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[UMT] Bibelfragen - historisch theologisch


Mat

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Liebe Mitdiskutanten,

 

ich beginne hiermit eine Diskussion, in der alle Interessierten eingeladen sind, biblische Themen historisch/theologisch zu diskutieren.

Es geht hier um Fragen und Gedankenaustausch, um Respekt, sachliche Diskussion. Es geht nicht um Polemik, Rechthaberei und Persönliches.

 

Viele Grüße,

 

Matthias

bearbeitet von gouvernante
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Ich möchte mit einer These aus einem anderen Fred hier beginnen:

 

Seit ca. 1200 vor Christus haben die Juden ihre theologisch-relevanten Texte aufgeschrieben und gesammelt
.

 

Dies ist eine bis heute gern verbreitete These, die aber leider große Probleme bereitet.

 

Zum einen ist da der Begriff "Juden".

Es ist unbesteitbar, dass Israel im Übergang von der Spätbronze- zur Eisenzeit entsteht, was in die Zeit des 11. Jhds v.Chr. zu datieren ist.

Wie man sich diese Größe Israel aber vorstellen muss, lässt sich heute nur grob nachzeichnen.

Man kann feststellen, dass im Großen und Ganzen die großen Städte der Eisenzeit, die sich zumeist in der Küstenebene befanden, verlassen werden und stattdesen im Bergland viele neue Dörfer entstehen. Hier gibt es zwar eine gewisse Kontinuiität zu den Relikten der verlassenen Städte, aber insgesamt entsteht etwas Neues.

 

Dieses Neue wird im Laufe der Zeit zu den Königreichen Juda und Israel.

 

Entgegen der Darstellung der Bibel, gibt es aber zu Beginn dieser Entwicklung keine gemeinsame monotheistische Religion aller Judäer und Israeliten. Vielmehr unterscheiden sich die als religiös zu deutenden Hinterlassenschaften nicht von denen anderer Völker Syrien/Palästinas. Man findet Götterfiguren (Menschen, Tiere) und Kultstätten, die in anderen Teilen dieser Gegend ebenso vorkommen. Jahweh wird als einer unter vielen Göttern verehrt. Es gibt keinen Monotheismus und keine Beschränkung des Kultes auf den Tempel in Jerusalem, es gibt vermutlich auch keine 10 Gebote und kein Bewusstsein, als Volk aus Ägypten in Kanaan eingewandert zu sein.

Man kann sicher für die frühe Eisenzeit nicht von Juden sprechen.

Ebensowenig kennen die Israeliten und Judäer in dieser Zeit eine Schrift, mit der sie irgendetwas festhalten und sammeln können.

 

Die ersten schriftlichen Zeugnisse dier Zeit stammen aus dem 10. Jhd. und kommen aus der bäuerlichen Kultur.

 

Schrift im größeren Stil, die sich mit theologischen Inhalten beschäftigt, ist erst denkbar in Zeiten, in denen Israel und Judäa zu Staaten mit komplexer Verwaltung herangewachsen sind. Für das Nordreich Israel kann damit für das 9. Jhd. gerechnet werden, für das Südreich Juda gut 100 Jahre später.

 

Die Darstellung des einigen Großreichs Davids und Salomos hat mehr legendarische als historische Züge. Die Anfänge der Könnigreiche waren wohl eher bescheiden. Von Königreichen mit staatlicher Kultur kann man hier nicht sprechen, eher von Großhäuptlingen, deren Führungsanspruch auf der Anerkennung durch die Stammesoberhäupter fußt. Außer in ihrem ureigensten Gebiet, dem rückständigen und spärlich entwickelten Juda, konnten diese Könige keine direkte Kontrolle über ihre Untertanen ausüben. Hier war kaum Verwaltung und keine Schrift notwendig.

Entgegen der Darstellung der bibel, die aus der Perspektive Judas schreibt, war das Nordreich israel größer und erfolgreicher.

Mit der Herausbildung des Königtums entwickelte sich auch eine Staatsreligion, ein Polytheismus mit Jahewh an der Spitze - und das sowohl in Juda als auch in Israel. Mit der Herausbildung der Staatsreligion kam es auch zu einer Konkurrenz zwischen den Interessen der Staatstempel und der regionalen Tempel auf dem Land, die später dazu führen wird, dass sämtlicher Glaube und Kult, der vom Staatstempel abweicht, als heidnisch bezeichnet wird.

 

Dieser Konflikt gewinnt in Juda an Schärfe, nachdem das Bruderreich Israel von den Assyrern erobert und zerstört wird (8. un d 7. Jhd. v.Chr.) und auch Juda Vasall der Assyrer wird. Es beginnt hier zum ersten Mal eine Reflexion der Geschichte Israels und es kommt zu einer Definition der Staatsreligion, die aber auch noch nicht als jüdisch bezeichnet werden kann. In diesem Zusammenhang kommt es zu einer ersten Darstellung der Geschichte Israels als Geschichte mit Jahweh. Hier werden Erzählungen gesammelt, Chroniken ausgewertet und theologische Konzepte erarbeitet und die Grundlage des AT, wie wir es heute kennen, geschaffen.

 

Durch die Zerstörung Judas und das Babylonische Exil wird dieser Prozess noch verstärkt. Der größte Teil der biblischen Texte stammt aus der Zeit des Exils und der Zeit unmittelbar danach. (Die traditionellen Frühdatierungen insbesondere im Pentateuch werden heute kaum noch vertreten.)

In dieser Zeit bis zum 4. Jhd. v. Chr. entsteht aus den Judäern das, was wir heute Judentum nennen und zwar in Auseinandersetzung mit nicht jüdischen Oberherren und der helenistischen Kultur. Hier wird das Unterscheidende definiert, das, was die Juden bis heute davor bewahrt, von ihrer Umwelt assimiliert zu werden.

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Vielen Dank für den Thread, Mat.

Ich hoffe, er findet starke Beteiligung. :)

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Hm, auf dem Gebiet habe ich wenig Ahnung. Ich frage mich aber, wie die im babylonischen Exil befindliche Gemeinde an die Kenntnisse über entlegene Zeiten und Kulturen kommen sollte, wie sie in der Genesis geschildert werden.

 

Nach meinem Kenntnisstand entspricht z.B. die Abrahamerzählung durchaus dem kulturellen Umfeld ca. 1500-2000 Jahre vor Christus.

 

Und woher kommen dann die zwei Schöpfungsberichte? Wenn das alles erst so spät entstanden sein soll, gibt es doch keinen Grund, diese Widersprüche stehenzulassen.

 

Wie ein Buch aussieht, was eine theologische botschaft in eine frühere Zeitepoche zurückversetzt, sieht man am Buch Daniel. Und das ist ja von der Machart her überhaupt nicht mit der Genesis zu vergleichen. Ich halte es für extrem unwahscheinlich, dass zwischen der Entstehung der Genesis und der Entstehung des Buches Daniel nur 200 Jahre liegen sollen.

 

Dass aus der Zeit um 1000 v. Chr. keine schriftlichen Zeugnisse vorliegen, sagt gar nichts aus. Mündliche Traditionen können sehr langelbtig sein, wenn sie einmal eine kollektive und einheitliche Fassung gewonnen haben.

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Hm, auf dem Gebiet habe ich wenig Ahnung. Ich frage mich aber, wie die im babylonischen Exil befindliche Gemeinde an die Kenntnisse über entlegene Zeiten und Kulturen kommen sollte, wie sie in der Genesis geschildert werden.

 

Nach meinem Kenntnisstand entspricht z.B. die Abrahamerzählung durchaus dem kulturellen Umfeld ca. 1500-2000 Jahre vor Christus.

 

Und woher kommen dann die zwei Schöpfungsberichte? Wenn das alles erst so spät entstanden sein soll, gibt es doch keinen Grund, diese Widersprüche stehenzulassen.

 

Wie ein Buch aussieht, was eine theologische botschaft in eine frühere Zeitepoche zurückversetzt, sieht man am Buch Daniel. Und das ist ja von der Machart her überhaupt nicht mit der Genesis zu vergleichen. Ich halte es für extrem unwahscheinlich, dass zwischen der Entstehung der Genesis und der Entstehung des Buches Daniel nur 200 Jahre liegen sollen.

 

Dass aus der Zeit um 1000 v. Chr. keine schriftlichen Zeugnisse vorliegen, sagt gar nichts aus. Mündliche Traditionen können sehr langelbtig sein, wenn sie einmal eine kollektive und einheitliche Fassung gewonnen haben.

In Babylon sind sie mit dem Gilgamesch-Epos bekannt geworden.

Die Ähnlichkeiten zu den Genesis-Geschichten sind auffällig.

Einen Urvater, der aus der Gegend um Babylon stammt, in die Mythen aufzunehmen, war nicht ganz abwegig, wenn man in Babylon war.

 

Werner

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In Babylon sind sie mit dem Gilgamesch-Epos bekannt geworden.

Die Ähnlichkeiten zu den Genesis-Geschichten sind auffällig.

Einen Urvater, der aus der Gegend um Babylon stammt, in die Mythen aufzunehmen, war nicht ganz abwegig, wenn man in Babylon war.

Wahrscheinlich kannten sie Gilgamesch schon vorher. Dafür musste man nicht in Babylon gewesen sein. Es gibt Funde des Epos im gesamten Nahen Osten u.a. auch in Megiddo. Es ist recht wahrscheinlich, dass Teile der Urgeschichte bereits vor dem Exil standen. Mit Assmann kann man allerdings durchaus gute Argumente dafür finden, dass die Verlagerung der Ursprungsgeschichten Israels außerhalb des Landes exilischen Datums ist. Die Mehrheit der Forscher geht allerdings weiterhin davon aus, dass es eine Rohfassung bereits vorexilisch gab.

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Sollte es jemand noch nicht kennen, möchte ich gern auf das Online-Bibellexikon Wibilex hinweisen, das besonders zum Alten Testament viele sehr informative und gute Artikel enthält.

bearbeitet von Stepp
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Lieber Matthias,

 

 

 

 

 

ich beginne hiermit eine Diskussion, in der alle Interessierten eingeladen sind, biblische Themen historisch/theologisch zu diskutieren.

Es geht hier um Fragen und Gedankenaustausch, um Respekt, sachliche Diskussion. Es geht nicht um Polemik, Rechthaberei und Persönliches.

Die Vernunft wird abraten sich eine solche Frage zu stellen.

Weil man schlicht und einfach nichts wirklich weiß.

 

Weil es viel zu wenige Belege gibt was es biblisch/historisch wirklich gegeben und was geschehen ist:

 

# Die umfangreichste Dokumentensammlung bieten die Tontafeln Babylons.

Die Frage ist, ob man sie richtig zu übersetzen vermag.

Der Gilgamesch ist theologisch ein Dokument von Belang - bekundet aber nur die Unwissenheit der Zeitgenossen.

 

# Die Bibel ist von vielen Verfassern geschrieben die alle nichts wissen.

Was nicht ausschließt, daß Propheten immer wieder GOTTES-Worte zutreffend wiedergegeben haben.

Der HEILIGE GEIST GOTTES befindet was an der Bibel wahr ist und was nicht.

 

# Sonst gibt es einige philophische Werke der Griechen, Römer und Araber - und einige Denkmäler.

 

# Die Theologen bieten ohne Beweise zu haben, historisch/theologisch nur vage Spekulationen an - die allesamt auf der irrigen Annahme beruhen daß Plausibilität automatisch den Wahrheitsbeweis liefert.

 

 

Abwegig zu meinen, das Studium der Bibel auf historische Fakten hin, könne den Glauben fördern.

Weil die ehrliche Antwort ist:

 

Nichts historisch Gewisses ist aus der Bibel herauslesbar.

 

Die Texte der Bibel sind nur eines der Hilfsmittel die der HEILIGE GEIST GOTTES einsetzt um Menschen die das Heil suchen zum Glauben an JESUS CHRISTUS bringen.

 

 

 

 

Gruß

josef

bearbeitet von josef
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Hm, auf dem Gebiet habe ich wenig Ahnung. Ich frage mich aber, wie die im babylonischen Exil befindliche Gemeinde an die Kenntnisse über entlegene Zeiten und Kulturen kommen sollte, wie sie in der Genesis geschildert werden.

 

Die exilische Gemeinde in Babylonien bringt Traditionen aus ihrem Land mit, ja, sie pflegt sie sogar, um Ihre Identität zu schützen und zu stärken.

Zu Ägypten hat Israel eine sehr starke Beziehung, die sich in der nachexilischen Zeit der Perser sogar noch verstärkt (sie beispielsweise den Jahweh-Tempel auf Elephantine in Südägypten).

Die Herkunft Tradition des Exodus liegt im Dunkeln. Jedenfalls gibt es für diese Zeit, sowie für alle anderen Erzählungen aus der Vorkönigszeit mehr legendarische als tatsächliche Bezüge zu dem, was wir sonst aus diesen Zeiten wissen. Insofern muss man die Frage stellen, inwieweit in diesen Geschichten überhaupt Historie verarbeitet ist und wenn ja, wie sie verarbeitet wurde.

 

 

Nach meinem Kenntnisstand entspricht z.B. die Abrahamerzählung durchaus dem kulturellen Umfeld ca. 1500-2000 Jahre vor Christus.

Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass Teile dessen, was bei Abraham erzählt wird, die teilnomadische Kultur der Spätbronzezeit widerspiegelt. Wesentliche Züge sind aber aus definitiv späterer Zeit. Um zwei zu nennen: der Gebrauch des Kamels als Tier der Nomaden ist erst in der Eisenzeit belegt (als nach 1.000 v. Chr.) und der name "Ur in Chaldäa" ist erst für die spätbabylonische Zeit als das 7. Jhd. v. Chr. belegt.

 

Und woher kommen dann die zwei Schöpfungsberichte? Wenn das alles erst so spät entstanden sein soll, gibt es doch keinen Grund, diese Widersprüche stehenzulassen.

Traditionell werden die Schöpfunsberichte mit einem Zeitunterschied von 500 Jahren eingeschätzt. Genauso könnte er aber auch 50 oder 100 Jahre betragen. Außerdem muss man damit rechnen, dass es verschiedene nebeneinander existierende theologische Konzepte gab, die dann beide in die biblische Tradition einflossen. Man kann so etwas beispielsweise bei der Königstheologie sehen, da stehen im ersten Buch Samuel königsfeindliche und königskritische Texte direk nebeneinander.

Man kann in diesem Zusammenhang auch auf die vier Evangelien verweisen. Niemand würde behaupten, dass das Johannesevangelium Jahrhunderte nach den anderen Evangelien geschrieben sein muss, weil es so anders ist.

 

 

Wie ein Buch aussieht, was eine theologische botschaft in eine frühere Zeitepoche zurückversetzt, sieht man am Buch Daniel. Und das ist ja von der Machart her überhaupt nicht mit der Genesis zu vergleichen. Ich halte es für extrem unwahscheinlich, dass zwischen der Entstehung der Genesis und der Entstehung des Buches Daniel nur 200 Jahre liegen sollen.

Das Buch Daniel ist nun mal etwas ganz Anderes und vermutlich ist der Abstand zur Genesis auch größeer als 200 Jahre. Warum allerdings 200 Jahre Zeitunterschied nicht ausreichen sollen, um völlig unerschiedliche Werke zu schreiben, erschließt sich mir nicht. Ich würde ungern hören, dass meine Bücher der Theologie von 1813 gleichen.

Man muss hier auch Folgendes sehen: die exilisch nachexilische Zeit bschäftigt sich damit, warum Israel und Juda untergegangen ist und findet als Antwort: "Weil wir nicht auf den Wegen Gottes gewandelt sind". Und man beginnt, die Wege Gottes aus den Traditionen herauszudestillieren und nach bestem Wissen und aufzuschreiben und auf die Fragestellungen der Zeit auszurichten. Dabei werden mündliche und schriftliche Traditionen verwendet (auch Chroniken der Könige).

Das Buch Daniel reflektiert eine völlig andere Zeit. Israel ist durch den aufkommenden Hellenismus neu herausgefordert. Hier bilden sich mit der Apokalyptik und dem heraufziehenden Glauben an ein Weiterleben nach dem Tod (sicher auch ägyptisch beeinflusst), ganz neue theologische Horizonte, die nicht über den bisherigen geschichtstheologischen Ansatz abgedeckt werden können.

 

Dass aus der Zeit um 1000 v. Chr. keine schriftlichen Zeugnisse vorliegen, sagt gar nichts aus. Mündliche Traditionen können sehr langelbtig sein, wenn sie einmal eine kollektive und einheitliche Fassung gewonnen haben.

Die mündliche Tradition ist so ein sehr spezielles Tierchen der Exegese. Sie ist mit exegetischen Mitteln nicht fassbar. Damit kann man sie weder direkt nachweisen, noch auf ihren Spuren die Art und Weise verfolgen, wie ein Motiv oder eine Erzählung sich entwickelt haben. Außerdem kann man ohne eine schriftliche Quelle kaum erkennen, ob ein Motiv aus einer mündlichen Tradition stammt oder aus der Feder eines Autors.

Dass mündliche Traditionen in Israel bis in die Zeit Jesu existierten, steht außer Frage. Das ssie in die Bibel eingeflossen sind, auch. Aßerdem steht außer Frage, dass auch mündliche Traditionen zuverlässige historische Informationen enthalten können. Aber man muss sich trotzdem sehr hüten, auf die mündliche Tradition allzusehr zu bauen, wenn man die Träger dieser Tradition nicht kennt. Denn allzugerne wird das Argument der mündlichen Tradition zu einem Füll-Argument, dass der eigenen Theoroe dient, wenn man keine anderern Indizien hat.

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Wie siehst du eigentlich die These, manches im AT (zum Beispiel die sehr negative Schilderung des babylonischen Exils) sei von dem Umstand beeinflusst, dass große Teile der jüdischen Elite keine Anstalten machten, aus dem weltstädtischen Babylon ins verschlafene Jerusalem zurückzukehren, was die Hüter des dortigen Tempels natürlich nicht gerade mit Freude erfüllte?

 

Werner

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Wie siehst du eigentlich die These, manches im AT (zum Beispiel die sehr negative Schilderung des babylonischen Exils) sei von dem Umstand beeinflusst, dass große Teile der jüdischen Elite keine Anstalten machten, aus dem weltstädtischen Babylon ins verschlafene Jerusalem zurückzukehren, was die Hüter des dortigen Tempels natürlich nicht gerade mit Freude erfüllte?

 

Werner

 

Ich halte diese These für stichhaltig.

Wobei man natürlich nicht jede negative Bewertung Babels darauf zurückführen sollte.

Es gibt defintiv vorexilische Elemente, wo Babel eben der feindliche Aggressor ist und Juda bedroht. Und es gibt natürlich diee allgemeine Darstellung der Reiche in der Apokalypse, die dann auf die Hellenisten oder auf Rom hinführt. Hier könnte Babel auch Rom meinen, was man aber nicht so gerne offen ausspricht.

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Eine andere Frage ist es, ob mir persönlich die historische Fragestellung wichtig ist. Und diese Frage kann ich mit Ja beantworten.

Ich bekenne, dass ich bewusst an der Bibel zweifle, um im Zweifel das Wort Gottes zu finden. Für mich ist alles, was diesen Zweifel mit noch so schönen Hinweisen auf den rechten Glauben oder den Geist Gottes einfach wegwischen will, nichts anderes als eine fromme Sauce, die mich daran hindert in der Bibel Gott zu finden.

 

Ja, ich glaube, dass die Bibel Gottes Wort enthält. Ich glaube aber auch, dass es sehr viel sperriger ist, als es in einer harmonisierten Einheitsübersetzung daherkommt.

Es gibt halt so viele verschiedene Wege, zu seinem Gott zu kommen, wie es verschiedene Menschentypen gibt. Man hat die Mystiker, die Schriftenwörtlichnehmer, die Rekonstrukteure, die Akademiker - zu letzten beiden gehört die Beschäftigung mit der Historie dazu - usw. usw.

Unnötig ist der Streit darüber, welcher Weg denn nun der richtige oder gar der einzig wahre sei. Das muß jeder selber wissen. Und ja, es den einen oder anderen Weg, den halte ich für grundfalsch, aber die meisten kann man akzeptieren, solange sie einem nicht aufgezwungen werden.

Die Worte seines Gottes in Schriften zu finden, ist einer davon. Und da finde ich, es ist völlig egal, wie diese Schrift zustandekam. Wenn man darin etwas findet, was gefühlt zu seinem Gott paßt, dann ist das völlig in Orndung. Das hat nichts mit Beliebigkeit, Esokram oder geglaubten Märchen zu tun, das ist ein Weg mit göttlichen Dingen zurechtzukommen, mit denen nun einmal schwer zurechtzukommen ist. Sich mit den Schriften historisch und/oder theologisch zu beschäftigen, sie zu analysieren, darüber zu diskutieren, ist m.E. ein weitaus besserer Weg, als stumpf den Inhalt zu glauben. Mache das mal schön in diesem Strang. :)

bearbeitet von GermanHeretic
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Ich möchte mit einer These aus einem anderen Fred hier beginnen:

 

Seit ca. 1200 vor Christus haben die Juden ihre theologisch-relevanten Texte aufgeschrieben und gesammelt
.

 

Dies ist eine bis heute gern verbreitete These, die aber leider große Probleme bereitet.

 

Zum einen ist da der Begriff "Juden".

Es ist unbesteitbar, dass Israel im Übergang von der Spätbronze- zur Eisenzeit entsteht, was in die Zeit des 11. Jhds v.Chr. zu datieren ist.

Wie man sich diese Größe Israel aber vorstellen muss, lässt sich heute nur grob nachzeichnen.

Man kann feststellen, dass im Großen und Ganzen die großen Städte der Eisenzeit, die sich zumeist in der Küstenebene befanden, verlassen werden und stattdesen im Bergland viele neue Dörfer entstehen. Hier gibt es zwar eine gewisse Kontinuiität zu den Relikten der verlassenen Städte, aber insgesamt entsteht etwas Neues.

 

Dieses Neue wird im Laufe der Zeit zu den Königreichen Juda und Israel.

 

Entgegen der Darstellung der Bibel, gibt es aber zu Beginn dieser Entwicklung keine gemeinsame monotheistische Religion aller Judäer und Israeliten. Vielmehr unterscheiden sich die als religiös zu deutenden Hinterlassenschaften nicht von denen anderer Völker Syrien/Palästinas. Man findet Götterfiguren (Menschen, Tiere) und Kultstätten, die in anderen Teilen dieser Gegend ebenso vorkommen. Jahweh wird als einer unter vielen Göttern verehrt. Es gibt keinen Monotheismus und keine Beschränkung des Kultes auf den Tempel in Jerusalem, es gibt vermutlich auch keine 10 Gebote und kein Bewusstsein, als Volk aus Ägypten in Kanaan eingewandert zu sein.

Man kann sicher für die frühe Eisenzeit nicht von Juden sprechen.

Ebensowenig kennen die Israeliten und Judäer in dieser Zeit eine Schrift, mit der sie irgendetwas festhalten und sammeln können.

 

Die ersten schriftlichen Zeugnisse dier Zeit stammen aus dem 10. Jhd. und kommen aus der bäuerlichen Kultur.

 

Schrift im größeren Stil, die sich mit theologischen Inhalten beschäftigt, ist erst denkbar in Zeiten, in denen Israel und Judäa zu Staaten mit komplexer Verwaltung herangewachsen sind. Für das Nordreich Israel kann damit für das 9. Jhd. gerechnet werden, für das Südreich Juda gut 100 Jahre später.

 

Die Darstellung des einigen Großreichs Davids und Salomos hat mehr legendarische als historische Züge. Die Anfänge der Könnigreiche waren wohl eher bescheiden. Von Königreichen mit staatlicher Kultur kann man hier nicht sprechen, eher von Großhäuptlingen, deren Führungsanspruch auf der Anerkennung durch die Stammesoberhäupter fußt. Außer in ihrem ureigensten Gebiet, dem rückständigen und spärlich entwickelten Juda, konnten diese Könige keine direkte Kontrolle über ihre Untertanen ausüben. Hier war kaum Verwaltung und keine Schrift notwendig.

Entgegen der Darstellung der bibel, die aus der Perspektive Judas schreibt, war das Nordreich israel größer und erfolgreicher.

Mit der Herausbildung des Königtums entwickelte sich auch eine Staatsreligion, ein Polytheismus mit Jahewh an der Spitze - und das sowohl in Juda als auch in Israel. Mit der Herausbildung der Staatsreligion kam es auch zu einer Konkurrenz zwischen den Interessen der Staatstempel und der regionalen Tempel auf dem Land, die später dazu führen wird, dass sämtlicher Glaube und Kult, der vom Staatstempel abweicht, als heidnisch bezeichnet wird.

 

Dieser Konflikt gewinnt in Juda an Schärfe, nachdem das Bruderreich Israel von den Assyrern erobert und zerstört wird (8. un d 7. Jhd. v.Chr.) und auch Juda Vasall der Assyrer wird. Es beginnt hier zum ersten Mal eine Reflexion der Geschichte Israels und es kommt zu einer Definition der Staatsreligion, die aber auch noch nicht als jüdisch bezeichnet werden kann. In diesem Zusammenhang kommt es zu einer ersten Darstellung der Geschichte Israels als Geschichte mit Jahweh. Hier werden Erzählungen gesammelt, Chroniken ausgewertet und theologische Konzepte erarbeitet und die Grundlage des AT, wie wir es heute kennen, geschaffen.

 

Durch die Zerstörung Judas und das Babylonische Exil wird dieser Prozess noch verstärkt. Der größte Teil der biblischen Texte stammt aus der Zeit des Exils und der Zeit unmittelbar danach. (Die traditionellen Frühdatierungen insbesondere im Pentateuch werden heute kaum noch vertreten.)

In dieser Zeit bis zum 4. Jhd. v. Chr. entsteht aus den Judäern das, was wir heute Judentum nennen und zwar in Auseinandersetzung mit nicht jüdischen Oberherren und der helenistischen Kultur. Hier wird das Unterscheidende definiert, das, was die Juden bis heute davor bewahrt, von ihrer Umwelt assimiliert zu werden.

Ich habe gerade noch einmal im Zenger nachgelesen. Dort wird die Verschriftlichung der ältesten Teile des AT auf etwa 700 v. Chr datiert und zwar die Urgeschichte, die Geschichte Abrahams, Jakobs, Josefs, Exodus Bileam und Josua. Den gesamten zusammengeführten Pentateuch, die Tora datiert Zenger auf ca 400.

Quelle: Erich Znger u.a. Einleitung in das Alte Testament, 7. Aufl. 2008, S 105. gibt die Entwicklung in einer Graphik wieder.

bearbeitet von Der Geist
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Ich habe gerade nch einmal im Zenger nachgelesen. Dort wird di Verschriftlichung der ältesten Teile des AT auf etwa 700 v. Chr datiert und zwar diue Urgeschichte, die Geschichte Abrahams, Jakobs, Josefs, Exodus Bileam und Josua. Den gesamten zusammengeführten Pentateuch, die Tora datiert Zenger auf ca 400.

Quelle: Erich Znger u.a. Einleitung in das Alte Testament, 7. Aufl. 2008, S 105. gibt die Entwicklung in einer Graphik wieder.

 

700 würde bedeuten nach dem Fall Samarias. Das wird für die Urfassung des Deuternomischen Geschichtswerk oft angenommen. Ich neige dazu, dem zuzustimmen.

 

Insgesamt geht man immer mehr zu einer Spätdatierung der Texte über. Vor dem Fall Samarias stellten sich die Fragen nicht in der Weise, die die Bibel behandelt.

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Lasst uns bitte zu den exegetischen Fragestellungen zutückkehren.

 

Die Datierung der Schriften ist für mich ein wesentlicher Punkt. Die Bibel ist nicht im luftleeren Raum geschrieben, aber antike Schriften haben ganz andere Vorstellungen v on Historizität als wir das haben.

Es geht an der Bibel vollkommen vorbei, wen man sie entweder für ein ein allen Teilen historisch zuverlässiges Buch hält noch für eine Zusammenstellung von Märchen. Wenn die Wahrheit aber in der Mitte liegt, dann ist die Historizität eine wichtige Frage für das Textverständnis.

 

Spätdatierung meint ja keineswegs, dass die Texte alle in einem kleinen Zirkel innerhalb eines Menschenlebens geschrieben worden seien wie der Koran.

Vielmehr meint Spätdatierung das folgende:

- Beginn der Sammlung und Verschriftlichung in der späten Königszeit (frühestens nach dem Fall von Samaria 701 v.Chr.)

 

- Beginn der Sammlung heißt, dass es schon ältere Quellen (schriftlich und mündlich) gibt (hier werden explizit die Chgriniken der Könige in der Bibel genannt). Die Frage ist hier, bis wann diese Quellen zurückreichen. Und hier scheinen historisch zuverlässige Informationen bis in das 9. Jh. v. Chr. verarbeitet worden zu sein. Allers was davor liegt ist ungenau und legendarisch, aber wie im Falle des Königs David sicher nicht vollkommen aus der Luft gegriffen.

 

- Hauptzahl der Schriften werden in der exilischen bzw. frühnachexilischen Zeit verfasst. Das gilt v.a. für die Prophetenbücher, die Überarbeitung der Geschichte Israels, viele Teile des Pentateuch.

 

- Weitere Schriften kommen danach bis zum Ende des 2. Jhds. dazu. Dazu zähen neben den Büchern, die nur in der Septuaginta zu finden sind die Psalmen, der größte Teil der Gesetzgebung, die Ausgestaltung der Exodusgeschichte, Daniel, die späten Propheten.

 

Das ist jetzt nicht vollständig, sondern ein grober Überblick und im Einzelnen gibt es dazu unterschiedliche Modelle der Exegeten.

Worum es mir geht: auch bei Spätdatierung werden die Bücher der Bibel über Jahrhunderte (Zwischen 700 und 100 v. Chr.) verfasst und redigiert. Das ändert überhaupt nichts an der Vorstellung, dass Bibel allmählich geworden ist.

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Die mündliche Tradition ist so ein sehr spezielles Tierchen der Exegese. Sie ist mit exegetischen Mitteln nicht fassbar. Damit kann man sie weder direkt nachweisen, noch auf ihren Spuren die Art und Weise verfolgen, wie ein Motiv oder eine Erzählung sich entwickelt haben. Außerdem kann man ohne eine schriftliche Quelle kaum erkennen, ob ein Motiv aus einer mündlichen Tradition stammt oder aus der Feder eines Autors.

Dass mündliche Traditionen in Israel bis in die Zeit Jesu existierten, steht außer Frage. Das ssie in die Bibel eingeflossen sind, auch. Aßerdem steht außer Frage, dass auch mündliche Traditionen zuverlässige historische Informationen enthalten können. Aber man muss sich trotzdem sehr hüten, auf die mündliche Tradition allzusehr zu bauen, wenn man die Träger dieser Tradition nicht kennt. Denn allzugerne wird das Argument der mündlichen Tradition zu einem Füll-Argument, dass der eigenen Theoroe dient, wenn man keine anderern Indizien hat.

 

 

Diese Argumentation ist aber sehr unlogisch. Man sagt: es kann sein, dass eine mündliche Tradition existiert. Aber weil sie nicht genau fassbar und beweisbar ist, lassen wir sie einfach mal weg und tunso, als ob es sie nicht gegeben hätte.

 

Ehrlicher wäre es, zuzugeben, dass man die Entstehung der Bibel anhand der schriftlichen Quellen nicht rekonstruieren kann, weil man eben die mündliche Tradition, die bei dieser Entstehung eine Rolle gespielt hat, nicht fassen und bewerten kann.

 

Ich glaube, dass es eine sehr große Unschärfe gibt, die sich auf wissenschaftlichem Weg nicht beseitigen lässt.

 

Man wird auch nie entscheiden können, welche Anteile der Ilias oder des Nibelungenliedes auf historischen Tatsachen beruhen.

 

Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass es gar nicht so einfach ist, Geschichten vollkommen zu erfinden. Große Literatur baut immer auf dem Leben auf.

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Die mündliche Tradition ist so ein sehr spezielles Tierchen der Exegese. Sie ist mit exegetischen Mitteln nicht fassbar. Damit kann man sie weder direkt nachweisen, noch auf ihren Spuren die Art und Weise verfolgen, wie ein Motiv oder eine Erzählung sich entwickelt haben. Außerdem kann man ohne eine schriftliche Quelle kaum erkennen, ob ein Motiv aus einer mündlichen Tradition stammt oder aus der Feder eines Autors.

Dass mündliche Traditionen in Israel bis in die Zeit Jesu existierten, steht außer Frage. Das ssie in die Bibel eingeflossen sind, auch. Aßerdem steht außer Frage, dass auch mündliche Traditionen zuverlässige historische Informationen enthalten können. Aber man muss sich trotzdem sehr hüten, auf die mündliche Tradition allzusehr zu bauen, wenn man die Träger dieser Tradition nicht kennt. Denn allzugerne wird das Argument der mündlichen Tradition zu einem Füll-Argument, dass der eigenen Theoroe dient, wenn man keine anderern Indizien hat.

 

 

Diese Argumentation ist aber sehr unlogisch. Man sagt: es kann sein, dass eine mündliche Tradition existiert. Aber weil sie nicht genau fassbar und beweisbar ist, lassen wir sie einfach mal weg und tunso, als ob es sie nicht gegeben hätte.

 

Ehrlicher wäre es, zuzugeben, dass man die Entstehung der Bibel anhand der schriftlichen Quellen nicht rekonstruieren kann, weil man eben die mündliche Tradition, die bei dieser Entstehung eine Rolle gespielt hat, nicht fassen und bewerten kann.

 

Ich glaube, dass es eine sehr große Unschärfe gibt, die sich auf wissenschaftlichem Weg nicht beseitigen lässt.

 

Man wird auch nie entscheiden können, welche Anteile der Ilias oder des Nibelungenliedes auf historischen Tatsachen beruhen.

 

Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass es gar nicht so einfach ist, Geschichten vollkommen zu erfinden. Große Literatur baut immer auf dem Leben auf.

 

 

Der Punkt ist nicht, einfach die mündliche Tradition zu ignorieren, sondern sehr behutsam damit umzugehen.

Beispiel: der Auszug aus Ägypten: Niemand weiß woher diese Tradition stand. Aber sie ist da und sie ist schon früh nachweisbar. D.h., hier gibt es eine mündliche Tradition, ohne Frage.

Es scheint, als hätten Leute, die sich später zum Volk Israel gehörig fühlten, ihre Herkunft aus der Sklaverei in und einer Flucht aus Ägypten hergeleitet.

Nun wissen wir aber auf der anderen Seite, dass es zu der erzählten Zeit des Exodus kein Volk Israel gab, keine Massenflucht berichtet wird, kein Tod eines Pharos und seines Heeres irgendwo bezeugt wird und es angesichts der Grenzkontrollen zum Sinai nur möglich scheint, dass ganz ganz kleinen gruppen mit sehr viel Glück ein unbeobachteter Grenzübertritt gelingen kann.

 

Wenn ich die mündliche Tradition ernst nehme, dann möchte ich nicht bestreiten, dass es Leute mit dieser Tradition des Exodus gab, und dass diese dann in das allgemeine kulturelle Gedächtnis Israels eingeflossen ist. Mehr kann man aber auf die mündliche Tradition nicht bauen.

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Die mündliche Tradition ist so ein sehr spezielles Tierchen der Exegese. Sie ist mit exegetischen Mitteln nicht fassbar. Damit kann man sie weder direkt nachweisen, noch auf ihren Spuren die Art und Weise verfolgen, wie ein Motiv oder eine Erzählung sich entwickelt haben. Außerdem kann man ohne eine schriftliche Quelle kaum erkennen, ob ein Motiv aus einer mündlichen Tradition stammt oder aus der Feder eines Autors.

Dass mündliche Traditionen in Israel bis in die Zeit Jesu existierten, steht außer Frage. Das ssie in die Bibel eingeflossen sind, auch. Aßerdem steht außer Frage, dass auch mündliche Traditionen zuverlässige historische Informationen enthalten können. Aber man muss sich trotzdem sehr hüten, auf die mündliche Tradition allzusehr zu bauen, wenn man die Träger dieser Tradition nicht kennt. Denn allzugerne wird das Argument der mündlichen Tradition zu einem Füll-Argument, dass der eigenen Theoroe dient, wenn man keine anderern Indizien hat.

 

 

Diese Argumentation ist aber sehr unlogisch. Man sagt: es kann sein, dass eine mündliche Tradition existiert. Aber weil sie nicht genau fassbar und beweisbar ist, lassen wir sie einfach mal weg und tunso, als ob es sie nicht gegeben hätte.

 

Ehrlicher wäre es, zuzugeben, dass man die Entstehung der Bibel anhand der schriftlichen Quellen nicht rekonstruieren kann, weil man eben die mündliche Tradition, die bei dieser Entstehung eine Rolle gespielt hat, nicht fassen und bewerten kann.

 

Ich glaube, dass es eine sehr große Unschärfe gibt, die sich auf wissenschaftlichem Weg nicht beseitigen lässt.

 

Man wird auch nie entscheiden können, welche Anteile der Ilias oder des Nibelungenliedes auf historischen Tatsachen beruhen.

 

Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass es gar nicht so einfach ist, Geschichten vollkommen zu erfinden. Große Literatur baut immer auf dem Leben auf.

 

 

Der Punkt ist nicht, einfach die mündliche Tradition zu ignorieren, sondern sehr behutsam damit umzugehen.

Beispiel: der Auszug aus Ägypten: Niemand weiß woher diese Tradition stand. Aber sie ist da und sie ist schon früh nachweisbar. D.h., hier gibt es eine mündliche Tradition, ohne Frage.

Es scheint, als hätten Leute, die sich später zum Volk Israel gehörig fühlten, ihre Herkunft aus der Sklaverei in und einer Flucht aus Ägypten hergeleitet.

Nun wissen wir aber auf der anderen Seite, dass es zu der erzählten Zeit des Exodus kein Volk Israel gab, keine Massenflucht berichtet wird, kein Tod eines Pharos und seines Heeres irgendwo bezeugt wird und es angesichts der Grenzkontrollen zum Sinai nur möglich scheint, dass ganz ganz kleinen gruppen mit sehr viel Glück ein unbeobachteter Grenzübertritt gelingen kann.

 

Wenn ich die mündliche Tradition ernst nehme, dann möchte ich nicht bestreiten, dass es Leute mit dieser Tradition des Exodus gab, und dass diese dann in das allgemeine kulturelle Gedächtnis Israels eingeflossen ist. Mehr kann man aber auf die mündliche Tradition nicht bauen.

 

Aber immerhin, das ist doch schon das Entscheidende. Dass Ereignisse im Rückblick größer werde, ist ja ein allgemeiner Vorgang. Aber das heißt ja nicht, dass sie in ihrer kleinen Ursprungsgestalt unbedeutend gewesen wären.

 

Weltgeschichte wird durch Weichenstellungen geprägt. Sebst wenn es nur ein Häuflein entlaufener Sklaven war, die den Exodus erlebt haben, so hat doch ihre Erfahrung die Weltgeschichte geprägt.

 

Es war ja auch nur ein kleiner Haufen von Jesus-Anhängern, die die Kirchengeschichte in Gang gesetzt haben. Und nur ein kleiner Freundeskreis, der die Keimzelle der franziskanischen Bewegung war.

 

Das Kleine wird meiner Ansicht nach unterschätzt. Es waren nicht die Dinosaurier, die den weiteren Gang der Evolution geprägt haben, sondern die unscheinbaren und kleinen ersten Säugetiere.

bearbeitet von Franziskaner
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Die mündliche Tradition ist so ein sehr spezielles Tierchen der Exegese. Sie ist mit exegetischen Mitteln nicht fassbar. Damit kann man sie weder direkt nachweisen, noch auf ihren Spuren die Art und Weise verfolgen, wie ein Motiv oder eine Erzählung sich entwickelt haben. Außerdem kann man ohne eine schriftliche Quelle kaum erkennen, ob ein Motiv aus einer mündlichen Tradition stammt oder aus der Feder eines Autors.

Dass mündliche Traditionen in Israel bis in die Zeit Jesu existierten, steht außer Frage. Das ssie in die Bibel eingeflossen sind, auch. Aßerdem steht außer Frage, dass auch mündliche Traditionen zuverlässige historische Informationen enthalten können. Aber man muss sich trotzdem sehr hüten, auf die mündliche Tradition allzusehr zu bauen, wenn man die Träger dieser Tradition nicht kennt. Denn allzugerne wird das Argument der mündlichen Tradition zu einem Füll-Argument, dass der eigenen Theoroe dient, wenn man keine anderern Indizien hat.

 

 

Diese Argumentation ist aber sehr unlogisch. Man sagt: es kann sein, dass eine mündliche Tradition existiert. Aber weil sie nicht genau fassbar und beweisbar ist, lassen wir sie einfach mal weg und tunso, als ob es sie nicht gegeben hätte.

 

Ehrlicher wäre es, zuzugeben, dass man die Entstehung der Bibel anhand der schriftlichen Quellen nicht rekonstruieren kann, weil man eben die mündliche Tradition, die bei dieser Entstehung eine Rolle gespielt hat, nicht fassen und bewerten kann.

 

Ich glaube, dass es eine sehr große Unschärfe gibt, die sich auf wissenschaftlichem Weg nicht beseitigen lässt.

 

Man wird auch nie entscheiden können, welche Anteile der Ilias oder des Nibelungenliedes auf historischen Tatsachen beruhen.

 

Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass es gar nicht so einfach ist, Geschichten vollkommen zu erfinden. Große Literatur baut immer auf dem Leben auf.

 

 

Der Punkt ist nicht, einfach die mündliche Tradition zu ignorieren, sondern sehr behutsam damit umzugehen.

Beispiel: der Auszug aus Ägypten: Niemand weiß woher diese Tradition stand. Aber sie ist da und sie ist schon früh nachweisbar. D.h., hier gibt es eine mündliche Tradition, ohne Frage.

Es scheint, als hätten Leute, die sich später zum Volk Israel gehörig fühlten, ihre Herkunft aus der Sklaverei in und einer Flucht aus Ägypten hergeleitet.

Nun wissen wir aber auf der anderen Seite, dass es zu der erzählten Zeit des Exodus kein Volk Israel gab, keine Massenflucht berichtet wird, kein Tod eines Pharos und seines Heeres irgendwo bezeugt wird und es angesichts der Grenzkontrollen zum Sinai nur möglich scheint, dass ganz ganz kleinen gruppen mit sehr viel Glück ein unbeobachteter Grenzübertritt gelingen kann.

 

Wenn ich die mündliche Tradition ernst nehme, dann möchte ich nicht bestreiten, dass es Leute mit dieser Tradition des Exodus gab, und dass diese dann in das allgemeine kulturelle Gedächtnis Israels eingeflossen ist. Mehr kann man aber auf die mündliche Tradition nicht bauen.

 

Aber immerhin, das ist doch schon das Entscheidende. Dass Ereignisse im Rückblick größer werde, ist ja ein allgemeiner Vorgang. Aber das heißt ja nicht, dass sie in ihrer kleinen Ursprungsgestalt unbedeutend gewesen wären.

 

Weltgeschichte wird durch Weichenstellungen geprägt. Sebst wenn es nur ein Häuflein entlaufener Sklaven war, die den Exodus erlebt haben, so hat doch ihre Erfahrung die Weltgeschichte geprägt.

 

Es war ja auch nur ein kleiner Haufen von Jesus-Anhängern, die die Kirchengeschichte in Gang gesetzt haben. Und nur ein kleiner Freundeskreis, der die Keimzelle der franziskanischen Bewegung war.

 

Das Kleine wird meiner Ansicht nach unterschätzt. Es waren nicht die Dinosaurier, die den weiteren Gang der Evolution geprägt haben, sondern die unscheinbaren und kleinen ersten Säugetiere.

 

 

Das ist jetzt mehr ein romanisierender Grund. Ja, natürlich sagt die historische Größe nichts über die Wirkungsgeschichte aus. Es muss ja noch nicht einmal ein historischer Vorgang vorhanden sein, um später Wirkung zu erzielen.

Im Grunde ist aber Geschichte eine Ansammlung von mehr oder weniger großen Zufällen, in die man dann im Nachhinein einen Sinn bringt.

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Das ist jetzt mehr ein romanisierender Grund. Ja, natürlich sagt die historische Größe nichts über die Wirkungsgeschichte aus. Es muss ja noch nicht einmal ein historischer Vorgang vorhanden sein, um später Wirkung zu erzielen.

Im Grunde ist aber Geschichte eine Ansammlung von mehr oder weniger großen Zufällen, in die man dann im Nachhinein einen Sinn bringt.

 

Wenn Du das so sagst, dann meinst Du wahrscheinlich, dass es in der Geschichte eine große Anzahl geringfügiger Ereignisse gibt; und welche davon den zukünftigen Verlauf bestimmen und welche nicht, entscheidet der Zufall.

 

Und genau das glaube ich nicht.

 

Ich glaube, dass es in der Geschichte eine große Anzahl geringfügiger Ereignisse gibt, und sehr wenige davon haben das Potential, eine Weichenstellung zu erzeugen, und die anderen eben nicht.

Was vergessen wird und was nicht, hängt nicht vom Zufall ab, auch nicht von der ursprünglichen Größe des Ereignisse, und erst recht nicht von Faktoren wie Macht und Gewaltanwendung, sondern von der inhaltlichen Prägekraft des Ereignisses.

 

 

Ich als Christ würde das als Wirken des hl. Geistes bezeichnen. Es ist aber auch ein allgemeiner Wesenszug der Evolution. Unter den zig-tausenden von Mutationen gibt es die eine, die dann den weiteren Weg der Veränderung einer Art bestimmt.

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Das ist jetzt mehr ein romanisierender Grund. Ja, natürlich sagt die historische Größe nichts über die Wirkungsgeschichte aus. Es muss ja noch nicht einmal ein historischer Vorgang vorhanden sein, um später Wirkung zu erzielen.

Im Grunde ist aber Geschichte eine Ansammlung von mehr oder weniger großen Zufällen, in die man dann im Nachhinein einen Sinn bringt.

 

Wenn Du das so sagst, dann meinst Du wahrscheinlich, dass es in der Geschichte eine große Anzahl geringfügiger Ereignisse gibt; und welche davon den zukünftigen Verlauf bestimmen und welche nicht, entscheidet der Zufall.

 

Und genau das glaube ich nicht.

 

Ich glaube, dass es in der Geschichte eine große Anzahl geringfügiger Ereignisse gibt, und sehr wenige davon haben das Potential, eine Weichenstellung zu erzeugen, und die anderen eben nicht.

Was vergessen wird und was nicht, hängt nicht vom Zufall ab, auch nicht von der ursprünglichen Größe des Ereignisse, und erst recht nicht von Faktoren wie Macht und Gewaltanwendung, sondern von der inhaltlichen Prägekraft des Ereignisses.

 

 

Ich als Christ würde das als Wirken des hl. Geistes bezeichnen. Es ist aber auch ein allgemeiner Wesenszug der Evolution. Unter den zig-tausenden von Mutationen gibt es die eine, die dann den weiteren Weg der Veränderung einer Art bestimmt.

 

 

Die Frage ist, ob ich als Theologe und Gläubiger, oder ob ich als Historiker gefragt werde.

 

Als Theologe glaube ich selbstverständlich daran, dass es eine Heilsgeschichte mit Gott gibt.

 

Als Historiker kann ich diese Heilsgeschichte nur bedingt entdecken.

 

Es ist auch eine Frage der Blickrichtung. Wenn ich nach hinten, auf die Vergangenheit schaue, kann ich eine sinnvolle Entwicklung, ein Wirken Gottes erkennen. Wenn ich nach vorne schaue, kann ich das nicht.

Diese Frage gibt es auch schon im AT bzgl. der wahren und der falschen Prophetie: Ein wahrer Prophet erweist sich immer dann als wahr, wenn seine Voraussagen eintgetroffen sind.

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Die Frage ist, ob ich als Theologe und Gläubiger, oder ob ich als Historiker gefragt werde.

 

Als Theologe glaube ich selbstverständlich daran, dass es eine Heilsgeschichte mit Gott gibt.

 

Als Historiker kann ich diese Heilsgeschichte nur bedingt entdecken.

 

Es ist auch eine Frage der Blickrichtung. Wenn ich nach hinten, auf die Vergangenheit schaue, kann ich eine sinnvolle Entwicklung, ein Wirken Gottes erkennen. Wenn ich nach vorne schaue, kann ich das nicht.

Diese Frage gibt es auch schon im AT bzgl. der wahren und der falschen Prophetie: Ein wahrer Prophet erweist sich immer dann als wahr, wenn seine Voraussagen eintgetroffen sind.

 

 

Auch das sehe ich anders. Das Christentum hat von seinen unscheinbaren Anfängen aus die Weltgeschichte immer deutlicher prägen können. Und zwar nicht nur als Machtinstanz Kirche (wo und wie Kirche politische Macht ausübte, mag tatsächlich zufällig und vor allem vergänglich sein), sondern vor allem in einer fortschreitenden Durchdringung der menschlichen Welt mit der Botschaft Jesu. Man muss schon ziemlich viele Tomaten auf den Augen haben, um die Fortschritte im Vergleich zu antiken heidnischen Gesellschaften zu übersehen. Und auch heute hat der Stand der Menschenrechte in einem Land eine sehr hohe Korrelation mit der Zeitdauer, in der das Evangelium dort präsent ist.

 

Und sicherlich: für uns Menschen ist die Zukunft immer offen. Ich bin aber davon überzeugt, dass man sich auf die Existenz der katholischen Kirche durch alle Zeiten hindurch fest verlassen kann. Meinem Glauben nach wird sich das auch historisch erweisen. Und das ist ja ein wichtiger Punkt. Innerhalb der letzten 100 Jahre haben sich ja schon einige Weltanschauungen in Luft aufgelöst. Zur Zeit ist es der Marktradikalismusi, der ja schon von Johannes Paul II. kritisiert wurde.

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Mir ist nicht so richtig klar, was in diesem Thread geschehen soll.

Ich lese mit Genuss die Darstellungen von Mat. Das ist sehr informativ und klingt äußerst seriös.

Aber was ist der Punkt, über den es sich zu sprechen lohnt?

Nochmal: Gegen eine weitere Darstellung von exegetischen Erkenntnissen habe ich nichts einzuwenden. Ich genieße sie. Aber ich weiß nicht, ob ich jetzt einfach was dazu legen soll, oder ob ich kommentieren soll, oder ob ich eine eigene Darstellung danebensetzen soll. Auch der Threadtitel gibt mir hierzu keine Auskunft.

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Mir ist nicht so richtig klar, was in diesem Thread geschehen soll.

Ich lese mit Genuss die Darstellungen von Mat. Das ist sehr informativ und klingt äußerst seriös.

Aber was ist der Punkt, über den es sich zu sprechen lohnt?

Nochmal: Gegen eine weitere Darstellung von exegetischen Erkenntnissen habe ich nichts einzuwenden. Ich genieße sie. Aber ich weiß nicht, ob ich jetzt einfach was dazu legen soll, oder ob ich kommentieren soll, oder ob ich eine eigene Darstellung danebensetzen soll. Auch der Threadtitel gibt mir hierzu keine Auskunft.

 

Ich würde gerne in diesem Strang über exegetische Themen diskutieren. Das kann durchaus zu einem Diskurs unterschiedlicher Modelle werden. Wenn Du ein Thema hast, dann bist Du gerne eingeladen, dieses hier zu diskutieren.

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