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Wie stehn Christen zu der Verführung zum Abfall?


Lissie

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»Matthäus hatte gute Gründe, vor der Verführung der Kleinen zum Abfall zu warnen. Zumindest den Kleinen bekommt das nicht. Bemerkenswerterweise ist in der Einheitsübersetzung nicht mehr die Rede von Abfall. Dort heißt es: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt ...“  Damit bieten sich wesentlich mehr Gelegenheiten, andere mit dem Halsschmuck des Mühlsteins im Meer zu versenken.«

 

Eine willkommene Gelegenheit, mal wieder ein paar Übersetzungsstudien zu treiben. Folgende Fassungen von Mt 18,6 kann ich anbieten:

 

Luther: Wer aber ärgert dieser Geringsten einen, die an mich glauben, dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehänget, und er ersäuft würde im Meer, da es am tiefsten ist.

Luther rev.: Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.

Elberfelder: Wer aber irgend eines dieser Kleinen, die an mich glauben, ärgern wird, dem wäre nütze, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt, und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.

Elberfelder rev.: Wenn aber jemand einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Anlaß zur Sünde gibt, für den wäre es besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.

Schlachter: Wer aber einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.

Tafel: Wer aber ärgert einen dieser Kleinen, die an Mich glauben, dem wäre zuträglicher, daß ein Eselsmühlstein an seinen Hals gehängt und er versenkt würde in des Meeres Tiefe.

Greber: Wer aber auch nur ein einziges von diesen Kleinen, die bereits zum Glauben an mich gelangt sind, von mir trennt, für den wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er in die tiefste Stelle des Meeres versenkt würde.

Einheitsübersetzung: Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde.

Ahd. Tatian: Ther dar bisuuichit täuscht, betrügt einan fon thesen luzilon the dár in mih giloubent, biderbi ist imo daz ana si hangan quirnstein in sinan hals inti si uorsenchit in tiufi seuues.

Vulgata: qui autem scandalizaverit unum de pusillis istis qui in me credunt expedit ei ut suspendatur mola asinaria in collo ejus et demergatur in profundum maris

Textus Græcus receptus: oV d an skandalish ena twn mikrwn toutwn twn pisteuontwn eiV eme sumjerei autw ina kremasJh muloV onikoV epi ton trachlon autou kai katapontisJh en tw pelagei thV JalasshV

 

Ketelhohn: Wer aber einem dieser Kleinen, die an mich Glauben, Anstoß gibt, dem frommte, daß ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er auf hoher See ins Meer versenkt würde.

 

Anmerkung: „Anstoß geben“ ist meines Erachtens die neutralste Übersetzung, die am wenigsten interpretiert und damit festlegt. Der Begriff ist im Original aber vielschichtig („skandalisieren“). Er kommt ursprünglich aus dem Trappermilieu: Das „Skandalon“ ist eine Art Fallstrick, oder auch das Stützbrettchen, welches das Tier umreißt, um die Falle zuschnappen zu lassen. Man könnte also übersetzen: »Wer einen dieser Kleinen zu Fall bringt«, oder auch: »Wer einem dieser Kleinen eine Falle stellt«. Daran schließen sich übertragene Bedeutungen an, wie „Anstoß geben“, „Ärgernis geben“. Eindeutig ist aus dem Kontext der Bezug auf den Glauben an Christus, gemeint ist also: »Wer einen dazu bringt, Anstoß oder Ärgernis am Glauben zu nehmen«. Tatsächlich falsch ist also bloß eine der obigen Übersetzungen: die Einheitsübersetzung. Um „Verführung zum Bösen“ geht es definitiv nicht.

 

(Geändert von Ketelhohn um 12:53 - 20.Oktober.2002)

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Ketelhohn: Wer aber einem dieser Kleinen, die an mich Glauben, Anstoß gibt, dem frommte, daß ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er auf hoher See ins Meer versenkt würde.

 

Wenn man schon übersetzt, dann sollte man auch in lebende Sprachen übersetzen.

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Robert, ich bin gewaltig beeindruckt! Hut ab.

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Zitat von Franziskaner am 18:14 - 19.Oktober.2002

Hallo Cano,

die Salesianer Don Boscos sind doch im allgemeinen ein netter Haufen. Hast Du schlechte Erfahrungen gemacht? Die Bandbreite weltanschaulicher Ausrichtungen bei Besuchern von Ordenschulen halte ich im übrigen für ein  Anzeichen dafür, das die Individualität der Schüler dort gut gefördert wird.

...


Auch wenn es off-topic ist, Matthias,

 

will ich auf diesen Absatz Deines Postings etwas ausführlicher eingehen, um den Verdacht, meine weltanschauliche Position sei auf persönlich gemachte schlechte Erfahrungen mit Vertretern der katholischen Kirche zurückzuführen, zu beseitigen.

 

Das Sammeln wirklich schlechter Erfahrungen war einigen (wenigen) meiner Mitschüler vorbehalten, die in einer schon als kriminell zu bezeichnenden Weise von ihren priesterlichen Erziehern verprügelt wurden. Was meine Person betrifft, kann ich mich nur an drei körperliche Züchtigungen erinnern. Zwei davon gingen in Ordnung, auch wenn man sehr geteilter Meinung darüber sein kann, ob es vertretbar ist, Kindern mit einem Schlagballstock (die schlankere Ausführung eines Baseballschlägers) mehrere heftige Schläge aufs Gesäß zu verabreichen. Die dritte war nicht sonderlich schmerzhaft, aber pädagogisch völlig verfehlt (ich wurde geohrfeigt, weil ich ein lateinisches Wort falsch vorlas. Weil mir nicht gesagt wurde, was ich falsch mache, las ich es trotz weiterer Ohrfeigen immer wieder falsch).

 

Von schlechten Erfahrungen kann allles in allem keine Rede sein. Dafür umso mehr von wertvollen Erfahrungen, die ich ohne Internatsaufenthalt nicht gemacht hätte. Das ist allerdings nicht das Verdienst der Salesianer. Es hätte ebenso gut eine andere Kongregation oder ein anderer Orden (oder auch nichts von beidem) sein können.

 

Die Bandbreite weltanschaulicher Ausrichtungen bei Besuchern von Ordensschulen ist nach meiner Erfahrung nicht darauf zurückzuführen, daß Orden die Individualität der Schüler fördern. Sie versuchen eher, das Gegenteil zu erreichen, wobei ihnen jedoch der Erfolg versagt bleibt, weil sich unter den Schülern Widerstandsgruppen bilden, in denen sich die individualistisch Veranlagten zusammenschließen. Ich hatte das Glück, in einer solchen Gruppe eine führende Rolle zu spielen. Erstaunlicherweise wurde das sogar honoriert. Ich konnte mir sanktionslos einige Freiheiten herausnehmen, die sich andere nicht erlauben konnten.

 

Ich habe bei den Salesianern wenig gelitten, manches Abenteuer erlebt, jede Menge Spaß gehabt und viel gelernt, u.a. auch das Traktorfahren. Als ich es schon konnte, habe ich im Übermut ein Garagentor zu Kleinholz gemacht. Ein Mitschüler hat es sogar durch die Garagenrückwand bis in Nachbars Garten geschafft. Auch das wurde uns verziehen. Nach kurzer Sperre durften wir wieder fahren, ohne Führerschein und selbst auf öffentlichen Straßen. Es waren herrliche Zeiten.

 

Weniger amüsant war der allmorgendliche Besuch der Hl. Messe. Ich verstand es jedoch schon recht früh, das Unangenehme mit dem Nützlichen oder Angenehmen zu verbinden. Entweder lernte ich Vokabeln oder las Jerry-Cotton-Romane, während meine Mitschüler pflichtbewußt ihre Sprüchlein aufsagten und den Mann am Altar bei Laune hielten. Als ich dann eines Tages (viel später als erwartet) beim Krimilesen erwischt wurde, beschloß ich, die Gefahr des nochmaligen Ertapptwerdens dadurch auf ein Minimum zu reduzieren, daß ich nur noch selten an der Messe teilnahm. Ob mein Fernbleiben tatsächlich nicht auffiel oder ob es nur niemandem auffallen wollte, weiß ich bis heute nicht. Für letzteres spricht, daß sich unsere priesterlichen Erzieher als auffallend konfliktscheu erwiesen. So wußten sie beispielsweise genau, daß nachts auf den Zimmern der Bär los ist. Aber nie hat sich einer blicken lassen, um dem unzüchtigen Treiben Einhalt zu gebieten.

 

Zusammenfassend und in nicht ganz unverklärtem Rückblick kann ich zu den Salesianern Don Boscos nur sagen: Sooo übel waren die Burschen nicht.

 

Herzliche Grüße

Cano

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Zitat von lissie am 22:18 - 18.Oktober.2002

Gerade in der Altersliste gefunden (von Nepomuk zitiert) :

 

"Warnung vor Verführung zum Abfall (aus dem 18.Kapitel)

 

6Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist. 7Weh der Welt der Verführungen wegen! Es müssen ja Verführungen kommen; doch weh dem Menschen, der zum Abfall verführt!

 

 

Welche Bedeutung hat es im heutigen "V2-Christentum", wenn es ein Un- oder Andersgläubiger durch Argumentation schafft, einen Christen vom Glauben abzubringen?

 

Matthäus scheint ja darin so ziemlich das Schlimmste vom Schlimmsten zu sehen. Die größte Sünde? Ist das noch aktuell? Und wie soll man mit solchen "Abfallverführern" umgehen?

 

 

 

 

 

(Geändert von lissie um 22:19 - 18.Oktober.2002)


 

Es geht nicht darum, wie man damit umgeht, sondern Matthäus überliefert, daß derlei Taten den "Verführern" von Gott nicht als Heil angerechnet werden.

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Zitat von ubiveritas am 16:30 - 19.Oktober.2002

Horoskopen und magischen Pendeln begegnet man im allgemeinen mit Kopfschütteln und dem Verweis auf den Verstand. Hier fordert man ein "mehr" davon, gegen leichten Glauben. Die Frage sollte lauten: Warum wird nicht gleiches bei religösen Glaubensdingen gefordert?

 

Es ist für mich immer wieder ein staunenswertes Phänomen, dass Gläubige dem Glauben sehr wohl kritisch gegenüber stehen können - wenn auch nicht dem eigenen Glauben. Und diese Glaubenskritik richtet sich nicht nur gegen Pendeln und Astrologie, was nur quasi-religiös ist, sondern vor allem auch gegen artverwandte Glaubensformen.

 

Das wäre ein eigenes Thema wert.

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Zitat von Martin am 12:26 - 20.Oktober.2002

Es geht nicht darum, wie man damit umgeht, sondern Matthäus überliefert, daß derlei Taten den "Verführern" von Gott nicht als Heil angerechnet werden.


 

Das wäre ganz schön und gut, wenn nicht Gläubige zu allen Zeiten (außer, wenn sie schwach waren) dies zum Anlaß genommen hätten, wirkliche Mühlsteine an Menschen zu binden und sie dann beide ins Meer zu versenken.

 

Wobei die verbrannten Häretiker über diese Hinrichtungsform sicher noch geradezu erleichtert gewesen wären.

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Zitat von Stefan am 1:23 - 20.Oktober.2002

Ketelhohn: Wer aber einem dieser Kleinen, die an mich Glauben, Anstoß gibt, dem frommte, daß ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er auf hoher See ins Meer versenkt würde.

 

Wenn man schon übersetzt, dann sollte man auch in lebende Sprachen übersetzen.


 

Mal EINE Ergänzung dazu.

 

Es wäre besser, sie hätten diese Tat nicht ausführen können. Es wäre sogar besser für sie gewesen,  wenn sie vorher gestorben wären, falls dieses das einzige gewesen wäre, was sie davon hätte abhalten können. Extrem. Und damit nicht zu übersehen.

 

Interessant mag auch sein, den Ort dieses Todes zu beachten.

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Zitat von Volker am 12:34 - 20.Oktober.2002


Zitat von Martin am 12:26 - 20.Oktober.2002

Es geht nicht darum, wie man damit umgeht, sondern Matthäus überliefert, daß derlei Taten den "Verführern" von Gott nicht als Heil angerechnet werden.


 

Das wäre ganz schön und gut, wenn nicht Gläubige zu allen Zeiten (außer, wenn sie schwach waren) dies zum Anlaß genommen hätten, wirkliche Mühlsteine an Menschen zu binden und sie dann beide ins Meer zu versenken.

 

Wobei die verbrannten Häretiker über diese Hinrichtungsform sicher noch geradezu erleichtert gewesen wären.


 

 

Das ist richtig, Volker. Und ich sage klipp und klar, daß es verbrecherische Anmaßung dieser Menschen war, so zu handeln. In der Nachfolge Jesu standen diese Menschen zweifelsfrei nicht. Siehst du es anders?

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Hallo Cano,

vielen Dank für die offene Schilderung Deiner Kindheit bei den Salesianern. Meine Bemerkung war er flapsig gemeint. Obwohl ich keine persönlichen Erfahrungen habe, vermute ich mal, das es durchaus auch viele Menschen gibt, die schlechte Erinnerungen an eine Ordenserziehung haben. Manche sind sicher begeistert, und bei den meisten (wie bei Dir) ist es durchwachsen, wie das meiste im Leben.

 

Viele Grüße, Matthias

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Werner agnosticus


Zitat von Ute am 12:01 - 20.Oktober.2002

Robert, ich bin gewaltig beeindruckt! Hut ab.


Ts ts ts

 

Du weißt doch: Hut ab reicht bei Robert nicht.

Kopf ab zum Gebet!

 

(war das nach dem neuen Forumsprofil jetzt schon zuviel Ironie und muß gelöscht werden?)

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Zitat von lissie am 22:18 - 18.Oktober.2002

Gerade in der Altersliste gefunden (von Nepomuk zitiert) :

 

"Warnung vor Verführung zum Abfall (aus dem 18.Kapitel)

 

6Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist. 7Weh der Welt der Verführungen wegen! Es müssen ja Verführungen kommen; doch weh dem Menschen, der zum Abfall verführt!

 

 

Welche Bedeutung hat es im heutigen "V2-Christentum", wenn es ein Un- oder Andersgläubiger durch Argumentation schafft, einen Christen vom Glauben abzubringen?

 

Matthäus scheint ja darin so ziemlich das Schlimmste vom Schlimmsten zu sehen. Die größte Sünde? Ist das noch aktuell? Und wie soll man mit solchen "Abfallverführern" umgehen?


 

Hallo Lissie,

 

wenn ich mich diesem Zitat nähere, denke ich zuerst über den "Verführer" nach.

 

Verführer sind für mich Menschen die zu ihrem eigenen Wohl handeln. Sei es sexueller  oder materieller (Geld) Natur oder einfach "nur" Machtausübung. Sie handeln also nicht, um den "Kleinen" zu helfen oder etwa vom falschen Weg abzubringen.

 

Um es gleich hier zu sagen, ein handfeste Argumentation um den Glauben oder den Inhalten fällt somit nicht unter mein Verständnis von "Verführern", im Gegenteil. (Atheisten sehen ja etwas, was der Gläubige nicht sieht. Sollen sie dann den "Blinden" in die Grube fallen lassen?

Da sie helfen wollen, sehe ich sie mit diesem von Dir zitierten Bibelzitat als nicht gemeint an)

 

Was allerdings die Verführer ihrer Seele antun, vermute ich, das sie letztendlich kein Vertrauen mehr zu anderen finden können, denn der Andere könnten ja auch potentielle Verführer sein. Sie zerstören selbst ihr eigenes Vertrauen durch ihre Handlung.

 

Wenn sie da erstmal durchblicken, wäre ein Stein am Hals und im See versenkt und Tod sein, schon eine richtige "Wohltat". Allein kommen sie aus dieser selbst erzeugten Hölle (Ort wo es keine Hoffnung und Liebe mehr gibt) selbst nicht mehr heraus.

 

gruss

peter

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Werner agnosticus


Zitat von lissie am 23:18 - 18.Oktober.2002

Welche Bedeutung hat es im heutigen "V2-Christentum", wenn es ein Un- oder Andersgläubiger durch Argumentation schafft, einen Christen vom Glauben abzubringen?

 

Matthäus scheint ja darin so ziemlich das Schlimmste vom Schlimmsten zu sehen. Die größte Sünde? Ist das noch aktuell? Und wie soll man mit solchen "Abfallverführern" umgehen?

Es lohnt sich vielleicht, die Sprachregelungen zu diesem Themenkomplex etwas näher zu beleuchten.

 

Beginnen wir neutral deskriptiv:

Es gibt das Phänomen, daß Menschen ihre Weltanschauung mehr oder weniger grundlegend ändern, ihre bisherige Weltanschauung als falsch oder nicht mehr überzeugend verwerfen und sich eine neue wählen oder basteln (die sich i.a. zumindest in erheblichen Teilen an irgendeine bereits vorfindliche Weltanschauung anlehnt). Weltanschauungswechsel oder Überzeugungsänderung oder Konversion können als neutrale Bezeichnung für all diese Vorgänge verwendet werden. Daß ggf. Dritte durch Vorbild, Informationsweitergabe, Argumentation oder auch Überredungskunst oder Drohungen darauf gewollt oder ungewollt Einfluß nehmen, ist plausibel, wenn auch im Einzelfall nie mit letzter Sicherheit zu klären. Einflußnahme (beabsichtigt) oder Einwirkung (unbeabsichtigt) wären geeignete neutrale Beschreibungen.

 

Der hier übliche Sprachgebrauch ist anders und zweigleisig:

Erfolgt der Weltanschauungswechsel hin zum Christentum, so heißt dies Bekehrung oder Erkenntnis Gottes und ist etwas unheimlich Tolles. Eine in diese Richtung zielende Einflußnahme wird als Mission oder Verkündigung des Evangeliums bezeichnet und ist auch etwas ganz Tolles, ist geradezu Pflicht.

Erfolgt der Weltanschauungswechsel dagegen weg vom Christentum, so heißt dies Abfall oder Apostasie und ist etwas unheimlich Schlimmes. Eine in diese Richtung zielende Einflußnahme wird als Verführung zu Abfall bezeichnet und ist auch etwas ganz Furchtbares, ist geradezu das Schlimmste vom Schlimmsten.

Spricht man mit einem Muslim, so findet man praktisch die gleiche Sprachregelung (außer daß es "Koran" statt "Evangelium" heißt) - bloß daß er etwas ganz anderes damit meint: Was dem Christen Bekehrung ist, das ist für den Muslim ggf. Abfall und umgekehrt. weil jeder von beiden seine Weltanschauung in den Mittelpunkt stellt und das Hin zu ihr über den grünen Klee lobt, das Fort von Ihr verteufelt.

 

Fazit:

Bekehrung und Abfall, Mission und Verführung sind keine objektiven Sachverhalte, sondern sind extrem wertende und emotionalisierende, rein subjektive Schwarz-Weiß-Denkschablonen, deren undifferenzierte Verwendung (Peter zeigt, daß es auch ganz anders geht) einen Mangel an kritischer Selbstreflexion offenbart und belegt, daß jemand seine Anschauungen als den Nabel der Welt betrachtet.

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Zitat von Martin am 21:48 - 22.Oktober.2002

Wie steht der Ehepartner zur Verführung zum Ehebruch?

 

Das kann man so pauschal nicht beantworten. Ich sehe auch keinen Zusammhang mit dem Threadthema.

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Den Zusammenhang zum Thema sehe ich schon - Abkehr vom Glauben und Ehebruch fallen für mich beide in die Kategorie "Treulosigkeit". Ansonsten: frag' mal Ute nach der Anna Logie ;).

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Zitat von Lichtlein am 23:17 - 22.Oktober.2002

Den Zusammenhang zum Thema sehe ich schon - Abkehr vom Glauben und Ehebruch fallen für mich beide in die Kategorie "
Treulosigkeit
". Ansonsten: frag' mal Ute nach der Anna Logie .

 

Wem soll jemand, der dem Glauben abschwört, treu bleiben? Wer aufhört zu glauben, für den hört auch Gott auf zu existieren.

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Die Anna L. bringt mich auf einen andern Gedanken: nämlich das Wort "Abfall" mit gewissen Assoziationen zu Müll.

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Zitat von Martin am 21:48 - 22.Oktober.2002

Wie steht der Ehepartner zur Verführung zum Ehebruch?


 

Das kommt auf die Ehe an, den Ehepartner, den Ehebruch-Partner,  und vor allem die Definition von "Ehebruch".  

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"Wie stehn Christen zu der Verführung zum Abfall?"

 

Es gibt den Verführer,

den Verführten,

und den, der dazu beiträgt, daß der zu Verführende sich verführen lassen könnte.

 

Und daraus könnte sich dann doch eine Geschichte nach dem Abfall ergeben.

 

 

Also gibt es einige interessante Ansatzpunkte. Vielleicht könnte man mal die Betreffenden identifizieren und mit Geschichten/Beispielen lebendiger machen?

 

Herzliche Grüße

Martin

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Zitat von Martin am 12:43 - 23.Oktober.2002

PS: Was denst du, Lissie, sind wir noch im Thema deines F&A-Threads?


 

Ein typischer Fall, Martin, wo abzusehen war, daß wir den F&A-Bereich (sofern man hier Ordnungsliebe über Diskussionslust stellt) nach einigen sachbezogenen Antworten verlassen würden.

 

Ich wollte zunächst wirklich nur wissen, wie die ofizielle Kirchenlehre heute zu dem drastischen Mathäus-Zitat steht - es gibt ja, ebenso wie bei der Höllen-Exegese- mehrere Möglichkeiten: Z.B. : Man Versteht unter Verführung nur noch "Einwirkung auf einen anderen unter niedrigen Motioven".

 

Aber es wird eigentlich erst dann interessant, wenn man beginnt, darüber zu diskutieren, ob die Kirche unter Mission zum christlichen Glauben  keine Verführung versteht oder ob bereits sachliche  Aufklärung und Ermutigung zur Befreiung von Glaubensketten mithilfe des Verstandes den Tatbestand der Verführung erfüllt.

 

Und wenns interessant wird, dann heißt es im Regelfall immer: Ab in die Arena.

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Nix da - Ihr seid noch voll am Thema dran, da wird nicht verschoben. Und hört bitte auf, dauernd zu überlegen, ob jetzt zu verschieben ist - sonst landet das Ganze nicht bei den Gladis, sondern im neuen Board.

 

Missionierung und Verführung zum Glaubensabfall stehen meiner Ansicht nach in engem Zusammenhang - warum hatten die Taliban denn so lange die Mitarbeiter dieser humanitäten Organisation (Name fällt mir grad' nicht ein) festgesetzt - oder warum wurde denn der evangelikale Bibelimporteur in China zum Tode verurteilt? Doch genau wegen Missionierungsversuchen - weg vom alleinseligmachenden Islam und Kommunismus (vorsicht, Ironie!).

 

Auch die Vorgehensweise der Kirche in früheren Zeiten sehe ich sehr kritisch; Mission mit Feuer und Schwert - der es nicht um den Glauben, sondern um Macht geht, halte ich für höchst verwerflich.

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>Vielleicht könnte man mal die Betreffenden identifizieren und mit Geschichten/Beispielen lebendiger machen? <

 

Das würde zu der Frage führen: wer war schon mal an der "Entreligiösierung" (gibt es dafür ein Wort? ) eines Menschen beteiligt und kann davon berichten?"  

 

 

Mich interessiert aber immer noch am meisten, wann (im Sinne der Kirchenlehre) der Tatbestand der "Verführung zum Abfall" eigentlich gegeben ist?  

 

Werner hat ja schon die Basis-Definition geliefert. (Das sollte man eigentlich immer erst abwarten, es erspart Zeit und Denkfehler )

 

Einflußnahme (beabsichtigt) oder Einwirkung (unbeabsichtigt) wären geeignete neutrale Beschreibungen.

 

Der hier übliche Sprachgebrauch ist anders und zweigleisig:

Erfolgt der Weltanschauungswechsel hin zum Christentum, so heißt dies Bekehrung oder Erkenntnis Gottes und ist etwas unheimlich Tolles. Eine in diese Richtung zielende Einflußnahme wird als Mission oder Verkündigung des Evangeliums bezeichnet und ist auch etwas ganz Tolles, ist geradezu Pflicht.

Erfolgt der Weltanschauungswechsel dagegen weg vom Christentum, so heißt dies Abfall oder Apostasie und ist etwas unheimlich Schlimmes. Eine in diese Richtung zielende Einflußnahme wird als Verführung zu Abfall bezeichnet und ist auch etwas ganz Furchtbares, ist geradezu das Schlimmste vom Schlimmsten.

 

So, und jetzt  die Frage: Versteht man auch heute noch unter jeder Art von Einflußnahme (beabsichtigt) oder Einwirkung (unbeabsichtigt) in Richtung "Glaubensabfall" bereits "Verführung"?  Und was ist mit der Bekräftigung von Gläubigen, die sich evtl. nur  teilweise "kirchenunkonform" verhalten wollen, aber noch unschlüssig sind? (Beispiel: Ich rate einem gläubigen Katholiken zur Scheidung o.ähnl.)

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