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Wer ist Gott?


Martin

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Lieber Volker,

 

"Ich war früher mal Christ, sogar ein Katholik. Ich bin fast 20 Jahre jeden Sonntag zur Kirche gegangen"

 

Sorry, aber das begreife ich nicht. Du wusstest hier noch nichtmal, wofür das Kreuz symbolisch steht (und hast es als Symbol für Tod und Folter dargestellt), oder was Eucharistie eigentlich bedeutet!

 

Naja gut, ich kann es nicht beurteilen, wie weit es mit Deinem Christsein her ist/war, und ich will es auch gar nicht versuchen.

 

"Denn um die Kritik zu verstehen, müsstest Du die Grundlagen atheistischen Denkens verinnerlicht haben, erst dann wüsstest Du um ihre Berechtigung"

 

Auch ich war mal überzeugter Atheist, Volker

 

Abgesehen davon stimme ich Dir zu: Diese Art von Argument gilt tatsächlich für jede Ideologie/Religion oder Denkrichtung, es sei denn, sie ist so profan, dass auch der uneingeweihte Laie sie auf Anhieb erfassen kann (und das ist bei keiner mir bekannten Religion oder Ideologie der Fall). Das Argument wird allerdings nicht dadurch unzulässig, dass es so allgemein auf fast jede Philosophie zutrifft.

 

Um nochmal auf Deine ursprüngliche Aussage zurückzukommen, die Gewissheit des Glaubens sei nur eine Illusion: Das wird verständlicherweise von Dir so empfunden, weil Du im christl. Glauben offensichtlich kein Zuhause gefunden hast, und es verworfen hast.

 

Umgekehrt ist für mich aus heutiger Sicht die Gewissheit des Atheismus eine Illusion, dass alles nur auf Materie beschränkbar sei - und damit sind wir quitt

 

"Es gibt weltweit nur eine Physik, unabhängig von Kultur und ohne einen zentralen "Physik-Guru", "

 

Du hast einen ganz wichtigen Umstand übersehen: Die Physik beschreibt lediglich mittels der Mathematik natürliche Vorgänge, aber sie erklärt sie nicht. Die Physik erklärt *GAR NICHTS*, und dass macht sie von den Naturwissenschaften zu den glaubwürdigsten, denn sie ist weitgehend interpretationsfrei (im Gegensatz zur Biologie z.B.). Der Physiker beobachtet Naturvorgänge und reduziert sie aufs Wesentlichste, dann sucht er nach Formeln, um sie zu beschreiben. Mittels Experiment verifiziert er die Beschreibung, und stellt nicht selten fest, dass sie falsch war

Da die Physik nur die Natur beschreibt, gibt es zwangsläufig nur eine Physik, denn es gibt auch nur eine Natur ,und ihre Gesetze sind überall (zumindest auf unserer Erde) gleich.

Ganz anders sieht das aus mit geistig-philosophischen Disziplinen, die *ERKLÄREN* wollen. Die sind zwangsläufig auf Interpretationen, Annahmen und Glauben angewiesen, und daher ist die Welt voll von schlauen Büchern mit x verschiedenen Erklärungen zu diesem oder jenem Vorgang oder Lebensaspekt.

 

"Gute Argumente zeichnen sich dadurch aus, dass man sie nachvollziehen kann, und das man unabhängig voneinander zu denselben Schlüssen kommt"

 

Genau das ist der Punkt: Die Physik verlangt von jeder Aussage oder Hypothese, dass sie durch ein Experiment belegt werden kann, welches jederzeit und jederorts reproduzierbar ist. Dadurch gelangt sie zu mehr oder weniger gültigen Naturbeschreibungen, aber niemals zu Erklärungen derselben - das ist auch gar nicht das Ziel der Physik. Der Physiker gibt sich damit zufrieden, Formeln zu finden und soweit wie möglich "die Welt" mittels Mathematik zu beschreiben - sie zu interpretieren und zu erklären ist Aufgabe der Philosophie und Religion.

 

Deshalb hinkt Dein Vergleich, denn Du stellst an die Religion die gleichen Ansprüche wie an die Physik, was zwangsläufig nicht funktionieren kann, weil sie beide völlig unterschiedliche Ziele verfolgen. Soviel dazu.

 

"Aber dieselben "Empfindungen" habe ich bei Marxisten gefunden, bei orthodoxen Psychoanalytikern, bei Faschisten"...

 

Das ist Quatsch, denn in allen oben genannten Ideologien spielt eine Liebe zu Gott nicht die geringste Rolle; es sind pure Verstandesgebilde. Die Gewissheit des Glaubens kommt aus dem Herzen und aus der Liebe zu Gott (und *vor allem* aus der selbst empfundenen Liebe Gottes, der man sich öffnet), und ist nicht vergleichbar mit der "Gewissheit" auf Verstandesebene - die nicht annähernd auf die von mir geschilderte Gewissheit heranreicht, und daher umsomehr mit Radikalität und Fanatismus untermauert werden muss (quasi also Kompensation der eigenen Zweifel).

Wie gesagt, die von Dir oben genannten Ideologien sind pure Verstandesgebilde und bloße Gedankengebäude - die tief im Herzen wahrgenommene Glaubensgewissheit aber, die aus der empfundenen Liebe Gottes entspringt, kann ein Marxist oder Faschist NIE IM LEBEN haben! Er mag noch so überzeugt sein, aber diese Überzeugung kommt nur aus dem Verstand, und nicht aus dem Herzen - also nicht aus der Liebe (sondern im Gegenteil - da der Verstand zur Selbst-Überzeugung ein äusserst schwaches Instrument ist - aus dem Hass, welcher eigene Zweifel kompensiert).

 

", bei Hinduisten, bei Buddhisten, bei Taoisten, bei Shintoisten usw. usf. Auch die sind alle gleichermaßen von der Richtigkeit überzeugt."

 

Da stimme ich eher zu (wenngleich ich verständlicherweise nicht nachvollziehen kann, was irgendein Hindu empfindet). Die von mir geschilderte und empfundene Gewissheit kommt tief aus dem Herzen; man fühlt die Liebe Gottes und bekommt darin die direkte Bestätigung für seinen Glauben - soetwas kann es überhaupt nur in Religionen geben, aber niemals z.B. im Faschismus oder Marxismus.

 

Bleibt noch zu fragen, ob Du wirklich jemals in den Genuß dieses Glaubenserlebnisses gekommen bist!

 

"Empfindungen sind kein Ersatz für Nachdenken und logisches Schließen und Experimente etc"

 

Versteh doch endlich, dass Wissenschaft und Religion zwei völlig unterschiedliche Dinge sind! Ich akzeptiere wissenschaftliche Erkenntnisse genauso wie Du auch - solange sie eine objektive (am besten rein mathematische) Beschreibung von Naturvorgängen sind. DAS ist im eigentlichen Sinne Wissenschaft. Was drumherum wuchert, diese ganze philosophische Vergewaltigung wissenschaftlicher Erkenntnisse, um dann irgendwelche Ideologien und Weltanschauungen daraus zu stricken - das hat mit Wissenschaft nichts zu tun, wenngleich sich viele Wissenschaftler leider diesem Trend anbiedern und sich als die Priester der Neuzeit aufspielen. Die Wissenschaft an sich tut nichts anderes, als zu beobachten und zu beschreiben; und wenn möglich verschafft sie dem Menschen dadurch Vorteile oder hilft Leid zu mindern.

 

Sobald sie aber anfängt, "die Welt zu erklären" und zu interpretieren, wird sie zutiefst unwissenschaftlich und unglaubwürdig.

 

Da muss man einfach klar trennen zwischen: Die Welt beobachten und mathematisch-objektiv beschreiben - das ist Wissenschaft. Oder: Die Welt zu interpretieren und erklären zu versuchen - das ist religiös oder philosophisch.

 

In der Biologie verschwimmen zur Zeit die Grenzen, da die beobachteten Vorgänge so unermesslich komplex sind, dass am laufenden Band fehlendes Wissen durch bloße Spekulation ersetzt werden muss. Weiterhin leidet die Biologie unter der Tatsache, dass viele Vorgänge im Verborgenen ablaufen, und sich nicht oder nur äusserst schwer beobachten lassen, wodurch noch weniger Raum zu nachprüfbaren, objektiven Erkenntnissen gegeben ist. Berücksichtigt man noch den enormen gesellschaftlichen und ökonomischen Druck auf die moderne Biologie (den sie mittels völlig absurder Heilsversprechen zwecks besserer Finanzierung von Seiten der Industrie selbst hervorgerufen hat), dann kann man verstehen, warum sie heute so dermassen leichtfertig völlig unobjektive Behauptungen in den Raum stellt.

 

Daher steht sie was die Wissenschaftlichkeit und Objektivität anbelangt weit unter der Physik.

 

Interessanterweise sind es oftmals gar nicht die Wissen-schaftler selbst, die spektakuläre Aussagen wie "Wir haben den Ursprung der Religion im menschlichen Hirn gefunden" oder ähnlichen absurden Irrwitz verbreiten. Es sind oft populärwissenschaftlichen Magazine, die mit solchen Schlagzeilen natürlich bessere Verkauszahlen erzielen, als wenn sie die Wahrheit wiedergeben würden, und von Prof. Dr. XYZ und seiner 400-seitigen Forschungsarbeit berichten, die das Zusammenspiel von Transmitter X und Hormon Y bei abstrakten Denkvorgängen zu ergründen versucht. Sowas ist "langweilig" und bringt nicht viel Kohle ein; daher müssen reisserische Schlagzeilen und dreiste Behauptungen her.

 

Was die pure Wissenschaft angeht, deren Erkenntnisse stehen für mich in keinerlei Widerspruch zu meinem Glauben. Nur der schwarze Sumpf aus pseudo-wissenschaftlichen philosophischen Betrachtungen, die völlig unobjektiv und willkürlich sind, den weise ich weit von mir. Ich verurteile solche Weltanschauungen auch als Augenwischerei und Lügengebilde, weil sie sich mit dem Ansehen der Wissenschaft schmücken, und doch selbst jeder Wissenschaftlichkeit und Objektivität entbehren.

 

"Kein Physiker käme auf die Idee, jedem, der nicht die Grundvoraussetzungen der Physik teilt und an sie glaubt, die Möglichkeit zum Verstehen der Physik pauschal abzusprechen"

 

Pauschal sicher nicht, aber er würde Dir sagen: Lieber Volker, bevor Du die kirchhoffschen Gesetze verstehen kannst, musst Du erstmal die mathematischen Grundlagen pauken! Und solange Du keine Vektorrechnung beherrschst, kannst Du das Newton's Gesetz nicht verstehen.

 

Mit anderen Worten: bevor Du Dich nicht einlässt und einarbeitest, kannst Du die Physik nicht nachvollziehen, und auch nicht bewerten.

 

Nichts anderes habe ich von der Religion behauptet: von aussen kann man sie nicht verstehen. Das hat aber mit pauschal nichts zu tun, denn generell ist die Möglichkeit jedem gegeben.

 

Deine übrigen Ausführungen über Physik und Religion sind sinnlos, da sie (wie ich oben beschrieb) die fundamentale Tatsache ausser acht lassen, dass Physik und Religion zwei völlig unterschiedliche Ziele verfolgen.

Von der Physik kann und wird Nachprüfbarkeit und Reproduzierbarkeit verlangt, WEIL SIE NUR BESCHREIBT. Von der Religion kann das nicht verlangt werden, weil sie erklärt und interpretiert - und Erklärungen und Interpretation können (je nach Sichtweise des Betrachters) einleuchtend sein, oder auch nicht, aber sie sind selbstverständlich nicht objektiv nachprüfbar. Man könnte sie höchstens widerlegen, wenn sie grobe Widersprüche aufweisen.

 

Wenn Du glaubst, es gäbe keinen Gott, dann ist das im übrigen genauso unphysikalisch und unwissenschaftlich wie mein Glaube auch, denn dies ist eine blosse Behauptung und nicht verifizierbar. Ebenso verhält es sich mit dem Leben nach dem Tod: Wer es bestreitet, der stellt eine blosse Behauptung auf, die wiederum nicht belegbar ist, und steht somit auf der gleichen Stufe, wie jemand der an ein Fortleben nach dem Tod glaubt.

 

Wissenschaftlich wäre in diesen Fragen nur absolute Neutralität.

 

Wenn Du also von mir Wissenschaftlichkeit forderst, dann müsstest Du sie selbst erstmal ernstnehmen, und weder glauben noch interpretieren noch erklären, sondern bloss beobachten. Am besten möglichst objektiv, also jede Beobachtung auch noch mathematisch ausdrücken und nachrechnen! Dann würdest Du Deinen eigenen Anspruch der Wissenschaftlichkeit und Objektivität erfüllen, aber auch nur dann!

 

So funktionieren Menschen allerdings nicht, denn jeder Mensch ist auf Glaubensannahmen, Interpretationen und Erklärungen angewiesen. Er kann schlicht und einfach nicht in einem neutralen Vakuum leben; ohne irgendeine Annahme über Leben, Gott und die Welt zu machen.

 

Somit ist Wissenschaftlichkeit nur in winzigen Teilausschnitten des Lebens praktizierbar - und mit der Physik hast Du das bestmögliche Beispiel dafür genannt, denn diese Disziplin erfüllt ihren Anspruch auf Wissenschaftlichkeit tatsächlich! - aber für das praktische Leben ist sie aus den oben genannten Gründen nicht durchführbar.

 

Daher kann ich Deine Forderung nach Wissenschaftlichkeit nicht ernst nehmen, denn Du kannst sie genausowenig wie ich erfüllen (ebensowenig wie sonst irgendein Mensch auf diesem Planeten).

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