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Was glaubt ein Katholik (Teil 2)


Werner agnosticus

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Werner agnosticus

Lieber Sven,

 

Sobald aber Postulate über Eigenschaften eines solchen "Gottes" aufgestellt werden, besteht immer die Gefahr, daß die Postulate prüffähige Widersprüche enthalten - dann ist der Beweis der Nichtexistenz eines so beschriebenen Gottes erbracht (...). Das heißt aber: Es gibt sehr wohl rational begründete Aussagen, wie Gott nicht ist (wie er nicht sein kann!). Es gäbe unendlich viele Möglichkeiten, Eigenschaftskombinationen für einen Gott zusammenzustellen, die allesamt möglich sind (also unwiderlegbar) - viele mir bekannten Religionen, darunter das Christentum, haben aber keine dieser beliebig vielen möglichen Gottesbilder gewählt, sondern dummerweise widersprüchliche, also unmögliche Eigenschaftskombinationen postuliert.

Klar. Das gilt aber für jede Aussage und jedes Aussagensystem, das allumfassend sein soll. Kennst Du Gödels Satz - bzw. hast du ihn verstanden? Ich leider nicht. Aber ich reime mir aus den Buchstücken dazu etwas zusammen. Nach diesem Herrn kann kein Aussagensystem jede mögliche Aussage abbilden und gleichzeitig widerspruchsfrei sein. Er hat sich damit gegen das Russel´sche Konzept der "Pricipica Mathematica", ein Projekt, alle Aussagen der Mathematik in einem umfassenden System darzustellen, gewandt.

Ich bin zwar auch ein Gödel-Laie, da mein mathematisches Engagement nicht soweit reicht, daß ich mich der langwierigen Arbeit einer Nachvollziehung von Gödels Beweisen unterzogen hätte (die Beweise wären wohl noch das Geringste, aber die zu ihrem Verständnis nötigen Vorarbeiten - grusel, grusel), aber soviel kann ich Dir sagen: Du hast Gödel hier grundlegend falsch verstanden. Seine beiden berühmten Sätze heißen nicht umsonst "Unvollständigkeitssätze" - und nicht "Widerspruchssätze". Gödel zeigte nicht, daß "kein Aussagensystem jede mögliche Aussage abbilden und gleichzeitig widerspruchsfrei sein" kann. Er zeigte vielmehr, daß kein Axiomensystem, das wenigstens die Komplexität einer Peano-Struktur (erspare mir einen Definitionsversuch. Man kann vielleicht am einfachsten an das Axiomensystem der Zahlentheorie denken) besitzt, vollständig sein kann. Dies bedeutet nicht, daß es einen Widerspruch enthalten muß, sondern daß in der Sprache des Axiomensystems Aussagen formulierbar sind, für die ein Wahrheitswert prinzipiell nicht feststellbar ist (damit brachte Gödel Hilbert's Anliegen der auf Vollständigkeit zielenden sog. "Beweistheorie" definitiv zum Scheitern).

Dazu der Darmstädter Mathematiker Andreas Plüschke: "... da er [Gödel] zeigen konnte, daß in Axiomensystemen - sofern sie denn überhaupt umfangreich genug sind, um von brauchbarem Nutzen zu sein - Sätze konstruierbar sind, bei denen anhand der Axiome nicht feststellbar ist, ob sie wahr oder falsch sind (Gödelsche Unvollständigkeitssätze)."

Der zweite Unvollständigkeitssatz besagt: "in der erststufig formalisierten Peanoarithmetik PA läßt sich die Widerspruchsfreiheit von PA ausdrücken, aber nicht beweisen." (Prof. Otmar Spinas, Uni Kiel). Also auch hier keine Notwendigkeit der Existenz eines Widerspruchs, sondern lediglich die Unmöglichkeit, die Widerspruchsfreiheit für eine entsprechend komplexe Arithmetik zu beweisen (ungeachtet dessen kann die Widerspruchsfreiheit natürlich bestehen). Sollte übrigens tatsächlich einmal ein Widerspruch in der Zahlentheorie gefunden werden, so wären die Konsequenzen für die Mathematik zwar dramatisch, könnten aber nicht anders lauten als: Wir müssen mindestens eines der zahlentheoretischen Axiome aufgeben. Dabei ginge wohlgemerkt nicht die aristotelische Logik auf den Müll, sondern ein mathematisches Axiomensystem, eine spezielle Algebra.

 

Gödel ist also kein Kronzeuge dafür, daß Widersprüche sein müssen. Es ist sogar in gewisser Weise das Gegenteil der Fall: Für hinreichend einfache Axiomensysteme (und das der Theodizee zugrundeliegende Axiomensystem ist extrem einfach), die die Struktur der sog. Prädikantenlogik erster Stufe aufweisen, hat Gödel die Vollständigkeit bewiesen.

Auch Deine Antwort an Ute

Der Glauben erhebt schon den Anspruch, Aussagen über alles treffen zu können und damit ein Aussagensystem aufzubauen. Wenn man diese Aussagen formuliert und versucht, dies in ein (sprach-)logisches System zu fassen, muß zwingend das Ergebnis widersprüchlich sein. Das schließt natürlich nicht aus, daß es auch weitere Widersprüche gibt, die z.B. aus fehlerhaften Ableitungen herrühren. Soviel zu Gödel.

ist daher in der zentralen Aussage falsch.

 

Ich gehe hier deshalb so ausführlich darauf ein, weil hier ein grundsätzliches Problem (nicht nur) Deiner Argumentation liegt: Es kommt immer wieder zur Verwechselung von "Unvollständigkeit" und "Widersprüchlichkeit". Ich werde noch einmal darauf zurückkommen.

 

Ich habe daraus in meiner Laiensicht folgendes geschlossen: Solange man überhaupt umfassende Aussagen trifft, werden diese, solange man den Gesetzen der Logik folgt, irgendwo in sich widersprüchlich sein. Dieser Widerspruch ist nicht logisch zu umgehen, sondern - jetzt kommt ein fröhlich-gewagter Sprung zur Dialektik - kann nur "aufgehoben" werden. Dieses "Aufheben" des Widerspruches gelingt nur dadurch, daß man das Problem "auf" eine höhere Ebene "hebt". Das wiederum ist mit eben dem von mir beschriebenen Paradigmenwechsel zum Glauben möglich. (ich gebe zu, daß das wirklich Hausfrauenphilosophie ist - es würde mich interessieren, wo da der Fehler liegt)

Wie gesagt: Der Fehler liegt bereits in Deinem Ausgangspunkt der angenommenen "Notwendigkeit des Widerspruchs".

 

Daher ist mir auch die Theodizeefrage bisher rational nie als spannend erschienen. Ich fürchte, daß das sich spätestens dann ändert, wenn ich selbst einmal richtig auf die Fresse falle - ich kann nur hoffen, daß mir das erspart bleibt. Dann werde ich sehen, was mein Glaube wert ist.

Mir scheint, daß Du hier etwas verwechselst. Wenn Du "einmal richtig auf die Fresse fallen" solltest, dann wird die Theodizeefrage für Dich wohl nicht so sehr rational sondern vielmehr emotional interessant. Daß Du den möglichen Grund Deines Interesses in einem eigenen Leiden annehmen würdest, weist darauf hin, daß Deine Frage weit eher der auch von Olli formulierten Betroffenheitsfrage ("Warum läßt Gott das zu?" ) entspricht und nicht der auf Erkenntnis zielenden Theodizeefrage, die ich dargelegt habe ("Kann ein Gott existieren, der diese Eigenschaftskombination hat?" ).

 

Meine Ausführungen verwenden nur strenge Logik, greifen also auf eine auch zur Zeit der Christentumsentstehung längst bekannte und theoretisch ausformulierte philosophische Disziplin (z.B. Aristoteles) und deren Paradigmen zurück. Und diese Paradigmen sind so fundamental, daß sie als Grundlage des Denkens unverzichtbar sind und auch von der Theologie als unentbehrliches Handwerkszeug ständig verwendet werden (also auch unter der Perspektive des "theologischen Paradigmas" notgedrungen anerkannt werden müssen). Man kann nicht hergehen, und ständig mit "wenn ... dann" ... argumentieren, wie es die Theologie immer tat ... - dann aber an der Stelle, wo einem das Ergebnis der logischen Analyse den Teppich unter den Füßen wegzuziehen droht, auf einmal die Anwendbarkeit der Logik bestreiten und sie als nicht aussagefähig weil außerhalb des theologischen Paradigmas stehend bezeichnen. So geht's nicht!

Entweder man benutzt die Logik im theologischen Kontext, dann muß man ihre Gültigkeit auch dort anerkennen, wo sie die Dogmatik zum Einsturz bringt. Oder man leugnet ihre Gültigkeit für theologische Fragen - dann muß man die Produkte von 2000 Jahren theologischem Reden, Schreiben und Dogmenformulieren in die Tonne hauen.

Zunächst verwechselst Du die Geltung eines Paradigmas mit der Geltung der Logik. Ein bestimmtes Paradigma kann die Geltung der Logik ausschließen, muß es aber nicht. Es kann auch die Anwendbarkeit der Logik auf bestimmte Bereiche beschränken - und das tut jede Theologie.

Das verwechsele ich keineswegs. Die Logik ist eine unverzichtbare Voraussetzung jedes wissenschaftlichen Paradigmas, man kann gar nicht in Teilbereichen auf sie verzichten. Dies zeigt schon die von Dir zitierte Paradigmen-Definition Kuhn's:

Gesamtheit aller eine Disziplin in einem Zeitabschnitt beherrschenden Grundauffassungen hinsichtlich Gegenstandsbereich und Methode. Das Paradigma ist für eine Disziplin konstitutiv, insofern es festlegt, was als wissenschaftlich befriedigende Lösung angesehen werden kann und welche Fragestellungen wissenschaftlich zulässig sind.

Sobald Du an irgendeiner Stelle die Gültigkeit der Logik negierst, bist Du mangels logischer Prüfinstrumente gar nicht mehr in der Lage festzustellen, ob Du Dich auch nur im Bereich der in Deinem Paradigma zulässigen Fragestellungen bewegst. Ohne Angabe von Kriterien, die eine logische Prüfung erlauben, kannst Du weder den Gegenstandsbereich noch die Methode einer Disziplin festlegen, also nach Kuhn gar kein Paradigma formulieren. Deshalb ist Logik fundamentaler als jedes Paradigma und kein Paradigma kann dazu dienen, sich einen logikfreien Raum zu "erschwindeln".

 

So kann und muß die Theologie, wo sie Aussagen formuliert, mit diesen Aussagen logisch operieren, sie mit anderen Aussagen vergleichen und Übereinstimmung oder Widerspruch konstatieren. Wo sie einen Widerspruch feststellt, ist entweder eine der beiden Aussagen falsch - was denkbar ist - oder der Widerspruch ist "aufzuheben".

Die Notwendigkeit der Beachtung der Logik stellst Du hier korrekt fest. Das "Aufheben" eines Widerspruchs ist dagegen nichts anderes als die in intellektuellem Wortgewand daherkommende Reaktion eines Kindes, daß auf die Auskunft, die Erfüllung seines Wunsches sei unmöglich (z.B. mit Opa in Urlaub fahren - wenn Opa schon seit einem Jahr tot ist), mit einem die Realität des unmöglich einfach nicht zur Kenntnis nehmendem "ich will aber" reagiert.

Wenn ich Dein "aufheben" gezielt falsch (d.h. gegen die von Dir intendierte Bedeutung) aber durchaus wörtlich verstehe, dann könnte ich Dir sogar zustimmen. Das kirchliche Lehramt war allezeits eifrig bemüht, viele der im Glaubensgebäude festgestellten Widersprüche "aufzuheben" - und weil sie sie alle in Sammlermanier "aufgehoben" hat, stapeln sie sich inzwischen im Keller der Theologie. Es ist so , wie wenn jemand jeden Müll aufhebt, statt ihn zu entsorgen. wink3.gif

 

Aber das ist doch trivial. Ebenso, wie es keinen "Beweis Gottes" gibt, fehlt bislang jeder Beweis einer außerhalb meiner existierenden Wirklichkeit. Sogar die Existenz meiner eigenen Körperlichkeit ist unbewiesen, ja, unbeweisbar.

Klar, das habe ich doch auch schon dargelegt (im Thread "für Martin: Was glaubt ein Agnostiker?" am 9:58 - 24.April.2001). Bloß ziehst Du daraus falsche Folgerungen:

Wenn ich also streng von "cogito, ergo sum" ausgehe, ist selbst Naturwissenschaft rein eitles Getue. Natürlich ist es plausibel, von etwas anderem auszugehen. "Plausibilität" ist doch aber auch nichts anderes, als vom Denknotwendigen zum Denkbaren überzugehen und - ohne rationalen Grund - eine bestimmte Vorstellung anzunehmen, einfach weil man aufgrund dieser Vorstellung "weiterkommt".

Grundlos die Annahme einer "äußeren" Realität, grundlos die Annahme eines Gottes - wenn man allein die Ratio, die Logik, zugrundelegt. Wenn aber die Logik schon notwendigerweise nicht "alltauglich" ist, dann gibt es kein Argument, weshalb nun eine weitere nicht logisch herleitbare Annahme nicht auch möglich wäre.

Was meinst Du mit "eitles Getue"? Natürlich ist Naturwissenschaft spekulativ - so wie jede Weltbeschreibung spekulativ ist. Aber sie unterscheidet sich darin dennoch grundlegend von jedem Glauben, der Widersprüche à la Theodizee-Problem enthält (nicht dagegen von einem religiösen Glauben, der keine solchen Widersprüche enthält, z.B. dem Deismus). Der Unterschied wird nur dann übersehen, wenn man nicht zwischen "Unvollständigkeit" und "Widersprüchlichkeit" differenziert. Die Naturwissenschaften sind nicht vollständig logisch begründbar, sondern müssen nicht beweisbare Axiome verwenden (z.B. Existenz einer materiellen Welt). Diese Axiome sind, soweit wir es bisher feststellen können, widerspruchsfrei (wir können die Widerspruchsfreiheit nicht beweisen (Gödel), es ist aber noch kein logischer Widerspruch festgestellt worden). Daher ist das naturwissenschaftliche Weltbild logisch möglich. Die Theodizee ist dagegen ein Beispiel eines Widerspruchs im christlichen Weltbild, daher ist dieses Weltbild logisch unmöglich. Daher ist Deine Replik an Ute Du kannst das ja durchaus für "plausibel" halten. Mache ich ja genauso. Aber erzähle mir nicht, Du hättest irgendetwas in der Hand, was einen qualitativen Unterschied zum Glauben hätte. Mit "Logik" jedenfalls hat das an keiner Stelle zu tun.

Also sind wir doch - und wenn es Dich fuchst - "im Glauben geeint". auch falsch. Ein fundamentaler qualitativer Unterschied zwischen den Aussagen der Naturwissenschaft und des christl. Glaubens ist der Unterschied zwischen unvollständig und widersprüchlich. Und damit der Unterschied zwischen möglicherweise richtig und sicher falsch.

 

Es geht also nicht um die Grundlosigkeit (es ist kein logisches Problem, daß man nicht alles ableiten kann) - dies ist nie mein Argument gegen die christliche Weltbeschreibung (auch wenn ich ein gewisses Faible für Erklärungsökonomie habe, also bei der Wahl zwischen mehreren logisch möglichen Erklärungen Occam's Razor folge, was z.B. den Deismus für mich uninteressant macht, da er gegenüber meinem Weltbild ein weiteres Axiom ohne zusätzlichen Erklärungsgewinn einführt - aber Occam's Razor ist letzlich Geschmackssache). An einer Portion Grundlosigkeit (d.h. Spekulation) kommen wir beim Formulieren eines Weltbildes aufgrund erkenntnistheoretischer Grenzen nicht vorbei. Das Problem der christlichen Weltbeschreibung ist vielmehr ihre logische Inkonsistenz (das habe ich sicher schon 20-mal gepostet, trotzdem kommt immer wieder und nicht nur von Dir eine "Rechtfertigung der christlichen Lehre", die nur gegen den unsinnigen und von mir auch nicht vorgebrachten Vorwurf der "Unbegründbarkeit von Axiomen" helfen würde).

 

Versteh mich nicht falsch: Ich bin ein großer Freund der Logik - und versuche, wo immer möglich, sie einzusetzen. Es gibt aber Bereiche, wo sie per definitionem versagen muß. Dann gilt für mich der alte Spruch: "Halt treu fest, laß leicht los." Um auf das Wunder zurückzukommen: Das ist eben der Witz bei der Sache, daß es eben logisch nicht zu erfassen, dennoch aber "gewiß wahr" - gewissermaßen "superplausibel" - ist.

Bei der Theodizee wie auch bei der Widerlegung von Gottesbeweisen ist Logik sehr effizient einsetzbar. Da sehe ich bei Christen aber nicht den Versuch, "wo immer möglich, sie einzusetzen", sondern nur das Bemühen, mit den halsbrecheristen und widersinnigsten Gedankenkonstruktionen eine angebliche Nichtanwendbarkeit der Logik herbeizubeschwören .

Wenn Du von Bereichen redest, "wo sie per definitionem versagen muß", dann verbindest Du damit offenbar eine falsche Vorstellung davon, was ein "Versagen" der Logik nur bedeuten kann. Ein Versagen der Logik kann man nur insofern sehen, als es Fragen gibt, auf die die Logik aus prinzipiellen Gründen (wie bei Gödels Sätzen) oder aufgrund mangelhafter Informationsgrundlage keine Antwort geben kann, der Wahrheitswert der strittigen Aussage also nicht feststellbar ist. Dagegen gibt es kein Versagen der Logik im dem Sinne, daß sie ein falsches Ergebnis liefern kann. Logik analysiert grundsätzlich immer Aussagenmengen, nicht in positiver Weise faktische Sachverhalte (Ereignisse, Naturgesetze, ...). Ist die analysierte Aussagenmenge widersprüchlich, so erhält sie den Wahrheitswert "falsch", wobei aber für keine einzelne Aussage zwingend der Wahrheitwert "falsch" gelten muß, wohl aber für mindestens eine Aussage (man kann aus einer widersprüchlichen Aussagenmenge i.a. auf unterschiedliche Weise durch Weglassen von Aussagen eine konsistente Teilmenge erzeugen). Die einzige Aussage, die die Logik hinsichtlich faktischer Sachverhalte macht, lautet: Eine widersprüchliche (falsche) Aussagenmenge kann keine zutreffende Wirklichkeitsbeschreibung sein.

Dagegen gibt es keine logische Folgerung, daß eine widerspruchsfreie Aussagenmenge (Wahrheitswert "wahr" ) auch eine zutreffende Wirklichkeitsbeschreibung sein muß. Der logische Wahrheitswert "wahr" ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine zutreffende Wirklichkeitsbeschreibung.

 

 

Nun ist aber nicht zu bestreiten, daß es jede Menge miteinander unvereinbare "Offenbarungen" gibt, nicht selten sogar nacheinander bei ein und demselben Menschen (es gibt z.B. Konvertiten in allen denkbaren Richtungen). Das heißt aber, daß jede Menge Thesen nebeneinander stehen, es die "Offenbarung" in dem von Dir dargestellten Wortsinn gar nicht gibt. So läßt sich also kein Freiraum konstruieren, in dem einen die Überlegung des Descartes nicht wieder einholt.

Es klingt wie eine dumme Ausrede: Wenn es da Zweifel geben kann, dann war es eben keine "Offenbarung".

Was die Ausrede angeht kann ich Dir nicht gut widersprechen.

Wie Descartes zeigte, ist hinsichtlich mutmaßlicher Offenbarung Zweifel logisch immer möglich. So gesehen könnte man Dein Statement als eine Erklärung der Nichtexistenz von "Offenbarung" in dem von Dir definierten Sinne ansehen. Deine Intention war natürlich eine andere: Zweifel ist für Dich hier keine logische Möglichkeit, sondern eine emotionale. Doch auch da zeigt die Praxis, daß "Offenbarung" in Deinem Sinne unerkennbar bleibt, daß ihr angebliches Erkennen äußerst fehleranfällig bleibt - denn wieviele "unumstößliche" Offenbarungsbefunde stellten sich einige Jahre später als umgestoßen heraus, da sie inzwischen durch einen neuen ebenso "unumstößlichen" Offenbarungsbefund abgelöst wurden.

 

Es ist auch durchaus richtig, hier immer wieder Selbstkritik zu üben. Ich kann dir nicht sagen, wie es ist, eine "Offenbarung" via "Wunder" mit entsprechender "Beweiskraft" zu bekommen - mir hat Gott so ein Fax noch nicht geschickt. Man kann auch nicht anhand "äußerer" Kriterien bei einem anderen feststellen, ob derjenige ein "Wunder" erfahren hat oder einfach an einem psychotischen Schub leidet. Deshalb: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Aber eben auch in beiden Richtungen: nur weil ich es nicht nachvollziehen kann, ist es nicht schon falsch.

Ich nenne an keiner Stelle etwas auf Verdacht falsch - das ist ja gerade die Vorsicht, die den Agnostiker vom Atheisten und vom Gläubigen unterscheidet. So sage ich ja nicht, daß sich ein etwaiger Gott nicht mittels einer Offenbarung bemerkbar machen könnte - ich sage nur, daß es keine Möglichkeit gibt, eine solche Offenbarung sicher als solche zu erkennen (was Du ja letztlich auch einräumst) und daß es deshalb eine "Offenbarung" in dem von Dir definierten Sinn (nämlich definiert als "sicher erkennbar" ) nicht geben kann.

 

Die Unterscheidung ergibt sich aber nach dem Inhalt. Der Mensch ist ein Verstandeswesen - ich würde sagen er ist als solches erschaffen. Da sich die Offenbarung an den Menschen richtet, also eine gewollte Mitteilung Gottes an bestimmte Adressaten - eben die Menschen - darstellt, ist es vernünftig, anzunehmen, daß Gott sie uns so mitteilt, daß sie in ihren Konsequenzen auch rational faßbar ist.

Hier gibst Du selbst ganz klar eine Berufung auf das einzige von meiner Argumentation verwendete Paradigma: Das der Ratio, des logischen Prüfens.

Nein, denn die vorherige Annahme, daß Gott uns als Verstandeswesen erschaffen hat, ist wiederum nur aufgrund des theologischen Paradigmas sinnvoll. ansonsten wäre es eine nicht nur nicht rational, sondern gar nicht begründete, willkürliche Annahme. Außerdem muß ich natürlich zugestehen, daß das nicht nur das theologische Paradigma, sondern auch eine christliche Grundannahme voraussetzt: Daß Gott sich uns nämlich in verständlicher Weise offenbaren will, weil er uns liebt - und daß er uns nicht einfach mit sinnlosen Aussagen verhohnepiepelt.

Du produzierst hier einen Zirkelschluß in Reinkultur. Du mußt erst alles Wesentliche über Gott voraussetzen (Existenz, Schöpferfunktion, Offenbarungswille, Liebe), um die angebliche Möglichkeit zu begründen, das eine "Offenbarung" überhaupt erkennbar sein soll (Kriterien dafür lieferst Du nach wie vor keine), die dann dazu dienen soll, Gott "unbezweifelbar zu beweisen". Auf dieser Schiene kann ich jederzeit "beweisen", daß die Welt von 7 quietschgelben metaphysischen Gummibällen unter Hinzuziehung des großen Huxupotaxl erschaffen wurde und den Zweck 42 hat.

 

Doch auch dies geht für die christliche Offenbarung verheerend aus: Die "Konsequenzen für das Selbstbild des Menschen, sein Handeln, sein Verhältnis zu seiner Umwelt" lassen es nach 2000 Jahren Erfahrung mit diesem Menschenbild (z.B. Lustfeindlichkeit, Sexismus, Erbsündenlehre, die Ermöglichung der Taufe eines Fötus ohne Überlebenschance ist wichtiger als die Rettung des Lebens der Mutter usw. usw.) und dem sich aus dieser angeblichen Offenbarung ableitendem Handeln (z.B. Kreuzzüge, Inquisition, Hexenjagd, Hinrichtung wegen Homosexualität, ...) als ungleich schlimmer beurteilen als ein zwar unnützes, aber wenigstens harmloses "blablabla".

1. Du verwechselst "Verstehbarkeit" mit - anhand bestimmter Kriterien zu beurteilender - Vertretbarkeit oder Verwerflichkeit. Auch eine "böse" Aussage ist verstehbar.

2. Du verwechselst das Verständnis einer Botschaft in einer bestimmten Zeit durch bestimmte Menschen mit deren Verstehbarkeit.

Könnte es sein, daß an der Stelle die "geistige Spannkraft" ein bißchen nachgelassen hat?

Ich verwechsele hier keineswegs Verständnis und Verstehbarkeit.

Hier habe ich das "real existierende" Verständnis besprochen, da dies dem von Dir behaupteten Kriterium der "Offenbarungs"-Erkennung entspricht (Deine Aussage war: "Offenbarung" könnte von "Nichtoffenbarung" dann so unterschieden werden, daß ihre Konsequenzen für das Selbstbild des Menschen, sein Handeln, sein Verhältnis zu seiner Umwelt sinnvoll und verstehbar - wenn auch nicht immer leicht verständlich - sind. Eine "Offenbarung" mit dem Inhalt "blablabla" ist unverständlich, nach diesem Kriterium somit falsch.". Die Konsequenzen für das Handeln des Menschen sind naturgemäß am realen Handeln zu abzulesen, nicht an einer damit nicht kongruenten Theorie (auch der Kommunismus ist eine ungemein schöne Theorie - ihre Konsequenzen für das Handeln des Menschen sind aber eher nachteilig, da sie offenbar das Verhalten von Menschen falsch einschätzt).

Die rationale Verstehbarkeit hielt ich hier nicht für erwähnenswert (ich hole es jetzt nach), schließlich gehört es ja zum Standardrepertoire christlicher Apologetik, an vielen Stellen gerade die rationale Nichtverstehbarkeit christlicher Glaubensinhalte zu betonen: Gott sei unbegreifbar; Trinität, Erbsündenlehre, Rechtfertigungslehre, Transsubstantiationslehre und was dergleichen mehr Dinge sind, für die Theologen so gerne das Wort "Mysterium" bemühen - all dies sei nicht rational verstehbar lautet die Antwort (Ausrede?), wenn man auf die Unstimmigkeiten in diesen Theologiefeldern hinweist. Und gerade weil es rational nicht verstehbar sei, erfolge der Zugang zu diesen Mysterien durch Offenbarung. Du dagegen behauptest, daß Offenbarung gerade an ihrer rationalen Verstehbarkeit zu erkennen sei.

Da fragt man sich dann, woher die Kirche all diese haarsträubenden Mysterien "weiß", wenn es mangels Verstehbarkeit nicht aus Offenbarung stammen kann. biggrina.gif

Auch die hier diskutierten Widersprüche wie die Theodizee sind ja unter Beibehaltung der christlichen Position nicht lösbar, also auch nicht verstehbar. Und da versuchst Du die Rettung durch die Behauptung logikfreier Räume (die notgedrungen auch verstehbarkeitsfrei Räume sein müssten) zu erreichen - und jetzt erklärst Du Verstehbarkeit zum Kriterium der "Offenbarungs"-Erkennung. Also, was soll ich denn jetzt in diesem Chaos für die verbindliche Aussage halten?

 

Das Problem ist dann aber aufgehoben, wenn die "Offenbarung" eben als von sinnlicher Erfahrung unterscheidbar definiert ist.

(...) Du kannst natürlich definieren, daß der Begriff  "Offenbarung" die Bedeutung "als von sinnlicher Erfahrung unterscheidbar" mit einschließen muß (so wie Du dem Begriff ja auch schon die Bedeutung aufgebürdet hast, "daß nach dem Erfahren der Offenbarung ein anderes nicht mehr möglich ist" ). (...) Und jetzt stehst Du  vor der Aufgabe, etwas zu finden, bei dem Du zeigen (nicht behaupten oder definieren) kannst, daß ihm die Bezeichnung durch diesen Begriff auch zukommt. Diese Aufgabe kannst Du nicht lösen. Ergebnis: Du hast jetzt zwar den Begriff "Offenbarung", aber das dadurch zu bezeichnende "Ding", also die Offenbarung selbst hast Du damit immer noch nicht.

Zunächst: die Bedingung der Unterscheidbarkeit muß ich nicht zusätzlich "aufbürden", denn wir werden wohl einig sein, daß eine Erfahrung, nach der "ein anderes nicht mehr möglich ist", von jeder sinnlichen Erfahrung unterscheidbar ist. Das ist also bereits enthalten.

Je nach dem, was mit "nach der ein anderes nicht mehr möglich ist" gemeint ist, ergeben sich zwei Möglichkeiten:

1) Du meinst damit lediglich die subjektive Überzeugung, daß danach ein anderes nicht mehr möglich sei. Dann ist eine Erfahrung, der dieses Attribut zukommt, durch nichts von sinnlichen Erfahrung unterscheidbar.

2) Du meinst es als objektives Faktum, daß danach ein anderes nicht mehr möglich ist. Dann ergeben sich wiederum zwei Fälle:

2.a) Dieses objektive Faktum ist als solches nicht sicher erkennbar, insbesondere nicht durch das Subjekt der Erfahrung (dieser Fall tritt z.B. bei unerwartetem Ableben des Subjekts ein, sofern dies die Auflösung des Subjekts bedeutet: erst nach dem Ableben ist für andere, aber natürlich nicht für das Subjekt selbst, klar, daß nach der letzten vortotlichen Erfahrung "ein anderes nicht mehr möglich ist" - was Dich aber kaum veranlassen wird, allen letzten vortotlichen Erfahrungen Offenbarungscharakter einzuräumen). Damit ist diese Erfahrung für das Subjekt ebenfalls nicht von sinnlichen Erfahrung unterscheidbar.

2.B) Dieses objektive Faktum ist als solches vom Subjekt sicher erkennbar. Dies erfordert ein unfehlbares Wissen des Subjekts über die eigene Zukunft, denn anders läßt sich nicht ausschließen, daß danach doch noch etwas anderes möglich ist. Ein solches Zukunftswissen ist bekanntlich nicht verfügbar. Damit kann Fall 2.B) nicht in der Realität eintreten - insofern unterscheidet er sich natürlich durch Nichtexistenz von jeder sinnlichen Erfahrung.

 

Und das "Ding", tja, das kann ich Dir leider nicht zeigen.

Das hätte mich auch sehr gewundert. Das könnte auch kein anderer. Und dabei besteht das Hindernis weniger in der Unüberbrückbarkeit der erkenntnistheoretischen kluft zwischen zwei Subjekten, sondern vielmehr schon darin, daß es von diesem Ding nur eine Definition gibt, die seine reale Existenz im wahrsten Sinne des Wortes per definitionem ausschließt.

 

Das muß ich auch nicht. Es geht ja nur darum, daß so etwas nicht ausgeschlossen ist.

Es ist aber gerade ausgeschlossen. Durch das bloße Behaupten, etwas, für das ich keine sicheren Unterscheidungskriterien angeben kann, sei einfach vermittels Definition doch unterscheidbar, mach doch den Unfug auch nicht wahrer.

 

Innerhalb der christlichen Dogmatik könnte man sogar sagen, daß es notwendigerweise möglich ist.

Das ist nicht das erste logisch unmögliche Dinge, dessen Möglichkeit für die christliche Dogmatik notwendig ist . Das macht Unmögliches aber auch nicht möglicher, sondern belegt nur erneut die Unhaltbarkeit der christlichen Dogmatik.

 

wäre die christliche Dogmatik eine Naturwissenschaft, könnte sie sich erst zur Ruhe begeben, wenn sie es - ähnlich einem Higgs-Boson - auch gefunden und intersubjektiv nachgewiesen hätte. So kann sie aber nicht weiter gehen, als bestimmte Erfahrungen einzelner Menschen als solche Erfahrungen zu "approbieren", also zu sagen: "O.K., glauben wir, das war so etwas." Wer nicht dran glaubt - (schulterzuck) - der gehört halt nicht zum "Club".

Ich fasse  das jetzt mal etwas satirisch pointiert zusammen:

Wir haben also "bestimmte" Erfahrungen, die wir nicht anhand irgendwelcher Kriterien von anderen banalen Erfahrungen wie Träumen oder Halluzinationen unterscheiden können (was macht sie dann eigentlich zu "bestimmten" Erfahrungen?), die wir aber als unterscheidbar "definieren", damit wir durch sie über eine Gott beweisende "Offenbarung" verfügen (gewissermaßen "definieren" wir also Gott als "bewiesen" ). Und alle sind aufgerufen, diese Erfahrungen (nicht ihre eigenen, denn die scheinen die wenigsten zu haben) zu "approbieren" - fragt sich bloß wieder, welche von diesen reichlich unbestimmten "bestimmten" Erfahrungen (die des Meister Ekkehard, oder eher die eines Inuit-Schamanen, des Buddha oder vielleicht lieber die von Aleister Crowley?). Und wer sie nicht approbiert, der gehört halt nicht zum Club (zum Club der jeweiligen Erfahrungs-Approbanten - denn jede dritte dieser Erfahrungen ergibt einen neuen Club). Das ganze nennt man dann "Glauben". Und dem definitionsbedingten Überangebot dieser definitionsgemäß "identifizierbaren", praktisch aber gänzlich unidentifizierbaren Erfahrungen im religiösen Selbstbedienungsladen entspricht dann eine bunte Club- und Clübchenwirtschaft. Bei näherem Hinsehen eigentlich eine Art multireligiöses Blinde-Kuh-Spiel.

 

Also, im Vergleich dazu wirkt das Vereinsprogramm der Karnevalsgesellschaft "Berliner Pappnasen" ausgesprochen wohldurchdacht und vernünftig.

 

Offenbarung und eine andere, gewissermaßen "falsche" oder unvollkommene Evidenzerfahrung (danke für dieses Wort) lassen sich nur auf eine Weise kritisieren: Indem man sie inhaltlich auf Stimmigkeit prüft. Eine sinnlose Evidenzerfahrung ("blablabla" ist unerheblich und kann ignoriert werden. Eine Evidenzerfahrung, die eine Botschaft beinhaltet oder auf sie verweist, kann kritisch an ihrer Botschaft geprüft werden. Besteht zwischen Botschaft und Evidenz ein Widerspruch oder ist die Botschaft also solche unschlüssig, ist Ansatz für Kritik gegeben - die zum Verwerfen oder zum besseren Verständnis führen kann.

Genau diese kritische Prüfung der Botschaft auf Unschlüssigkeit und Widerspruch habe ich hier ausgiebig in der Theodizee-Debatte und bei dieser Dogmen-Diskussion durchgeführt. Aber sobald der Widerspruch aufgezeigt ist, werden von Euch entweder die Inhalte Eurer Aussagen über Bord geworfen, (...), oder es kommt der Verweis, daß solche rationalen Prüfverfahren hier nicht anwendbar seien, weil es sich um "Offenbarungen" handle, denen ein anderes Paradigma zugrunde liege. Und nun verweist Du bei der Prüfung der "Offenbarungen" wieder auf rationale Kriterien - merkst Du die Flucht im Kreis?

Da liegt ein Mißverständnis vor: Ich sage, sie ist "lediglich" so prüfbar. Das heißt aber nicht, daß die Prüfung damit abschließend durchgeführt werden kann. Salopp gesagt: Ich habe eine Mauer vor mir. Mein einziges Werkzeug, um sie zu durchlöchern, ist ein Plastiklöffel. Wenn ich eine Stelle finde, wo der Mörtel noch weich ist, kann es sein, daß ich damit durchkomme. Es kann aber auch sein, daß es mir gar nicht gelingt. Dann muß ich abwarten.

Wenn ein logischer Widerspruch festgestellt worden ist, ist die Prüfung abschließend durchgeführt. Der Logiker hat mit seinem Plastiklöffel eine weiche Stelle der "christliche Dogmatik" genannten Mauer gefunden - so weich, daß er direkt hindurchgestoßen und die Mauer eingerissen hat. Durch Abwarten läßt sich da nichts reparieren, nur durch Änderung der axiomatischen Aussagenmenge.

 

Ich finde es bemerkenswert, Deinen Umgang mit den Gödelschen Sätzen und mit dem Theodizee-Problem zu vergleichen:

Bei Gödel machst Du aus der gezeigten Unvollständigkeit die angebliche Notwendigkeit eines Widerspruchs.

Bei der Theodizee machst Du aus dem nachgewiesen Widerspruch eine Art temporäre Unvollständigkeit, die sich vielleicht durch Abwarten beheben läßt.

Beides spricht nicht für eine rationale, sondern für eine bei allem Bemühen um Rationalität im Kern emotionale Behandlung der ganzen Thematik.

 

Wenn ich jemandem begegne - etwa Dir -, der eine festgefügte Meinung hat, dann kann ich diese nur tolerieren - und versuchen ,davon zu lernen. Der unbestreitbare Vorteil des Agnostizismus ist, daß er wenigstens nicht aggressiv ist (wenn auch manche seiner Verfechter). Umgekehrt halte ich insofern meine Sicht des Christentums nicht für problematisch - denn entweder ich habe recht, dann wird es Gott Dir auch nicht übelnehmen, daß du ein alter Erzketzer bist (der Alte hat schließlich Humor), oder ich habe unrecht - dann habe ich auch nix falsch gemacht.

Festgefügt ist meine Meinung nur in dem Sinne, daß ich logische Beweise konsequent akzeptiere (was nicht mit ungeprüft übernehmen zu verwechseln ist - die Darlegung eines Beweises ist immer menschliche Arbeit, also ist mehrfache rigide Fehlersuche angebracht). In allem anderen ist meine Meinung sehr offen und durchaus veränderbar. Im Bereich des Nicht-Beweisbaren richten sich Entscheidungen nach subjektiven Vorlieben ("Geschmackssache" ) und vor allem nach pragmatischen Kriterien (Nützlichkeit, Zweckmäßigkeit). Von dem her ist es auch bei Erhaltung meiner geistigen Gesundheit keineswegs ausgeschlossen (auch wenn ich es für äußerst unwahrscheinlich halte), daß ich eines Tages statt der heutigen praktisch atheistischen Ausprägung des Agnostizismus eine deistische, buddhistische oder sonst eine Transzendenz annehmende Ausprägung des Agnostizismus realisiere (sofern es eine Formulierung dieser Weltanschauungen gibt, in der ich keine logischen Widersprüche finden kann). Die Übernahme eines erwiesenermaßen widersprüchlichen Weltbildes halte ich dagegen nur unter der Voraussetzung für möglich, daß meine geistigen Fähigkeiten vorher ernstlich Schaden genommen hätten.

Deine Sicht des "jüngsten Gerichts", die ein wenig an die von frommen Fundis vehement verketzerte Ansicht von Hans Urs v.Balthasar erinnert ("Die Hölle bleibt leer!" ) finde ich sehr sympathisch, und von Gläubigen mit einer solchen Vorstellung braucht man keinen religiösen Fanatismus zu fürchten.

 

Darf man fragen, warum das Dogma dann nicht in dieser weit weniger mißverständlichen Form formuliert wurde, z.B.: "Wir erklären, daß Wunder, die keineswegs im vordergründigen Sinne als Durchbrechung der Naturgesetze verstanden werden müssen, durchaus dazu geeignet sein können, den Glauben auf Gott subjektiv zu gründen."?????

1. Weil es ohnehin keine andere als subjektive Gotteserfahrung gibt.

Wenn man dies feststellt und "beweisen" ohnehin nicht im Sinne eines logischen Beweises, sondern nur als "subjektiv-gefühlsmäßig als unwiderlegbar empfunden" versteht, dann halte ich die Formulierung des Dogmas viel Rauch um nichts.

2. Weil ich mir durchaus vorstellen kann, daß damals noch etliche (einige vielleicht heute noch) den Begriff "Wunder" noch nur so eingeschränkt als "Durchbrechung der Naturgesetze verstanden haben"

Gerade dann wäre die von mir vorgeschlagene Formulierung erforderlich, da die von Rom promulgierte Fassung ja diese Leute in ihrem banalen Mißverstehen des Wunderbegriffs beläßt, meine Formulierung dagegen den Blick auf ein umfassenderes Begriffsverständnis lenkt.

3. Weil Adressat des Dogmas ohnehin nur die sind, die an Gott glauben - für die es einen Unterschied zwischen "Beweis" im religiösen Zusammenhang und "Begründung des Glaubens" nicht gibt

Für diese Adressatengruppe drückt "meine" Formulierung (sie ist ja eigentlich zum größten Teil Deine Formulierung ) den von Dir unterstellten Sinn des Dogmas ohne weiteres verständlich aus. Also brächte die neue Formulierung hier keinen Verständnisnachteil, wohl aber den Verständnisgewinn bei den Nichtgläubigen. Außerdem belegt die lange Tradition der mit allem Ernst und Eifer gebastelten christlichen "Gottesbeweise", die ja ausschließlich innerhalb der von Dir benannten Zielgruppe gepflegt wurde und immer noch wird, daß "Beweis" in dieser Zielgruppe keineswegs ein nicht erklärungsbedürftiges Synonym für "logisch nicht zwingende aber subjektiv überzeugende Begründung des Glaubens" ist.

4. vor allem: weil diese Formulierung umgekehrt mißverständlich wäre: Auch wenn die Gotteserfahrung "subjektiv" ist in dem Sinne, daß sie nur von einem selbst erfahren werden kann, schwingt dabei die Stimmung  mit, daß das ja dann auch eher beliebig und verfügbar sei. Du wirst da vielleicht einen Unterschied nicht erkennen - das ist aber der entscheidende Punkt. Im übrigen ist die Formulierung innerhalb des Glaubens klar - daß man sie Dir erst übersetzen muß, ist selbstverständlich (nicht weil Du blöd wärst, sondern weil Du von anderen Voraussetzungen ausgehst).

Also, wenn in meiner Formulierung die "Stimmung mitschwingt, daß es sich um etwas beliebig Verfügbares handelt" (was angesichts des Begriffs "Wunder" eine völlig unglaubhafte Annahme ist - diese sind per Definitionem nicht beliebig verfügbar, das sollte gerade für die von Dir genannte Zielgruppe der Gläubigen sonnenklar sein), dann schwingt in der von Rom gewählten Formulierung in sehr viel ausgeprägter die Stimmung mit, daß es sich um einen Beweis im Sinne strenger Logik handele. Es spricht eigentlich alles dafür (von Deinen 4 Punkten ist ja bei näherem Betrachten nichts übrig geblieben), daß genau dieses Mitschwingen der falschen Vorstellung eines logischen Beweises das beabsichtigte Ziel der gewählten Dogmenformulierung war.

Daß "die Formulierung innerhalb des Glaubens klar" sei, wird wie gesagt schon durch die Tradition der "Gottesbeweise" widerlegt. Außerdem halte ich es für eine mehr als blauäugige Annahme, in einem so großen, traditionell, kulturell, sozial, bildungsmäßig und beruflich so heterogenen Verein wie der Kirche, die auch zu jeder nur denkbaren Häresie Grauzonen einschließt, könne eine solche Formulierung einfach "klar" sein. Im Vergleich mit vielen Gläubigen, die kaum wissen, was sie eigentlich glauben, habe ich als theologisch vorgebildeter und sehr bewußter Ex-Insider, der bislang nur moderaten Gedächtnisschwund aufweist , geradezu brilliante Verständnisvoraussetzungen. So gesehen wäre die "Übersetzung" für viele in der von Dir angenommenen Zielgruppe weit wichtiger als für mich.

 

Insgesamt wirken Deine 4 Punkte wie das verzweifelte Bemühen eines Anwalts, in einer ganz schlecht stehenden Sache noch irgendwie ein halbwegs gut klingendes Plädoyer zusammenzubasteln, auch wenn er kein einziges brauchbares Argument in der Hand hat. Als Jurist hast Du da vielleicht sogar gute Arbeit geleistet wink3.gif, das Resultat offenbart aber nur, daß Deine Interpretation des angeblichen Inhalts und der Intention des Dogmas einfach nicht zu der von Rom gewählten Formulierung paßt.

 

So, daß waren schon wieder erschreckende 8 Seiten.

Liebe Grüße

Werner

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Zitat von Werner agnosticus am 16:53 - 22.Mai.2001

 

So, daß waren schon wieder erschreckende 8 Seiten.


 

Is trotzdem gut von dir, dass du dir die Mühe gemacht hast!

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Werner agnosticus

Lieber Explorer,


Zitat von EXPLORER am 16:56 - 22.Mai.2001


Zitat von Werner agnosticus am 16:53 - 22.Mai.2001

 

So, daß waren schon wieder erschreckende 8 Seiten.


 

Is trotzdem gut von dir, dass du dir die Mühe gemacht hast!

freut mich, wenn nicht nur ich selber von dieser geistigen Betätigung einen Gewinn habe. Für mich ist das manchmal wie eine gute Schachpartie: Jeder bemüht sich, eine bessere Antwort zu finden als sein Spielpartner. Aber richtig schön ist nicht der einfache Sieg gegen einen schwachen Spieler, sondern der gegen einen starken Gegner, der einem das letzte abverlangt. Und auch die Niederlage gegen einen starken Spieler, dessen überlegene Kombination man bestaunen und als Lehrstück nachvollziehen kann, ist dem geschenkten Sieg allemal vorzuziehen.

 

Liebe Grüße

Werner

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Zitat von Werner agnosticus am 17:15 - 22.Mai.2001

Lieber Explorer,

...sondern der gegen einen starken Gegner, der einem das letzte abverlangt.

 

Aber muss denn "das Letzte" immer soooooo lang sein?

Bis jetzt lese ich eigentlich deine Beiträge von Anfang bis Ende, aber jetzt geht die Zeit der Schulaufgaben wieder los ;)

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Tja - das war mal wieder ein ganz hübscher Hammer. Ich habe ja mit aller Macht versucht, mich um die Theodizee-Problematik zu drücken, aber es bleibt mir hier wohl nichts erspart... Außerdem werde ich noch einmal mit einem ganz kleinen Hämmerchen Deine und meine Beiträge abklopfen.

 

Das kann aber wirklich lange dauern, schon, weil ich dazu erst einmal etliches nachlesen muß.

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Werner agnosticus

Lieber Sven,


Zitat von sstemmildt am 17:20 - 22.Mai.2001

Tja - das war mal wieder ein ganz hübscher Hammer. Ich habe ja mit aller Macht versucht, mich um die Theodizee-Problematik zu drücken, aber es bleibt mir hier wohl nichts erspart... Außerdem werde ich noch einmal mit einem ganz kleinen Hämmerchen Deine und meine Beiträge abklopfen.

 

Das kann aber wirklich lange dauern, schon, weil ich dazu erst einmal etliches nachlesen muß.

mit einem Rhythmus von einem Beitrag pro Woche oder so in der Preisklasse finde ich das sehr gut. Dann wiegt auch die "Sünde" der langen Beiträge nicht ganz so schwer. ;)

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Lieber werner agnosticus,

 

zunächst einmal danke für den langen und sehr differenzierten Beitrag (hebst Du Deine Beiträge auf? Vielleicht kannst Du später mal ein Buch draus machen.. ). Immerhin konnte ich feststellen, daß meine Unterscheidung in die erkenntnistheoretische Theodizeefrage und die Betroffenheitsfrage einen gewissen Niederschlag gefunden hat.

 

Zu der Unterscheidung Unvollständigkeit/Widersprüchlichkeit: in einem Aussagensystem müssen notwendigerweise Begriffe verwendet werden. Unbekannte Begriffe können definiert werden, die Definition eines Begriffs ist die Rückführung auf bekannte Begriffe. Ist jedoch eine solche Definition unvollständig, kann das Aussagensystem widersprüchlich werden.

 

Somit kann die Ursache für die Widersprüchlichkeit eines Aussagensystems mitunter auf das Problem der Unvollständigkeit der verwendeten Definitionen zurückgeführt werden. (Nicht notwendigerweise, es ist jedoch eine Möglichkeit)

 

Ich möchte mal auf einen Abschnitt eingehen: "Die Naturwissenschaften sind nicht vollständig logisch begründbar, sondern müssen nicht beweisbare Axiome verwenden (z.B. Existenz einer materiellen Welt). Diese Axiome sind, soweit wir es bisher feststellen können, widerspruchsfrei (wir können die Widerspruchsfreiheit nicht beweisen (Gödel), es ist aber noch kein logischer Widerspruch festgestellt worden). Daher ist das naturwissenschaftliche Weltbild logisch möglich." (w. a.)

 

Der Hinweis auf nicht beweisbare Axiome ist richtig, man könnte also auch sagen. "Gott ist eines der Axiome des christlichen Weltbildes" Mit dem letzten Satz habe ich ein kleines Problem: was ist der Inhalt der Aussage "ein Weltbild ist logisch möglich"?

 

Ein Bild ist zunächst mal ein Versuch einer Beschreibung. Es kann gut oder weniger gut das zu Beschreibende darstellen. In diesem Sinne ist jedes Bild logisch "möglich", die Unterscheidung ist hier lediglich: es beschreibt das zu Beschreibende vollkommen/teilweise/überhaupt nicht.

 

Das Bohrsche Atommodell ist ja auch nicht "falsch" oder "logisch unmöglich", es ist lediglich eine Beschreibung, die nicht genau genug, um bestimmte Phänome damit zu erklären.

 

" Die Theodizee ist dagegen ein Beispiel eines Widerspruchs im christlichen Weltbild, daher ist dieses Weltbild logisch unmöglich." (w. a.)

 

.. wenn man von bestimmten unvollständigen Definitionen ausgeht, ja. Die logische Unmöglichkeit hängt hier stark an der Semantik der Begriffe.

 

" Daher ist Deine Replik an Ute

 

"Du kannst das ja durchaus für "plausibel" halten. Mache ich ja genauso. Aber erzähle mir nicht, Du hättest irgendetwas in der Hand, was einen qualitativen Unterschied zum Glauben hätte. Mit "Logik" jedenfalls hat das an keiner Stelle zu tun.

Also sind wir doch - und wenn es Dich fuchst - "im Glauben geeint". " (Sven)

 

auch falsch. Ein fundamentaler qualitativer Unterschied zwischen den Aussagen der Naturwissenschaft und des christl. Glaubens ist der Unterschied zwischen unvollständig und widersprüchlich. Und damit der Unterschied zwischen möglicherweise richtig und sicher falsch. " (w. a.)

 

Dazu habe ich oben schon was gesagt. Die Problematik liegt meines Erachtens in folgenden drei Punkten:

 

a) die Reduzierung eines nicht rein erkenntnistheoretischen Problems auf ein rein erkenntnistheoretisches Problem

 

B) die Verwendung von unvollständigen Definitionen, um die Widersprüchlichkeit eines Aussagensystems nachweisen zu können

 

c) qualitative Unterschiede kann man nur dann nachweisen, wenn man von der gleichen Zielsetzung ausgeht (an der Zielsetzung macht man man die Qualität fest)

 

herzliche Grüße

 

Olli

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Werner agnosticus

Lieber Olli,

 

Der Hinweis auf nicht beweisbare Axiome ist richtig, man könnte also auch sagen. "Gott ist eines der Axiome des christlichen Weltbildes" Mit dem letzten Satz habe ich ein kleines Problem: was ist der Inhalt der Aussage "ein Weltbild ist logisch möglich"?

Die Antwort stand eigentlich schon in meinem letzten Beitrag, aber der Zusammenhang ist wohl nicht klar genug geworden: Die einzige Aussage, die die Logik hinsichtlich faktischer Sachverhalte macht, lautet: Eine widersprüchliche (falsche) Aussagenmenge kann keine zutreffende Wirklichkeitsbeschreibung sein.

Ein Weltbild ohne logische Widersprüche kann also prinzipiell eine zutreffende Wirklichkeitsbeschreibung sein (= "ist logisch möglich" ) - was selbstverständlich keine Garantie für Richtigkeit ist.

Ein Weltbild mit logischen Widersprüchen kann prinzipiell keine zutreffende Wirklichkeitsbeschreibung sein (= "ist logisch unmöglich" ).

 

Ein Bild ist zunächst mal ein Versuch einer Beschreibung. Es kann gut oder weniger gut das zu Beschreibende darstellen. In diesem Sinne ist jedes Bild logisch "möglich", die Unterscheidung ist hier lediglich: es beschreibt das zu Beschreibende vollkommen/teilweise/überhaupt nicht.

Sehr richtig, wenn Du mit "logisch möglich" meinst, daß jemand sich dieses Bild zusammenzimmern und vielleicht auch davon überzeugt sein kann. Für so etwas Triviales wäre mir allerdings die Verwendung einer Formulierung wie "logisch möglich" ziemlich aufgeblasen vorgekommen.

"Logisch möglich" bei einem Weltbild bedeutet für mich nur die Möglichkeit, daß es eine Zutreffende Wirklichkeitsbeschreibung sein kann, also eine vernünftige Arbeitshypothese ist, die selbstverständlich sowohl für Weiterentwicklung als auch für eine etwaige Falsifizierung offen ist.

Dagegen kann ich ein "logisch unmögliches" Weltbild nicht als vernünftige Arbeitshypothese ansehen - es ist ja bereits Falsifiziert und wäre nur nach grundlegender "Sanierung" (d.h. Entfernung so vieler Aussagen, bis ein widerspruchsfreier Rest übrig bleibt) als Arbeitshypothese brauchbar.

 

Das Bohrsche Atommodell ist ja auch nicht "falsch" oder "logisch unmöglich", es ist lediglich eine Beschreibung, die nicht genau genug, um bestimmte Phänome damit zu erklären.

Und genau diese logische Widerspruchsfreiheit ist eine Voraussetzung dafür, daß dieses Atommodell auch heute noch bei Fragen angewendet wird, für die seine relativ grobe Beschreibung hinreichend ist.

 

"Die Theodizee ist dagegen ein Beispiel eines Widerspruchs im christlichen Weltbild, daher ist dieses Weltbild logisch unmöglich." (w. a.)

.. wenn man von bestimmten unvollständigen Definitionen ausgeht, ja. Die logische Unmöglichkeit hängt hier stark an der Semantik der Begriffe.

Selbstverständlich hängt die Widersprüchlichkeit oder Widerspruchsfreiheit eines Aussagensystems wie der christlichen Dogmatik davon ab, wie alle verwendeten Begriffe definiert sind. Auf diesem Gebiet ist die Theologie oft sehr viel schludriger als die Juristerei, und von der Präzision der Mathematik trennen sie Welten (was zum Teil aufgrund der andersartigen Thematik verständlich ist). Ich kann es nicht als meine Aufgabe betrachten, diese Definitionsarbeit zu leisten. Diese müssen notgedrungen schon diejenigen leisten, die die Dogmen formulieren, denn nur sie können genau wissen, was sie damit aussagen wollten (auch wenn ich mich manchmal frage, ob sie es selber immer wußten ). Wo diese Arbeit von ihnen nicht geleistet wird, bleibt nichts anderes übrig, als auf ein mehr oder weniger klares "allgemein übliches Begriffsverständnis" zurückzugreifen, was naturgemäß ein erhebliches Maß an subjektiver Einschätzung beinhaltet (i.a. neigen wir dazu, unser eigenes Begriffsverständnis für "das richtige" und für allgemein repräsentativ zu halten).

Fällt die christliche Dogmatik mit diesen Begriffsdefinitionen beim logischen Konsistenz-Test durch, dann kann man sicher nochmal bei Christen rückfragen, ob eine der Definitionen vielleicht abwegig war - und dann nochmal neu testen. Was aber nicht geht, ist eine Voegehensweise, bei der "die Kirche" ihre eigene Schlamperei bei Definieren der Begriffe dazu ausnutzt, sich als Pudding dem An-die-Wand-genagelt-Werden zu entziehen. Sich also nach jeder neuerlichen Widerlegung darauf zu berufen, dieser oder jener Begriff sei falsch verstanden worden, das geht nicht. Da gibt es reichlich neckische Spielchen dieser Art, etwa das neuerliche Auszubuddeln von Begriffsdefinitionen, die schon vor längerer Zeit unter dem Zwang der Widerspruchsbehebung aufgegeben worden waren, oder auch das beliebteste aller Verfahren: sich auf keine bestimmte Person oder Textstelle festzulegen, sondern je nach Bedarf mal dies mal jenes als relevant und verbindlich hinzustellen, aber schon morgen ganz anderes (oft Entgegengesetztes) als Referenz anzuführen. Die daraus resultierende Form der "Beschäftigungstherapie" ist mir ehrlich gesagt zu blöde.

Versteh mich nicht falsch: Wenn Du z.B. Deine Definitionen von "Allmacht" oder "Liebe" zu formulieren versuchst, dann geschieht das nach bestem Wissen und ohne Hintergedanken. Das gleiche gilt für die entsprechenden Definitionen seitens vieler anderer Christen - Definitionen, die z.T. erheblich von den Deinigen abweichen. In der weiteren Diskussion erwartet aber jeder (meist ganz unreflektiert und unbewußt), daß beim Gebrauch dieser Worte jeweils seine Begriffsdefinition gemeint ist. Folge: Wenn ich z.B. unter Zugrundelegung Deiner Definitionen einen Widerspruch in einer Aussagenmenge finde und aufzeige, dann werden sich 5 andere finden, die mir unter dem Verweis auf ihre (meist nicht einmal klar dargestelleten) Begriffsdefinitionen vorhalten, dieser Widerspruch bestehe überhaupt nicht. Dieses Spielchen kann man dann endlos im Kreis herum weiterspielen.

Mit anderen Worten: Wenn die Kirche nicht ihre Hausaufgaben macht und sich durch die Definition ihrer in Dogmen verwendeten Begriffe festlegt (also überhaupt erst diskussionswürdige Aussagen macht und sich damit auch verwundbar macht), solange sehe ich nur 3 praktikable Möglichkeiten des geistigen Umgangs mit diesem Dogmensystem:

1) Einstufung der kirchlichen Aussagen als undefiniert und nicht diskussionswürdig. Ende der Debatte.

2) Diskussion der kirchlichen Aussagen auf der Grundlage verbreiteter Begriffsdefinitionen (wurde hier mehrfach durchexerziert und endet mit dem Nachweis vieler Widersprüche in der Dogmatik).

3) Diskussion der kirchlichen Aussagen auf der Grundlage von Definitionen eines einzelnen Christen. Dies erfordert zum einen umfangreiche Definitionsarbeit durch den Betreffenden, zum anderen die Anerkennung der Verbindlichkeit dieser Definitionen für den weiteren Diskussionsverlauf. Letzteres ist erfahrungsgemäß in einem Forum kaum durchzuhalten.

 

So gesehen bleibt eigentlich nur die Aufforderung an "die Kirche" (wer auch immer das sein mag), endlich die Begriffsdefinitionen zu liefern, ohne die der mit ihrer Dogmenformulierung verbundene Anspruch schlechterdings lachhaft ist.

 

Die Problematik liegt meines Erachtens in folgenden drei Punkten:

a) die Reduzierung eines nicht rein erkenntnistheoretischen Problems auf ein rein erkenntnistheoretisches Problem

Wie ich schon mal dargelegt habe, reduziere ich nichts auf ein rein erkenntnistheoretisches Problem, sondern lege lediglich Wert darauf, daß man ein erkenntnistheoretisches Problem nicht durch die Vermengung mit pragmatischen Kriterien oder Betroffenheitsfragen vernebelt. Das erkenntnistheoretische Problem ist völlig frei von solchen "Zutaten" behandelbar und sollte deshalb auch isoliert behandelt werden.

Danach ist auch die Behandlung der pragmatische und Betroffenheitsaspekte möglich, wobei es oft eine Frage des persönlichen Geschmacks oder der Denkstruktur ist (und natürlich auch eine Frage des Befundes der erkenntnistheoretischen Analyse), ob dabei die Resultate der erkenntnistheoretischen Analyse eine Rolle spielen oder nicht. So kann von mir aus jeder sich aus beliebigen subjektiv-pragmatischen Gründen auch für ein Weltbild entscheiden, das definitiv keine zutreffende Wirklichkeitsbeschreibung sein kann - wem eine Illusion hilft, der tut gut daran, an ihr festzuhalten. Für mich persönlich ist ein solches Weltbild aber auch praktisch untauglich und durch nichts schmackhaft zu machen. Damit reduziere ich aber keineswegs ein nicht rein erkenntnistheoretischen Problems auf ein rein erkenntnistheoretisches Problem, sondern sehe lediglich in einem ganz bestimmten Befund der erkenntnistheoretischen Analyse (nämlich der Feststellung "definitiv falsche Wirklichkeitsbeschreibung" ) ein für mich gültiges k.o.-Kriterium für ein Weltbild.

 

B) die Verwendung von unvollständigen Definitionen, um die Widersprüchlichkeit eines Aussagensystems nachweisen zu können

Dieser schwarze Peter liegt wie gesagt bei den röm. Glaubenshütern. Ich kann nur die vorliegenden Definitionen verwenden und muß unterstellen, daß eben die üblichen Wortbedeutungen intendiert waren. Sollte dies nicht der fall gewesen sein, kann ich auch nichts dafür, wenn die Glaubenskongregation zwar fähig ist, Formulierungen (Wort- oder Buchstabenketten) aufzustellen und als ungeheuer wichtig zu deklarieren, zugleich aber unfähig oder unwillig ist, diese Formulierungen durch Begriffsdefinitionen zu Aussagen zu machen.

 

c) qualitative Unterschiede kann man nur dann nachweisen, wenn man von der gleichen Zielsetzung ausgeht (an der Zielsetzung macht man man die Qualität fest)

Das stimmt nicht ganz. Der Unterschied zwischen den drei Möglichkeiten

- logisch widerspruchsfrei ("wahr" )

- logisch unvollständig ("unbestimmt" oder "unbestimmbar" )

- logisch widersprüchlich ("falsch" )

ist ein qualitativer (also ein grundsätzlicher, nicht quantitativer, nicht durch ein Kontinuum von Zwischenzuständen überbrückbarer) Unterschied, der für wohldefinierte Aussagenmengen unabhängig von einer Zielsetzung eindeutig nachweisbar ist. Für wohldefinierte Aussagenmengen ist dieser Wahrheitwert einen Eigenschaft der Aussagenmenge, die vom Betrachter unabhängig ist.

"Qualität" im Sinne Deines Sprachgebrauch (als etwas, das sich an der Zielsetzung festmacht) ist, wenn ich das richtig sehe, identisch mit dem, was wir auch als "Bewertung nach pragmatischen Kriterien" umschrieben hatten. n diesem Sinn gebe ich Deiner Aussage, daß ein solcher Unterschied nur bei gleicher Zielsetzung sinnvoll nachweisbar ist, nicht nur recht, sondern würde sogar noch weiter gehen: Selbst bei gleicher Zielsetzung ist ein "qualitativer Unterschied" (in Deinem Sinne) oft nicht intersubjektiv nachweisbar.

So ist wahrscheinlich das Ziel "Orientierungshilfe im Alltagsleben" eine uns beiden gemeinsame Zielsetzung, an der wir ein Weltbild messen. Für Dich besteht unter dieser Zielsetzung wahrscheinlich kein qualitativer Unterschied zwischen einem widerspruchsfreien und einem widersprüchlichen Weltbild, für mich ist unter dieser Zielsetzung der Unterschied sehr wohl grundlegend.

Weil ich die Subjektivität jeder "Bewertung nach pragmatischen Kriterien" akzeptiere, streite ich i.a. auch nicht über diese Kriterien (es sei denn, die Kriterien eines anderen haben praktische Auswirkungen auf mich oder Dritte). Und ich missioniere nicht. Wenn Dein Weltbild für Dich, also nach Deinen pragmatischen Kriterien geeignet ist, dann sollst Du es nach meiner Ansicht auch dann behalten, wenn ich es als Wirklichkeitsbeschreibung für völlig schwachsinnig halten würde und 1000 logische Widersprüche darin nachweisen kann. Denn für Dich ist dann die Güte der Wirklichkeitsbeschreibung kein relevantes Kriterium zur Beurteilung Deines Weltbildes. Umgekehrt ist für mich die Güte der Wirklichkeitsbeschreibung ein relevantes Kriterium zur Beurteilung meines Weltbildes. Solange jeder seinen pragmatischen Kriterien nur für sein eigenes Weltbild Verbindlichkeit beimißt, werden zwar ganz unterschiedliche Weltbilder dabei herauskommen, aber kein problem daraus entstehen.

 

Liebe Grüße

Werner

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Lieber werner,

 

leider bin ich seit einigen Tagen und bis auf weiteres beruflich wieder sehr eingespannt, weshalb ich wohl in absehbarer Zeit nicht dazu komme, zu antworten. Ich werde mich daher eher darauf beschränken müssen, die Diskussionen passiv zu verfolgen und nur gelegentlich kurz meinen Senf dazuzugeben.

 

Abschließend möchte ich noch bemerken, daß ich inzwischen festgestellt habe, daß meine Argumentation tatsächlich Kokolores war. Ich werde also zumindest für mich privat weiter am Ball bleiben. Um falschen Besorgnissen (oder Hoffnungen ;) ) vorzubeugen: Meine Grundposition hat sich dadurch noch nicht verändert - ich bin also nicht in eine existenzielle Glaubenskrise gestürzt worden. Im Moment bin ich nur noch auf der Suche nach einer besseren Erklärung...

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