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das Meßopfer


Olli

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Gast Ketelhohn

Johannes Hirschberger, Geschichte der Philosophie, Freiburg, Basel und Wien 1976, vol. I, pp. 89-97:

 

Was Platon an der Wahrheit zuerst interessiert, ist die Frage nach ihrer Quelle. Wo finden wir die Wahrheit?

 

In seiner Antwort scheidet er zunächst einmal die Sinnlichkeit als Wahrheitsquelle aus; er tut das von Anfang an sehr bestimmt und in einer für ihn und allen späteren Rationalismus typischen Weise. Sinnlichkeit ist dabei sowohl die subjektive Sinneswahrnehmung wie die objektive Welt der Sinne, die Körperwelt in Raum und Zeit. Die Sinneswahrnehmung ist unzuverlässig. Wir erfahren nämlich ständig, daß unsere Augen die Dinge immer wieder anders sehen. Und noch unsicherer sind die übrigen Sinne. Besonders aber fällt auf, daß anderen Menschen dieselben sinnlichen Gegebenheiten wieder anders erscheinen können, als sie uns erscheinen. Die Unsicherheit der Sinneswahrnehmung hatte schon Parmenides, ihre Relativität besonders die Sophistik immer betont, und wir sehen, Platon pflichtet ihnen bei. Auch er betrachtet die Sinneserfahrung mit skeptischen Augen. Hier gibt es keine immer gleichen Erkenntnisse und darum keine Wahrheit. Deshalb muß der Philosoph dem Leib und seinen Sinnen sterben, heißt es im Phaidon, sonst wird er die reine Wahrheit nie schauen. Außerdem ist die Welt der Sinne die Welt des Werdens und der ständigen Bewegung, wo alles fließt. Das war die Thesis der Herakliteer, und auch sie hat auf Platon Eindruck gemacht. Wenn wirklich alles fließt, kann es natürlich in der Sinneswelt gar nie Wahrheit und Wissenschaft geben, weil nichts bleibt, der Wahrheitsbegriff aber gerade das ständig mit sich selbst Identischsein fordert. Und schließlich sind Meldungen der Sinne für Platon überhaupt nie formelle Erkenntnis, sondern nur Material der Erkenntnis. Die Inhalte der einzelnen Sinneswahrnehmungen werden nämlich von uns immer miteinander verglichen und zusammengeschaut, und was dann dabei als etwas den verschiedenen Sinnesempfindungen Gemeinsames herausgehoben wird, das erst ist es, was wir mit der Ist-Aussage des urteilenden Erkennens meinen und zum Gegenstand von Wissenschaft und Wahrheit machen. Das urteilende Erkennen aber kann nicht wieder selbst sinnlich sein, weil jede Sinnesempfindung auf ein einzelnes Sinnesorgan beschränkt ist, hier aber die Ergebnisse der einzelnen Sinnesvermögen überschaut, zusammengefaßt und verarbeitet werden. Darum ist also Sinnlichkeit selbst niemals Quelle der Wahrheit (Rep. 523 f.; Theait. 185 f.).

 

Diese Quelle ist vielmehr in der Seele zu suchen: »Wenn die Seele, ganz auf sich selbst gestellt, eine Betrachtung anhebt, dann bewegt sie sich hin zu dem Reinen, immer Seienden, Unsterblichen und sich selbst Gleichen..., dann wird sie frei vom Irrtum und bleibt, solange sie sich damit beschäftigt, sich stets gleich, da sie ja auch sich stets gleiche Gegenstände erfaßt« (Phaid. 79 d). Platon meint damit den Geist, das reine Denken (noêsis, epistêmê, phronêsis). Davon muß alle Erkenntnis leben; nur dann kommt sie zur Wahrheit. Aber der Geist braucht dieses Wissen um die Wahrheit nicht erst zu erwerben; er besitzt es immer und kraft seiner Natur. »Es ist so, daß den Menschen das Wissen innewohnt und die rechten Begriffe« (Phaid. 73 a). Das Wissen z.B. vom an sich Gleichen, Großen, Kleinen, Guten, Gerechten, Heiligen, dem Menschen, der Leier, überhaupt von jeglicher »Wesenheit an sich«. Begriffe, Gedanken, Gewußtheiten (logoi, ennoiai, noêmata, epistêmai) sagt Platon dafür, oder einfach »Ideen«. Sie sind immer mit sich selbst identisch und verändern sich nie, wie alle echte Wahrheit es nie tut. »Angeboren« hat man diese Ideen geheißen. Besser wäre es, von apriorischen Wahrheiten oder idealen Begriffen zu reden. Platon selbst sagt nämlich, wir hätten diese reinen Gedanken in der Präexistenz der Seele bei den Göttern geschaut und würden uns jetzt, angeregt durch die Sinneswahrnehmung in Raum und Zeit, nur wieder an sie erinnern (anamnêsis). Wir erwerben sie nicht erst neu und allein auf Grund unserer Sinneserfahrung; sie sind vielmehr schon fertig auf Grund der präexistenten Schau. Eben das aber meint der Begriff der Apriorität. Wir sehen zugleich, daß Platon damit an ein urbildliches Wissen denkt, das uns alles Seiende in seiner idealen Gestalt offenbart. Bei der Wiedererinnerungslehre sollte man das Wort von der präexistenten Schau nicht allzusehr pressen. Mag Platon das wörtlich oder nur metaphorisch verstanden haben, worauf es ihm letztlich ankam, waren die apriorischen und urbildlichen Gewußtheiten des Geistes, die den Menschen in gewissen, für uns wesentlichen Hinsichten, der Wahrheits- und Werterkenntnis nämlich, über das nur Raumzeitliche hinausheben.

 

Von größter philosophischer Wichtigkeit sind die Versuche Platons, die Apriorität seiner idealen Gewußtheiten zu begründen. Am bekanntesten ist, was er dazu im Menon ausführt: Ein junger Sklave, der nie Geometrie studiert hat, weiß aus sich selbst heraus, nach einigen geschickten Fragen, wie lang die Seite eines Quadrates sein muß, dessen Flächeninhalt doppelt so groß ist wie der eines gegebenen Quadrates. Aber das ist mehr ein Beweis ad hominem. Logisch tiefer greift, was im Phaidon steht. Sein Beweis kann in den Satz zusammengedrängt werden: Du kannst gar nie Sinneswahrnehmungen erstmals haben, ohne schon von vornherein dabei geistige Inhalte mit eingehen zu lassen und zu verwenden, die nicht aus der Erfahrung stammen. Wenn wir z.B., heißt es im Phaidon, zwei Hölzer miteinander vergleichen, dann finden wir, daß sie zwar nie ganz gleich sind, aber doch dem Begriff der Gleichheit mehr oder weniger nahekommen. Was geschah bei diesen Vergleichen? Wir bezogen unsere Vorstellungen von den einzelnen Hölzern auf die Idee der Gleichheit und haben sie dadurch gemessen, beurteilt, geordnet. Wir hätten gar nicht daran denken können, die zwei Hölzer vergleichend zusammenzubringen, hätten wir nicht schon von vornherein die Idee der Gleichheit an sich gehabt.

 

Allgemeiner gesagt: »Ehe wir anfangen, zu sehen und zu hören und die übrigen Sinneswahrnehmungen zu haben, mußten wir schon eine Kenntnis des an sich Gleichen gewonnen haben, wenn es möglich sein sollte, das Gleiche der Sinnesanschauung auf jenes zu beziehen mit der Einsicht, daß alles danach strebt, jenem gleich zu sein, ihm aber doch nicht gleichkommt« (Phaid. 75 B). Der Theaitet zählt als weitere apriorische Gewußtheiten auf: Identität, Verschiedenheit, Gegensatz, Einheit, Zahlenbestimmtheit, Gerades und Ungerades. Wir sehen, es sind Grundbegriffe allen Erkennens überhaupt, was Platon hier anführt. Und hätte man ihm eingewendet, daß diese allgemeinen Wissensinhalte durch Abstraktion gewonnen seien, also doch aus der Sinneserfahrung stammen können, dann hätte er sicher geantwortet: Du kannst den Abstraktionsprozeß überhaupt nicht beginnen, ohne schon vorher um Identität, Gleichheit, Ähnlichkeit, Einheit, Vielheit usw. zu wissen, weil sonst ein Vergleichen, der erste Schritt der Abstraktion, gar nicht in Gang kommen kann. Um vergleichen zu können, muß man ja bereits wissen um das Eine und Viele, Identische und Andere. Wie könnten wir sonst eine Vorstellung von einer anderen unterscheiden?

 

Für Platon sind jedoch nicht nur die Grundbegriffe allen Erkennens a priori, sondern auf der nun einmal beschrittenen Bahn weitergehend, erklärt er, daß alles, was ein »an sich« ist, also jeder Urbildbegriff, das Schöne an sich, Gute, Gerechte, Fromme an sich, überhaupt jegliche Wesenheit, dem Geiste a priori zu eigen sei, so daß es nie durch Erfahrung neu erworben, sondern immer nur durch Wiedererkennen zum Bewußtsein gebracht werden muß. Platon ist betonter Rationalist und Idealist. Die ganze Sinnenwelt von Raum und Zeit wird bei ihm hineingenommen in die Idee und den reinen Begriff und von dort her verstanden. Damit sinnliche Wahrnehmung und somit Erfahrungen möglich werden, muß immer die Idee schon sein. Nur durch sie kann Sinnlichkeit gelesen werden.

 

Der Nachweis der apriorischen Elemente des menschlichen Geistes richtet sich bei Platon in gleicher Weise gegen die Lehre des Protagoras, daß alles Erkennen nur subjektives Scheinen und Meinen sei, gegen die Behauptung des Antisthenes, daß es außer der materiellen Sinnlichkeit nichts weiter mehr gäbe, und gegen die Thesis des Aristipp, daß alles Wertgefühl nur individuelles Erleben sei. Indem Platon allgemeingültige, unsinnliche und apriorische Inhalte unseres Geistes aufzeigt, hebt er den Relativismus, Phänomenalismus, Sensualismus und Wertindividualismus aus den Angeln, ebenso auch den Soziologismus. Auch die subjektivste Affektion der Sinne und des Begehrens (phainesthai, aisthanesthai, paron pathos) ist nie ohne allgemeingültige, unsinnliche, logische und ethische Kategorien, weshalb der Sensualismus und Wertsubjektivismus unhaltbar sind und sich ferner zeigt, daß bei aller Relativität geistiger Gehalte, Denkmodelle und Ideologien der Geist auch Elemente hat, eben jene apriorischen Grundbegriffe, die über und vor allen Relativitäten liegen. Platon ist der erste große Widersacher des Materialismus und sensualistischen Empirismus. Immer wieder kommen die Späteren auf seine Argumente zurück.

 

Das Verhältnis von Sinnlichkeit und Denken ist noch genauer zu zeichnen. Wenn Platon Rationalist und Idealist ist, dann darf man sich das nicht so vorstellen, als ob er mit blinden Augen durch die Welt hätte gehen und die Sinnlichkeit überhaupt nicht hätte brauchen wollen. Die Sinnlichkeit spielt auch in seiner Erkenntnislehre eine Rolle. »Die Sinne gebrauchend«, »von den Sinnen ausgehend«, »die Sinne beiziehend«, denken und erkennen wir, pflegt er zu sagen. Aber was für eine Rolle ist das? P. Natorp und die neukantianische Platonauslegung haben geglaubt, daß man sich das Verhältnis so denken könne, wie es bei Kant ist: Die Sinne sollten Erfahrungsmaterial beisteuern, während der Geist durch seine apriorischen Elemente es ordnen und so Erfahrungen allererst möglich machen soll. Allein die Ideen Platons sind nicht Formen und Funktionen, sondern fertige Inhalte, und wir haben es auch nicht mit einer beschränkten Zahl von Grundfunktionen (Kategorien) zu tun, sondern mit einer unbegrenzten Anzahl von Begriffen; alles Wissen um alle Wesenheit ist a priori. Darum braucht hier auch nichts mehr geordnet zu werden. Die Erkenntnisinhalte sind in ihrem Bestand schon fertig. Sie müssen nur bewußt gemacht werden. Das allerdings geschieht durch die Sinne. Aber auch nur das. Sehr anschaulich erläutert das Platon im Phaidon 73 c-e: Wenn ich ein Bild meines Freundes sehe, erinnert es mich an meinen Freund, indem es mich veranlaßt, das von ihm aktuell zu denken, was ich potentiell immer schon von ihm weiß. Die Bilder liefern mir nicht ein Bild meines Freundes; das besitze ich schon. Sie veranlassen mich nur, meiner apriorischen Gehalte bewußt zu werden. Und so sei es auch, wenn ich eine Gerade sehe, einen Kreis, ein Quadrat, einen Menschen, ein Tier, eine Pflanze oder sonst etwas. Die ganze Sinnlichkeit erhält darum bei Platon den Charakter des Abbildhaften. Und wie wir jedes Bild nur verstehen vom Abgebildeten her, so müßten wir darum alle unsere Sinneswahrnehmungen beziehen auf Urbilder, deren Abbilder sie ja sind.

 

Platon hat dafür den Ausdruck der Teilhabe (methexis) geprägt. Methexis meint sachlich dasselbe wie Paradeigma. Nur die Begriffe sind verschieden. Aber es ist nicht mit »Teilhabe« die Idee als der Sinnlichkeit immanent, mit dem »Urbild« als ihr transzendent verstanden, wie Ross es darstellt. Die Transzendenz der Idee ist keine totale, sondern nur eine modale. Der erkenntnis-theoretische Sinn dieser Begriffe besagt, daß alles Erkennen in der erfahrbaren, raumzeitlichen Welt ein »Analogismus«, ein Lesen der Sinneswahrnehmung durch Hinbeziehen auf einen urbildlichen Begriff ist, ein anapherein und proseoikenai, wie es Phaidon 74 c und 75 b heißt. Das ist beim Erkennen nicht anders, als wenn der Demiurg in seinem Schaffen auf die Ideen hinblickt und so alles Seiende zu Abbildern ewiger Urbilder macht (Tim. 29 a ff.). Die Analogismen, die nach dem Theaitet (186 a c) zur Einsicht in Sein und Wert führen, sind nicht irgendein zu etwas Gemeinsamem führendes Vergleichen und Berechnen, ein Abstrahieren im modernen Sinn, sondern geschehen auf dem Grunde des Eidos, an dem alles sinnlich Einzelne teilhat. Das ist der Logos, und er erst macht das Wahrnehmen zur Wesens- und Werterkenntnis. Man muß in dem analogizesthai in Theait. 186 a 10 und c 3 den »Logos« ernst nehmen, sensu stricto, als das wahres Erkennen allererst und vorgängig Ermöglichende. Alles Erkennen geschieht ana ton logon, ist »analogisches« Erkennen.

 

Mit dieser Teilhabe der vielen Ähnlichen an dem gemeinsamen Urbild, dem Eidos oder Logos, von dem her alles Viele seinen Sinn erhält und damit wieder ähnlich und eins wird, stehen wir an der Urzelle der Lehre von der Analogia entis. Sie ist echter Platonismus und blieb es trotz der Überdeckung durch die aus der Mathematik kommende viergliedrige Verhältnisanalogie. Der ursprüngliche Sinn schlug immer wieder durch. Wenn etwa das Mittelalter den Teilhabegedanken erläutern wollte, zitierte es zahllose Male nach Aristoteles (Metaph. a, 1) den Satz, daß das am meisten Seiende und am meisten Wahre Ursache sei für alles Seiende und Wahre (z.B. Thomas, S. theol. I, 44, 1). Das ist aber typisch platonisches Denken; denn die aristotelische Rede, daß dies am meisten, d.h. vollkommensten seiend ist, wovon das übrige ihm ähnlich Seiende Name und Begriff hat, ist ein typischer Satz der Ideenlehre, und sogar noch das Beispiel vom Warmen ist platonisch (Phaid. 103 c - 105 c). Das am meisten Seiende ist das »eigentliche«, »wahre« Sein. Alles andere ist ihm gegenüber nachbenannt, nur abbildhaft, nur teilhabend, nur »analogisch«. In seiner Schrift »Über die Ideen« soll Aristoteles eine Begründung der Ideenlehre referiert haben, die gesagt hätte: »Was einander ähnlich ist, ist dies deswegen, weil je ein und dasselbe anwest, was im ›eigentlichen‹ Sinn (kyriôs) das Sein ausmacht, und dies ist die Idee« (frg. 4 Ross). Das ist tatsächlich die platonische Grundposition: eigentliches Sein, Teilhabe, Analogie. Ganz in diesem Sinn kann noch Thomas sagen: Haec est enim natura omnis analogi, quod illud, de quo primo dicitur, erit in ratione omnium, quae sunt post, sicut sanum, quod prius dicitur de animali quam de urina et medicina (s. unten S. 487). Als Platon die Sinnlichkeit unter die Idee stellte, hat er die Analogia entis begründet. Sie ist der Ausdruck für den Primat der Idee gegenüber der Sinnlichkeit.

 

Aber obwohl dabei die Rolle der Sinnlichkeit für unser Erkennen eingeschränkt wird - die Sinne sind nicht mehr Ursache (causa), sondern nur noch Gelegenheit (occasio) -, bedeuten sowohl Teilhabe wie auch Paradeigma und Analogia auch wieder eine Verbindung von Sinnlichkeit und Geist und auch noch des Gegründeten mit dem alles Gründenden, dem Anhypotheton. Nur ein mangelhafter Metaphysik- und Transzendenzbegriff - »Metaphysik«: das schlechthin unzugängliche »Jenseitige« - führt zu der Zweiweltentheorie eines totalen Chorismos, wo in Wirklichkeit nur ein modaler gemeint war, eine »Trennung« des Seins nach seinem Wesen in Gegründetes und Gründendes. Es ist eine Modifizierung, der es ebensosehr auf die Trennung wie auf die Einheit ankam.

 

Es ist lehrreich, in unserer Frage Kant und Platon zu vergleichen. Beide Denker arbeiten mit apriorischen Faktoren. Während aber bei Kant nur die Formen a priori sind, sind das bei Platon auch die Inhalte. Bei Kant kommen die Erkenntnisinhalte erst zustande, bei Platon sind sie schon fertig, was aber nicht heißt, daß auch unser Wissen um sie schon fertig sei; wir müssen vielmehr in immer neuen dialektischen Anläufen ihren Gehalt immer weiter sichten, trotz des »Schauens« der Idee. Bei Kant liefern die Sinne schließlich wirklich Material für die Erkenntnisinhalte, bei Platon tragen sie inhaltlich nichts bei. Kant stellt eine Verbindung dar von Empirismus und Rationalismus, Platon ist reiner Rationalist.

Erhebt sich der Mensch in seinem Erkennen nicht zu jenen Ideen, sondern bleibt er der sinnlichen Anschauung als solcher verhaftet, dann ist sein Erkennen nicht Wissen, sondern nur Meinung (doxa). Wenn nämlich das Erkennen bei der Sinnenwelt stehenbleibt und sich darauf allein stützt, dann hat man es mit dem Reich des Veränderlichen zu tun und kann nie zu einem wirklichen Wissen kommen, weil es hier nie zu ewig gleichbleibenden Sätzen und Wahrheiten kommen kann. Wie später Hume das rein empirisch-naturwissenschaftliche Erkennen nur als ein Glauben (belief) charakterisiert, bezeichnet es auch Platon schon als bloßen Glauben (pistis), beide aus derselben Überlegung heraus, daß wir nicht sicher sind über die Konstanz des Naturgeschehens. Ein zweiter Grund, warum nach Platon ein Erkennen eventuell nur Meinen bleibt, liegt in dem Mangel einer direkten Einsicht in die wahren Sachverhalte. Man kann zufällig oder durch »göttliche Schickung« das Wahre treffen; aber wenn man nicht um die Begründungszusammenhänge positiv weiß, ist das kein richtiges Wissen, sondern nur ein Erraten oder ein Glücksfall. Darauf besteht kein Verlaß. Platon gibt jedoch zu, man wird sich bei der großen Menge damit wohl bescheiden müssen. Ist die zufällig wahre Meinung auch noch nicht Wissen, so ist sie doch mehr als Nichtwissen. Das Ideal freilich bleibt die Einsicht in die ewigen, unveränderlichen Wahrheiten, in die Ideen und Begriffe.

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Lieber Robert,

 

vielen herzlichen Dank für die beiden langen Texte. Mir war (man möge es mir als philosophisch Unkundigem verzeihen) nicht bewußt, daß ich mit meiner Frage nach "dem Ding an sich" gewissermaßen in ein philosophisches Wespennest gestochen habe. Vielmehr hatte ich die Frage in der Hoffnung gestellt, eine Antwort im Rahmen von 3 oder 4 Sätzen zu erhalten (dies hätte mir vollauf genügt).

 

nichtsdestotrotz herzlichen Dank

 

Olli

 

PS: Heute bin ich zu müde zu einer ausführlichen Stellungnahme, morgen kann ich es mir dann zu Gemüte führen..

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Lieber Robert,

 

warum alles so schwierig ausdrücken. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ diesen Auftrag, den Jesus seinen Jüngern im Abendmahlssal gab, haben Christen fast 2000 Jahre sehr ernst genommen. Schon in der Apostelgeschichte lesen wir. Sie hielten an der Lehre fest und an der Gemeinschaft , am Brechen des Brotes und an den Gebeten. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des Herzens. (Apg 2, 42-46)

Christus wird in der Eucharistie gegenwärtig durch die Verwandlung des Brotes und des Weines in den Leib und das Blut Christi. Nicht der Mensch bewirkt das die Opfergaben Leib und Blut Christi werden. Der Priester spricht diese Worte nur aus, aber ihre Wirkkraft und Gnade kommen von Gott.

Das Konzil von Trient erklärt: Durch die Konsekration des Brotes und des Weines geschieht eine Verwandlung des Brotes in die Substanz des Leibes Christi und der ganzen Substanz des Weines in das Blut Christi. Die Wandlung wurde von der katholischen Kirche Transsubstantiation (Wesensverwandlung) genannt. (DS1662)

Die eucharistische Gegenwart beginnt bei der Konsekration und dauert solange bis die eucharistischen Gestalten bestehen.

Christus wollte in dieser einzigartige Weise in seiner Kirche gegenwärtig bleiben. In seiner eucharistischen Gegenwart bleibt er geheimnisvoll in unserer Mitte, als der, welcher uns geliebt und sich für uns hingegeben hat und er bleibtt unter den Zeichen gegenwärtig, die diese Liebe zum Ausdruck bringen.

 

Kinder könnte man so die Eucharistie erklären.

Gott will uns ganz nah sein. Näher als all Menschen um uns herum es sein können. Im Sakrament der Eucharistie sitzen wir mit Jesus an einem Tisch.

Was er seinen Freunden vor fast 200 Jahren gesagt hat, wird in jeder Messe Gegenwart. „Das ist mein Leib, das ist mein Blut“.

Brot und Wein sind Zeichen für Jesus selbst, für seine Nähe, für seine Liebe.

In Brot und Wein erfahren wir seine Gegenwart.

Wir leben nicht allein, wir glauben nicht allein

In der Eucharistie feiern wir unserer Gemeinschaft mit den anderen Christen und mit Gott unserem Vater. Sie wird uns Geschenkt von Jesus seinem Sohn, der unser Bruder und Freund ist.

Alle sind eingeladen diese Freundschaft mit Jesus, die am Tag der Erstkommunion begonnen hat immer wieder durch den Empfang der Eucharistie zu erneuern.

 

Herzliche Grüße Anna

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Lieber Olli!

 

Entschuldigung, ich hätte "ihr" wirklich präziser ausdrücken sollen, ich hatte gehofft, es wird deutlich, daß damit nicht Du gemeint bist, aber ich hatte auch den Thread verwechselt, es war nicht nur hier, sondern auch in anderen Themen so, daß wenig konstruktives kam. Ich zitiere nur einmal Ute, sie hat keine Argumente mehr und dann kommt ein plattes: "Merkst du´s noch?" zurück. Nun zu Deiner Frage der Paulusbriefe:

 

Im allgemeinen setzen die Exegeten den 1. Tessalonicherbrief an den chronologischen Anfang der Paulusbriefe. Das heißt in absoluten Zahlen: 49/50. Da ich hier im Computerzentrum der Uni bin, und ich nicht alle Zahlen im Kopf habe, nimm die folgenden Zahlen bitte als "unter Vorbehalt"!

1. Korintherbrief ist so um 51/53 geschrieben, 2. Korinther ebenfalls, allerdings ist bei diesen beiden Briefen sehr viel zusammengestückelt worden. 2Kor besteht eigentlich aus zwei Briefen... Der Galaterbrief ist um 55 anzusetzen und danach, so ca. 57 der Römerbrief. Verschiedene andere Briefe sind ja gar nicht von Paulus, einer seiner Schüler (?) bediente sich nur seiner Autorität, was damals durchaus üblich war. So sind z. B. 2Tess, Kol, 1/2Tim (?)und Tit (?)

nicht von Paulus, tragen aber seinen Namen. Wenn Dich das genauer interessiert, muß ich noch einmal nachlesen, damit ich nix falsches schreibe.

Bei den Evangelien setzt man Johannes um 100 an, Lukas um 80, Matthäus um 70 und Markus um 60. Auch das sind nur ungefähre Zahlen, sicher weiß man es sowieso nicht und die Wissenschaftler streiten sich und lehren entsprechend ihre Lösung. Jedenfalls existierten schon Paulusbriefe mit Eucharistiehinweise, als die Evangelien geschrieben wurden.

 

Liebe Grüße

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Zitat von Ketelhohn am 1:23 - 9.Mai.2001

Sonderbar scheint erst einmal – um einen Augenblick noch bei unserer Ausgangsfrage zu bleiben, der Transsubstantiation der eucharistischen Gestalten –, daß kleinen Kindern das so unverständlich nicht ist. Ohne jede philosophische oder theologische Reflexion vermag ein Kind auf einfache, kindliche Weise zu verstehen, wenn (oder falls) man es ihm auf rechte Weise erklärt, daß bei den Gebeten des Priesters der liebe Gott aus dem Brot und Wein den Leib und das Blut Jesu macht; daß die Hostien, die wir bekommen, zwar noch aussehen und schmecken wie das Brot, daß sie nun aber wirklich Jesu Leib sind. Natürlich bleibt dies auch für das Kind – wie für jeden – ein Geheimnis, das es nicht wirklich begreifen kann; aber daß da nun etwas „an sich“ ganz anderes vorliegt als zuvor, dem also auch ganz anders zu begegnen ist – nämlich mit Ehrfurcht –, das ist leicht zu verstehen. Und das gilt nicht bloß fürs Kind, sondern für den einfachen Glaubenssinn des einfältigen gläubigen Volks, allem Hohn der Weltweisen zum Trotz. – Das sage ich, um deutlich zu machen, daß es keineswegs sublimer Philosophie bedarf, um zu glauben.


 

Gar nicht so sonderbar, lieber Robert. Vgl.Luk.18, 17: ”Wahrlich, ich sage Euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineingelangen."

 

(Ja, ja, liebe A+As, den Kommentar, daß wir alle kindisch sind, könnt Ihr Euch sparen, da kommen wir auch selbst drauf. Es stört uns bloß nicht!  

 

Will sagen: natürlich können wir hier mit Plato und Konsorten trefflich das Ding an sich diskutieren. Weiterführen wird es uns kaum. Glaube beinhaltet das durchaus naive Vertrauen auf die Verheißungen Gottes - das sich Einlassen auf das Unerklärliche. Das ist im Zweifel fruchtbarer, als durch philosophischen Feinschliff zu versuchen, das Geheimnis Gottes in eine Größenordnung zu bringen, die in unseren Kopf passt - dazu fällt mir nur das berühmte Kind bei Augustinus ein, das versuchte, den Ozean in ein kleines Loch umzufüllen, das es selbst am Strand gebuddelt hatte.

 

Liebe Anna, Du betonst zu Recht die Geminschaft, die sich in der Eucharistie verwirklicht - Communio halt, und zwar in zweifacher Hinsicht. Einmal zwischen Gott und Mensch, und zu anderen unter den Menschen. Wichtig ist, daß diese Gemeinschaft nicht durch die Menschen entsteht, die daran teilhaben, sondern durch Gott. Indem ER sich verschenkt, stiftet er Gemeinschaft unter den Menschen.

 

Liebe Grüße

 

Thomas

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Guten Tag,

 

ich versuche mal meine Antwort in drei Teile zu teilen:

 

lieber Robert,

 

heute habe ich mir den Text über Platon durchgelesen, und habe sogar ein bißchen (nicht alles) verstanden.

Um den Bogen zum Thema zu schlagen, greife ich mal den Holzvergleich heraus:"Wir hätten gar nicht daran denken können, die zwei Hölzer vergleichend zusammenzubringen, hätten wir nicht schon von vornherein die Idee der Gleichheit an sich gehabt. " (nach Platon)

 

Für unser Thema heißt dies dann: "Hättest Du nicht schon a priori die Idee von der Gleichheit von Blut und Wein gehabt, hättest Du auch gar nicht daran denken können." Richtig?

 

lieber Stefan,

 

"Jedenfalls existierten schon Paulusbriefe mit Eucharistiehinweise, als die Evangelien geschrieben wurden. " (Stefan)

 

Ja, das scheint mir auch ein wichtiger Punkt zu sein.

Was mich noch interessiert bei den Evangelien: weiß man, woher die Evangelienschreiber ihre Informationen erhielten?

 

Soweit mir bekannt ist, griffen ja Lukas und Matthäus

sowohl auf das ältere Markusevangelium zurück als auch die berühmte Quelle "Q". Ist das richtig?

 

lieber Thomas,

 

"Will sagen: natürlich können wir hier mit Plato und Konsorten trefflich das Ding an sich diskutieren. Weiterführen wird es uns kaum. Glaube beinhaltet das durchaus naive Vertrauen auf die Verheißungen Gottes - das sich Einlassen auf das Unerklärliche. Das ist im Zweifel fruchtbarer, als durch philosophischen Feinschliff zu versuchen, das Geheimnis Gottes in eine Größenordnung zu bringen, die in unseren Kopf passt "

(Thomas)

 

Das ist mir schon klar, was Du meinst. Natürlich ist Glaube Vertrauen. Vertrauen aber kann man kaum durch Worte vermitteln. So werde ich es wohl nicht schaffen, Canos Mißtrauen gegenüber Paulus zu beseitigen, da kann ich noch so gut argumentieren.

 

Das Geheimnis Gottes, ja, das verstehe ich auch, nur wie soll ich dies einem Menschen näherbringen, der dem Glauben skeptisch gegenüber ist? Da kann ich nur versuchen, das zu erläutern, was das Geheimnis Gottes für mich ausmacht. Natürlich ist mir klar, daß ich niemanden bekehren kann (das kann nur der Heilige Geist selber bewirken).

 

Wenn ich aber einsehe, daß ich niemanden bekehren kann, dann aber darf ich auch auf einer Metaebene mit einem nicht glaubenden Menschen reden. (Oder sollte dies sogar tun aus seiner Sicht, denn das, wovon ich ausgehe -Gott- hat er ja (noch) nicht angenommen.)

 

Ich meine, wir Christen reden zwar einerseits vom "Geheimnis Gottes", andererseits sagen wir "Gott ist die Liebe", "Gott will, daß wir ... tun", "Gott macht..."  dann aufeinmal ist das Geheimnis wieder gar kein Geheimnis. Daß dies von einem nicht glaubenden Menschen als Verschleierungstaktik ausgelegt werden kann (was aber nicht so gemeint ist), kann ich nachvollziehen. Ich sage nicht, daß es Verschleierung ist, sondern ich sage, daß ich es aus der Sicht des Nichtgläubigen an dessen Stelle nachvollziehen kann, daß er es so auslegt.

 

viele Grüße

 

Olli

 

(Geändert von Olli um 11:34 - 9.Mai.2001)

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>Das Ideal freilich bleibt die Einsicht in die ewigen, unveränderlichen Wahrheiten, in die Ideen und Begriffe.<

 

Das sagt jemand, für den Gott und die Welt zwei Dinge an sich sind. Bei wem kein Gott existiert der lehnt allgemein hin auch die Vorstellung einer ewigen und unveränderlichen Wahrheit ab. Sehe ich Gott als Alles und in Allem an "bleibt mir nichts weiter übrig", als meine kindliche Vorstellungswelt zu bewahren, will ich nicht enden wie Luzifer.

 

Selig sind die, die da geistig arm sind, und lasst uns für diejenigen beten, die sich nicht von ihrer kindischen Vorstellung lösen können, die Wahrheit mittels ihres Verstandes zu begreifen. :)

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Gast Ketelhohn


Zitat von Olli - 9. Mai 2001

... So werde ich es wohl nicht schaffen, Canos Mißtrauen gegenüber Paulus zu beseitigen, da kann ich noch so gut argumentieren ...

basilius.gif

Auf deutsch ungefähr:

»Denn wie es unmöglich ist, gegen weiche und nachgiebige Körper einen gutsitzenden Schlag zu führen, so kann man Leute, die offensichtlich den Verstand verloren haben, auch nicht mit einem kraftvollen Argument treffen.« (s. Basilius Magnus).

 

Gruß

Robert

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Lieber Olli!

 

Zunächst noch einmal zum Paulus. Also in 1Kor schreibt er meines Wissens zum ersten Mal die Wandlungsworte. Auch er hat die "Formel" dieser Worte wohl irgendwo gehört und gelernt (in einer seiner Gemeinden). So steht es jedenfalls dort. Ich glaube 1Kor15. "Was auch ich empfangen habe, das gebe ich euch weiter: Am Abend nahm Jesus..." (sinngemäßes Zitat).

 

Matthäus und Lukas verwenden das ältere Mk-Evangelium und auch die Quelle "Q", dazu gibt es für beide noch ein Sondergut.

Woher haben die Evangelisten ihr Wissen? Das ist eine gute Frage. Jetzt werden wieder dumme Antworten kommen , wenn ich folgendes schreibe: Natürlich war Lk bei der Geburt Jesu nicht dabei, er hat nur eine Interpretation niedergschrieben. Dabei kommt es auf die Aussage an, er will ausdrücken, daß Gottes Sohn in Niedrigkeit geboren wurde. Er wählt, um das auszudrücken, das, was wir heute "Kindheitsgeschichte" nennen.

Mk hat damals eine völlig neue literarische Gattung geschaffen. Eine Sammlung von Taten und WOrten Jesu hat er zum "Evangelium" niedergeschrieben. Wenn Paulus von "Evangelium" spricht, ääh schreibt, dann meint er nicht die literarische Gattung, sondern die Frohbotschaft an sich, das, was seit Jesus Christus Offenbarung Gottes ist.

 

Wie genau sich nun die Wandlungsworte in den ersten Gemeinden entwickelt haben, wird wohl im Dunklen bleiben.

 

Liebe Grüße

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Gast Ketelhohn


Zitat von Stefan Mellentin - 10. Mai 2001

Natürlich war Lk bei der Geburt Jesu nicht dabei, er hat nur eine Interpretation niedergschrieben. Dabei kommt es auf die Aussage an, er will ausdrücken, daß Gottes Sohn in Niedrigkeit geboren wurde. Er wählt, um das auszudrücken, das, was wir heute "Kindheitsgeschichte" nennen.

Klingt der Bericht des Paulus nicht vielmehr, als habe er mit Maria selber gesprochen?

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