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Q - oder "die Quelle"


Flo77

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Bin mir nicht sicher, was damit gemeint ist:

Nur, weil man an einer Sache mehr Interesse hat, besagt nicht, dass das Ergebnis der Bemühungen unwissenschaftlich ist.

 

Übrigens: Deine Theorien zur Übereinstimmung von Mt und Lk sind äußerst unwahrscheinlich.

Ich kenne keine Theorie zur Übereinstimmung von Matthäus und Lukas, die von mir stammend währe. . .

 

Dessen ungeachtet, selber lesen und entscheiden, welche Übereinstimmungen in Evangelien gegeben ist, ist nicht deine Sache, wie ich sehe:

Und ich hatte das Vergnügen, Paul Hoffmann persönlich als Studentin zu erleben. Ich habe an keiner theologischen Fakultät einen zynischeren Professor erlebt. Gutgläubig und naiv ist komplett was anderes.

Was mit "zynischen Professoren", "Gutgläubigkeit und Naivität" gemeint ist kann ich auch nicht folgen.

 

Auch dessen ungeachtet, wollte ich sagen folgendes. Wenn eine Q-Quelle gegeben hätte, die von mind. zwei (sogar drei) Autoren gebraucht wurde, die gegenwärtige Texte in Evangelien einfach müssen wortwörtlich abgeschriebene Wiederholungen auf mehreren Stellen aufweisen. Wie bei Plagiatoren, die auch Doktor- Titel dadurch ergattert haben. Und es geht hier nicht um "moderne Plagiatoren". Das Wesentliche ist hier nicht der Doktor- Titel oder Plagiatoren sonder, die gegenwärtige Texte in Evangelien, die keine wortwörtliche Wiederholungen haben.

 

Bei Abschreibungen (wie bzw. von Q-Quelle) werden immer und unausweichlich wortwörtliche Wiederholungen zu finden, die in gegenwärtigen Evangelien nicht vorhanden sind.

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Ein kleines bisschen verstehe ich Marcellinus' Kritik allerdings doch.

Es gibt nämlich einige Theologen, die ihre rational erstellten Konstruktionen tatsächlich für hinreichende Beweise halten.

 

In diesem Fall geht meine Kritik aber noch weiter, als die von Marcellinus:

Selbst, wenn es Belege gäbe (dasisnKonjunktiv), wäre dies immer noch kein hinreichender Beweis. Denn ich würde fordern, diese Belege erst mal auf ihre Beweisträchtigkeit abzuklopfen. Und sollte dies dann durch andere Belege geschehen, müsste man auch diese weiteren Belege abklopfen. Da gerät man in Schwierigkeiten. Mit der Beweishaftigkeit nach 2000 Jahren ist es eben nicht weit her. Genau genommen gilt dies auch für zwei Jahre oder für fünf Minuten. Allerdings sind die 2000 Jahre natürlich noch mal ein gewaltiger Zusatzbrocken.

 

Daher meine Meinung: Schlagt Euch die ganze Beweiserei mal hübsch aus dem Kopf. Nichts ist so beweisbar, dass ich auf solche Beweise mein Leben setzen würde. Nicht einmal meinen Glauben würde ich auf solche Beweise setzen. Den schon mal gar nicht.

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Abrupte Vokabular- und Stilwechsel innerhalb eines Textes (oder innerhalb der bekannten Varianten eines Textes) sind auch Fakten. Die Interpretation dieser Fakten nennt man dann Hypothese.

Das sind aber nicht die Fakten, die Marcellinus postuliert. Es sind Fakten aus den Evangelientexten, die sich nicht über Logienquelle ja oder nein outen. Es sind in Wirklichkeit doch nur Schlüsse, die wir sozusagen aus Fremdfakten (also den Evangelientexten) vornehmen, die nirgends explizit auf eine Quelle verweisen. Abrupte Wechsel sind prima Anlässe, um sich was zu denken. Aber sie ersetzen weder eine Quellenangabe, noch ein Auffinden von Logienquellen-Fragmenten, noch erstjahrhundrige Verweise auf eine solche Quelle.

 

Die Evangelisten haben ohne Fußnoten mit Quellenangaben gearbeitet. (Oder diese sind verloren gegangen). Und das ist auch einer von den heute noch fassbaren Fakten.

bearbeitet von Mecky
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Wir haben im Lateinstudium gelernt, dass die Tatsache, dass einer den Text des anderen benützt hatte, alles andere als ehrenrührig war, eher im Gegenteil.

Man ging eben davon aus, dass der Gebildete wusste, woher ein Gedanke übernommen war (und niemand konnte voraussehen, dass man die Sache im 21. Jhd. ganz anders sehen würde). :blush:

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Ich verstehe nicht ganz den Sinn von Marcellinus' Kritik. [...]

Es geht doch bei der Logienquelle nicht um etwas, was bewiesen werden müsste. Sondern Q ist selbst eine Erklärung - so gut es eben geht. Wir können keine anderen Anforderungen stellen, als dass diese Erklärung in sich schlüssig ist. Solange wir das Fehlen von Quellen zugeben und wir uns bewusst bleiben, dass es um nicht mehr, als eine mögliche Rekonstruktion geht, sehe ich nichts, was es auszusetzen gäbe.

Meine Kritik ist ganz einfach: Die Annahme eines solchen Dokuments ist keine Erklärung! Was man leicht daran sieht, daß es offenbar nicht nur eine "Rekonstruktion" eines solchen Dokumentes gibt. Vor allem aber, weil diese hypothetische Dokument wie eine Tatsache behandelt und selbst zum Gegenstand von Darstellungen wird. Es ist einfach nicht richtig, daß immer darauf hingewiesen wird, die Existens von Q sei eine Hypothese.

 

Ein kleines bisschen verstehe ich Marcellinus' Kritik allerdings doch.

Es gibt nämlich einige Theologen, die ihre rational erstellten Konstruktionen tatsächlich für hinreichende Beweise halten.

Eben! Ich zitier mal aus einem Text des kath. Bibelwerks von 1999: "Dass es für Q keine Abschriften mehr gibt, ist kein Grund anzunehmen, Q habe es gar nicht gegeben. In der Altertumswissenschaft lassen sich häufig literarische Werke nur aus den Zitaten späterer Autoren rekonstruieren." Danach wird Q als Tatsache behandelt, nur der Inhalt nicht ganz sicher, und dann munter über seine Eigenschaften spekuliert, als seien es Tatsachen: daß es in Galiläa vor der Zerstörung des Tempels zusammengestellt worden sei, von ursprünglichen Christen, die Jesus näher gewesen seien als Paulus, christlich-jüdischen Wanderpredigern, usw.

 

Besonders interessant finde ich die Art der "Begründung": Es gäbe keine Grund anzunehmen, es habe nicht existiert! Das letzte Mal ist mir das begegnet bei der Suche nach dem Grab des Paulus. 2010 fand man in Rom in einem Sarkophag Reste aus dem 1. od. 2. Jh. u.Z., woraus BXVI messerschaft schloß: man habe eine wissenschaftliche Bestätigung einer "einhelligen und unwidersprochenen Tradition". Kurz, es ist nicht ausgeschlossen, also wahr!

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Meine Kritik ist ganz einfach: Die Annahme eines solchen Dokuments ist keine Erklärung!

Ja doch ist es eine Erklärung. Wenn man dieses Dokument annimmt, dann sind die Übereinstimmungen erklärt, sind die abrupten Stil-Umbrüche geklärt und es ist auch erklärt, warum diese Stil-Umbrüche bei Lk und Mt ziemlich ähnlich geschehen.

 

Du kannst natürlich weiterhin die Qualität der Erklärung angreifen. Denn zu einer vollständigen und sicheren (naja ... sichereren) Erklärung müsste eine externe Quelle her. Diese Kritik ist Dir nicht nur unbenommen, sondern jeder vernünftige Exeget wird sie mit dir teilen. Es ist doch tatsächlich sehr bedauerlich, dass wir eine so schlechte Quellenlage haben. Allerdings kann man diese Quellenlage nicht den heutigen Exegeten (oder Christen) anlasten. Das ist eben so.

 

Die Exegeten haben uns eine ziemlich schlüssige Denkmöglichkeit an die Hand gegeben. Da sage ich einfach mal: Dankeschön. Gefällt mir. Auch wenn ich mich über noch mehr Klarheit sehr freuen würde. Aber es ist doch anerkennenswert und auch hilfreich, zumindest das zur Verfügung zu haben, was eben machbar ist.

 

Deine andere Kritik unterstütze ich sowieso: Dass das Vorhandensein einer herausgefieselten Rekonstruktion nicht zu der Einbildung verführen darf, man WÜSSTE nun, wie die Evangelien zusammengestellt wurden. Für das Wort "Wissen" ist mir da viel zu viel Unsicherheit im Spiel. Wie schon gesagt: Dafür bräuchte auch ich Belegstellen. Und (über Deine Thesen hinausgehend) bräuchte ich sogar noch mehr - und zwar so viel, wie es keine historische Wissenschaft jemals seriös hervorbringen kann.

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Langsam wird hier es wirklich interessant:

...dann sind die Übereinstimmungen erklärt, sind die abrupten Stil-Umbrüche geklärt und es ist auch erklärt, warum diese Stil-Umbrüche bei Lk und Mt ziemlich ähnlich geschehen.

Darf ich um ein Beispiel bitten, der "Stil-Umbrüche bei Lk und Mt ziemlich ähnlich geschehen", belegt?

 

Über welche stilistischen Eigenschaften des Textes redet man, wenn man die angebliche stilistische Gemeinsamkeiten oder Unterschiede erwähnt? Ich wurde es reinweg Wissenschaftlich betrachten, wenn jemand belegbar ein Beispiel der stilistischen Eigenschaften und direkt erkennbaren aus Evangelien Übereinstimmungen hergeben wird.

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Bitten kannst Du mich natürlich gerne.

Aber ich halte es nicht der Mühe wert.

 

Wie wäre es mit dem, was Alfons empfohlen hat?

 

Wer sich mit dem Thema näher befassen will, über das Lesen eines Zeitungsberichts hinaus, sei auf die Studienausgabe verwiesen:

 

Die Spruchquelle Q

Studienausgabe Griechisch und Deutsch

Herausgegeben und eingeleitet von Paul Hoffmann und Christoph Heil

4. Auflage 2013

Wissenschaftliche Buchgesellschaft 14,90 € (Nicht-Mitglieder 19,90 €)

194 Seiten

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Vor allem aber, weil diese hypothetische Dokument wie eine Tatsache behandelt und selbst zum Gegenstand von Darstellungen wird.

 

Das ist doch aber ein Stück weit Sinn und Zweck einer Hypothese, als Ausgangslage für weitere Forschungen und Untersuchungen zu dienen. Und manche Hypothesen setzen sich eben soweit durch, dass es nicht mehr als notwendig erachtet wird, sie jedes Mal mit dem Zusatz "Achtung: Unbewiesene Hypothese" zu versehen, da davon ausgegangen wird, dass das jedem mit etwas Ahnung vom Thema klar ist.

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Die Neigung, den Zusatz "Achtung: Unbewiesene Hypothese" wegzulassen, wurde Galileo zum Verhängnis.

Allerdings spielt die Verhängnisbringerin Kirche in der causa Galileo keine allzu rühmliche Rolle.

bearbeitet von Mecky
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Langsam wird hier es wirklich interessant:

...dann sind die Übereinstimmungen erklärt, sind die abrupten Stil-Umbrüche geklärt und es ist auch erklärt, warum diese Stil-Umbrüche bei Lk und Mt ziemlich ähnlich geschehen.

Darf ich um ein Beispiel bitten, der "Stil-Umbrüche bei Lk und Mt ziemlich ähnlich geschehen", belegt?

 

Über welche stilistischen Eigenschaften des Textes redet man, wenn man die angebliche stilistische Gemeinsamkeiten oder Unterschiede erwähnt? Ich wurde es reinweg Wissenschaftlich betrachten, wenn jemand belegbar ein Beispiel der stilistischen Eigenschaften und direkt erkennbaren aus Evangelien Übereinstimmungen hergeben wird.

 

Bitten kannst Du mich natürlich gerne.

Aber ich halte es nicht der Mühe wert.

 

Wie wäre es mit dem, was Alfons empfohlen hat...

Mit dem, was Alfons empfohlen hat ist doch reine Werbung...

Ist hier sowas nicht verboten?

 

Habe ich aber dich gefragt und stelle fest: hast du keine Ahnung, worüber du da redest.

 

Es ist kaum mehr interessant, mehr wie in einem Kindergarten.

Es ist deutlich und klar, du hast keine Ahnung, was du da plapperst.

Klingt aber "Wissenschaftlich ernst", ne. . ?

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Das ist doch aber ein Stück weit Sinn und Zweck einer Hypothese, als Ausgangslage für weitere Forschungen und Untersuchungen zu dienen.

Sehe ich ein bißchen anders. Wenn ich feststelle, daß da in der Wüste Ägyptens so merkwürdige Steinhaufen herumstehen, Pyramiden genannt, ohne daß man so recht weiß, wie sie dahingekommen sind, dann kann ich die Hypothese aufstellen, außerirdische Raumfahrer hätten sie gebaut. Dann ist es allerdings meine Aufgabe, dafür Belege anzubringen, statt auf der Basis meiner Hypothese nun nach der Landebahn für diese Raumfahrer zu suchen (und in Peru fündig zu werden). :D

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Bin mir nicht sicher, was damit gemeint ist:

Nur, weil man an einer Sache mehr Interesse hat, besagt nicht, dass das Ergebnis der Bemühungen unwissenschaftlich ist.Übrigens: Deine Theorien zur Übereinstimmung von Mt und Lk sind äußerst unwahrscheinlich.

Ich kenne keine Theorie zur Übereinstimmung von Matthäus und Lukas, die von mir stammend währe. . .Dessen ungeachtet, selber lesen und entscheiden, welche Übereinstimmungen in Evangelien gegeben ist, ist nicht deine Sache, wie ich sehe:

Und ich hatte das Vergnügen, Paul Hoffmann persönlich als Studentin zu erleben. Ich habe an keiner theologischen Fakultät einen zynischeren Professor erlebt. Gutgläubig und naiv ist komplett was anderes.

Was mit "zynischen Professoren", "Gutgläubigkeit und Naivität" gemeint ist kann ich auch nicht folgen.Auch dessen ungeachtet, wollte ich sagen folgendes. Wenn eine Q-Quelle gegeben hätte, die von mind. zwei (sogar drei) Autoren gebraucht wurde, die gegenwärtige Texte in Evangelien einfach müssen wortwörtlich abgeschriebene Wiederholungen auf mehreren Stellen aufweisen. Wie bei Plagiatoren, die auch Doktor- Titel dadurch ergattert haben. Und es geht hier nicht um "moderne Plagiatoren". Das Wesentliche ist hier nicht der Doktor- Titel oder Plagiatoren sonder, die gegenwärtige Texte in Evangelien, die keine wortwörtliche Wiederholungen haben.Bei Abschreibungen (wie bzw. von Q-Quelle) werden immer und unausweichlich wortwörtliche Wiederholungen zu finden, die in gegenwärtigen Evangelien nicht vorhanden sind.

Du warst nicht gemeint.

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Das ist doch aber ein Stück weit Sinn und Zweck einer Hypothese, als Ausgangslage für weitere Forschungen und Untersuchungen zu dienen.

 

Sehe ich ein bißchen anders. Wenn ich feststelle, daß da in der Wüste Ägyptens so merkwürdige Steinhaufen herumstehen, Pyramiden genannt, ohne daß man so recht weiß, wie sie dahingekommen sind, dann kann ich die Hypothese aufstellen, außerirdische Raumfahrer hätten sie gebaut. Dann ist es allerdings meine Aufgabe, dafür Belege anzubringen, statt auf der Basis meiner Hypothese nun nach der Landebahn für diese Raumfahrer zu suchen (und in Peru fündig zu werden). :D
Das ist polemisch, das weißt du.
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Ich möchte nicht über Q diskutieren, dazu habe ich in diesen Tagen keine Zeit, und wie der Thread zeigt, lässt sich ja darüber auch ohne große Ahnung vom Thema schreiben, dazu braucht es mich also nicht. Ich möchte nur ein paar Hinweise geben.

Die Idee, dass es eine verschollene schriftliche Quelle gegeben hat, aus der die Autoren der beiden nach Matthäus und nach Lukas benannten Evangelien geschöpft haben, ist sehr alt. 1838 erkannte Christian Hermann Weiße, dass Matthäus und Lukas in den Abschnitten, in denen sie unabhängig von Markus übereinstimmen, eine zweite Quelle (neben dem Markus-Evangelium) verarbeitet haben. Diese Zweiquellentheorie ist seit inzwischen 150 Jahren allgemein akzeptiert.

Dass sie schriftlich vorgelegen hat, wird allein schon durch häufige wörtliche oder fast wörtliche Übereinstimmungen wahrscheinlich. Nehmen wird als Beispiel die Perikope vom „Dienst zweier Herren“, zitiert nach der Zürcher Bibel.

Bei Matthäus (6, 24) lautet sie: „Niemand kann zwei Herren dienen. Denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird sich an den einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

Die Parallele bei Lukas 16,13: „Kein Knecht kann zwei Herren dienen. Denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird sich an den einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

Dieser bis auf das erste Wort identische Wortlaut lässt eine mündliche Überlieferung unwahrscheinlich werden.

Wenn nun zwei Bücher, die mit etwas zeitlichem Abstand, aber an unterschiedlichen Orten entstanden sind, in weiten Teilen übereinstimmen, bis hin zu identischen Sätzen wie gerade zitiert, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder der eine Autor hat vom anderen „abgeschrieben“, oder beide haben die Texte aus einer gemeinsamen Quelle übernommen.

Dass hier das Zweite zutrifft, ist leicht festzustellen. Denn wenn man die in Frage kommenden Texte zusammen stellt und sich anschaut, zeigt sich, dass sie einen anderen Charakter haben als die beiden Evangelien, aus denen sie entnommen wurden, besonders beim Vergleich mit dem so genannten Sondergut, also den Texten, die jeweils nur einer der beiden Evangelisten Matthäus und Lukas hat. Die Q-Texte (die Bezeichnung Q für diese hypothetische zweite Quelle gibt es auch schon seit 1890) sind inhaltlich anders, sie haben eine etwas andere Theologie, sie verweisen auf eine andere Landschaft, einen anderen Zuhörerkreis. All das schließt ein Abschreiben des Lukas bei Matthäus oder umgekehrt mit hoher Sicherheit aus.

Der Matthäus-Autor war (nach den derzeit in der Forschung meist akzeptierten Überlegungen) Vertreter eines liberalen hellenistischen Diaspora-Judentums, das sich bereits der Heidenmission geöffnet hatte. Er schrieb für eine Gemeinde in Syrien (ich lasse ab jetzt einfach Formulierungen wie „Stand der Forschung“ oder „meist akzeptierte Theorie“ weg – das denkt jeder, der Ahnung von wissenschaftlicher Arbeit hat, ohnehin automatisch mit) deren Situation durch den Bruch mit Israel geprägt war. Der Lukas-Autor war ein hellenistisch gebildeter Theologe und Historiker; der von ihm anvisierte Leserkreis dürfte eine heidenchristliche Gemeinde gewesen sein, denn er setzt deutlich die gesetzesfreie Heidenmission voraus.

 

Völlig anders die Logienquelle, also der Q-Text. In seiner frühesten Schicht (die Theorien der Entstehungs- und Redaktionsgeschichte lasse ich aber mal weg) ist seine Verkündigung geprägt von „nachösterlichem Enthusiasmus, charismatisch-eschatologischer Thora-Verschärfung und der prophetischen Botschaft vom nahen Schöpfergott“ („Spruchquelle Q“ Studienausgabe S. 15). Die Überlieferung wurde zunächst von Wanderpredigern in Galiläa weitergegeben; Gerd Theissen (in „Der historische Jesus“ u.ö.) hat die Bezeichnung „charismatische Wanderradikale“ geprägt. Entsprechend finden sich in Q Forderungen nach Heimatlosigkeit, Distanz zur Familie, Besitzkritik und Gewaltlosigkeit. Von Heidenmission ist nichts zu lesen, Q richtete sich also an Juden. Ob die Niederschrift der zunächst mündlichen Überlieferung durch Bildung einer sesshaften Gemeinde veranlasst wurde oder ob Wandermission und sesshafte Gemeinden nebeneinander existierten, ist umstritten. Ort der Überlieferung ist Galiläa, die Endredaktion des Textes wird gegen 70 n.Chr. im südlichen syrischen Raum vermutet.

Theologisch gibt es viele eigene Züge. Der Titel Messias bzw. Christus kommt in Q nicht vor. Der wichtigste christologische Titel ist dort Menschensohn, der als wiederkehrender Richter gedacht wird. „Das Gesetz und die Propheten“ spielen für die Heilsgeschichte keine Rolle, im Vordergrund steht die Nähe der Gottesherrschaft, und diese Zeit der Erfüllung beginnt bereits mit dem Täufer Johannes. Auffällig ist die Polemik gegen die Juden, die sich nicht der neuen Jesus-Bewegung angeschlossen haben. Die Q-Texte zeigen fast ausschließlich den weisenden, den weisheitlich lehrenden Jesus, andere Aspekte sind nur angedeutet. Der Kreuzestod wird zwar als bekannt vorausgesetzt, aber nicht geschildert – Passion, Tod und Auferstehung sind nur angedeutet. Die Theologie von Q ist derart eigenständig, dass die Forschung inzwischen von einer eigenen palästinischen Entwicklungslinie des frühen Christentums ausgeht.

 

Ob der Autor des Markus-Evangeliums die Logienquelle gekannt hat, wird derzeit in der Forschung kontrovers diskutiert. Auffallend ist ja, dass weder bei Markus noch bei Q, also in den beiden ältesten Jesus-Erzählungen, die Thora eine große Rolle spielt, erst Matthäus stellt Jesus als thoratreuen Juden dar.

Alfons

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Die Extraktion einer mutmaßlichen Logienquelle Q aus den synoptischen Evangelien hilft uns, die Theologie- und Überlieferungsgeschichte der frühen Christen besser zu verstehen, nicht aber, näher an die Glaubensoffenbarung zu kommen.

So denkst Du, so denke ich, andere schließen sich an.

 

Das Problem besteht aber darin, dass Marcellinus vor einer großen Schar von Exegeten steht. Und so mancher Exeget betreibt nicht einfach nüchterne Wissenschaft, sondern versucht ideologische oder theologische Positionen mit Hilfe von exegetischen Erkenntnissen abzusichern oder zu desavouieren. Wenn sich Erich (hoffen wir mal, dass es ihm gut geht) gegen die Existenz der Logienquelle gestellt hat, dann entsprang dies nicht der nüchternen Sachlage. Sondern Erich war ein Verfechter der Direktheit. Und Konstruktionen wie Zweiquellentheorie oder Logienquelle widersprachen vor allem seinem Glaubensempfinden.

 

Kein Wunder also, wenn Marcellinus auf konkrete Belege pocht. Weil alles andere eben allzu schnell in eine Ideologie oder Theologie oder Weltanschauung umgebogen werden kann.

 

Das Problem ist: Wir haben keine solche Quellen. Wir haben nicht die Wahl zwischen "Belegung durch Quellen" oder "literarkritisches Konstrukt". Wir können uns nur bemühen, das literarkritische Konstrukt so sauber wie möglich zu konstruieren.

 

Ich habe allerdings immer noch nicht verstanden, was es da zu kritisieren gibt. Wir arbeiten mit dem, was wir eben haben. Und man kann es den Exegeten doch nicht vorwerfen, dass sie sich bemühen, daraus das Bestmögliche zu machen. Solange sie so redlich sind, diese Grenzen auch zuzugeben, ist meiner Meinung nach alles in Ordnung. Kritik kann sich nur gegen jene richten, die fälschlicherweise eine Sicherheit dieses Konstruktes behaupten, die schlicht der Mangellage an Belegen nicht angemessen ist.

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Ergänzend zu meinem gestrigen Beitrag hier weiter oben ist mir eingefallen, dass ich über das Thema "Logienquelle" bereits mehrfach im Forum geschrieben habe. Zum Beispiel im August d.J. im Thread "Bibelfragen - historisch theologisch" und im Februar im Thread "Lichtmess und Flucht nach Ägypten". Also nur, falls jemand Interesse an dem Thema hat...

Alfons

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Das Problem besteht aber darin, dass Marcellinus vor einer großen Schar von Exegeten steht. Und so mancher Exeget betreibt nicht einfach nüchterne Wissenschaft, sondern versucht ideologische oder theologische Positionen mit Hilfe von exegetischen Erkenntnissen abzusichern oder zu desavouieren.

Mein Problem ist, daß ich meinte, diese Frage als eine historische behandeln zu können, was sie nicht ist. Mein Fehler.
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Das Problem besteht aber darin, dass Marcellinus vor einer großen Schar von Exegeten steht. Und so mancher Exeget betreibt nicht einfach nüchterne Wissenschaft, sondern versucht ideologische oder theologische Positionen mit Hilfe von exegetischen Erkenntnissen abzusichern oder zu desavouieren.

Mein Problem ist, daß ich meinte, diese Frage als eine historische behandeln zu können, was sie nicht ist. Mein Fehler.

 

 

Was genau willst Du als historisch behandeln? Ob es eine Quelle Q gab? Oder was der Inhalt dieser Quelle ist?

 

Q existiert nicht als Buch der Bibel. Es gibt aber weder eine absolute Sicherheit, dass die Bücher der Bibel "wirklich real hsitorisch" sind, noch, dass sie es nicht sind. Und wenn sie "real historisch" sind, dann wissen wir immer noch nicht, was das genau bedeutet.

 

Rein historisch betrachtet existiert die Hypothese, dass die Evangelien auf verschiedenen Quellen beruhen und einige Zeit nach Jesu Leben und Lehren geschrieben worden sind. Sie sind dabei wohl eher nicht von Augenzeugen geschrieben, möglicherweise lebten zu diesem Zeitpunkt auch keine Augenzeugen mehr. Aus diesem Grund mussten sich die Verfasser darauf verlassen, was sie hören und lesen konnten von Jesu Wort und Werk (Verwendung von Quellen). Außerdem sind wohl auch die Evangelien selbst noch eine Zeit lang weiterbearbeitet worden.

 

Für die Evangelien von LK und MT existiert die Hypothese, dass zwei ihrer Quellen schriftlich vorlagen. Die eine ist das MK Evangelium und die andere die Quelle Q. Während es die eine in den Kanon geschafft hatte, ging die andere als eigenständiges Werk unter. Und selbst bei MK ist man sich nicht einig, ob LK und MT die heutige Fassung vorgelegen hat.

 

Hypothesen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man versucht, Beobachtungen an den Texten (Parallele Überlieferungen / Stilistische Unterschiede ....) in ein sinnvolles Erklärungsmuster zu bringen, mehr nicht.

 

Die Zweiquellentheorie ist die am weitesten anerkannte Hypothese und es wird hier eher um Details als um Grundsätzliches gestritten. Bestritten wird diese Hypothese vor allem von Evangelikalen sowie von sehr konservativen Christen. Hier wendet man sich aber eher gegen die moderne Exegese insgesamt, als gegen die Zweiquellentheorie im Besonderen. Insgesamt richtet sich die Kritik dagegen,dass die moderne Exegese die Einheitlichkeit der Evangelien bestreitet sowie die "absolute" Historizität der Schilderungen. Für diese Christen ist es essentiell zu behaupten, dass die Evangelien authentisch und historisch korrekt von den Ereignissen um Jesus berichten, dass es sich also um Augenzeugenberichte der Apostel handelt. Aber auch diese Behauptung ist eine Hypothese, die aber im Gegensatz zur Zweiquellentheoire historisch gesehen schlechter begründbar ist, weil sie bestimmte wichtige Beobachtungen in den Evangelientexten nicht erklären kann.

 

Hypothesen gelten natürlich nur so lange, bis es Bessere gibt und wir wissen nicht, was mit der Zweiquellentheorie in Zukunft geschehen wird.

Allerdings neigen lang und breit anerkannte Hypothesen dazu, zu "historisch unumstößlichen Wahrheiten" zu mutieren. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass im wissenschaftlichen Bereich, solche Hypothesen vorausgesetzt werden und man dann unter der Voraussetzung der Geltung dieses Hypothese argumentiert und diese nicht erneut und zum wiederholten Mal herleitet (was natürlich auch zu Kurzschlüssen verleiten kann). Zum anderen gelangen solche allgemeinen Dinge auch früher oder später in den populärwissenschaftlichen Bereich und da wird dann verkürzt von sicheren Erkenntnissen gesprochen, wie das eben auch das Bibelwerk macht, das davon ausgeht, dass die Zweiquellentheorie derzeit nicht falsifizierbar ist.

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@Mat

Entschuldige, das ist alles Theologie. Unter Historikern gibt es diese Diskussion aus gutem Grunde nicht, weil sie ein Minenfeld betreten würden. Zuviel Theorie auf zu wenig belastbaren Tatsachen, mit zuviel Engagement und zuwenig Distanz. Und ich hätte mich da auch raushalten sollen. Sorry.

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