in diesem Opfer-Thread, sondern in denen, die die logische Inkonsistenz der christlichen Lehre zum Thema haben sowie in denen, die sich mit dem "real existierenden Christentum" (sprich: der Kichengeschichte bis zur Gegenwart) beschäftigen.

 

Deine Bibelstellen unterstützen sehr nachdrücklich meine Arbeitshypothese vom "Opfer" als menschlichem Leistungsanteil in einem Deal, bei dem vom göttlichen Geschäftspartner als Gegenleistung die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse erhofft wird.

 

Mt 16,24

Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.

Der Text geht dann so weiter (Mt.16,25ff):

Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? Denn es wird geschehen, daß der Menschensohn kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er einem jeden vergelten nach seinem Tun.

Die fett gesetzten Passagen machen den do-ut-des-Charakter der "Nachfolge Christi" (des Opfers, "sein Kreuz auf sich zu nehmen" ) ganz unverblümt deutlich. Es geht um den "big pie in heaven", den ins Unendliche extrapolierten Inbegriff der Befriedigung der von mir bereits genannten Bedürfnisse Zukunftshoffnung, Sicherheitsgefühl und Sehnsucht nach ausgleichender Gerechtigkeit (je nach Ausprägung auch noch der ebenfalls schon genannten Bedürfnisse Auserwähltheitsgefühl und Bestätigung der eigenen Wichtigkeit). Konsequenterweise wird mit der Maximierung der in Aussicht gestellten Bedürfnissbefriedigung auch eine Maximierung des geforderten Opfers verbunden: Das Opfer des eigenen Lebens.

 

Joh 12,24 f

Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.

Auch hier noch ergänzend den nächsten Vers (Joh.12,26):

Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

Auch hier in aller Offenheit die Verknüpfung von menschlicher Leístung (Opfer des eigenen Lebens) und göttlicher Gegenleistung ("ewiges Leben" ). Wie beim Matthäus-Text wieder umfassende Bedürfnisbefriedigung durch das "ewige Leben". Der Aspekt des Bedürfnisses der Bestätigung der eigenen Wichtigkeit wird am Ende von Vers 26 sehr deutlich.

 

Joh 15,18 f

Wenn die Welt euch haßt, dann wißt, daß sie mich schon vor euch gehaßt hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum haßt euch die Welt.

In meinem Anfangsbeitrag nannte ich auch das Bedürfnis des Auserwähltheitsgefühls. Im Johannes-Zitat wird es explizit angesprochen. Und für diese Auserwählung muß man dann halt das Opfer in Kauf nehmen, daß man "von der Welt gehaßt wird". Der Umkehrschluß ergibt sich aus dem Text von selbst: Wer in der "Nachfolge Jesu" nachlässt, um nicht mehr der Anfeindung durch die Umwelt ausgesetzt zu sein, der riskiert seine Auserwählung zu verlieren.

Der Hintergrund dieses Textes wie überhaupt des ganzen Johannes-Evangeliums ist übrigens sehr wahrscheinlich die Situation einer in Bedrängnis geratenen Gemeinde (physische Verfolgung, soziale und/oder ökonomische Ausgrenzung oder kollektive Verachtung), deren Durchhaltewillen mit Zukunftsverheißungen für die Standhaften sowie mit Schreckensvisionen für die Apostaten gefördert werden soll (Zuckerbrot und Peitsche). Standhaftigkeit im Glauben und das Hinnehmen der damit verbundenen Konsequenzen wird zum menschlichen Teil (Opfer) in diesem Geschäft mit Gott. In der kirchlichen Tradition findet diese Vorstellung ihre Fortsetzung in der besonderen Hochschätzung der Märtyrer, an deren göttlicher Belohnung man sowenig zweifelt, daß man sie massenhaft zu Heiligen erklärt und sie auch von einer etwaigen "Läuterung" im Fegefeuer freigestellt sieht. Märtyrer haben aufgrund ihres maximalen Opfer sozusagen Anspruch auf maximale göttliche Gegenleistung. Vorbildliche Einhaltung ökonomischer Grundprinzipien! supergrin.gif

 

Gruß

Werner

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Hallo, Werner,

 

Schon der gute alte Maslow (1908-1970) hat an Hand seiner Bedürfnispyramide gezeigt, daß die höheren geistigen Bedürfnisse nur dann eine Bedeutung für den Menschen haben, wenn die unteren materiellen (Essen, Kleidung, Haus etc.) befriedigt sind.

Nun läßt sich gerade z.B. bei den Märtyrern zeigen, daß sie diese allgemein anerkannte Bedürfnispyramide auf den Kopf stellen und das entgegen der allgemeinen menschlichen Erfahrung.

Eine DO-UT-DES-Haltung liegt in den von mir zitierten Bibelstellen eben nicht vor. DO-UT-DES erwartet hic et nunc oder zumindest in absehbarer Zukunft die Gegenleistung. Daß sich Menschen dennoch zum Opfer bereit erklären, hat mit einer ganz anderen Dimension zu tun, die in Deinen Beiträgen vollkommen ausgeblendet wird.

Es mag sein, daß Deine Eltern das Opfer Dich großzuziehen erbracht haben, weil sie von dir später eine Gegenleistung erwarteten. Wenn das der einzige Beweggrund für ihre Opfer für Dich war, dann tust Du mir leid. Dann verstehe ich auch Deine krämerhaftes Argumentieren. Aber ich gehe davon aus, daß Deine Eltern auch aus selbstloser Liebe gehandelt haben, als sie Dich aufzogen.

 

Und hier kommt das Stichwort das in Deinem agnostischen Denken keinen Platz hat, mit dem Du offenbar nichts anfangen kannst: LIEBE!

 

Joh 1,16: Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.

 

Die Liebe ist Opfer!

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Gibt es überhaupt ein Handeln ohne Bedürfnisbefriedigung?

 

Wenn ich z.B. mich gut verhalte und dann das Bewußtsein habe, einem ethischen Anspruch gefolgt zu sein:

Ist das schon eine Bedürfnisbefriedigung?

Ist nicht automatisch jedes Handeln Erfüllung des Handelnwollens (=bedürfnsibefriedigung), des Vorsatzes zum Handeln?

Im Bezug auf die Opferdiskussion:

Wenn jedes Handeln bedürfnisbefriedigung ist, weil zumindest damit einem inneren Drang oder einem Ideal gefolgt wird, worin besteht dann die Verwerflichkeit des "Do, ut des" Prinzips?

 

Wird das "do, ut des" Prinzip durchbrochen, wo jemand selbstlos liebt, oder ist auch die Liebe nur Bedürfnisbefriedigung?

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Lieber Werner,

 

Ich glaube nicht, daß die Tatsache einer Belohnung der Selbstlosigkeit und dem nichtegoistischen und nicht auf materiellen oder geistigen Profit ausgerichteten Denken widerspricht.

Obwohl Lohn in Aussicht steht, ist selbstloses verhalten möglich.

Ein guter Arzt handelt im Idealfall aufopferungsvoll für die patienten. Dem steht aber nicht entgegen, daß er dafür auch Geld nimmt. Das Geld, also die Belohnung hat also nicht unbedingt etwas mit der Motivation des Handelns zu tun.

 

Unser Lohn besteht in unserem Handeln, also in der Erfüllung des Gebots der Gottesliebe.

Einmal war der Sinn des Baalschem so gesunken, daß ihm schien, er könne keinen Anteil an der kommenden Welt haben. Da sprach er zu sich: "Wenn ich Gott liebe, was brauche ich da eine kommende Welt?"

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>> Wird das "do, ut des" Prinzip durchbrochen, wo jemand selbstlos liebt, oder ist auch die Liebe nur Bedürfnisbefriedigung? << (Steffen)

 

 

Mir ist noch niemand begegnet, der selbstlos liebt.

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Werner agnosticus

Lieber Steffen,

 

Deine Überlegungen finde ich sehr gut!! Leider habe ich jetzt keine Zeit mehr und auch vor Montag keine Gelegenheit zu einer adäquaten Antwort und muß Dich deshalb solange vertrösten.

 

Bis dahin liebee Grüße

Werner

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Werner agnosticus

Hallo Michelangelo,

 

Schon der gute alte Maslow (1908-1970) hat an Hand seiner Bedürfnispyramide gezeigt, daß die höheren geistigen Bedürfnisse nur dann eine Bedeutung für den Menschen haben, wenn die unteren materiellen (Essen, Kleidung, Haus etc.) befriedigt sind.

Nun läßt sich gerade z.B. bei den Märtyrern zeigen, daß sie diese allgemein anerkannte Bedürfnispyramide auf den Kopf stellen und das entgegen der allgemeinen menschlichen Erfahrung.

Maslow's Erkenntnisse sind naturgemäß statistischer Art: In der überwiegenden Zahl der Fälle gilt seine Bedürfnispyramide ziemlich gut. So wie auf einen christlichen Märtyrer 1000 Christen kommen, die bei Bedrohung ihres Lebens den Schwanz einziehen und nach petrinischem Vorbild lieber ihren Herrn verleugnen; und wie auf einen Christen, der für den Schatz im Himmel all sein Gut verkauft und den Armen spendet, 10000 Christen kommen, die die Sicherung ihrer primären Bedürfnisse vorziehen und lieber weiter dem Mammon dienen.

 

Eine DO-UT-DES-Haltung liegt in den von mir zitierten Bibelstellen eben nicht vor. DO-UT-DES erwartet hic et nunc oder zumindest in absehbarer Zukunft die Gegenleistung.

Do-ut-des ist nicht durch ein hic-et-nunc oder durch die absehbare Zukunft die Gegenleistung gekennzeichnet, sondern, wie ja schon die Formulierung zeigt, einzig durch die intendierte logische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung, ist also in den Bibelstellen explizit gegeben.

Es läßt allerdings schmunzeln, daß Du hier Kurzsichtigkeit zum konstitutiven Bestandteil dieses Do-ut-des-Prinzips zu erklären versuchst. Da ich keineswegs absehen kann, ob ich die nächsten 20 Jahre überleben werde, würde also der Abschluß einer Rentenzusatzversicherung meinerseits nicht dem Do-ut-des-Prinzip folgen???? Sollte ich da etwa ohne es recht zu wissen aus selbstloser Liebe der Versicherungsgesellschaft mein Geld zur Verfügung stellen? - Deine Sichtweise führt schon zu skurilen Konsequenzen.

 

Daß sich Menschen dennoch zum Opfer bereit erklären, hat mit einer ganz anderen Dimension zu tun, die in Deinen Beiträgen vollkommen ausgeblendet wird.

Deine völlig hypothetische "andereDimension" wäre, wenn es sie tatsächlich gäbe, alles andere als ein Zeichen gehobener Qualität. Denn die Deiner Ansicht nach nur durch sie erklärbaren Opfer, die auf keinen diesseitigen Lohn zielen, umfassen den christlichen Märtyrer ebenso wie den katharischen, buddhistischen, kommunistischen oder nationalsozialistischen Märtyrer, daneben auch die Kreuzzügler und anderen heiligen Krieger, denen für den Fall ihres Todes das Paradies versprochen wurde, ebenso den palästinensischen Selbstmordattentäter oder den sich im Gefängnis zu Tode hungernden PKK- oder RAF-Terroristen, Leonidas bei den Thermopylen, ...

Der Deal ist bei all diesen "Opfern" klar. Wem die Vorstellung von "Ewigkeit" überaus wichtig ist, für den ist sie ohne weiteres eine denkbare Gegenleistung für ein "Opfer".

 

Es mag sein, daß Deine Eltern das Opfer Dich großzuziehen erbracht haben, weil sie von dir später eine Gegenleistung erwarteten. Wenn das der einzige Beweggrund für ihre Opfer für Dich war, dann tust Du mir leid. Dann verstehe ich auch Deine krämerhaftes Argumentieren. Aber ich gehe davon aus, daß Deine Eltern auch aus selbstloser Liebe gehandelt haben, als sie Dich aufzogen.

Es gibt, wenn wir mal von äußeren Gewaltmaßnahmen absehen, zwei Gründe, durch die Eltern zu einem Kind kommen. Der eine ist durch schlichte Unaufmerksamkeit - der spielte in meinem Fall meines Wissens keine Rolle. Der andere ist, daß Eltern ein Kind haben wollen. Es geht um eine Wunschbefriedigung der Eltern, nicht um Liebe zu diesem Kind (das Kind ist ja noch gar nicht vorhanden, es kann damit auch noch nicht das Objekt der Liebe sein, da es als persönliches Gegenüber gar nicht verfügbar, ja nicht einmal bekannt ist.). Wenn Eltern davon ausgehen, daß das Aufziehen eines Kindes für sie mehr Opfer als Freude bringt, die Gesamtbilanz des Deals also nicht aufgeht, dann kann man ihnen nur zu konsequenter Empfängnisverhütung raten.

Es ist eine für uns gute und ohne weiteres rational verstehbare Eigenschaft des Menschen, daß er i.a. gegenüber seinen Kindern mit dem Muster von Empfindungen und Verhaltensweisen reagiert, das wir Liebe nennen. Wir sind biologisch so ausgestattet, daß wir diese Liebe als etwas Wundervolles empfinden und dazu neigen, dabei unseren Kopf mehr oder weniger auszuschalten - ist auch schön und gut so, wir wären Deppen, wenn wir uns diesem Erleben nicht überließen. Aber dafür ist es (zumindest für viele nüchterne Leute) keineswegs notwendig, den Begriff "Liebe" mit irgendwelchen Illusionen zu befrachten. Liebe wird nicht dadurch ärmer, daß ich sie nicht zur Selbstlosigkeit stilisiere und das weitgehende Fehlen nüchtern-rationalen Abwägens und Berechnens nicht mit dem Fehlen eines Eigeninteresses verwechsele.

Alle wissen, daß Liebe oft genug auch enttäuscht wird, die Liebe zwischen Eltern und Kindern ebenso wie die zwischen Erwachsenen. Eine wirklich selbstlose Liebe könnte gar nicht enttäuscht werden, denn wo keine Erwartung, da auch keine Möglichkeit der Enttäuschung.

 

Und hier kommt das Stichwort das in Deinem agnostischen Denken keinen Platz hat, mit dem Du offenbar nichts anfangen kannst: LIEBE!

Und wenn einem die vernünftigen Argumente ausgehen, dann greift man halt zu persönlichen Angriffen und Unterstellungen. Aber selbstverständlich voller christlicher Liebe. wink3.gif

 

Aber vielleicht möchtest Du Dich mal mit meiner Frau unterhalten. liefde.gif

Da könntest Du einiges über Liebe erfahren. Insbesondere über die Vorzüge, die eine Liebe hat, die nicht irgendwelche Selbstlosigkeit verspricht, sondern lieber im Interesse beider Beteiligten auf Ehrlichkeit und Nüchterheit setzt (ohne dabei ihren Zauber und ihre Emotionalität zu verlieren).

Sie liebt mich. Und ich weiß, daß diese Liebe am Leben gehalten werden muß, daß es dazu auch meines Bemühens bedarf ("Opfer" würde das auf fromm-pathetisch heißen), daß sie Bedürfnisse und Erwartungen hat, die zu mißachten auf Dauer die Liebe zerstören würde, weil nichts auf die Dauer als Minusgeschäft funktionieren kann. Und ich sorge gern nach Kräften dafür, daß die Bilanz für meine Frau stimmt - und ich bin nüchtern genug, um zur Kenntnis zu nehmen, daß diese meine "Selbstlosigkeit" alles andere als selbstlos ist, sondern im Sinne meines wohlverstandenen Eigeninteresses als kluges Verhalten gelten muß.

Aus ihrer Sicht sieht es spiegelbildlich genauso aus, auch wenn sie es ihrer Art gemäß weniger theoretisch durchanalysiert beschreiben würde.

 

Joh 1,16: Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.

 

Die Liebe ist Opfer!

Nicht mal in diesem Zitat (übrigens Joh.3,16) geht es völlig ohne Geschäft ab. Ein wirklich selbstloser Allmächtiger bräuchte für die Rettung aller Menschen aus Liebe kein Opfer, er würde einfach retten. Dein "Allmächtiger" dagegen knüpft die Rettung an Bedingungen, nämlich daran, daß man an ihn glaubt - und nimmt dafür auch ohne weiteres in Kauf, daß eine Menge Menschen zugrunde gehen, weil sie nicht an ihn glauben.

Diese Form des Deals ist äußerst konsequent, wenn man meine Arbeitshypothese von der menschengemachten Religion zugrunde legt: Der Gott fordert als Gegenleistung den Glauben, die Verehrung durch den Menschen. Ein Gottesbild, ein menschengemachter Gott stirbt, sobald niemand mehr ihn verehrt und an ihn glaubt. Dein "Allmächtiger" verspricht ewiges Leben, als Gegenleistung verlangt er die Garantie seines eigenen Weiterlebens. Und damit natürlich die Garantie des weiteren Wohlergehens der religiösen Führungselite. In gewisser Weise ein faires Geschäft, wenn es so abgewickelt wird und man die angebliche Allmacht dieses Gottes nicht zu ernst nimmt. Eines allerdings macht mißtrauisch: Dieser Gott (bzw. sein Bodenpersonal) besteht generell auf Vorauskasse, ob er jemals seinen Teil geliefert hat, ist aber völlig offen.

 

Werner

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Ein paar Auszüge aus einer Hompage über die Evolution des Christentums zum Thema Opfer.

http://home.t-online.de/home/helmutwalther/chr_evol.htm

 

 

„Der Mensch tritt als Tier in die Welt, und die längste Zeit seiner bekannten Entwicklungsgeschichte ist er Tier (homo habilis, homo erectus); es ist ein langsamer und langer Prozeß, bis der Mensch die ersten Formen dessen hat und ist, was wir Verstand nennen.

 

Die geschichtlich längste Phase des Menschen ist diejenige, in welcher sich jene Schicht (Neokortex) herausbildete und neuronal in der Phylogenese vernetzte, welche die Grundform des Verstandes ausmacht. In all dieser Zeit kann es gar kein Opfer geben, weil der Mensch sich nicht als Ich hat.

 

Opfern setzt das Bewußtsein voraus, daß von irgendwoher "gegeben" wird, also die Subjekt- und Objekttrennung und damit Sprache als tragende Grundlage des Denkens einer solchen Trennung.

 

Die erste Form des Opfers wird immer ein Tausch sein: aus der Erfahrung und um der Vorwegnahme der Erfahrung willen, daß der Mensch Gegebenheiten ausgesetzt ist, mit denen er sich ins Benehmen setzen muß. Auch noch das Opfer ist Kommunikation.... Das Opfer wird sich als kommunizierende Handlung an dem Punkt herausbilden, wo eine erste Scheidung der Bezogenheiten in der Weise bewußt gelingt, daß es Bezüge gibt, die sich mit dem Verstand direkt gestalten lassen und solche, die sich einer direkten Einwirkung entziehen.

 

Die zunehmende Erhöhung der nur indirekt beeinflußbaren "Mächte" und deren Konzentration folgt aus der Zunahme der Beherrschbarkeit; je mehr der Verstand seine eigene Herrschaftsmacht kennen- und schätzen lernt, desto höher muß er notwendig diejenigen Mächte ansetzen, die er nicht zu beherrschen vermag.

 

Die Erhöhung des Bezugspunktes des Opfers verändert so die Opfergabe und den Modus des Opfers als Äquivalent der Gegebenheiten. Bis zum Erreichen der Reflexion des Verstandes wird ein Anstieg der "Qualität" des Opfers anzunehmen sein, wohingegen nach der Reflexion die Qualität in zunehmendem Maße symbolisch (und damit "humaner" ) wird, wie die weitere Erhöhung die unbeeinflußbaren Mächte symbolisch werden läßt.

 

So, wie sich die Qualität des Numinosen durch die Rezeption der Vernunft verändert, wird diese Tatsache auch zwangsläufig zu einer neuen Qualität des Opfers führen: das Gottes-Opfer in Christus.

 

Die selbstaktive Vernunft opfert in ihrer Leitungsübernahme und dem dadurch bedingten Umschlagen vom Heil ins Unheil zuletzt den Gott sich selbst. Die Christologie läßt sich auch so ausdeuten, daß nicht mehr der Mensch dem Gott, sondern die Vernunft den Gott auf ihrem Altar dem Menschen opfert. Ist das "wertvollste" Opfer des Menschen des Verstandes der Mensch selbst, wenn etwa die "Erstlinge" dargebracht werden, so kann die Erlösung der Vernunft nur noch im Opfer Gottes gefunden werden.

 

Und nicht der Gott entscheidet über die Annahme und Gottgefälligkeit des Opfers, sondern der Mensch ist es, der das Opfer annehmen muß! Das Blut Gottes, vergossen für die heillose Menschheit... Welch eine Anthropozentrik der Vernunft selbst noch in der Hochreligion, wenn die Menschheit den Einen Gott an ihr Kreuz schlägt."

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Zunächst eine Kurzfassung von mir, da die Zitate nicht zusammenhängend sind:

 

Der Autor geht von einer Koppelung der religiösen Entwicklung und der Opferhandlungen an die Entwicklung des menschlichen Verstandes aus.

 

Mit der Menschwerdung – Ichbewusstsein und Versuch der Kontrolle über die Umwelt – ist das Opfer als "Kommunikationsmittel" entwickelt worden. Der Autor geht  davon aus, dass die Opferhandlungen zunächst an „Qualität“ zunahmen (sprich grausamer wurden) weil der Mensch zunächst mit dem näheren Kennenlernen der äußeren Welt (Wissenszunahme) die Macht Gottes als immer größer ansah. Erst eine Reflexion des Verstandes führte dazu, dass die Opferhandlungen schließlich wieder aufgegeben wurden.

 

Besonders interessant finde ich die Interpretation des Autors zum Opfertod Jesu: Die selbstaktive Vernunft opfert den Gott auf ihrem Altar dem Menschen.

 

Heidi

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Werner agnosticus

Lieber Steffen,

 

Gibt es überhaupt ein Handeln ohne Bedürfnisbefriedigung?

Ich denke, es gibt zumindest kein bewußtes Handeln, daß nicht auf eine Form von Bedürfnisbefriedigung gerichtet ist. Natürlich kann diese im Handlungsresultat ausbleiben, dann war das Handeln gewissenmaßen ein Fehlschlag.

 

Wenn ich z.B. mich gut verhalte und dann das Bewußtsein habe, einem ethischen Anspruch gefolgt zu sein:

Ist das schon eine Bedürfnisbefriedigung?

Sehr richtig. Es war nicht zuletzt diese Erkenntnis hinsichtlich meines eigenen Handelns z.B. im Rahmen der Ökologie- und Friedensbewegung, das mich vor etwa 20 Jahren dazu bewogen hat, illusorische Begriffe wie "Selbstlosigkeit" nicht mehr unkritisch zu gebrauchen, auch wenn sie einen noch so angenehm "moralisch bauchpinseln" und man sich selbst so gern in einer derartigen Illusion sonnt. Heute stehe ich dazu, daß ich grundsätzlich aus Eigeninteresse handele, also in diesem Sinne Egoist bin. Umso nüchterner konnte ich lernen, in welch großem Umfang mein Eigeninteresse von der Maximierung des Gemeinwohls abhängt und sich damit zu großen Teilen mit den Eigeninteressen anderer deckt, weil der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist.

 

Ist nicht automatisch jedes Handeln Erfüllung des Handelnwollens (=bedürfnsibefriedigung), des Vorsatzes zum Handeln?

Exakt. Schon Bertrand Russel stellte dies als Selbstverständlichkeit fest.

 

Im Bezug auf die Opferdiskussion:

Wenn jedes Handeln bedürfnisbefriedigung ist, weil zumindest damit einem inneren Drang oder einem Ideal gefolgt wird, worin besteht dann die Verwerflichkeit des "Do, ut des" Prinzips?

Ich sehe überhaupt keine Verwerflichkeit dieses Prinzips. Etwas geradezu Naturgesetzliches kann nicht verwerflich sein. Die Verwerflichkeit wurde dem Do-ut-des-Prinzip nur von Gruppierungen wie dem Christentum zugeschrieben, die sich davon abzugrenzen versuchten und es als dunkle Folie benötigten, vor der sich die eigene Identät bzw. die der eigenen Lehre möglichst leuchtend abheben soll.

 

Wird das "do, ut des" Prinzip durchbrochen, wo jemand selbstlos liebt, oder ist auch die Liebe nur Bedürfnisbefriedigung?

Wie eine nähere Betrachtung des Phänomens Liebe zeigt, ist Liebe i.a. mit Erwartungen, Wünschen oder sogar Forderungen verbunden, über die sich aber die Beteiligten gern hinwegtäuschen. Ohne Erwartungen könnte Liebe nicht enttäuscht werden, was aber häufig vorkommt. Keine Liebesbeziehung funktioniert auf Dauer, wenn ein Partner immer nur "zuzahlt", und nicht ohne Grund ist in allen Kulturen der Versuch, einer Liebesbeziehung Dauer zu verleihen, mit einer juristischen Dimension verbunden (auch die röm.Kirche nennt die Ehe erst ein Sakrament, um dann einen langen Katalog von höchst prosaischen Paragraphen zu diesem Thema folgen zu lassen ).

So gesehen halte ich die "selbstlose Liebe" für eine Illusion. Aber ich würde nicht sagen, Liebe sei nur Bedürfnisbefriedigung. Liebe ist Bedürfnisbefriedigung (bzw. genauer: Liebe zielt auf Bedürfnisbefriedigung), aber ich finde das "nur" unangemessen abwertend. Bedürfnisbefriedigung (materiell wie ideell) macht unser Leben reich. Wenn etwas hilft, ganz wichtige Bedürfnisse zu befriedigen (wie eben die Liebe), dann ist es ungemein wertvoll.

 

Ich glaube nicht, daß die Tatsache einer Belohnung der Selbstlosigkeit und dem nichtegoistischen und nicht auf materiellen oder geistigen Profit ausgerichteten Denken widerspricht.

Obwohl Lohn in Aussicht steht, ist selbstloses verhalten möglich.

Ein guter Arzt handelt im Idealfall aufopferungsvoll für die patienten. Dem steht aber nicht entgegen, daß er dafür auch Geld nimmt. Das Geld, also die Belohnung hat also nicht unbedingt etwas mit der Motivation des Handelns zu tun.

Was macht einen Arzt neben seinen fachlich-handwerklichen Fähigkeiten für uns zu einem "guten Arzt"? Sicherlich, daß er sich aufopferungsvoll für seine Patienten einsetzt. Sein Berufsethos. Wir wünschen uns diese Eigenschaft nicht, weil der Arzt dadurch eine bessere Operation oder eine sicherere Diagnose leistet, sondern weil wir auch in all den Kleinigkeiten und den gar nicht so kleinen seelischen Bedürfnissen, deren Berücksichtigung der Arzt so schlecht finanziell lukrativ abrechnen kann, ein hohes ärztliches Engagement haben wollen.

Und was bringt einen Arzt dazu? Die Entstehung des "Berufsethos" ist etwas, was mit Gewissensbildung, Idealen und Wertevermittlung zu tun hat, also mit der Entwicklung innerer Instanzen, die das Handeln des Arztes mit Lob oder Tadel beantworten. Neben Belohnung und Strafe (die ja auch für Ärzte Anwendung finden, z.B. über den Straftatbestand der "unterlassenen Hilfeleistung" ) sind Lob und Tadel die wichtigsten Hebel erzieherischen Handelns, die unmittelbar mit Gewährung oder Vorenthaltung von Bedürfnisbefriedigung arbeiten. Und wir alle wissen, daß die dabei vermittelten Werte, wenn sie denn überzeugend und halbwegs konsistent vermittelt wurden, den so erzogenen Menschen prägen, daß sie verinnerlicht werden, daß es irgendwann des äußeren Tadels nicht mehr bedarf, weil das Gewissen oder das Über-Ich die Funktion des Erziehers übernommen hat. Nur der Arzt, der durch das aufopferungsvolle Engagement für seine Patienten die Bedürfnisse seines Gewissens und seines für sein Identitätserleben wichtigen Wertesystems erfüllt, wird dieses Engagement auch ohne materiellen Vorteil und ohne juristische Strafandrohung leisten. Wer dies Bedürfnis nicht hat, sieht zu, daß er als Arzt möglichst einen finanziell lukrativen Job ohne lästige Zusatzanforderungen bekommt, er wird z.B. nicht als Arzt in ein Krisengebiet Afrikas gehen sondern eher Schönheitchirurg. Auch hier prägt das Ziel der Bedürfnisbefriedigung das Handeln.

 

Unser Lohn besteht in unserem Handeln, also in der Erfüllung des Gebots der Gottesliebe.

Einmal war der Sinn des Baalschem so gesunken, daß ihm schien, er könne keinen Anteil an der kommenden Welt haben. Da sprach er zu sich: "Wenn ich Gott liebe, was brauche ich da eine kommende Welt?"

Ich halte es für eine wichtige Aufgabe eines guten (d.h. auf lange Sicht nützlichen) Erziehungssystems, daß es Menschen in einer Weise prägt, daß sozial nützliches Verhalten als befriedigend erlebt wird. Man kann das Gewissensbildung oder Werteerziehung nennen, wobei der Erfolg letztlich sowohl von der richtigen Einschätzung, welche Verhaltensweisen sozial nützlich sind (Erziehungsziel), als auch von der Wahl einer geeigneten pädagogischen Methodik (Erziehungsmittel) abhängt. Die Chassidim haben auf diesem Gebiet, wie dein Beispiel zeigt, zum Teil Beachtliches geleistet. Der Baalschem empfindet den Wert, den für ihn selbst fühlbaren Gewinn seiner Gottesliebe im Hier und Jetzt. Er fühlt sich innerlich durch sein Lieben bereichert, es erfüllt offenbar ein tiefes Bedürfnis (Lieben selbst kann als eine im Menschen angelegte Fähigkeit ein bereits in sich lustvoller Vorgang, wie jeder hoffentlich aus eigener Erfahrung weiß; es ist vergleichbar mit der Lust herumrennender Kinder an der Bewegung, die nicht davon abhängt, ob die Bewegung zu einem bestimmten Ziel führt). Mir gefällt diese Form von Religiosität insofern besser als die stark jenseitsfixierte Form, die im Christentum häufig auftritt, als hier der Gewinn für den Gläubigen unmittelbar "ausgezahlt" wird. Es ist dabei belanglos, ob die Gottesvorstellung realistisch ist oder nur ein Placebo - das Bewertungskriterium lautet "it works" (diesem Kriterium stellen sich reine Jenseitsversprechungen nicht).

Im letzten ist es auch dieses Kriterium, daß mich mit meinem Agnostizismus so zufrieden macht: Er funktioniert einfach, sein Gewinn ist für mich hier und jetzt greifbar.

 

Liebe Grüße

Werner

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Hallo,

 

ich habe mal eine Sachfrage: was versteht man unter "Chassidim" und "Baalschem"?

 

fragende Grüße

 

Olli

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Der Chassidismus entstand zu einer Zeit, als die Juden in West- und Mitteleuropa das Ghetto verließen, sich emanzipierten und sich unter dem Einfluß der Aufklärung mehr und mehr assimilierten. D.h. sie gaben mehr und mehr ihre religiösen Bräuche und Lebensweise auf und paßten sich an die christliche Umgebung an. In Osteuropa ging dieser Prozeß aber wesentlich langsamer vor sich, v.a. weil die rechtliche Gleichstellung der jüdischen Minderheit in Polen und Rußland noch lange Zeit undenkbar war. Hier gab es viele blutige Progrome, aber die jüdische Gesellschaft in Osteuropa wurde auch von schweren inneren, religiösen Krisen erfaßt.

 

Die Hoffnung auf das Kommen des Messias, der das Leiden beenden würde, war in der Bevölkerung sehr stark. Das klassische Judentum, also die Rabbiner und Gelehrten konzentrierten sich als Antwort darauf noch strikter auf das rationale Studium der heiligen Schriften und die Erfüllung der rituellen Gesetze. Das führte zu einer großen Kluft zwischen den Gelehrten und der einfachen jüdischen Bevölkerung.

 

In diesem politischen und geistigen Klima entstand die Bewegung der Chassidim (der Frommen). Der Begründer des Chassidismus war Israel ben Elieser, genannt der Baal-Schem-Tow (Meister des guten Namen) oder kurz Bescht, der etwa 1700 bis 1760 lebte. Die Hauptwirkung des Chassidismus kam zunächst nicht allein durch die Lehre, sondern auch durch die Kraft der Persönlichkeit seines Begründers. Er führte die Bewegung weg von der Askese, die zu dieser Zeit zusammen mit mystischen Theorien enorm populär war. Anstelle dessen setzte Bescht eine neue Führungspersönlichkeit, den Zaddik, den Gerechten, ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der die bisher vorherrschende Führungsschicht deutlich veränderte.

 

Es ist leicht nachvollziehbar, daß die Lehre des Baal-Schem-Tow bald von weiten Teilen der Juden in Polen, vor allem aber in der Jugend, begeistert aufgenommen wurde. Sie bot eine Alternative zu der streng orthodoxen Form des klassischen Rabbinismus oder der Rätselsprache der rein theoretischen Kabbalah, der jüdischen Mystik. Die Chassidim hatten eine positive Lebensauffassung, Freude, Tanz und Gesang waren alltäglich.

 

Schon in der dritten Generation hatte sich der Chassidismus über weite Teile Osteuropas verbreitet. In Polen mußten an hohen jüdischen Feiertagen Sonderzüge eingesetzt werden, um die Chassidim zu ihrem Zaddik zu bringen. In der Spätphase wurde der Zaddikismus zunehmend selbstherrlicher und weniger charismatisch.

 

Historiker beschäftigen sich vor allem mit dem ungewöhnlich schnellen Tempo der Ausbreitung des Chassidismus und der Ursache für diesen Erfolg. Heute sieht man den Grund nicht mehr, wie lange Zeit angenommen, in der sozialen Botschaft des Chassidismus, sondern vielmehr in seiner religiösen. Der Chassidismus öffnete jedem Einzelnen die mystische Welt, die enge Bindung an Gott war nicht mehr einer kleinen Elitegruppe, den Rabbinern, vorbehalten.

 

Eigene Bestimmungen im Bereich des religiösen Lebens separierten die Chassidim nicht unbedeutend von der übrigen jüdischen Gesellschaft. Zum Konflikt mit den Rabbinern führte jedoch vor allem die Tatsache, daß der Chassidismus zu einem bedeutenden sozialen Faktor im jüdischen Leben wurde und dadurch die Strukturen der Gesellschaft veränderte. Die Bedeutung der Rabbiner wurde in chassidischen Gemeinden beträchtlich geschmälert, der chassidische Rebbe hatte nun dort die höchste Autorität inne. Es kam daher zu sehr schweren Auseinandersetzungen zwischen den Rabbinern und den Chassidim, was das jüdische Leben in Osteuropa sehr geprägt hat.

 

Mit der Vernichtung des osteuropäischen Judentums während des Zweiten Weltkrieges drohte auch die physische Vernichtung des Chassidismus. Zahlreichen Chassidim gelang jedoch die Flucht vor den Nazis, heute lebt die große Mehrheit von ihnen in New York und Israel. Doch auch in Europa lassen sich in vielen Gemeinden Anhänger chassidischer Rebbes finden. Vor allem die ChaBaD-Richtung erlebt einen bedeutenden Aufschwung. Ihr Hauptsitz ist in in Brooklyn/New York, insgesamt existieren über 1000 ChaBaD-Zentren auf der ganzen Welt.

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Werner agnosticus

Lieber Olli,

 

nach Erichs umfassender Information über die Chassidim (da lösch ich die paar schon eingetippten Sätze doch gleich wieder ) kann ich nur noch eine Buchempfehlung zu diesem faszinierenden und lebensbejahenden Stück jüdischer Religiosität geben: Martin Buber hat viele der Legenden über große Zaddikim gesammelt und mit der ihm eigenen Sprachkraft ins Deutsche übertragen. Diese Geschichten sind unter dem Titel "Die Erzählungen der Chassidim" veröffentlicht. Es ist eine sehr lohnende und fesselnde Lektüre, die einen lebendigen Einblick in dieses im 2.Weltkrieg weitgehend zerstörte Stück jüdischer Kultur und Religiosität gibt und für Christen wie auch für A+As ein Lernen von dieser Art der Lebensbejahung ermöglicht.

 

Lieben Gruß

Werner

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