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Die katholische Kirche und der Missbrauch


Björn

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vor 2 Stunden schrieb Shubashi:

Die Kirche hat nach außen hin jedoch einen ganz anderen Anspruch und Ideale vertreten, allerdings nicht das geringste getan diesem auch gerecht zu werden. Sie hat sicher sogar eher einem fortschrittlichen Wandel strukturkonservativ widersetzt und v.a. ihre Macht und ihren Einfluß verteidigt.

 

Ohne hier grundsätzlich widersprechen zu wollen, mal wieder die Frage: "Die Kirche" - wer oder was ist das? In unserem Bekanntenkreis fanden/finden sich mehrere Personen - Frauen und Männer - die in den 1960er- bis etwa in die 1980er-Jahre hinein kirchliche Einrichtungen, d.h. von verschiedenen Orden betriebene "Auffangeinrichtungen" für Kinder und Jugendliche durchlaufen haben, bei denen es zuhause halt gar nicht funktioniert hat, weswegen sie von den Jugendämtern aus ihren Familien heraus solchen Einrichtungen zugewiesen wurden. Die ganz unterschiedlichen Berichte lassen nur den Schluss zu, dass diese Einrichtungen nicht unterschiedlicher sein konnten. In den einen wurden Kinder und Jugendliche misshandelt (Ohrfeigen waren an der Tagesordnung, für kleinste Vergehen gegen die Heimordnung wurden drakonische Strafen verhängt, bei  anderen Einrichtungen scheint es gerechtfertigt, von pädagogisch hoch qualifizierten und damit qualifizierenden Einrichtungen zu sprechen. Bei den einen hat es sich um Verwahranstalten gehandelt, in denen sich halt um einen "Bodensatz der Gesellschaft" gekümmert und in denen Kinder und Jugendliche letztlich auch als das behandelt wurden, wofür "die Gesellschaft" (tja, was ist das, "die Gesellschaft"?) sie auch gehalten hat: "Bodensatz" eben. Von sexuellem Missbrauch berichten unsere Bekannten nicht. Die einen wurden, wie schon erwähnt, halt irgendwie "verwahrt" und haben sich mit einfachen Bildungsabschlüssen nach der Entlassung aus dem Heim irgendwie durchgewurschtelt und durchgebissen, die anderen haben in ihrer Einrichtung Aufmerksamkeit und Förderung erfahren und sind dafür bis heute dankbar. Von einem der Betreiberorden weiss ich, dass er vom Bischof in den 1990er-Jahren unter Kuratel gestellt worden ist, und dass dabei insbesondere die pädagogischen Einrichtungen in den Blick genommen und in der Folge einzelne davon auch geschlossen worden sind. Inzwischen hat der "Zahn der Zeit" (Stichwort: "Nachwuchsmangel") auch da weitergenagt, der Orden hat sich aus den verbliebenen Jugendhilfeeinrichtungen zurückgezogen, die jetzt unter dem Dach einer Stiftung (und soweit ich das "von aussen" beurteilen kann auch nach modernen pädagogischen Konzepten) von "Zivilisten" betrieben werden.

 

vor 9 Stunden schrieb nannyogg57:

Wir haben alle eine verpflichtende Fortbildung besucht. Wir sind angehalten, Hinweisen zuzuhören, aber auch selbst alles zu vermeiden, was den Verdacht aufkommen lassen würde.

 

Mhm ... ohne dass ich dies jetzt als unvermeidliche Folge des Besuchs solcher verpflichtenden Fortbildungen bezeichnen wollte: aber auch da bin ich zwar selber kein unmittelbar gebranntes Kind, aber ich habe eine Nichte (Erzieherin) erlebt, die nach Ableistung mehrerer solcher Fortbildungen plötzlich Dutzende von ihren Eltern missbrauchte Kleinkinder in ihrem Kindergarten identifizierte (hat einige Jahre gedauert, bis sich das eingependelt hatte), und ein "Missbrauchsfall" in der hiesigen Diözese ist wohl auch zumindest teilweise als Ergebnis solcher verpflichtender Fortbildungen bzw. der durch diese Fortbildungen geschärften Aufmerksamkeit von hauptamtlichem Gemeindepersonal zu verbuchen: Pfarrer suspendiert, Staatsanwaltschaft eingeschaltet - und die war dann ungefähr ein dreiviertel Jahr lang damit befasst, ein Opfer dingfest zu machen. Ergebnis: Verfahren eingestellt, Pfarrer weg, verpflichtend fortgebildete Gemeindereferentin in der Nachbar-SE, die den Stein ins Rollen gebracht hatte, auch weg, Eltern des angeblichen Missbrauchsopfers (das erfreulicherweise keines war) verprellt und durch die Aktion bewirkter, seelsorgeeinheitsübergreifender Flurschaden (da sind beinahe Steine geflogen) auch fast 10 Jahre später noch nicht völlig abgeheilt.

 

vor 10 Stunden schrieb sofan:

Wichtig ist aber vor allem, dass bei Versetzung aufgrund von Missbrauchsvorwürfen die aufnehmende Pfarrei informiert wird, dass es im Vorfeld so etwas gegeben hat - zumindest die Verantwortungsträger dort.  

 

Tja, genau das war in dem oben angesprochenen "Fall" geschehen: Pfarrer A. wurde - weil es im Vorfeld "so etwas" von einer verpflichtend geschulten Hauptamtlichen vermutetes gegeben hatte - versetzt, die "Verantwortungsträger" (darunter Pfarrer B., der eigentlich durch den neuen Kollegen entlastet werden sollte), wurden informiert. Die waren schon damit ziemlich ausgelastet, für die Gemeinde möglichst unauffällig jedes Zusammentreffen des (neuen) Pfarrers mit Kindern und Jugendlichen zu unterbinden (ist gar nicht so einfach, wenn das "unauffällig" geschehen soll). Ergebnis: Pfarrer B. erkrankte und war dann auch weg, die Gemeinde schmollte mit den verbliebenen "Verantwortungsträgern", die dann auch das Handtuch geworfen haben als schließlich keiner mehr überhaupt jemand anderem über den Weg traute ...

 

(Inzwischen sind sie da aber wieder auf einem guten Weg - auch nachdem ihnen von zwei neuen Pfarrern gleich wieder einer abhanden gekommen ist - der allerdings hat sich nur ein bisschen an der Gemeindekasse vergriffen).

bearbeitet von Julius
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vor 45 Minuten schrieb Julius:

Ohne hier grundsätzlich widersprechen zu wollen, mal wieder die Frage: "Die Kirche" - wer oder was ist das? In unserem Bekanntenkreis fanden/finden sich mehrere Personen - Frauen und Männer - die in den 1960er- bis etwa in die 1980er-Jahre hinein kirchliche Einrichtungen, d.h. von verschiedenen Orden betriebene "Auffangeinrichtungen" für Kinder und Jugendliche durchlaufen haben, bei denen es zuhause halt gar nicht funktioniert hat, weswegen sie von den Jugendämtern aus ihren Familien heraus solchen Einrichtungen zugewiesen wurden. Die ganz unterschiedlichen Berichte lassen nur den Schluss zu, dass diese Einrichtungen nicht unterschiedlicher sein konnten. In den einen wurden Kinder und Jugendliche misshandelt (Ohrfeigen waren an der Tagesordnung, für kleinste Vergehen gegen die Heimordnung wurden drakonische Strafen verhängt, bei  anderen Einrichtungen scheint es gerechtfertigt, von pädagogisch hoch qualifizierten und damit qualifizierenden Einrichtungen zu sprechen. Bei den einen hat es sich um Verwahranstalten gehandelt, in denen sich halt um einen "Bodensatz der Gesellschaft" gekümmert und in denen Kinder und Jugendliche letztlich auch als das behandelt wurden, wofür "die Gesellschaft" (tja, was ist das, "die Gesellschaft"?) sie auch gehalten hat: "Bodensatz" eben. Von sexuellem Missbrauch berichten unsere Bekannten nicht. Die einen wurden, wie schon erwähnt, halt irgendwie "verwahrt" und haben sich mit einfachen Bildungsabschlüssen nach der Entlassung aus dem Heim irgendwie durchgewurschtelt und durchgebissen, die anderen haben in ihrer Einrichtung Aufmerksamkeit und Förderung erfahren und sind dafür bis heute dankbar. Von einem der Betreiberorden weiss ich, dass er vom Bischof in den 1990er-Jahren unter Kuratel gestellt worden ist, und dass dabei insbesondere die pädagogischen Einrichtungen in den Blick genommen und in der Folge einzelne davon auch geschlossen worden sind. Inzwischen hat der "Zahn der Zeit" (Stichwort: "Nachwuchsmangel") auch da weitergenagt, der Orden hat sich aus den verbliebenen Jugendhilfeeinrichtungen zurückgezogen, die jetzt unter dem Dach einer Stiftung (und soweit ich das "von aussen" beurteilen kann auch nach modernen pädagogischen Konzepten) von "Zivilisten" betrieben werden.

 

Danke für die Beispiele. Ich hatte auf der Hunderunde vorhin nochmal über meinen Beitrag nachgedacht; Auslöser war für mich ein Bericht auf DLF heute morgen über das Institutio Provolo. Dort hatte man Verbrechen an Taubstummen in Verona wohl 2010 aufgedeckt, die Täter konnten dennoch in der Instituts-Niederlassung in Argentinien unbehelligt weitermachen, bis sie schließlich vorletztes Jahr verhaftet wurden, obwohl übrigens bereits 2014 Opfer den Papst selbst darauf hinwiesen.

http://www.badische-zeitung.de/ausland-1/opfer-anwalt-vieles-wird-unter-der-decke-gehalten--132743970.html

 

Auch bei der deutschen Untersuchung sind ja in einigen Diözesen Akten verschwunden bzw. Bischöfe verweigerten die volle Kooperation.

Ich bezweifle, dass da inzwischen Einsicht herrscht, wie gravierend das Problem wirklich. Wer absolute Macht in allen Fragen will, hat auch absolute Verantwortung. Ich denke, viele in der Hierarchie wollen die Krise weiter aussitzen und sich auf keinen Fall in die Karten schauen lassen, weil Nimbus und Macht für sie weiterhin an erster Stelle stehen.

 

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Einige Gedanken und Beobachtungen zu diesem Thema:

 

Nun hat man aus den Personalakten die Mißbrauchsfälle der letzten Jahrzehnte herauszudestilieren versucht, und das Ergebnis ist alles andere als erfreulich. Es gab Mißbräuche (das wußten wir schon), und es gab ein Verdecken und Verbergen und Vertuschen (das amtlich zu haben ist nun neu). Was noch fehlt, das sind die Namen derjenigen, die das letztere getan haben. Und ich bin gespannt, ob man die nennen wird, im Moment sieht es nicht so aus.

 

Ich frage mich aber auch, ob wir hier nicht von den Selbstverständlichkeiten der Gegenwart ausgehen, in dem das Opfer sexueller Übergriffe sich der Solidarität, des Verständnisses und des Zuspruchs der Umwelt so sicher sein kann wie dem Täter sexuellen Mißbrauchs die Verdamnis durch die Umwelt gewiß sein muss. Das war gesellschaftlich nicht immer so - und auch heute noch legen die meisten Opfer schon Wert darauf, dass nicht alle Welt von dem erfährt, was mit ihnen passiert ist. So erscheint es mir zumindest als nachvollziehbar, wenn man bemüht war, Taten so zu verdecken, damit die Opfer nicht öffentlich bekannt wurden - auch wenn es im Rückblick als falsch bezeichnet werden muss, es war nicht notwendig böser Wille.

 

Daher meine ich sollte man eher auf die Frage schauen, wie man mit den Tätern umging - wenn hier keinerlei Maßnahmen ergriffen wurden, dann hatte man das Problem nicht verstanden. Die wenigen Akten, die ich gesehen habe, sprechen sehr dafür, dass man lange nicht in der Lage war, den Unterschied zwischen Zölibatsbruch mit Erwachsenen und sexuellem Mißbrauch Minderjähriger auch nur wahr zu nehmen. Auch war man lange nicht in der Lage, das Ausnutzen der Machtgefälle in pastoralen Beziehungen als Ursache zu benennen.

 

vor 2 Stunden schrieb Shubashi:

Der Umgang mit Kindern war nach dem Krieg auch in nichtkirchlichen oder staatlichen Institutionen keinesfalls so, dass ihre Rechte oder Interessen ausreichend geschützt wurden, vielmehr wurden sie auf allen Ebenen der Gesellschaft weitgehend kritiklos Gewaltverhältnissen und Missbrauch schutzlos ausgesetzt.

 

Die Debatte um Machtmißbrauch kann nie gelöst werden von der Debatte um notwendige und sinnvolle Autorität - das macht sie aber auch so schwierig. Denn gerade in pädagogischen Zusammenhängen, aber auch in der geistlichen Begleitung Erwachsener benötigt der Leitende (ich ziehe den belasteten Begriff der Führung vor) Autorität. Auf diese müßte nun reflektiert werden, was lange aber nicht geschah. Denn die Kirche sah und sieht sich zumeist in einer dienenden Funktion und etabliert so eine Begrifflichkeit, die die Frage nach dem Umgang mit Autorität gar nicht erst zuläßt.

 

Was allerdings noch viel schlimmer ist, das ist das Fehlen einer Fehlerkultur. Denn man macht Fehler, immer und immer wieder. Das passiert Seelsogern und Ärzten, Richtern und Busfahrern, Lehrern und Metzgern. Zum Glück sind es ja meist kleine Fehler - man übersieht etwas, kommt zu einer falschen Einschätzung der Lage, etc. Wenn und wo man sich dem stellt und fragt, wie es dazu kam, besteht eine große Chance, es (a) nicht wieder in derselben Weise falsch zu machen und (b) nicht weiter zu großen Fehlern ausarten zu lassen. Und wenn ich die Grenzen im Bereich der Prävention weit ziehe, dann wird es immer wieder auch zu kleineren potentiellen Grenzverletzungen kommen. Man ist mit einem Kind auf einmal alleine im Zimmer, Kinder suchen manchmal körperliche Nähe etc. Hier eine Kultur zu entwickeln, bei der man das ansprechen und reflektieren kann, das sehe ich noch als Derivat.

 

vor 10 Stunden schrieb nannyogg57:

Wir haben alle ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis abgegeben und das wird von jedem verlangt, der zu Hause oder dauerhaft mit Kindern zu tun hat.

 

Wich ich eher beiläufig beobachten konnte (die DBK weiß das mittlerweile auch) hilft das nur begrenzt: Zumindest Strafbefehle im Zusammenhang mit Mißbrauchsbeschuldigungen unterhalb von 12 Monaten tauchen weder im Führungszeugnis auf noch werden sie nach MISTRA an die Kirche gemeldet. Unter dieser Schranke kommt man mithin durch.

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vor 22 Stunden schrieb Moriz:

Was ist ein angemessener Umgang mit VERDACHTSfällen von Kindesmissbrauch?

 

Zumindest in dem Bistum, in dem ich mich aktuell befinde, gibt es ein klares "Meldeketten"-System.

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vor 9 Minuten schrieb gouvernante:

Zumindest in dem Bistum, in dem ich mich aktuell befinde, gibt es ein klares "Meldeketten"-System.

Das klingt gut!

 

Wobei es auch da jemanden gibt, der letztlich zu entscheiden hat, ob ein Verdacht so begründet ist, das weitere Schritte eingeleitet werden oder nicht. Immerhin wird es jemand sein, der die dafür nötigen Kenntnisse und Befugnisse hat. Und Fehler machen wird. Und sich damit der Vertuschung verdächtig machen wird...

 

Seit wann gibt es diese Meldekette? Wie lief das vorher ab? ich kann jeden Bischof verstehen, der mauert, weil er befürchten muß, das das die Entscheidungen der Vergangenheit mit den Erkenntnissen der Gegenwart nicht nur be- sondern auch verurteilt werden.

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vor 12 Stunden schrieb sofan:

Einen ehrlichen!  
Dunkelziffern wird es immer geben  -  und gerade bei sexuellem Missbrauch wird viel nicht nach außen getragen, sind Ermittlungen extrem schwierig.  Und:  statistische Zahlen sind eben nur Zahlen.  Jeder Einzelfall ist zu viel.  
Wichtig ist aber vor allem, dass bei Versetzung aufgrund von Missbrauchsvorwürfen die aufnehmende Pfarrei informiert wird, dass es im Vorfeld so etwas gegeben hat - zumindest die Verantwortungsträger dort.  

Was ist ein ehrlicher Umgang mit einem Verdacht?

Was macht ein Bischof, wenn ein Verdacht zwar nachvollziehbar, aber letztlich nicht belegbar ist?

Und: Was heißt 'die aufnehmende Pfarrei informieren'? Der leitende Pfarrer wird immer gewusst haben, warum gerade er auf einmal einen der viel zu wenigen Priester dazu bekommt. Wenn man die Gläubigen informiert (über einen Verdacht informiert!), dann kann man die Versetzung auch gleich bleiben lassen. Damit wird man zumindest die Spaltungen, die ein solcher Verdacht in einer Gemeinde verursacht (der eine Teil mochte den Priester noch nie, der andere Teil kann die Vorwürfe überhaupt nicht nachvollziehen) von der alten in die neue Gemeinde tragen.

Und was wäre ein ehrlicher Umgang im von Julius geschilderten Fall? In dem es letztlich über Gerüchte nicht hinaus gehen konnte?

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vor 2 Stunden schrieb Shubashi:

Wer absolute Macht in allen Fragen will, hat auch absolute Verantwortung. Ich denke, viele in der Hierarchie wollen die Krise weiter aussitzen und sich auf keinen Fall in die Karten schauen lassen, weil Nimbus und Macht für sie weiterhin an erster Stelle stehen.

Ich würde das unterschreiben. Es gibt kein (zumindest kein geäußertes) Bewusstsein dafür, dass es um strukturell unkontrollierte und sakralisierte Machtausübung geht. D.h. in der Folge, dass Aufarbeitung und Prävention (die ich inzwischen für relativ aufgestellt halte, zumindest da, wo ich Einblick habe) eben nicht reichen.

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vor 24 Minuten schrieb Moriz:

Was macht ein Bischof, wenn ein Verdacht zwar nachvollziehbar, aber letztlich nicht belegbar ist?

 

Schon diese Frage ist für mich Teil des Problems:

der Bischof sollte gar nichts tun können, sondern sich v.a. in eine Untersuchung eines dafür qualifizierten und von ihm unabhängigen Gremiums nicht einmischen dürfen.

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vor 36 Minuten schrieb Moriz:

Seit wann gibt es diese Meldekette? Wie lief das vorher ab?

Ich kenne das System, seitdem ich in diesem Bistum bin, also seit 2012. Wie es vorher ablief, kann ich nicht sagen. Ein wichtiger Teil ist, Betroffene bzw. deren Sorgeberechtigte zu ermutigen, Anzeige zu erstatten.

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vor 31 Minuten schrieb Moriz:

Und was wäre ein ehrlicher Umgang im von Julius geschilderten Fall? In dem es letztlich über Gerüchte nicht hinaus gehen konnte?

 

Auch hierfür halte ich jede bischöfliche Prärogative für fatal: Bischöfe können so Mitarbeiter unkontrolliert "für das große Ganze" opfern, ohne dass sie sich für ihre Entscheidung rechtfertigen müssen. Es muss Gremien geben, die solche Fälle völlig unabhängig von bischöflicher Patronage oder Antipathie untersuchen und deren Empfehlung zu folgen ist bzw. gegen die entweder arbeitsrechtlich oder anderweitig "Revision" eingelegt werden kann.

 

Wenn sich eines gezeigt hat, dann, dass die bisherigen Umgangsweisen der Hierarchie mit dem Problem anscheinend völlig ungeeignet sind und laufend neue Fragen und Skandale produzieren.

Es würde mich nicht wundern, wenn der Gesetzgeber hier irgendwann eingreift, und Vorgesetzte bei Strafandrohung zwingend zur strafrechtlichen Anzeige zwingt, was in meinen Augen keine gute Lösung wäre.

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vor 59 Minuten schrieb Moriz:

Was ist ein ehrlicher Umgang mit einem Verdacht?

Was macht ein Bischof, wenn ein Verdacht zwar nachvollziehbar, aber letztlich nicht belegbar ist?

 

Grundsätzlich ist Kindesmissbrauch ist eine Straftat. Schulen und Kindergärten haben einen sogenannten Schutzauftrag gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen. Daran sollte sich die Kirche orientieren. Wenn einem Bischof ein solcher Verdacht zu Ohren kommt, sollte er die Behörden -bzw. die Staatsanwaltschaft darüber informieren. Diese ist, sollten genügend Verdachtsmomente vorliegen, zu einer Strafverfolgung verpflichtet, und zwar auch ohne Strafanzeige. Das Verfahren kann auch nicht auf Wunsch des Kindes oder oder der Eltern eingestellt werden. Die Staatsanwaltschaft hat ganz andere Mittel und Möglichkeiten einem solchen Verdacht nachzugehen als es ein Bischof hat. Erhärtet sich der Verdacht, erfolgt seitens der Staatsanwaltschaft Anklage. Andernfalls wird das Verfahren eingestellt. 

 

Was tun, wenn jemand im Zweifel freigesprochen wird? Klar ist, dass, wenn der Verdacht nicht wirklich ausgeräumt werden konnte, es aber auch nicht zu einer Verurteilung reichte, die Kirche vor einem Dilemma steht für das es keine einfache Lösung gibt. 

bearbeitet von Mistah Kurtz
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Leider wieder nur eine Forderung: Strukturelle Veränderungen zur Überprüfung kirchlichen Handelns

 

Ergänzung: wobei ich eine innerkirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit jetzt primär nicht als "neutrale Instanz" einschätzen würde. Aber besser, als nichts und vielleicht ein erster Schritt.

bearbeitet von gouvernante
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vor 1 Stunde schrieb Shubashi:

 

Schon diese Frage ist für mich Teil des Problems:

der Bischof sollte gar nichts tun können, sondern sich v.a. in eine Untersuchung eines dafür qualifizierten und von ihm unabhängigen Gremiums nicht einmischen dürfen.

Und was macht der Bischof, wenn das unabhängige und qualifizierte Gremium zum Ergebnis kommt: 'Vielleicht war da was, aber genau werden auch wir das nicht herausfinden'?

Und was das 'Teil des Problems' angeht: Bei Problemen ist zunächst immer erst mal der Vorgesetzte gefragt bevor unabhängige Gremien zum Zuge kommen können. Nicht nur bei Kirchens, und nicht nur bei Kindesmissbrauch. Die 'unabhängigen Gremien' - oder auch den Vorgesetzten des Vorgesetzten - braucht man dann, wenn der Vorgesetzte Mist baut.

 

Nachtrag: Selbstverständlich haben die Betroffenen jederzeit die Möglichkeit, zur Polizei oder Staatsanwaltschaft zu gehen. Oder den diözesanen Missbrauchsbeauftragten. Aber wenn sie dies, warum auch immer, nicht wollen?

bearbeitet von Moriz
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vor einer Stunde schrieb Mistah Kurtz:

 

Grundsätzlich ist Kindesmissbrauch ist eine Straftat. Schulen und Kindergärten haben einen sogenannten Schutzauftrag gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen. Daran sollte sich die Kirche orientieren. Wenn einem Bischof ein solcher Verdacht zu Ohren kommt, sollte er die Behörden -bzw. die Staatsanwaltschaft darüber informieren. Diese ist, sollten genügend Verdachtsmomente vorliegen, zu einer Strafverfolgung verpflichtet, und zwar auch ohne Strafanzeige. Das Verfahren kann auch nicht auf Wunsch des Kindes oder oder der Eltern eingestellt werden. Die Staatsanwaltschaft hat ganz andere Mittel und Möglichkeiten einem solchen Verdacht nachzugehen als es ein Bischof hat. Erhärtet sich der Verdacht, erfolgt seitens der Staatsanwaltschaft Anklage. Andernfalls wird das Verfahren eingestellt. 

 

Was tun, wenn jemand im Zweifel freigesprochen wird? Klar ist, dass, wenn der Verdacht nicht wirklich ausgeräumt werden konnte, es aber auch nicht zu einer Verurteilung reichte, die Kirche vor einem Dilemma steht für das es keine einfache Lösung gibt. 

Bei jedem tauben Gerücht? Da wird sich die Staatsanwaltschaft bedanken! Oder darf auch der Bischof vorher seinen gesunden Menschenverstand einschalten? Was ist eine (sinnvolle!) Schwelle, ab der man in irgendeiner Weise reagiert?

Und: Darf so ein Bischof auch bedenken, daß ein öffentlich geäußerter Verdacht (in dem Sinne ist auch die Staatsanwaltschaft schon ein Teil der Öffentlichkeit) auch unermesslichen Schaden anrichten kann? Auch dann, wenn nix war?

 

Mir geht es nicht um erwiesene (oder erweisbare) Fälle, sondern um den großen Graubereich davor.

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vor 3 Stunden schrieb Mistah Kurtz:

Wenn einem Bischof ein solcher Verdacht zu Ohren kommt, sollte er die Behörden -bzw. die Staatsanwaltschaft darüber informieren. Diese ist, sollten genügend Verdachtsmomente vorliegen, zu einer Strafverfolgung verpflichtet, und zwar auch ohne Strafanzeige. Das Verfahren kann auch nicht auf Wunsch des Kindes oder oder der Eltern eingestellt werden. Die Staatsanwaltschaft hat ganz andere Mittel und Möglichkeiten einem solchen Verdacht nachzugehen als es ein Bischof hat.

 

Die ganz anderen Mittel und Möglichkeiten hat sie zweifelsohne, aber halt auch nicht immer. Im von mir oben beschriebenen Fall hatte eine verpflichtend geschulte hauptamtliche Gemeindemitarbeiterin den (früheren) Gemeindepfarrer des Missbrauchs verdächtigt, da sie meinte, dass ihr der von ihr beobachtete freundschaftliche Umgang des Pfarrers mit einer Familie als zu "eng" oder zu "vertraut" erschien. Die Eltern des von ihr benannten vermuteten Missbrauchsopfers haben dem von Anfang an energisch widersprochen und sowohl einer Befragung ihrer Kinder (insgesamt vier) durch die Missbrauchskommission als auch einer Vernehmung ihrer Kinder durch die Staatsanwaltschaft zunächst nicht zugestimmt. Letztere hat sich damals als ausserstande bezeichnet, eine Vernehmung des angeblich missbrauchten Jungen gegen den Willen der Eltern zu erzwingen. Nach einigen Monaten und unter bestimmten Prämissen haben die Eltern einer Vernehmung durch für die Vernehmung von Kindern geschulte Kripo-Beamte dann doch zugestimmt, danach hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren dann ziemlich rasch eingestellt.

 

 

bearbeitet von Julius
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vor 2 Stunden schrieb Moriz:

Und: Darf so ein Bischof auch bedenken, daß ein öffentlich geäußerter Verdacht (in dem Sinne ist auch die Staatsanwaltschaft schon ein Teil der Öffentlichkeit) auch unermesslichen Schaden anrichten kann? Auch dann, wenn nix war?

 

Dass nix war, sollte er schon die Staatsanwalt feststellen und sich durch diese bestätigen lassen. Das scheint mir so ziemlich die einzige Chance zu sein, dem bis dahin schon unvermeidbar angerichteten Flurschaden wenigstens im nachhinein noch Grenzen zu setzen und ihn - soweit das noch möglich ist - nach und nach aufzuarbeiten.

bearbeitet von Julius
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vor 4 Stunden schrieb gouvernante:

Es gibt kein (zumindest kein geäußertes) Bewusstsein dafür, dass es um strukturell unkontrollierte und sakralisierte Machtausübung geht.

Und genau daran wird vermutlich die Bewältigung der Krise auch scheitern.

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Ich kann mich an eine Fortbildung zu diesem Thema in unserem (nicht kirchlichen) Arbeitsbereich erinnern, indem das Fazit war:  Auch wenn bei einem Kind der Verdacht auf sexuellen Missbrauch (hier ging es vor allem um innerfamiliären Missbrauch) besteht, ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass dieser auch geahndet werden kann.  Uns wurde auch von der Fachfrau geraten, bei Verdacht nur dann die Polizei einzuschalten, wenn das Kind erzählt. Uns wurde auch geraten, immer zuerst nicht-polizeiliche Organisationen (z. B. Jugendamt,  o. a. )zu Rate zu ziehen.   Es wurde berichtet, dass es oft sehr lange dauert, bis nach einem Verdacht das Vertrauen des Kindes so gestärkt werden kann, dass eine Anzeige in Frage kommt.  Wir wurden auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine voreilige Anzeige dem Kind viel mehr Schaden kann als die Fortdauer des Missbrauchs.  Erfährt ein Polizist von einem vermuteten Verdachtsfall ist er verpflichtet, Ermittlungen (Befragung) gegen den Verdächtigen einzuleiten.  In diesem Fall aber kommt es nicht selten zu massiven Repressalien gegen das Kind, was eine Verurteilung des Täters extrem erschwert.  Das Kind ist nach der Nichtverurteilung dann noch mehr dem Missbrauch schutzlos ausgesetzt. 

 

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vor 6 Stunden schrieb Chrysologus:

Und genau daran wird vermutlich die Bewältigung der Krise auch scheitern.

 

Ich frage mich allerdings, ob die Krise der Kirche wirklich eine Krise ist, die allein auf dem Missbrauch fußt.  Ich frage mich, ob die Hauptursache der Krise nicht in der mangelnden Glaubwürdigkeit der Kleriker liegt.  ( Wasser predigen und Wein trinken)

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vor 5 Minuten schrieb sofan:

 

Ich frage mich allerdings, ob die Krise der Kirche wirklich eine Krise ist, die allein auf dem Missbrauch fußt.  Ich frage mich, ob die Hauptursache der Krise nicht in der mangelnden Glaubwürdigkeit der Kleriker liegt.  ( Wasser predigen und Wein trinken)

Vor 500 Jahren hat das einen Herrn Luther dazu gebracht, die Reformation samt Kirchenspaltung zu initieren.

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vor 18 Minuten schrieb sofan:

Ich frage mich, ob die Hauptursache der Krise nicht in der mangelnden Glaubwürdigkeit der Kleriker liegt.  ( Wasser predigen und Wein trinken)

Soso. Machen "die Kleriker" das?

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Julius hat zu Bedenken gegeben, dass Fortbildungen mit dem Gießkannenprinzip dazu führen könnte, dass man Missbrauch konstruiert, wo keiner gegeben ist.

 

Sagen wir mal so: Ich stehe vor einer Klasse mit 20 SchülerInnen und die Statistik sagt mir, dass eine oder zwei SchülerInnen sexuell missbraucht werden. Dieses Jahr stehe ich vor insgesamt 9 Klassen unterschiedlicher Größe, das heißt, ich habe mit plusminus 10 SchülerInnen zu tun, die sexuell missbraucht werden.

 

Ich habe Nullkommanull Möglichkeiten, diese SchülerInnen zu erkennen, geschweige denn, ihnen zu helfen, ohne dass sie auf mich zugehen.

 

Und  die Fortbildung lief nicht darauf hinaus, dass man jetzt loszieht und Missbrauchsopfer sucht. Es ging nur darum, dass man die Ohren nicht verschließt und dass man, wenn es einem zu Ohren kommt, dran ist, Vertrauensperson ist, in der Verantwortung steht.

 

Dass das System des gewählten Vertrauenslehrers Bullshit ist, wenn man ins Vertrauen gezogen wird, dann ist man der Vertrauenslehrer. Punktum. Und man darf dann nicht kneifen.

 

Komischerweise kam es schon eine Woche später zum Schwur. SchülerInnen beschwerten sich bei mir über wiederholte Tätscheleien am Kopf und am Bauch, nicht von mir, es war jemand aus dem Kollegium und zwar jemand, der diese Grenzverletzungen wiederholt, aber unreflektiert machte.

 

Und dank der Fortbildung war mir klar: Du kannst die SchülerInnen nicht an den Vertrauenslehrer überweisen, du bist dran. Und: Nicht mit dem "Beschuldigten" sprechen, jemand anderen, weiter oben, einschalten. Sache nicht runterspielen.

 

In dem Fall ging es um Verhaltensänderung der Lehrkraft und ich habe Grund zur Annahme, dass das Ziel erreicht wurde. Gerichtsmaßig wäre es aber nicht gewesen.

 

Aber gegen das, was mir nicht offenbart wird, kann ich nichts machen. Was ich gelernt habe: Zuhören und reflektiert reagieren. Verantwortung übernehmen, auch wenn Abwiegeln die konfliktfreiere Variante - auf Kosten der SchülerInnen - wäre.

 

Eine aktive Suche, ein Konstruieren von Missbrauch auf Grund eines vagen Verdachtes, das steht mir nicht zu, das kann ich nicht leisten, so leid es mir tut.

 

 

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vor 2 Stunden schrieb nannyogg57:

Julius hat zu Bedenken gegeben, dass Fortbildungen mit dem Gießkannenprinzip dazu führen könnte, dass man Missbrauch konstruiert, wo keiner gegeben ist.

 

Ich musste jetzt erst nochmal nachlesen, was mir dabei im Hinterkopf herumgegeistert ist - mei, so lange ist das schon her, die hitzigen Debatten mit der Nichte Erzieherin, die überall sexuell missbrauchte Kinder witterte ... (ähm, nein, Bischöfe waren damals noch nicht unmittelbar betroffen).

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vor 7 Stunden schrieb ThomasB.:

Soso. Machen "die Kleriker" das?

 

Der hohe Klerus ja. Angesichts der Tatsache, dass ein wiederverheirateter Chefarzt (*Gottseibeiuns*) bis vor den EuGH ziehen muss, um gegen seine Kündigung zu kämpfen, missbrauchende Kleriker aber geschützt wurden (und werden?) - eindeutig ja! 

 

Und diese Studie hat ja sogar dern eklatanten Mangel, dass die Personalakten gar nicht gesichtet werden durften. Was u.a. dem ehemaligen Bischof von Regensburg GeLuMü zu verdanken ist (glaubt man Prof. Pfeiffer).

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