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Solidarität mit den Armen


Aleachim

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Irgendwo hinzugehen mit der Attitüde "Ich schnek' euch jetzt mal ein bißchen Würde" kommt vermutlich auch nicht gut. An erster Stelle gehört mE das aufmerksame Zuhören/Zusehen, was der/die andere von Dir möchte. Möglicherweise sogar, daß Du aus ihrem Leben wieder schnellstmöglichst verschwindest (die Erfahrung durfte ich mal in Ballymun machen - es hat mich reicher, nicht ärmer gemacht).

Wie immer hast du Recht. ;) Ganz so war es natürlich auch nicht gemeint. Ich würde vielleicht sagen, dass dieses aufmerksame Zuhören/Zusehen schon das ist, oder sein kann, was eben Würde schenkt...?

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Würdet ihr zustimmen, dass es eigentlich nichts bringt, einfach nur mit den Armen zu leben, und so gut es geht für sie da zu sein?

Nein!

 

Das kann sehr wertvoll sein - wertvoller als manches Hilfsprojekt.

Was vielen Menschen fehlt, ist ihre Würde. Reiche können sich eine "Ersatzwürde" kaufen, indem sie sich über ihren Besitz definieren, armen Menschen fehlt diese Möglichkeit (trotzdem geben auch Arme Geld für Statussymbole aus, es fehlt dann anderswo).

Wer dazu berufen ist und einfach mit den Armen mitlebt, kann ihnen auf diese Weise ein Stück ihrer Würde geben.

Ich empfinde das zwar auch so, aber mir ist eigentlich gar nicht klar, warum. Warum gibt man den Armen dadurch ein Stück Würde, dass man freiwillig mit ihnen lebt? Ich würde fast sogar soweit gehen und sagen, dass gerade manch materielle Spende die Würde nimmt. Ich kann aber nicht recht in Worte fassen, warum das so ist.

Es gibt da die Geschichte von dem französischen Schriftsteller, der als junger Mann jeden Tag an einer Bettlerin vorbeikam und ihr ein paar Münzen schenkte. Als er eines Tages selbst kein Geld hatte, schenkte er ihr eine Rose. Daraufhin war die Bettlerin für eine Weile verschwunden. Als sie wieder da war, fragte er sie, wovon sie denn in der Zwischenzeit gelebt habe. Und sie antwortete: "Von der Rose".

 

Eine Ordensschwester erzählte mir mal von einer Begebenheit in einem ärmeren Land, wo es üblich ist, daß Halbwüchsige an roten Ampeln die Frontscheiben der wartenden Autos waschen in der Hoffnung auf ein paar Münzen. Da sie selbst, die auch nur von Spenden lebte, nichts zu geben hatte als ein paar freundliche Worte. Und daß diese Freundlichkeit in dem Moment dem jungen Scheibenputzer wohl mehr gegeben hat Geld.

 

Ich würde mal salopp und provokant sagen, es gibt weitaus Schlimmeres, als materielle Armut das Schlimme sind die fast zwangsläufigen Folgeerscheinungen. Irgendwie möchte ich wohl die bekämpfen. Wenn ich das so schreibe, kommt mir das aber ziemlich dumm vor. Wenn die Armut der Auslöser für diese Probleme ist, ist es doch sinnvoller, an der Ursach anzusetzen und nicht an den Symptomen herumzudoktern.

Armut ist relativ. Als ärmste Länder der Welt gelten die, wo die Leute nicht mehr als umgerechnet einen Euro pro Tag haben. In Deutschland liegt das Existenzminimum bei einem Euro pro Stunde...

 

Es geht auch nicht um akut lebensbedrohenden Mangel. Wo die Leute am verhungern sind muß man natürlich mit entsprechenden Spenden helfen. Das geschieht ja auch. Aber da, wo das Materielle zum überleben reicht, ist die Frage der Armut anders anzugehen.

In dem Sinn ist wohl auch die aktuelle massive Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten in Südeuropa ein massives Armutsproblem. Die haben zwar alle ein Dach überm Kopf und genug zu Essen ("Hotel Mama") - aber keine Zukunft.

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Es gibt da die Geschichte von dem französischen Schriftsteller, der als junger Mann jeden Tag an einer Bettlerin vorbeikam und ihr ein paar Münzen schenkte.....

 

 

 

Nicht ganz ...

Es ist die Geschichte Die Bettlerin und die Rose, Rainer Maria Rilke schenkt ihr keine Münzen, sondern sagt: "Wir müssen ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand."

 

Das ist wohl auch eine Antwort auf die Frage nach der Würde des Beschenkten.

Wer dem Herzen des Anderen schenkt, achtet seine Würde.

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Es gibt da die Geschichte von dem französischen Schriftsteller, der als junger Mann jeden Tag an einer Bettlerin vorbeikam und ihr ein paar Münzen schenkte. Als er eines Tages selbst kein Geld hatte, schenkte er ihr eine Rose. Daraufhin war die Bettlerin für eine Weile verschwunden. Als sie wieder da war, fragte er sie, wovon sie denn in der Zwischenzeit gelebt habe. Und sie antwortete: "Von der Rose".

Ja, diese Geschichte von Rilke (Danke Gabriele, ich hätts auch nicht gewusst.), kenne ich. Ehrlich gesagt, konnte ich damit aber noch nie was anfangen. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass eine Gabe, die nicht materieller Art ist, auf eine bestimmte Art und Weise „mehr wert“ ist, als alle Almosen. Aber man kann davon nicht (wie in der Geschichte suggeriert) leben. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich literarisch einfach zu ungebildet bin, aber mir fällt bei dieser Antwort, dass die Frau eine Woche lang „von der Rose“ gelebt haben soll, einfach nur „so ein Unsinn“ ein. Dass ein Mensch nicht eine Woche lang von einer Rose leben kann, ist jedem klar. Welchen ganz eigenen Wert diese Rose trotzdem hatte, erschließt sich mir in dieser Geschichte irgendwie nicht. Nur das Rilke damit anscheinend genau das ausdrücken wollte: Den unvergleichlichen Wert einer solchen Gabe.

 

Eine Ordensschwester erzählte mir mal von einer Begebenheit in einem ärmeren Land, wo es üblich ist, daß Halbwüchsige an roten Ampeln die Frontscheiben der wartenden Autos waschen in der Hoffnung auf ein paar Münzen. Da sie selbst, die auch nur von Spenden lebte, nichts zu geben hatte als ein paar freundliche Worte. Und daß diese Freundlichkeit in dem Moment dem jungen Scheibenputzer wohl mehr gegeben hat Geld.

So wie du das hier erzählst, finde ich es besser, als bei Rilke. Und mir fällt dazu auch eine Geschichte ein.

 

Der Benediktinermönch Johannes Pausch erzählt in seinem Buch „Sternstunden und Wüstentage“ eine Begebenheit aus seiner Kindheit. An einem Abend saßen alle zusammen beim Abendessen, als es an der Tür klopfte. Draußen stand eine alte Frau und bat um ein Stück Brot. Der Großvater gab der Frau das Randstück (Scherzl) des frischen Brotes und dazu noch Wurst. Der kleine Johannes war ein wenig enttäuscht, weil sonst er immer das Scherzl bekam und er fragte später seinen Großvater danach.

“Du hast ihr das Beste gegeben, das Scherzl. Sonst gibst du es mir. Warum hast du es ihr gegeben? Sie wäre auch mit etwas anderem zufrieden gewesen.“ […] „Bub, merk dir das: Einem Reichen kannst du alles geben, einem Armen nur das Beste.“ Nach einer langen Pause, weil ich das Wort so einfach nicht begriffen hatte, erzählte er mir, dass es wichtig sei, wenn man etwas gebe, vor allem jemandem, der arm ist und darum bittet, nicht nur das Überflüssige oder gar den Abfall zu geben, sondern das Beste, was man habe. Das sei so wichtig, um dem Anderen die Würde und den Wert zu geben, den er, aus welchen Gründen auch immer, scheinbar verloren habe. Nur aus dem Überfluss heraus zu geben oder vom Überflüssigen etwas abzugeben, sei dann doch zu wenig und nicht gut.

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Ich hätte noch eine Frage, von der ich hoffe, dass sie euch nicht zu persönlich ist.

 

Ich hab den Eindruck, dass viele hier nachvollziehen zu können, dass es sich für mich irgendwie anfühlt, wie im Unrecht zu leben, wenn es so vielen Menschen so schlecht geht. Mich würde interessieren, wie ihr, wenn ich dieses Gefühl auch kennt, damit umgeht. Was macht ihr mit diesem Gefühl, oder was habt ihr gemacht, wenn es jetzt nicht mehr da ist?

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Ich hätte noch eine Frage, von der ich hoffe, dass sie euch nicht zu persönlich ist.

 

Ich hab den Eindruck, dass viele hier nachvollziehen zu können, dass es sich für mich irgendwie anfühlt, wie im Unrecht zu leben, wenn es so vielen Menschen so schlecht geht. Mich würde interessieren, wie ihr, wenn ich dieses Gefühl auch kennt, damit umgeht. Was macht ihr mit diesem Gefühl, oder was habt ihr gemacht, wenn es jetzt nicht mehr da ist?

ich kann erst für andere dasein, wenn meine existenziellen bedürfnisse berücksichtigt sind. diese sind angstfrei und in beziehung sein. adhoc-entscheidungen müssen davon nicht so stark berührt werden.

 

dazu mußt du dir deiner bedürfnisse bewußt sein und dich grundsätzlich nicht aus dem auge verlieren.

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Ich hätte noch eine Frage, von der ich hoffe, dass sie euch nicht zu persönlich ist.

 

Ich hab den Eindruck, dass viele hier nachvollziehen zu können, dass es sich für mich irgendwie anfühlt, wie im Unrecht zu leben, wenn es so vielen Menschen so schlecht geht. Mich würde interessieren, wie ihr, wenn ich dieses Gefühl auch kennt, damit umgeht. Was macht ihr mit diesem Gefühl, oder was habt ihr gemacht, wenn es jetzt nicht mehr da ist?

 

Du kannst diesem Gefühl nicht entgehen, du kannst es nur der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen. Es gibt immer und überall jemanden, dem es schlechter geht als dir.

Franziskus hat immer, wenn er jemanden sah, der weniger hatte als er, seinen Habit ausgezogen und ihm gegeben. Da er in seinen letzten Lebensjasahren sehr krank war, standen seine Brüder dann vor der Wahl, ihn entwerder sterben zu lassen, oder ihm einen neuen Habit zu besorgen, den er dann auch wieder verschenkte.

Sie lösten das Dilemma, indem sie ihm erklärten, dass sie ihm den Habit nur leihen würden. Da konnte Franziskus ihn nicht mehr verschenken, weil er ihm ja nicht gehörte.

 

Es gibt immer wieder Menschen und Situationen, in denen das auch ganz klar hervortritt: wenn man schuldlos bleiben will, muss man sterben. Maximilian Kolbe hat so gehandelt, Pater Damian de Veuster ebenfalls: er pflegte Leprakranke so lange, bis er sich ansteckte und ebenfalls an Lepra starb. Auch Friedrich von Spee starb an der Pest, die er bei der Pflege von Pestkranken bekommen hatte.

 

Ich glaube aber, dass es unterschiedliche Aufgaben gibt. Die völlige Sebsthingabe geht nur, wenn man das als Akt endgültiger Selbstverwirklichung, als wahrhaftes und glückliches Ziel seines Lebens erlebt.

Gott möchte, dass wir leben, und dass wir glücklich leben. Und auch die Armen möchten leben und sind, wenn immer es geht, glücklich. Und auch Jesus hat gefeiert und glückliche Tage mit seinen Jüngern erlebt, und sicherlich auch vor seinem öffentlichen Auftreten mit seiner Familie und seinen Freunden.

 

Letztlich ist es wesentlich, zu wissen: alles was mir an Glück und an materiellen Gütern zufällt, ist ein Geschenk. Ich habe kein Anrecht darauf. Und am Ende, im Tod, sind wir alle gleich. Wir stehen vor dem gerechten Richter, der uns gerecht gemacht hat durch seinen Tod am Kreuz.

 

Im Ernst: ich glaube, dass wir davon und dadurch leben, dass Jesus am Kreuz gestorben und auferstanden ist.

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