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USA Urlaub


common

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Hallo,

 

ich hoffe ich wende mich an die richtige adresse und mir kann weiter geholfen werden.

mitte des jahres kehrte eine freundin (19) von mir aus einem amerika urlaub zurück, es war ein zweimonatiger aufenthalt nach dem abitur. sie lebte bei einer "christlichen" gastfamilie. seit dem ist sie wie ausgewechselt. sie vertritt ansichten die von mir einfach nicht nachzuvollziehen sind, aber das ist nicht der punkt. ich frage mich, wie ein kirchen/gottesuntreuer mensch, wie sie einst gewesen ist, innerhalb von weniger als 2 monaten und nur 5 gottesdiensten einen solchen sinneswandel erfahren kann und die bibel von da an bedingungslos anerkennen kann. eine ganze lebenseinstellung ändert . kein sex mehr vor der ehe, abbruch eines angefangenen studiums, totale unzufriedenheit mit ihrer heimat etc pp. . das neue ziel heisst auf einmal nur noch amerika und versuchen die gesetze gottes einzuhalten. ich kann das alles einfach nicht nachvollziehen. das geht meiner meinung nach irgenwie zu schnell. sie ist ganz sicher kein dummer mensch, sie hat ein überdurchnittliches abitur gemacht und hatte stets klare ziele, was ihre zukunft angeht, vor augen.

die gemeinde in der die gastfamilie aktiv ist und im moment auch meine freundin (da sie wieder nach amerika geflogen ist für 3 wochen, "oder vielleicht auch länger mal sehen was sich ergibt") findet sich im Internet unter http://www.calvarycc.org/ . Ich habe die seite nun xmal gelesen kann aber keine greifbaren dinge finden die etwas über die ganze struktur verraten. handelt es sich überhaupt um eine "gewöhnliche" kirchengemeinde, wie wir sie hier in deutschland haben? oder ist es vielleicht eine art sekte oder so etwas in der richtung?

ich bin leider ratlos

 

Gibt es hier vl jmd der sich auskennt??

 

mfg common

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Hallo common,

 

um es vorweg zu nehmen: jemand mit usa-Erfahrung oder mit Kenntnis dieser Gemeinde schreibt Dir hier nicht, sondern ein Vikar einer evangelischen Landeskirche Deutschlands. Daher verbleiben meine Ausführungen im Allgemeinen. Es ist aber damit zu rechnen, dass es hier im Forum Members gibt, die sich da weit besser auskennen.

Ich habe mir die Seite der Kirche angesehen und würde sagen: eine normale amerikanische Kirchengemeinde. Durchgeplant und voll organisiert, charismatisch geprägt und Gottesdienste so angekündigt, wie das Klischee vom amerikanischen Gottesdienst aussieht. (Allein diese Beschreibung dürfte hier im Forum polarisieren - seis drum.) Ich erlebe gelegentlich Amerika-Rückkehrer, die von dieser Weise, den Glauben zu leben, begeistert sind und hier nach Vergleichbarem suchen. Sie finden Vergleichbares bei den Freikirchen und z. T. in Landeskirchlichen Gemeinschaften, also Gemeinschaftsgruppierungen unter dem Dach einer evangelischen Landeskirche. Das ist also stets ein evangelisches Phänomen und hat mit der katholischen Kirche tatsächlich nichts zu tun. Charismatische, pfingstlerische und evangelikale Kirchen wachsen weltweit schneller als alle anderen Religionsgemeinschaften. Der Zuspruch ist enorm, und das stimmt viele kirchlichen Entscheidungsträger sehr nachdenklich, besonders die evangelischen, vermute ich. Meine lutherische Kirche wächst weltweit nämlich praktisch gar nicht.

Ich stehe diesen Kirchen deshalb außerordentlich kritisch gegenüber, weil ich den Zuspruch, den sie erfahren, auf eine Überwältigung der Form zurückführe. Das bedeutet: Inhaltlich vertreten diese Kirchen eine stockkonservative, rigoristische und ultraorthodoxe Position. Wie Du beschreibst: Gesetze einhalten, Kein Sex vor der Ehe usw. Das wird hübsch zeitgemäß und jung verpackt, und diese Verpackung scheint viele Menschen zu überwältigen. (Warum ich diese Versionen der Inhalte problematisch finde, führe ich jetzt hier nicht aus, und wer es unbedingt wissen will, kann ja noch mal nachfragen, das ist ein weites Feld. Da vermute ich hier viele Mitstreiter.)

Deine Freundin hat also vielleicht zum ersten Mal erlebt, dass ein Gottesdienst ansprechend gefeiert wurde, dass sie ihn überhaupt verstanden hat. Sicher war die Predigt nicht so steif vorgetragen wie hier mancherorts, und die Musik hat ihr auch besser gefallen. Dann ist sie (überzeugend? überredend?) angesprochen worden und hat entdeckt, dass der Glaube in ihrem Leben eine Rolle spielt.

Ob die Inhalte, die dese Kirche vermittelt, ihr Leben lang tragen werden, steht auf einem anderen Zettel.

Deine Freundin ist jung und vielleicht auf der Suche. Jetzt hat sie gerade den Glauben für sich entdeckt, in der hier wenig wertgeschätzten, "amerikanischen Version". Davon geht weder die Welt unter, und daran muss Eure Freundschaft nicht zerbrechen. Oder?

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Der Zuspruch ist enorm, und das stimmt viele kirchlichen Entscheidungsträger sehr nachdenklich, besonders die evangelischen, vermute ich. Meine lutherische Kirche wächst weltweit nämlich praktisch gar nicht.

 

und manchmal fragt man sich, was sie noch für eine Existenzberechtigung hat. Ein kleines Häufchen von 80 Millionen in der Mitte zwischen 1,5 Mrd Katholiken und Orthodoxen auf der einen und knapp einer halben Milliarden Evangelikalen auf der anderen Seite.

 

Deine Freundin hat also vielleicht zum ersten Mal erlebt, dass ein Gottesdienst ansprechend gefeiert wurde, dass sie ihn überhaupt verstanden hat.

 

Auch das sollte uns zu bedenken geben.

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Ich habe hier auch schon zwei evangelikale Christen kennengelernt, die beide unabhängig voneinander bei Gasteltern in den USA "wiedergeboren" wurden. Offenbar muß man da ein bißchen vorsichtig sein, wenn man Kinder längere Zeit in die USA schickt. Grüße, KAM

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Der Zuspruch ist enorm, und das stimmt viele kirchlichen Entscheidungsträger sehr nachdenklich, besonders die evangelischen, vermute ich. Meine lutherische Kirche wächst weltweit nämlich praktisch gar nicht.

 

und manchmal fragt man sich, was sie noch für eine Existenzberechtigung hat. Ein kleines Häufchen von 80 Millionen in der Mitte zwischen 1,5 Mrd Katholiken und Orthodoxen auf der einen und knapp einer halben Milliarden Evangelikalen auf der anderen Seite.

 

Deine Freundin hat also vielleicht zum ersten Mal erlebt, dass ein Gottesdienst ansprechend gefeiert wurde, dass sie ihn überhaupt verstanden hat.

 

Auch das sollte uns zu bedenken geben.

 

80.000.000 sind Existenzberechtigung genug.

Und: Ja, es gibt zu denken.

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80.000.000 sind Existenzberechtigung genug.

 

Aber wenn wir nicht bald zu missionieren anfangen und dahin zurückkehren unseren Glauben in unseren Familien weiterzugeben dann sieht's bald düster aus.

Insofern können wir sehr viel von den Evangelikalen lernen.

 

In Länder wo die Evangelikalen rapide wachsen schaffen wir es gerade mal unsere Gläubigenzahlen halbwechs zu halten.

In Ländern wo wir praktisch Staatsreligion waren (Ostdeutschland, Dänemark) ist fast nichts mehr übrig geblieben.

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Hallo Common,

 

meine eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet sind etwas anders. Ich war in einer katholischen Familie an der Ostküste untergebracht. Mit den Leuten bin ich immer noch sehr befreundet und stehe in herzlichem Kontakt. Sie haben herausbekommen, daß ich auch einen katholischen Hintergrund habe (unter einem Kirchenaustritt konnten sie sich nichts vorstellen, da es in den USA sowas nicht gibt), deswegen luden sie mich ein, am Sonntag mit der ganzen Familie die Messe zu besuchen. Es war aber völlig ok, daß ich mir lieber an meinem freien Tag Land und Leute angesehen habe, als in der Kirche zu sein.

 

Meine Gastgeber waren cosmopolith, hatten sehr viel Interesse an europäischer Politik und waren, bevor sie geheiratet hatten, ziemlich weit in der Welt herumgekommen. Auch waren beide hochgebildet und es wurde neben Englisch auch noch Deutsch und Spanisch gesprochen. Die Kinder wuchsen zweisprachig auf.

 

Mir ist klar, daß eine Familie, die in der Nähe von Washington DC lebt, etwas völlig anderes ist, als eine Familie im mittleren Westen. Aber ich habe mittlerweile einen etwas tieferen Einblick in die amerikanische Gesellschaft bekommen, weil mein Lebenspartner Amerikaner ist. Durch die Bank sind die Katholiken, die mir dort begegneten, recht kritische und aufgeweckte Leute. Ebenso die Lutheraner und Anglikaner. Wir haben eigentlich am meisten mit Leuten zu tun, die in irgendeiner Verbindung zu den verschiedenen Universitäten stehen, also mit einem bestimmten Bildungsgrad. Darunter befindet sich seltsamerweise kein evangelikaler Christ, sondern nur die von mir oben angesprochenen Konfessionen, allenfalls noch Quäker, oder eben Juden und Atheisten. Das sind auch die Leute, die unzufrieden mit Bush und Konsorten sind.

 

In der amerikanischen Gesellschaft gibt es sehr wenig Sicherheiten. Wenn ein Wirtschaftssystem nach dem Prinzip "hire and fire" aufgebaut ist, wird den Menschen eine große Flexibilität abverlangt, die geringer ausgebildete Leute überfordert. Das staatliche Bildungssystem ist nicht gut, noch viel schlechter als das deutsche. Folglich befinden sich die Menschen in einem Teufelskreis: Kein Geld - keine Bildung - kein Job - keine Flexibilität - kein Geld. Gute Schulen sind teuer und für einfache Leute unerreichbar. Die Leute sind stolz darauf, Amerikaner zu sein und kriegen nicht mit, daß sie sich praktisch in einer modernen Sklavengesellschaft befinden, mit wenig Chancen und sogar mit einem Rechtssystem, was Reiche begünstigt und Arme bestraft. Sehr deutlich wird das bei der Rekrutierung von Soldaten für den Irak: In der Stadt Flint in Michigan, einer tristen Industriestadt, die vom Verfall bedroht ist, sind die Rekrutierungsraten sehr hoch.

 

Da nimmt es kaum wunder, daß diese Leute bei den verschiedenen religiösen Rattenfängern eine Heimat finden. Wie nickname schon ganz richtig sagte, ist es die Form des Gottesdienstes, die sehr anspricht. Man kann dort seine Individualität ausleben, wo man sonst nur verwaltet wird und zum Herdenvieh gehört. Man ist wichtig, denn in Gemeinschaft nimmt man Einfluß, sogar auf die Politik, wie ID beweist. Das alles ist sehr spezifisch amerikanisch und vollständig anders, als hier Europa.

 

Manchmal kommen mir so Assoziationen, daß diese Welt von der antiken römischen nicht so weit entfernt ist. Das war auch eine Siegermacht, die ihren Erfolg auf der Rrechtlosigkeit einer Sklavengesellschaft gründete. Diese Sklaven müssen im frühen Christentum und in anderen vorderasiatischen Kulten eine ähnliche Heimat gefunden haben, wie die modernen amerikanischen Underdogs.

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In der amerikanischen Gesellschaft gibt es sehr wenig Sicherheiten. Wenn ein Wirtschaftssystem nach dem Prinzip "hire and fire" aufgebaut ist, wird den Menschen eine große Flexibilität abverlangt, die geringer ausgebildete Leute überfordert.

 

 

 

Das trifft wohl den Nagel auf den Kopf. Sicherheiten schafft man sich in Amerika durch halbwegs stabile Gemeinschaften, im Kleinen durch Neighborhoodwatch" u.ähnl., im Größeren durch Religionen. In L.A., wo ich ein paar Jahre gelebt habe, ist man natürlich zu modern und zu exotisch für altbackene Religionen wie das Christentum, da blühen Esoterik und (verzerrte oder vermischte und westlich aufbereitete) Ostreligionen. Meist ein Mix aus beidem.

 

Neben dem Mangel an sozialer Sicherheit ist aber noch ein weiteres Phänomen typisch für Amerika, nämlich der unerschütterliche Traum vom ganz, ganz großen Erfolg. (Vielleicht ist dieser sogar aus der fehlenden Sicherheit geboren, ich weiß es nicht. Wer nichts zu verlieren hat, kann nur alles dransetzen, alles zu gewinnen.) Und auch beim Bedienen dieses Bedürfnisses sind Religionen top: Der Glaube an geheime, undurchschaubare Kräfte, die einen begleiten, hilft enorm dabei, faktische Niederlagen in der Karriere ad acta zu legen. Man muß sich nicht mehr mit der Realität auseinandersetzen, sondern kann sich an den Traum klammern, den man als - je nachdem - göttliches oder karmatisches "Zeichen" interpretieren kann.

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In dem Zusammenhang fällt mir noch der Bezug zur protestantischen Arbeitsethik ein, die besagt, daß Gott denjenigen, der ihn liebt, mit wirtschaftlichem Erfolg belohnt.

 

Sprich, Reichtum ist ein äußeres Zeichen für das Wohlwollen Gottes an einem bestimmten Menschen.

 

Somit könnten sich einfacher gestrickte Zeitgenossen denken: "Ich bin arm, das ist schlimm. Wenn ich aber nur stark genug an Gott glaube und mich völlig seinen Geboten verschreibe, wird er mich nicht nur aus geistiger, sondern auch aus materieller Not erretten".

 

Ein fataler Irrtum, der den Glauben an den amerikanischen Traum noch wunderbar ideologisch untermauert.

 

So kann man die Leute ein Leben lang klein halten. Den wer gegen Unterdrückung und Ausbeutung aufmuckt, stellt diejenigen infrage, die Gott bereits besonders ausgezeichnet hat - die Reichen. Und das wäre ja blasphemisch.

 

Ich halte die Bedrohung, die von evangelikalen Christen ausgeht, für mindestens ebenso gravierend wie islamischen Fundamentalismus. Ihr grundlegendes Ziel ist die totale Kontrolle des Menschen von der Wiege bis zur Bahre.

bearbeitet von RationisCausa
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Hallo,

 

ich hoffe ich wende mich an die richtige adresse und mir kann weiter geholfen werden.

mitte des jahres kehrte eine freundin (19) von mir aus einem amerika urlaub zurück, es war ein zweimonatiger aufenthalt nach dem abitur. sie lebte bei einer "christlichen" gastfamilie. seit dem ist sie wie ausgewechselt. sie vertritt ansichten die von mir einfach nicht nachzuvollziehen sind, aber das ist nicht der punkt. ich frage mich, wie ein kirchen/gottesuntreuer mensch, wie sie einst gewesen ist, innerhalb von weniger als 2 monaten und nur 5 gottesdiensten einen solchen sinneswandel erfahren kann und die bibel von da an bedingungslos anerkennen kann. eine ganze lebenseinstellung ändert .

 

 

Schick mal Deine Mutter auf Kur und schau Dir an, was sie danach in ihrem Leben alles ändern will. Sowas muss man einfach ignorieren. Knallhart. Dann bildet sich das auch zurück. Da muss man hart bleiben. Der ganze christliche Kram von wegen "Nächstenliebe " ist da völlig untauglich. Man muss dem Infizierten eindeutig klar machen, dass er ein Fremdkörper ist. Anders geht das nicht.

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Das einzige, was ich in der vergangenen Minute rausgefunden habe, ist, dass die oben angesprochene Gemeinde ungefaehr 6 Stunden suedlich von uns (mit dem Auto) ist. Ich habe aber im Moment absolute keine Zeit. Vielleicht werde ich mich heute abend (also in ein paar Stunden) mal hinsetzen, eure Beitraege lesen und kommentieren, und vielleicht faellt mir dabei zu der Situation etwas ein.

 

Bis dann...

Ralph

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Neben dem Mangel an sozialer Sicherheit ist aber noch ein weiteres Phänomen typisch für Amerika, nämlich der unerschütterliche Traum vom ganz, ganz großen Erfolg. (Vielleicht ist dieser sogar aus der fehlenden Sicherheit geboren, ich weiß es nicht.

 

Nach so vielen Jahren in einem christlichen Forum und nachdem du in den USA gelebt hast solltest doch sogar du etwas vom Calvinismus gehört haben ? Darin steckt die Antwort.

bearbeitet von Lutheraner
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Ich bekam heute eine e-mail, ich sollte mir doch bitte mal diesen Thread ansehen. Alle anderen Tanten, Onkels, Omas und Kinder sind jetzt im Bett, also tue ich das mal.

 

ich hoffe ich wende mich an die richtige adresse und mir kann weiter geholfen werden.

mitte des jahres kehrte eine freundin (19) von mir aus einem amerika urlaub zurück, es war ein zweimonatiger aufenthalt nach dem abitur. sie lebte bei einer "christlichen" gastfamilie. seit dem ist sie wie ausgewechselt. sie vertritt ansichten die von mir einfach nicht nachzuvollziehen sind, aber das ist nicht der punkt. ich frage mich, wie ein kirchen/gottesuntreuer mensch, wie sie einst gewesen ist, innerhalb von weniger als 2 monaten und nur 5 gottesdiensten einen solchen sinneswandel erfahren kann und die bibel von da an bedingungslos anerkennen kann. eine ganze lebenseinstellung ändert.

Gute Frage. Da ich die Person nicht kenne, werde ich dazu mal kein Urteil faellen. Es scheint als wenn sie ihre Gasteltern mit in ihre Kirche genommen haben, und sie dadurch ploetzlich zu einem "true believer" (echten Glaeubigen) geworden ist. Ob das nun ein sinnvolles religioeses/philosophisches Erlebnis ist, oder ob sie eher in eine Art Abhaengigkeit (wie manchmal bei Sektenmitgliedern) geschlittert ist, kann ich ebenfalls nicht beurteilen. Mehr zu Sektenaspekt (oder seiner Abwesenheit) siehe unten.

 

kein sex mehr vor der ehe, abbruch eines angefangenen studiums,

Sie macht auf jeden Fall hier zwei ganz schwere Fehler. Der erste ist noch viel schlimmer als der zweite. Schliesslich ist guter Sex (zusammen mit Essen und Trinken) der einzige Grund zu leben. Vielleicht hat sie nur noch nie richtig guten Sex ausprobiert? Und dieser Absatz ist als Witz gemeint.

 

totale unzufriedenheit mit ihrer heimat etc pp. . das neue ziel heisst auf einmal nur noch amerika

Hierbei kann ich sie ja gut verstehen. Ich lebe schliesslich seit ungefaehr 20 Jahren in den USA, und ich weiss auch, warum.

 

die gemeinde in der die gastfamilie aktiv ist und im moment auch meine freundin (da sie wieder nach amerika geflogen ist für 3 wochen, "oder vielleicht auch länger mal sehen was sich ergibt") findet sich im Internet unter http://www.calvarycc.org/. Ich habe die seite nun xmal gelesen kann aber keine greifbaren dinge finden die etwas über die ganze struktur verraten. handelt es sich überhaupt um eine "gewöhnliche" kirchengemeinde, wie wir sie hier in deutschland haben? oder ist es vielleicht eine art sekte oder so etwas in der richtung?

Sowohl die Seite der Gemeinde, als auch das, was man im Internet ueber sie findet, klingt wie eine ganz stinknormale evangelikale Gemeinde (wohlgemerkt, evangelikal ist was ganz anderes als evangelisch; mit den Deutschen evangelischen Kirchen kann man wohl am ehesten die Lutheranischen Gemeinden in den USA vergleichen). Die Kirche ist in einem Wohnviertel, in einem Vorort von Los Angeles (einer Gegend die noch nie fuer intellektuellen Tiefgang beruehmt war, und besonders viele TV-Evangelists und skandaltraechtige evangelikale Kirchen hervorgebracht war). Die Kirche selber ist ganz typisch: Riesiges Beton-Bauwerk, mit 1600 Sitzplaetzen, zu den meisten Sonntagen beinahe voll. Dutzende von Angestellten, aber keine eigene Schule, wohl aber ganz besonders viel Gemeindearbeit fuer Kinder und junge Menschen (wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit einer oertlichen Schule und einem oertlichen College, es sind im Internet ueberall Zusammenhaenge zwischen Calvary und Pepperdine sichtbar). Ein charismatischer Ober-Pastor. Gottesdienst mit Pastor im bunten kurzaermligen Hawaii-Hemd, Predigt ist typischerweise eine dreiviertel Stunde lang, und mit viel live Pop-Musik und Tanz, alles professionell gemacht. Alles aus Spenden finanziert (es gibt ja keine Kirchensteuer) - man kann auf deren Webseite direkt aus seinem Bankkonto elektronisch Spenden. Es sind im Internet keinerlei Zusammenhaenge mit Ultra-konservativen Gruppen wie den Adventisten zu sehen, und auch nicht zu Sekten-Problemen. Alles in allem: eine stinknormale evangelikale Gemeinde.

 

Der durchschnittliche Deutsche (ob religioes oder nicht) wuerde natuerlich in einer derartigen Gemeinde alles sehr seltsam finden: Die riesige Anzahl Leute, das hemdsaermelige Auftreten, das Fehlen der verklaerten, ueber-intellektualisierten und mystizistschen Aspekte der Religion. Im Gegenteil, hier kommen jeden Sonntag die christlichen Leute der Nachbarschaft zusammen, fuehlen sich alle zusammen mal so richtig wohl, essen dann Kuchen und trinken Kaffee, und organisieren Weihnachtsbasaare und Hilfe fuer die Opfer der Flutkatastrophe. So schoen richtig niedlich; der Gegenpol zum unpersoenlichen und oft sinnentleerten Leben in den Vororten von LA.

 

Ich persoenlich kenne derartige Gemeinden nur vom Hoerensagen (ich bin eher anti-religioes eingestellter Atheist). Ich war in meinem ganzen Leben in vielleicht einem Dutzend Gottesdienste in Deutschland (groesstenteils katholisch und in Stadtgemeinden, eine Freundin pflegte mich mitzuschleppen), und doppelt sovielen Gottesdiensten in den USA (alle moeglichen Religionen: katholisch, mehrmals in der Uni-Gemeinde, protestantisch, oefter juedisch, aber noch nie in einer derartig durch-organisierten charismatisch-evangelikalen Riesenkirche). Die Unterschiede sind himmelweit. In Deutschland geht man als normales Gemeindemitglied in die Kirche, und hoechstens drei oder vier Leute gruessen einen, und nach dem Gottesdienst geht man wieder, und redet auf dem Weg raus mit beinahe niemandem. Als Gast gruesst einen keiner. In den USA kennen sich die Leute; wenn man als Gast mitkommt, wird man vor dem Gottesdienst allen Leuten vorgestellt, und nach dem Gottesdienst ist immer Kaffee und Kuchen angesagt, bei dem der Grossteil der Gemeinde plauscht. Ich nehme mal an, dass wenn ich alleine hier in einen Gottesdienst gehen wuerde, dann wuerden mich ein Dutzend Leute fragen, wer ich denn bin, wie ich denn diese Gemeinde gefunden haette, ob ich nach dem Gottesdienst nicht auf einen Kaffee dableiben wollte, und nachher, wie mir die Predigt gefallen haette. Wenn ich dann erzaehlen wuerde, dass ich mich bei Orgeln ein ganz klein wenig auskenne (ich war sogar mal Hobby-Organist, und Aushilfe in einer katholischen Kirche), dann wuerden sie mich sofort zum Organisten schleppen, der dann lange mit mir plauschen wuerde (oder ganz beschaemt zugeben, dass zu einer echten Orgel das Geld nicht reicht). Genau dieses etwas peinliche Gespraech mit dem Organisten ist mir sogar schon passiert, in einem Vorort von Pittsburgh. Ich bekomme immer wieder das Gefuehl, dass die Leute in den Kirchen der USA so gluecklich sind mit ihrer Religion, und so gluecklich wenn mal ein neuer Gast zu ihrer Gemeinde kommt, dass sie ihm mit offensten Armen aufnehmen. Das ist in Deutschland (vor allem im Norden und Westen, Beispiel Aachen oder Hamburg) natuerlich ganz anders.

 

ich bin leider ratlos

Rat kan ich keinen geben. Ausser sich gehoerig einen hinter die Binde zu giessen, und sich auf die Ausschau nach einer neuen Freundin zu machen. Die ehemalige scheint die Lebensweise in den Vororten von LA zu sehr zu geniessen.

 

Ich habe mir die Seite der Kirche angesehen und würde sagen: eine normale amerikanische Kirchengemeinde. Durchgeplant und voll organisiert, charismatisch geprägt und Gottesdienste so angekündigt, wie das Klischee vom amerikanischen Gottesdienst aussieht. (Allein diese Beschreibung dürfte hier im Forum polarisieren - seis drum.)

Das Klischee beschreibt einen erheblichen Teil der amerikanischen Christen. Daher sollte es eigentlich nicht polarisieren.

 

Natuerlich gibt es auch eine Menge anderer Gruppen. In einer lutheranischen Kirche in Minnesota (wo alle Glaeubigen skandinavischer Herkunft sind) geht es wahrscheinlich ganz anders zu - da ist eher Eiseskaelte als Offenheit zu spueren (das ist teilweise ein Witz, Minnesota im Winter ist furchtbar kalt, da durch kein Gebirge von der kanadischen Praerie geschuetzt). In einer orthodox/konservativen juedischen Gemeinde ist auch etwas ganz anderes zu erwarten. Ich kenne die hiesige reform-juedische Gemeinde ein wenig (gute Freunde von uns sind da sehr aktiv); dort fehlt zwar das hemdsaermlige und die aufgesetzte Heiterkeit (wir sind ja auch nicht in Los Angeles, das Zentrum der Oberflaechlichkeit), aber es ist was die Soziologie angeht auch nicht viel anders.

 

Ich stehe diesen Kirchen deshalb außerordentlich kritisch gegenüber, weil ich den Zuspruch, den sie erfahren, auf eine Überwältigung der Form zurückführe. Das bedeutet: Inhaltlich vertreten diese Kirchen eine stockkonservative, rigoristische und ultraorthodoxe Position. Wie Du beschreibst: Gesetze einhalten, Kein Sex vor der Ehe usw. Das wird hübsch zeitgemäß und jung verpackt, und diese Verpackung scheint viele Menschen zu überwältigen.

Genau darin liegt, von der normalen europaeischen Geisteshaltung aus gesehen, ein tiefer Widerspruch. Leute die im Gottesdienst Popmusik spielen und dazu tanzen, der Pastor traegt lustige kurze Hemden, und nach dem gemeinsamen religioesen Orgasmus Kaffee trinken, sollten auch guten Sex vor der Ehe geniessen. Leute die nicht "Guten Tag" sagen und sich trocken-theologische Predigten anhoeren und deren Gemeinden kein Sozialleben haben, sollten auch stockkonservativ sein (und Jungfrau bis zur Ehe). Ich verstehe vollkommen, dass Dir hier die Haare zu Berge stehen - obwohl ich das intellektuell total nicht begruenden kann. Warum sollen stockkonservative und koerperfeindliche Leute nicht anderseits Offenheit, Musik, Tanz, und ein Leben mit guten Freunden in der Gemeinde geniessen?

 

Deine Freundin hat also vielleicht zum ersten Mal erlebt, dass ein Gottesdienst ansprechend gefeiert wurde, dass sie ihn überhaupt verstanden hat. Sicher war die Predigt nicht so steif vorgetragen wie hier mancherorts, und die Musik hat ihr auch besser gefallen. Dann ist sie (überzeugend? überredend?) angesprochen worden und hat entdeckt, dass der Glaube in ihrem Leben eine Rolle spielt.

Variatio delectat.

 

Ob die Inhalte, die dese Kirche vermittelt, ihr Leben lang tragen werden, steht auf einem anderen Zettel.

Inhalte? Glaube? Religion? Dogma? Den meisten "Glaeubigen" sind diese Dinge doch total egal. Was sie wollen ist: eine Gemeinschaft, eine Menge nette Leute kennen, Freunde finden (vor allem fuer junge Familien mit Kindern ist das wichtig, daher oft die grossen Kirchen in Neubau-Wohngebieten), Ordnung in ihrem Leben haben, der Pastor organisiert einem das Leben (sagt einem genau, wann und in welcher Stellung man Sex zu haben hat), nicht nachdenken muessen, schoen oberflaechlich weiterleben. Inhalte und Nachdenken sind zu viel Arbeit.

 

Ich habe hier auch schon zwei evangelikale Christen kennengelernt, die beide unabhängig voneinander bei Gasteltern in den USA "wiedergeboren" wurden. Offenbar muß man da ein bißchen vorsichtig sein, wenn man Kinder längere Zeit in die USA schickt.

Wenn man zwanzig Jahre lang mit der getrockneten Version des Christentums in Deutschland aufgewachsen ist, dann ist es ganz logisch, dass diese ansprechend verpackte Version anziehender ist, vor allem wenn man es mit kritischen Denken nicht so drauf hat. Das gleiche gilt fuer das Essen: Ich koennte durchaus verstehen, dass nach einem kurzen USA-Aufenthalt manche Leute nur noch McDonalds und Pizza Hut essen, und nur noch Miller Lite (*) trinken wollen. Es ist ansprechend verpackt, oberflaechlich, angenehm, unkontrovers. Das es in den USA auch anders geht (ich bin im Moment in der Naehe von Portland/Oregon, einer Stadt mit hunderten kleiner Brauereien, einem der groessten Buchlaeden der Welt, und hervorragenden Restaurants) sieht man auf den ersten Blick nicht, vor allem nicht in Los Angeles (der Hauptstadt der Oberflaechlichkeit).

 

(*) Miller Lite: It's like making love in a canoe - fucking close to water.

 

Edit: Beitrag gesplittet; anscheinend kommt der Renderer nicht mit so vielen quote's klar.

bearbeitet von Baumfaeller
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Lieber Lutheraner:

 

Nach so vielen Jahren in einem christlichen Forum und nachdem du in den USA gelebt hast solltest doch sogar du etwas vom Calvinismus gehört haben ? Darin steckt die Antwort.

 

Die Calvinisten sind aber groesstenteils in der Schweiz; ihre Hochburg ist glaube ich Genf. Und vor allem in Genf (einer der wohlhabendsten und zivilisiertesten Staedte der Welt, mit dem besten Essen und Wein) ist von Mangel an sozialer Sicherheit und dann aus Angst hergeleiteter Religion wenig zu spueren.

 

Den amerikanischen Christen wird Calvinismus immer vorgeworfen; ich sehe davon nicht viel. Vielleicht weiss ich nur nicht, wie er wirklich aussieht.

 

Gruesse,

Ralph

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Die Calvinisten sind aber groesstenteils in der Schweiz; ihre Hochburg ist glaube ich Genf. Und vor allem in Genf (einer der wohlhabendsten und zivilisiertesten Staedte der Welt, mit dem besten Essen und Wein) ist von Mangel an sozialer Sicherheit und dann aus Angst hergeleiteter Religion wenig zu spueren.

 

Den amerikanischen Christen wird Calvinismus immer vorgeworfen; ich sehe davon nicht viel. Vielleicht weiss ich nur nicht, wie er wirklich aussieht.

 

Praktisch alle Evangelikale haben ihre theologischen Wurzeln im Calvinismus. Er breitete sich von Genf über England in die USA aus.

Einer der Kernpunkte des Calvinismus ist die Prädestinationslehre.

 

Wenn du auserwählt bist erkennst du das daran, dass du Erfolg hast. Jeder möchte auserwählt sein (wer möchte schon gerne verdammt sein), daher versucht jeder durch Fleiß nach oben zu kommen. Wer unten bleibt, ist nicht auserwählt. Deshalb gibt es auch wenig Anreize denen, die unten bleiben zu helfen.

 

Die amerikanische Gesellschaft ist ein Spiegelbild der Prädestinationslehre. Der eine wird vom Tellerwäscher zum Millionär, die alleinerziehenden schwarze Mutter muß sich mit einem Knochenjob bei Wal-Mart durchschlagen.

 

P.S.: Dort wo sie herkam, nämlich in Genf spielt die calvinistische Prädestinationslehre im Christentum kaum eine Rolle. Richtig entwickelt hat sie sich eigentlich erst in den USA.

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Es war aber völlig ok, daß ich mir lieber an meinem freien Tag Land und Leute angesehen habe, als in der Kirche zu sein.

Da hast Du wahrscheinlich was verpasst; wenn die katholische Gemeinde dort dem von mir oben beschriebenen Muster entspricht (was ich fuer moeglich, sogar wahrscheinlich halte), dann haettest Du dort etwas ueber Land und Leute gelernt. Man muss natuerlich dazusagen: die USA sind sehr gross. Die kulturelle Entfernung von der Ostkueste (vor allem von Boston und Umgebung) zur Westkueste (vor allem zu San Francisco und Hawaii) ist wahrscheinlich groesser, als die Entfernung von England zur Ostkueste.

 

Meine Gastgeber waren cosmopolith, hatten sehr viel Interesse an europäischer Politik und waren, bevor sie geheiratet hatten, ziemlich weit in der Welt herumgekommen. Auch waren beide hochgebildet und es wurde neben Englisch auch noch Deutsch und Spanisch gesprochen. Die Kinder wuchsen zweisprachig auf.

Genau das entpricht unserem Freundeskreis. Das sind aber auch alles keine Durchschnittsamerikaner.

 

Wir haben eigentlich am meisten mit Leuten zu tun, die in irgendeiner Verbindung zu den verschiedenen Universitäten stehen, also mit einem bestimmten Bildungsgrad. Darunter befindet sich seltsamerweise kein evangelikaler Christ, sondern nur die von mir oben angesprochenen Konfessionen, allenfalls noch Quäker, oder eben Juden und Atheisten. Das sind auch die Leute, die unzufrieden mit Bush und Konsorten sind.

Volle Zustimmung. Ich kenne keinen einzigen Evangelikalen - und nur eine kleine Anzahl Leute, die zugeben, fuer Bush gestimmt zu haben.

 

In der amerikanischen Gesellschaft gibt es sehr wenig Sicherheiten. Wenn ein Wirtschaftssystem nach dem Prinzip "hire and fire" aufgebaut ist, wird den Menschen eine große Flexibilität abverlangt, die geringer ausgebildete Leute überfordert.

In der Tendenz steckt da etwas Wahrheit drin; in der Praxis ist der Unterschied nicht so gross. Hier wird nicht jeder Arbeiter alle zwei Wochen gefeuert, ganz im Gegenteil. Aber das man alle 3 oder 5 Jahre einen anderen Arbeitgeber hat, ist nichts ungewoehnliches.

 

Das staatliche Bildungssystem ist nicht gut, noch viel schlechter als das deutsche.

Grobe Verallgemeinerung - aber in der Tendenz richtig. Eine richtig guten Schule in einem reichen Teil der USA kann sich ganz ohne Probleme mit Deutschland messen (und die beiden high schools in unserer Stadt waren letztes Jahr die besten in ganz Kalifornien). Und eine Uni der Qualitaet wie Stanford, Berkeley, Harvard, Princeton, CalTech, MIT gibt es in Deutschland gar nicht. Was den Durchschnitt angeht, hast Du Recht, aber der Unterschied ist nicht riesig. Aber die Streubreite in den USA ist riesig. Sowohl die high school in einem Provinznest in Alabama, als auch das "community college" (Fachhochschule) in einem miesen Bundesstaat sind katastrophal schlecht. Mein Lieblingswitz ist immer das "Southern North Dakota State College", welches zwar nicht existiert, aber wenn es existieren wuerde, dann wuerde man dort nichts lernen, ausser "football" (fuer Jungen), "cheerleading" (fuer Maedchen), und Sex, Drogen und Alkohol (fuer beide).

 

Folglich befinden sich die Menschen in einem Teufelskreis: Kein Geld - keine Bildung - kein Job - keine Flexibilität - kein Geld. Gute Schulen sind teuer und für einfache Leute unerreichbar. Die Leute sind stolz darauf, Amerikaner zu sein und kriegen nicht mit, daß sie sich praktisch in einer modernen Sklavengesellschaft befinden, mit wenig Chancen und sogar mit einem Rechtssystem, was Reiche begünstigt und Arme bestraft. Sehr deutlich wird das bei der Rekrutierung von Soldaten für den Irak: In der Stadt Flint in Michigan, einer tristen Industriestadt, die vom Verfall bedroht ist, sind die Rekrutierungsraten sehr hoch.

Fuer die armen / ungebildeten Teile der USA hast Du Recht - wenn Du es auch ziemlich hart ausdrueckst. Fuer die reichen / gebildeten Gegenden der USA ist was Du schreibst komplett falsch. Nur als Beispiel: Nach der Anzahl der Toten zu urteilen, ist die Anzahl Soldaten im Irak aus dem Silicon Valley extrem niedrig. Wir kennen persoenlich nur eine Person, die als Soldat in den Irak gegangen ist, und die Dame (!) ist Diplom-Politologin (M.S. in political science), spricht fliessend Arabisch und Franzoesisch, und ist Oberleutnant im militaerischen Geheimdienst. Mit den "privates" (einfacher Soldat) aus Flint oder aus Alabama hat die nichts am Hut; koennte mit ihnen wahrscheinlich kaum eine zivilisierte

Unterhaltung fuehren.

 

In dem Zusammenhang fällt mir noch der Bezug zur protestantischen Arbeitsethik ein, die besagt, daß Gott denjenigen, der ihn liebt, mit wirtschaftlichem Erfolg belohnt.

 

Sprich, Reichtum ist ein äußeres Zeichen für das Wohlwollen Gottes an einem bestimmten Menschen.

Nein, davon spuere ich hier nur selten was. Und da am ehesten unter Hispanischen (und daher katholischen!) Einwanderern: Wir muessen was aus uns machen; wenn wir Geld fuer ein neues Auto haben, oder unsere Kinder als erste in der Familie einen Uni-Abschluss haben, dann mus das gleich der Gemeinde gezeigt werden, wie stolz wir auf uns sind.

 

Ich halte die Bedrohung, die von evangelikalen Christen ausgeht, für mindestens ebenso gravierend wie islamischen Fundamentalismus.

Da will ich widersprechen. Die oben beschriebene Gemeinde ist nicht gewalttaetig, und verwendet zwecks Mission den Honig statt der Peitsche. Die Tatsache, dass Honig geistig nicht besonders nahrhaft ist, wird dabei geflissentlich uebersehen.

 

Ihr grundlegendes Ziel ist die totale Kontrolle des Menschen von der Wiege bis zur Bahre.

Dies ist Ziel aller Religionen. Nur sind manche Religionen (allen voran die Europaeischen Christen) derartig unfaehig, dieses Ziel zu erreichen, dass sie es in vielen Bereichen aufgegeben haben. Aber nicht in allen; siehe z.B. die vom Vatikan und der katholischen Kirche sehr aktiv gefuehrte Kampagne gegen chemische Verhuetung und gegen Homo-Ehe. Natuerlich ist es viel einfacher, das Leben eine Glaeubigen zu kontrollieren, wenn der Glaeubige wirklich aktiv am Gemeindeleben teilnimmt, und in der Gemeinde einene Grossteil seines sozialen Netzes findet. Diese Voraussetzung ist in Deutschen christlichen Stadtgemeinden einfach nicht gegeben.

 

Gruesse, und nochmals frohe Weihnachten (aus dem nasskalten Oregon),

Ralph

 

Edit: Dies ist der zweite Teil

bearbeitet von Baumfaeller
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Praktisch alle Evangelikale haben ihre theologischen Wurzeln im Calvinismus. Er breitete sich von Genf über England in die USA aus.

...

P.S.: Dort wo sie herkam, nämlich in Genf spielt die calvinistische Prädestinationslehre im Christentum kaum eine Rolle. Richtig entwickelt hat sie sich eigentlich erst in den USA.

 

OK, ich wusste nicht, wie man die Symptome des Calvinismus erkennt.

Ralph

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Praktisch alle Evangelikale haben ihre theologischen Wurzeln im Calvinismus. Er breitete sich von Genf über England in die USA aus.

...

P.S.: Dort wo sie herkam, nämlich in Genf spielt die calvinistische Prädestinationslehre im Christentum kaum eine Rolle. Richtig entwickelt hat sie sich eigentlich erst in den USA.

 

OK, ich wusste nicht, wie man die Symptome des Calvinismus erkennt.

Ralph

 

Hallo Baumfäller,

 

Calvin hat nur den Grundstein zu dieser Lehre gelegt. In eigentlich unchristlicher (egoistischer) Form weiterentwickelt wurde sie in den USA. Aber man bezeichnet das heute allgemein als Calvinismus.

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Hey Ralph,

 

finde das ziemlich erhellend, was Du schreibst. Danke.

 

nickname

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Hey Ralph,

 

finde das ziemlich erhellend, was Du schreibst. Danke.

 

nickname

 

 

Zustimm. Klasse Beitrag, danke! Grüße KAM.

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Ganz kurz (bevor ich mich um die Modeleisenbahn kuemmere):

 

Heute in der Zeitung hier (Portland Oregonian, eine ziemlich grosse Zeitung): Die Katholiken, Lutheraner und Episcopalians werden Sonntag normale Weihnachtsgottesdienste halten. Aber die drei groessten Kirchen Portlands (alle Evangelikale) haben diese Woche ihre Sonntagsgottesdienste storniert. Grund: die Glaeubigen kommen sowieso am Weihnachtsabend zum Sondergottesdienst, und verbringen den Weihnachtstag lieber mit der Familie; das gilt anscheinend sogar, wenn der Weihnachtstag auf den Sonntag faellt. Der wahre Grund ist wahrscheinlich, da in Anbetracht der niedrigen Teilnahme die Festkosten fuer Personal zu hoch waeren.

 

Interessante Theorie: Die Sonntagspflicht faellt aus, wenn man Samstag schon da war? Da dreht sich sicher mancher Theologe im Grab um.

 

Die drei Kirchen sind "Rolling Hills Community Church" in Tualatin (3500 Sitzplaetze, meistens voll), "Beaverton Foursquare Church" (offensichtlich in Beaverton, laut Artikel hat die Kirche 5000 Plaetze, und normalerweise drei Gottesdienste am Sonntag, was zusammen 15000 Gemeindemitglieder waeren, was ein Fehler sein muss; ich nehme eher an, dass sich 5000 Gemeindemitglieder auf 3 Gottesdienste verteilen, und die Kirche weniger als 2000 Sitzplaetze hat), und "City Bible Church" in Portland selber. Einige "kleinere" Gemeinden (wie "New Hope Community Church", nur 6000 Glaeubige sind Sonntags regelmaessig da) werden aber Sonntagsgottesdienste abhalten.

 

Ich finde diese Zahlen erschreckend. Eine Gemeinde mit 6000 oder beinahe 10000 Mitgliedern ist schwer vorstellbar. Noch erschreckender ist, dass eine derartige Mega-Kirche aus Kostengruenden den Weihnachtsgottesdienst ausfallen laesst. Ich werde mich auf jeden Fall am Sonntag aus der Gegend fernhalten; wenn ich hier aus dem Arbeitszimmer meines Schwagers aus dem Fenster schaue, dann sehe ich nebenan eine Episcopalian Kirche, mit angeschlossenem Altersheim; da passen aber hoechstens 300 Leute rein - das ist weniger schockierend.

 

Gruesse,

Ralph

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Es war aber völlig ok, daß ich mir lieber an meinem freien Tag Land und Leute angesehen habe, als in der Kirche zu sein.

Da hast Du wahrscheinlich was verpasst; wenn die katholische Gemeinde dort dem von mir oben beschriebenen Muster entspricht (was ich fuer moeglich, sogar wahrscheinlich halte), dann haettest Du dort etwas ueber Land und Leute gelernt. Man muss natuerlich dazusagen: die USA sind sehr gross. Die kulturelle Entfernung von der Ostkueste (vor allem von Boston und Umgebung) zur Westkueste (vor allem zu San Francisco und Hawaii) ist wahrscheinlich groesser, als die Entfernung von England zur Ostkueste.

 

Hallo Ralph,

 

Ich denke mal, Du hast in Oregon Verwandte, oder fährst Du auch aus dem Grund dorthin in Urlaub, um der ewigen Sonne in Kalifornien zu entgehen und deutsches Schmuddelwetter zu haben B) ?

 

Mein Herzallerliebster stammt aus einer katholischen amerikanischen Familie und hat auch von Anfang an katholische Schulen besucht, bis hin zur Universität Georgetown in Washington DC. Deswegen habe ich schon Einblick in die amerikanisch-katholische Gesellschaft. Traditionell sind sie nicht so gut angesehen, genau wie Juden und Quäker. Was in den USA sich an Widerstand damals gegen den Vietnamkrieg formierte, hatte seine Wurzeln in diesen Bevölkerungsgruppen. Auch gegen den Irakkrieg formierte sich gerade dort der erste Widerstand und im zweiten Weltkrieg waren es auch diese Gruppen, die die Bombardierung der deutschen Zivilbevölkerung sehr kritisch sahen.

 

In der amerikanischen Gesellschaft gibt es sehr wenig Sicherheiten. Wenn ein Wirtschaftssystem nach dem Prinzip "hire and fire" aufgebaut ist, wird den Menschen eine große Flexibilität abverlangt, die geringer ausgebildete Leute überfordert.
In der Tendenz steckt da etwas Wahrheit drin; in der Praxis ist der Unterschied nicht so gross. Hier wird nicht jeder Arbeiter alle zwei Wochen gefeuert, ganz im Gegenteil. Aber das man alle 3 oder 5 Jahre einen anderen Arbeitgeber hat, ist nichts ungewoehnliches.

Das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe aber mal einen Streik bei General Motors verfolgt, als ich in Washington arbeitete. Wir sahen uns morgens immer zusammen die Headlines im Fernsehen an. Da hättest Du mal die Manager erleben sollen, wie die über die einfachen Leute abgelästert haben, die ihre Transparente schwingend vor dem Werkstor demonstrierten. "Bah, sind die fett," war noch der netteste Kommentar. Ich habe diese Leute natürlich nicht über den Zusammenhang von Zugang zu gesunder Ernährung und sozialer Stellung aufgeklärt, das wäre nämlich zwecklos gewesen. Jedoch zeigten mir diese Kommentare, wie tief die Kluft zwischen den einfachen Leuten und der intelligenten Oberschicht ist. Viel größer, als in Europa. Mein Eindruck ist zwar nur subjektiv, aber wenn ich bedenke, daß ich keine einfachen Amerikaner kenne, so untermauert das schon meine Theorie von der Abschottung der Schichten untereinander und damit auch der Trennung der einzelnen christlichen Strömungen.

 

Das staatliche Bildungssystem ist nicht gut, noch viel schlechter als das deutsche.

Grobe Verallgemeinerung - aber in der Tendenz richtig. Eine richtig guten Schule in einem reichen Teil der USA kann sich ganz ohne Probleme mit Deutschland messen (und die beiden high schools in unserer Stadt waren letztes Jahr die besten in ganz Kalifornien). Und eine Uni der Qualitaet wie Stanford, Berkeley, Harvard, Princeton, CalTech, MIT gibt es in Deutschland gar nicht. Was den Durchschnitt angeht, hast Du Recht, aber der Unterschied ist nicht riesig. Aber die Streubreite in den USA ist riesig. Sowohl die high school in einem Provinznest in Alabama, als auch das "community college" (Fachhochschule) in einem miesen Bundesstaat sind katastrophal schlecht. Mein Lieblingswitz ist immer das "Southern North Dakota State College", welches zwar nicht existiert, aber wenn es existieren wuerde, dann wuerde man dort nichts lernen, ausser "football" (fuer Jungen), "cheerleading" (fuer Maedchen), und Sex, Drogen und Alkohol (fuer beide).

Nein, eine Uni von dieser Qualität hat Deutschland vielleicht nicht aufzuweisen, aber auch diese Einrichtungen müssen aufpassen, daß sie nicht von Traditionsdenken und "Elitärismus" aufgefressen werden. Aber Bildung ist eben in den USA teuer und für viele Leute unerreichbar, das kannst Du nicht abstreiten. Ich bin aber beeindruckt von der Konzentration von Wissen an gewissen Orten. So befinden sich in Boston und der näheren Umgebung mehrere gute Einrichtungen: Da haben wir außer Harvard und MIT in Cambridge noch in Boston selbst z. B. die North Eastern University, die Boston University und noch eine ganze Reihe guter Colleges.

Folglich befinden sich die Menschen in einem Teufelskreis: Kein Geld - keine Bildung - kein Job - keine Flexibilität - kein Geld. Gute Schulen sind teuer und für einfache Leute unerreichbar. Die Leute sind stolz darauf, Amerikaner zu sein und kriegen nicht mit, daß sie sich praktisch in einer modernen Sklavengesellschaft befinden, mit wenig Chancen und sogar mit einem Rechtssystem, was Reiche begünstigt und Arme bestraft. Sehr deutlich wird das bei der Rekrutierung von Soldaten für den Irak: In der Stadt Flint in Michigan, einer tristen Industriestadt, die vom Verfall bedroht ist, sind die Rekrutierungsraten sehr hoch.

Fuer die armen / ungebildeten Teile der USA hast Du Recht - wenn Du es auch ziemlich hart ausdrueckst. Fuer die reichen / gebildeten Gegenden der USA ist was Du schreibst komplett falsch. Nur als Beispiel: Nach der Anzahl der Toten zu urteilen, ist die Anzahl Soldaten im Irak aus dem Silicon Valley extrem niedrig. Wir kennen persoenlich nur eine Person, die als Soldat in den Irak gegangen ist, und die Dame (!) ist Diplom-Politologin (M.S. in political science), spricht fliessend Arabisch und Franzoesisch, und ist Oberleutnant im militaerischen Geheimdienst. Mit den "privates" (einfacher Soldat) aus Flint oder aus Alabama hat die nichts am Hut; koennte mit ihnen wahrscheinlich kaum eine zivilisierte

Unterhaltung fuehren.

Damit untermauerst Du nur meine Bobachtung von der riesigen Kluft zwischen den Gesellschaftsschichten. Mir ist auch sehr bewußt, daß ich keine einfachen Leute in den Staaten so richtig kenne. Das halte ich schon für ein Defizit, aber nicht nur bei mir, sonderen auch bei meinen amerikanischen Freunden und Geschäftspartnern. Ich halte das für die Zukunft auch für sehr gefährlich. Den ersten sozialen Sprengstoff gab es wohl nach dem Wirbelsturm Katrina. Da habe ich das erste Mal das Empfinden gehabt, daß sich die armen Leute nicht mehr durch Konsum einlullen ließen, sondern mitbekamen, daß das Interesse an Hilfsmaßnahmen bei der Regierung wohl nicht so ganz hoch war. Sie bekamen ihren Wert für die Upper Class mal so richtig vor Augen geführt.

 

So, da wars dann mal fürs erste an Diskussion. Ich muß mich auch um den Weihnachtsbaum kümmern.

 

Liebe Grüße

Barbara

bearbeitet von Platona
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Ich war in meinem ganzen Leben in vielleicht einem Dutzend Gottesdienste in Deutschland (groesstenteils katholisch und in Stadtgemeinden, eine Freundin pflegte mich mitzuschleppen), und doppelt sovielen Gottesdiensten in den USA (alle moeglichen Religionen: katholisch, mehrmals in der Uni-Gemeinde, protestantisch, oefter juedisch, aber noch nie in einer derartig durch-organisierten charismatisch-evangelikalen Riesenkirche). Die Unterschiede sind himmelweit. In Deutschland geht man als normales Gemeindemitglied in die Kirche, und hoechstens drei oder vier Leute gruessen einen, und nach dem Gottesdienst geht man wieder, und redet auf dem Weg raus mit beinahe niemandem. Als Gast gruesst einen keiner. In den USA kennen sich die Leute; wenn man als Gast mitkommt, wird man vor dem Gottesdienst allen Leuten vorgestellt, und nach dem Gottesdienst ist immer Kaffee und Kuchen angesagt, bei dem der Grossteil der Gemeinde plauscht. Ich nehme mal an, dass wenn ich alleine hier in einen Gottesdienst gehen wuerde, dann wuerden mich ein Dutzend Leute fragen, wer ich denn bin, wie ich denn diese Gemeinde gefunden haette, ob ich nach dem Gottesdienst nicht auf einen Kaffee dableiben wollte, und nachher, wie mir die Predigt gefallen haette. Wenn ich dann erzaehlen wuerde, dass ich mich bei Orgeln ein ganz klein wenig auskenne (ich war sogar mal Hobby-Organist, und Aushilfe in einer katholischen Kirche), dann wuerden sie mich sofort zum Organisten schleppen, der dann lange mit mir plauschen wuerde (oder ganz beschaemt zugeben, dass zu einer echten Orgel das Geld nicht reicht). Genau dieses etwas peinliche Gespraech mit dem Organisten ist mir sogar schon passiert, in einem Vorort von Pittsburgh. Ich bekomme immer wieder das Gefuehl, dass die Leute in den Kirchen der USA so gluecklich sind mit ihrer Religion, und so gluecklich wenn mal ein neuer Gast zu ihrer Gemeinde kommt, dass sie ihm mit offensten Armen aufnehmen. Das ist in Deutschland (vor allem im Norden und Westen, Beispiel Aachen oder Hamburg) natuerlich ganz anders.

 

 

 

Das ist aber ein Phänomen, das einem nicht nur auf der Ebene der Religion begegnet. In Deutschland habe ich es ein Jahr lang geschafft, in der Kantine der Bavaria-Studios kaum jemand anderen zu kennen als die Kollegen aus meiner Firma (und vielleicht die von nebenan). Im kontaktfreudigen Amerika (jedenfalls an der oberflächlichen Westküste und im noch oberflächlicheren Lalaland) undenkbar! In Deutschland war ich mal mit einer katholischen Freundin in einem Gottesdienst, zu dem sie noch Bekannte mitgenommen hat. Ich habe niemals erfahren, wer das war, wie die hießen oder ähnl. Die gemeinsame Autofahrt zur Kirche war in etwa so anonym als würde ich in einem Bus neben Fremden sitzen. In derselben Zeit hätte ich in Amerika schon die ganze Lebensgeschichte dieser Leute erfahren und sie die meine. Und nichtmal auf die Oberflächlichkeit ist wirklich Verlaß, ich habe Leute flüchtig kennengelernt, die sich nach Jahre später regelmäßig bei mir gemeldet haben. Und ich glaube, daß das branchen- und glaubensübergreifend so ist, es ist eine Frage der Mentalität, keine der Religion. Im spröden Deutschland ist wohl so manches, was in den Staaten völlig üblich ist, aufdringlich.

 

 

 

Mag sein, daß auch die Leute in amerikanischen Gemeinden, wie Du sagst, besonders glücklich sind mit ihrer Kirche, ihrer Gemeinschaft, ihrem Glauben. In deutschen Gottesdiensten habe ich bislang nie das Gefühl gehabt, daß dem so ist.

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Niemand scheint sich so richtig mit den Evangelikalen auszukennen. Einer unserer Nachbarn ist evangelikal, pfingstlerisch und ich bin schon des öfteren mit in einen Gottesdienst gegangen. Diese Welt ist wirklich fremd, denn sie ist eine andere Welt.

 

Grundsätzlich läßt sich sagen, dass diese Gemeinden zwar sehr schnell Menschen anziehen, dass deren Verweildauer in diesen Gemeinden aber dafür auch niedriger als in den klassischen Gemeinden ist. Hire und fire. Wobei sie weniger gefeuert werden, als vielmehr abstürzen aus einem High.

 

Die Schlüsselfunktion einer wachsenden Gemeinde ist in diesem Fällen häufig der Gemeindeleiter. Wenn der in eine Krise kommt, bricht die Gemeinde häufig zusammen. Doch das stört die Menschen nicht so sehr, denn Gemeinden wird durchaus zugebilligt, auch sterben zu können. Dann bilden sich neue Gemeinden, was häufig als sehr fruchtbar angesehen wird, denn kleine Gemeinden wachsen prozentual schneller als Großgemeinden.

 

Ich würde mich auch davor hüten, dies als oberflächlich abzuqualifizieren. Denn ich habe geradezu spürbare Gebetstiefen erlebt, die von der gesamten Gemeinde ausgingen, die ich an anderer Stelle so geballt nicht erlebt hatte.

 

Mit der Musik komme ich als NGL-Fan auch bestens klar. Dafür ist anderes geradezu haarsträubend fremd für mich gewesen. Ich habe mal ein paar Freundinnen dabei gehabt. Die waren regelrecht empört über den "Hokuspokus" im Stil von: So, einer stellt sich jetzt mal da hin. Zwei Fänger dahinter. Und dann - Heiliger Geist, komme herab auf ihn. Und peng, kippt er den Fängern in die Arme. Und dennoch ... es war spürbar Kraft im Raum. Es war manchmal wie ein Kraftfeld.

bearbeitet von Martin
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