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[UMT] Bibelfragen - historisch theologisch


Mat

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Eine Diskussion, ob Frauen überhaupt die Kommunion empfangen dürfen, hatten wir hier schon. Bin aber zu faul zum suchen...

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Ich glaube, dass man aus der Hl. Schrift für diese Frage gar nicht gewinnen kann...es gibt Theologen, die aus der Natur des letzten Abendmahles*) schließen, dass der teilnehmende Personenkreis über die 12 hinausgegangen ist.

 

Interessant kann ein Blick auf die frühe Kirche sein, wie ihn Römer 16 bietet. Dort heißt es: Grüßt die Priska und den Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus und unter 7 Grüßt Andronikus und Junias, meine Stammverwandten und Mitgefangenen, die berühmt sind unter den Aposteln und schon vor mir in Christus gewesen sind.

Aus dieser Bibelstelle lässt sich durchaus schließen, dass in den frühen christlichen Gemeinden auch Frauen die Gemeindleitung inne hatten und damit auch der Eucharistie vorgestanden sind. Auch dass der in Römer 16,7 genannte Junius eine Junia war gilt heute als hochwahrscheinlich, damit wird von einer Frau gesagt, dass sie "berühmt war unter den Aposteln" was ja durchaus bedeuten kann, dass sie Apostolin gewesen ist.

 

Wie sehr offenbar die Männer Probleme damit hatten, die Rolle herausragender Frauen zu akzeptieren, zeigt sich daran dass z.B. Papst Gregor der Große im 6.Jh. ohne einen biblischen Hinweis die reuige Sünderin mit Maria Magdalena gleichgesetzt hat, der damit angedichtet wurde sie sei einen bekehrte und bereuende Hure gewesen.

Wenn man sich näher für Maria von Magdala interessiert sei das Buch von Andrea Taschl Erber Maria von Magdala Erste Apostolin empfohlen

 

*)Das letzte Abendmahl wird von vielen Theologen heute als eine Mischung aus dem Sedermahl zur Erinnerung an den Exodus einerseits und aus dem Dankes- und Testamentmahl des jüdischen Hausvaters gesehen, das offenbar von einem solchen noch gegeben wurde, wenn er den Tod herannahen fühlte. Bei einem solchen Mal wurde der engsten Familie bzw in Jesu Fall dem Kreis der engsten Gefolgsleute noch einmal der Dank abgestattet.

 

Qulle: Prof. Wolfgang Treitler Vorlesung 16.12.2009 "Einführung in die Theologie. Treitler ist ein ausgewiesener Judaismuskenner.

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Natürlich verleitet das Abendmahl dazu, bestimmte Schlüsse hinsichtlich der Ämter und der Rolle von Männern und Frauen zu ziehen.

Nun gibt der Abendmahlsbericht dazu nicht allzuviel her. Es wird berichtet, dass sich jesus mit seinen (12) Aposteln zu Tisch begibt. Ob damit gemeint ist, nur und ausschließlich mit den Zwölfen oder ob noch mehr Leute am Mahl teilnehmen, lässt sich nicht sagen.

Auch die Anweisung "tut dies zu meinem Gedächtnis", sagt nichts darüber aus, ob es sich hier allein um die Apostel handelt, die das tun sollen oder nicht.

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Natürlich verleitet das Abendmahl dazu, bestimmte Schlüsse hinsichtlich der Ämter und der Rolle von Männern und Frauen zu ziehen.

Nun gibt der Abendmahlsbericht dazu nicht allzuviel her. Es wird berichtet, dass sich jesus mit seinen (12) Aposteln zu Tisch begibt. Ob damit gemeint ist, nur und ausschließlich mit den Zwölfen oder ob noch mehr Leute am Mahl teilnehmen, lässt sich nicht sagen.

Auch die Anweisung "tut dies zu meinem Gedächtnis", sagt nichts darüber aus, ob es sich hier allein um die Apostel handelt, die das tun sollen oder nicht.

 

Dass an dem Abendmahl ausser den 12en noch jemand teilgenommen hat, kann man biblisch ziemlich sicher ausschliessen. Das hat die Christen später nicht davon abgehalten gemischtgeschlechtlich an den Mahlfeiern teilzunehmen. Der Fehler liegt darin hier irgendetwas biblisch zu begründen. Darum kommt bei der Herleitung auch sowohl beim Frauenpriestertum und dessen Ablehnung genau der gleiche Schwachsinn heraus, wie bei der Frage, ob Frauen am Abendmahl teilnehmen dürfen. Ich bezweifle nämlich, dass sich das Priestertum so wie es die kath. Kirche kennt biblisch so aus den Evangelien begründen lässt.

 

Man kann das zwar machen, aber dann bitte den Quatsch durchziehen. Bis zur letzten Zeile.

 

Aber dann landet man ziemlich hat schnell bei den Zeugen Jehovas.

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Nach längerer Zeit mal wieder ein Beitrag.

 

Was ist die Aufgabe der Exegese?

 

Beim Vat II war dies eines der wichtigsten Themen und heir wurden einige Türen v.a. für die sogenannte historisch-kritische Exegese (ein Bündel verschiedener Methoden) geöffnet. Wir haben auch schon hier im Forum viele Male um diese Methode und ihre Ergebnisse gestritten. Immer wieder werden Ergebnisse hier auch missverstanden und entweder als eine Waffe gegen den vermeintlich "falschen" Glauben verwendet oder aber man wendet sich in heiligem Zorn gegen die vermeintlich unheilige Methode.

 

Aus meiner Sicht gibt es hier verschiedene Ebenen, die zu betrachten sind.

 

1. Absicht des Autors eines Textes

 

Die Bibel ist eine Sammlung verschiedener Schriften. (Wobei diese Sicht alleine sicher zu einseitig ist, dazu aber weiter unten mehr). Diese Schriften sind von menschlichen Autoren in ihren konkreten menschlichen Abhängigkeiten geschrieben, überarbeitet, gesammelt und zusammengefügt worden. Es ist ein wesentlicher Punkt, die ursprüngliche Aussageabsicht eines Textes zu kennen, um ihn überhaupt richtig verstehen zu können.

 

Hier sind die Aufgaben der Exegese

 


  •  
  • Sicherung des ursprünglichen Textbestands
    Die überlieferten Quellen bezeugen viele Varianten des "Urtextes" und diese sind zu sichten und zu bewerten.
     
  • Ermittlung der Textentstehung
    Viele Texte in der Bibel sind nicht einfach heruntergeschrieben, sondern sie sind im Laufe vieler theologischer Diskussionen überarbeitet und zusammengefügt worden. Hier kann es für ein tieferes Textverstänfnis wichtig sein, zu verstehen, wie ein Text in seiner heutigen Gestalt entstanden ist.
     
  • Ermittlung der Autorenabsicht auf Basis des historischen Umfeldes des Textes.
    Hier gibt es viele verschiedene Aspeke zu berücksichtigen. Zum einen die historische Situation, die die Deutungsmöglichkeiten eines Textes einschänken. Es geht hier um die Frage, wie ein Autor einen Text gemeint haben kann und und was die ersten Adressaten verstehen konnten. Außerdem ist die Gattung des Textes zu berücksichtigen: ein Brief ist etwas Anderes als ein Psalm.

 

2. Die Bedeutung eines Textes im Kontext des Kanons

 

Dieser Aspekt wird in den Diskussionen im Forum sehr selten beachtet.

 

Die Texte der Bibel sind nicht einfach eine Bibliothek, in der verschiedene Bücher nach irgendwelchen Kriterien unverbunden nebeneinander steheen. Alle Sammlungen innerhalb eines Buches der Bibel und auch letztlich der Kanon beispielsweise des ersten Testamentes sind von der Absicht geleitet, hier ein einheitliches theologisches Werk zu schaffen, in dem die einzelnen Teile mit vielfältigen Bezügen einander zugeordnet sind.

 

Das führt dazu, dass die ursprüngliche Absicht des Autors eines Textes abweichen kann von der Bedeutung, die der Text im Bezug des Kanons hat.

 

Ein Beispiel: In Psalm 1 geht es allgemein um den Menschen, der nach nach der Thora lebt. In Verbindung mit den beiden folgenden Psalmen jedoch, wird dieser Psalm zu einem Psalm, der den idealen König Israels beschreibt. Das ist die Absicht des Kanons, aber nicht die urspründliche Absicht des Autors von Psalm 1. Das NT hat diese Königstheologie, zu der auch Ps 1 gehört dann genommen und auf Jesus übertragen.

D.h. man sieht schon in der Entstehung des ersten Testamentes eine Tendenz, einen Text nach seiner Inspiration und nicht nach der ursprünglichen Absicht des Autors zu lesen.

 

3. Biblische Theologie

 

Hier kommen wir dann zu einer Fragestellung, die auf den ersten Blick wie ein Dilemma aussieht: denn die oben genannten Punkte sind erst einmal ein Gegensatz: soll die Exegese jetzt eine historische Fragestellung behandeln oder soll sie wie auch immer einen inspirierten Schriftsinn ermitteln?

 

Aus meiner Sicht muss sie Beides tun. Sie muss die Wege nachzeichnen, die die Bedeutung eines Textes in der Bibel gegangen ist. Sie darf auch nicht verschweigen, dass Texte immer mehrdeutig sind und sie muss die möglichen Bedeutungen zulassen, aber auch bewerten. Und schließlich muss sie ihre Ergebnisse so zur Verfügung stellen, dass sie von andere theologischen Disziplinen verwendet werden können.

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Ich finde zum Thema Exegese passt die Eintragung vom 2. Juni 2013 "De Exgesefälscher" aus dem Blog "Lectio brevior" sehr gut. Hier der Link: http://www.lectiobrevior.de/2013/06/der-exegesefalscher.html

 

Berger dessen Reputation hauptsächlich aus seinem mehrfachen Konfessionswechsel stammt, liegt allerdings mit seiner Kritik auf der, in seinen Jesusbüchen offensichtlich gewordenen Linie des emeritierten Papstes. Geade im letzten Band der sich mit der Kindheitsgeschichte beschäftigt wird dies besonders deutlich, indem Benedikt die Linie vertritt dass die Lukanische Weihnachtsgeschichte und auch die übrigen Kindheitsgeschichten als istorische Fakten genommen werden müssen.

bearbeitet von Der Geist
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Ich finde zum Thema Exegese passt die Eintragung vom 2. Juni 2013 "De Exgesefälscher" aus dem Blog "Lectio brevior" sehr gut. Hier der Link: http://www.lectiobrevior.de/2013/06/der-exegesefalscher.html

 

Berger dessen Reputation hauptsächlich aus seinem mehrfachen Konfessionswechsel stammt, liegt allerdings mit seiner Kritik auf der, in seinen Jesusbüchen offensichtlich gewordenen Linie des emeritierten Papstes. Geade im letzten Band der sich mit der Kindheitsgeschichte beschäftigt wird dies besonders deutlich, indem Benedikt die Linie vertritt dass die Lukanische Weihnachtsgeschichte und auch die übrigen Kindheitsgeschichten als istorische Fakten genommen werden müssen.

 

Es ist natürlich traurig, wenn jemand, der es besser wissen müsste und auch selbst ernsthaft betrieben hat, so argumentiert.

 

Allerdings muss man aber auch sagen, dass es Positionen innenerhalb der Gruppe der Exegeten gibt, die sehr kritikwürdig sind.

Da gibt es teilweise schon extreme Positionen und auch professorale Arroganz, die mit der eines Klaus Bergers durchaus vergleichbar ist.

 

Ich finde den verlinkten Blog-Eintrag übrigens gut, vielen Damk dafür.

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aufgrund der Diskussionen um eine synoptische Harmonie ein paar Dinge rund um die synoptischen Evangelien.

 

Das Schöne an den synoptischen Evangelien ist, dass man sie ganz einfach nebeneinander legen und vergleichen kann und damit ein ganz einfaches Kriterium hat, um verschiedene Bestandteile der Evangelien zu unterscheiden, die alle in die Endgestalt eingeflossen sind.

 

Wie allseits bekannt wird fast der gesamte Text des Markusevangeliums in Lk und Mt. verwendet. Anscheinend ist Mk zur Zeit der Verfassung der beiden anderen Evangelien schon so allgemeingültig, dass man sich auf seinen Text beziehen muss. Allerdings gibt es hier auch die Beobachtung, dass an vielen Stellen, die Mk, Lk und Mt. gemeinsam haben, Lk und Mt übereinstimmen, während Mk in Details abweicht. Man erklärt sich dies so, das Lk und Mt wohl nicht die im NT vorliegende Fassung von Mk verwendet haben, sondern eine andere Version - vermutlich eine, die später noch einmal überarbeitet wurde.

 

Daneben gibt es viele Stellen, die Mt. und Lk. parallel kennen, aber nicht Mk. Hier handelt es sich um Sprüche und man spricht hier von einer eigenen Quelle. Man stellt sich das Ganze wie eine Art Spruchsammlung vor, die vermutlich schriftlich vorgelegen hat (Lk und Mt zitieren vielfach gleich) und aus der sich Mt und Lk bedienen. Allerdings gibt es auch hier Varianten, so dass man nicht genau weiß, ob beide dieselbe oder nur eine ähnliche Fassung dieser Spruchsammlung verwenden.

Da diese Spruchsammlung heute nicht mehr vorliegt, kennen wir auch ihren Umfang nicht. Man nimmt an, dass LK und Mt auch Sprüche verwenden, die der jeweils andere nicht verwendet. Hier könnte man über inhaltliche und formale Kriterien versuchen, solche Sprüche als zu dieser Spruchsammlung gehörig zu plausibilisieren. Aber natürlich ist dieses Verfahren nicht unumstritten. Außerdem findet man einen Teil der verwendeten und weiterer Sprüche auch im Thomasevangelium.

 

Manch ein Exeget traut sich zu, von einer Theologie dieser Spruchsammlung zu sprechen. Das geht in meinen Augen zu weit, so lange wir nicht den Gesamtumfang dieser Spruchsammlung kennen. Wir wissen noch nicht einmal nach welchen Kriterien sich Mt und Lk bedient haben. Möglicherweise waren diese Sprüche ja in ihren Gemeinden auch sehr populär, so dass ihr Gebrauch weniger theologischen als praktischen Überlegungen folgte.

 

Die Zweiquellentheorie ist die gängige Theorie, aber nicht unumstritten, weil zum einen die Spruchsammlung nur erschlossen und angenommen ist und zum anderen damit nicht aller Phänomene aus dem synoptischen Vergleich erklärt werden können.

 

Insgesamt ist die Zweiquellentheorie ziemlich praktisch. Sie zeigt zumindest, wie die Verfasser der Evangelien gearbeitet haben und sie zeigt, das Mk alleine als Quelle des Glaubens an Jesus ihnen nicht ausreichte. Mk ist ein ersten Versuch eines theologischen Aufrisses der Worte und Taten Jesu. Stilistisch ist es unbeholfen, sachlich, in Bezug auf das jüdische Leben, trifft es hin und wieder falsche Annahmen. Dennoch taugt es als allgemein anerkannter Kern der Geschichte von Jesus.

 

Die Spruchsammlung zeigt, dass die Gemeinden viel mehr zur Verfügung hatten als nur ein Evangelium.

 

Außerdem ist interessant, dass die Passion offensichtlich einen Vorrang vor den sonstigen Worten und Taten Jesu einnahm. Selbst Johannes musste sich bei aller eigenen Gestaltung an viele Züge der Passion halten. Und selbst bei Paulus findet sich ein Abendmahlsbericht.

 

Die synoptischen Evangelien stehen also nicht isoliert im luftleeren Raum, sondern sie stehen in Beziehung zu dem, was sonst so in der frühen Kirche kursierte.

 

Die Zweiquellentheorie sollte aus diesem Grund nicht überbewertet werden. Sie erklärt bestimmte strukturelle Phänomene, aber nicht die theologische Gestalt der Evangelien.

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Hallo Alfons,

 

vielen Dank für Deine Ausführungen. Hast Du mal eine Literaturangabe für diese Studienausgabe der Quelle Q?

 

Interessant finde ich an dem, was Du geschrieben hast, die folgenden Punkte:

 

Bei Paulus steht der Kreuzestod und die Auferstehung sowie damit verbunden das Abendmahl im Vordergrund. Paulus braucht keine weiteren biographischen Angaben oder Teile der Lehre Jesu. Und auf dieser Linie liegt auch Beobachtungen innerhalb der Evangelien, dass vermutlich die Passion der älteste Teil der Geschichte Jesu ist. Selbst das Evangelium des Johannes verwendet das Passion trotz einiger signifikanter Abweichungen recht traditionsgetreu.

 

Die Quelle Q stellt Jesu Lehre in den Vordergrund. Letztendlich ist es hier nicht die rettende Tat am Ende, die Theologie schafft, sondern vielmehr beglaubigt die Auferstehung die Lehre Jesu (ich gehe davon aus, dass ohne die Auferstehung auch eine solche Sammlung nicht entstanden wäre). Die judenchristliche Prägung liegt bei einer solchen Schrift durchaus nahe (mich würde dabei interessieren, ob die Arbeitsgruppe die judenchristliche Prägung mit dem Inhalt oder mehr mit den historischen Umständen begründet). Jesus predigt auf aramäisch in seiner jüdischen Umwelt: vermutlich zielt seine Lehre damit zunächst auf eine innerjüdische Diskussion und erst durch den Übergang in die Griechisch sprachige Welt kommen auch die Völker in den Blick der christlichen Lehre.

Aus der Apostelgeschichte ist ja bekannt, dass die Christen sich zunächst als Juden sahen (sonst wäre ja die Diskussion um eine obligatorische Beschneidung der Neuchristen sinnlos) in einer bestimmte Variante des Judentums. Mich würde interessieren, ob man aus der Quelle Q schon den Bruch mit dem Judentum herauslesen kann, oder nicht.

 

Im Endeffekt ist ja das palästinische Judenchristentum in den jüdischen Kriegen zerrieben worden zwischen den Juden und den Römern.

 

 

Ebenso spannend finde ich die These, dass gemäß der These Q ebenso vollständig verwendet wurde mit Mk. Das würde ja darauf hinweisen, dass die Gemeinden beide Werke weitgehend kannten und rezipierten. Und dann muss man sich ja fragen, warum macht man ein neues Werk aus diesen beiden?

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Ein anderes Thema, was ebenfalls an anderer Stelle kurz angeschnitten wurde ist das Thema "Textverständnis".

 

Man kann dieses Thema von zwei Seiten aus diskutieren, was passiert beim Leser und was kann aus der Perspektive eines Textes/Autors gesagt werden.

 

Der Leser und das Lesen

Ein geschriebener Text ist ohne einen Leser sinnlos, ohne jede Funktion. Dies lässt sich einfach zeigen, wenn man einen Text einem Blinden, einem Analphabeten oder jemanden gibt, der Sprache des Textes nicht versteht. Lesen bedeutet, die Muster auf einem Stück Papier in etwas Sinnvolles zu verwandeln.

 

Sinn entsteht dadurch in dem der Text durch den Leser in einen Kontext gestellt wird. Dieser Kontext besteht aus vielen Dimensionen. Hier spielen zum einen kognitive Aspekte eine Rolle wie Vorwissen über Inhalt und Form, Sprachkompetenz usw. Aber es wirken auch nicht kognitive Aspekte wie Erlebnisse, die mit einem Text verbunden sein können, Emotionen, Bedeutung (einem Bibeltext kann eine andere Bedeutung zugeschrieben werden als einem Werbeflyer oder einer Packungsbeilage), Erfahrungen, die jemand möglicherweise mit einem Text gemacht hat, Befürchtungen (was bedeutet für den Leser eines Beipackzettels beispielsweise, dass ein Symptom selten auftritt....), Urteile über den Autor, der Kontext, in dem ein Text begegnet (ein Gedicht als Schullektüre wirkt anders als als Teil eines Liebesbriefes), usw.

Man kann also sagen, dass aus einem Text ein Bild entsteht, gewoben aus den verschiedenen Kontexten, die der Leser in das Textverständnis einbringt und aus der Auswahl bzw. den Schwerpunkten des Lesers.

 

Nun sind diese Kontexte aber nicht unbedingt nur individuell. Es können gemeinsame Kontexte zum Verständnis eines Textes auch innerhalb von Gruppen entwickelt werden. D.h. man verständigt sich durch verschiedene Mechanismen auf eine gemeinsame Sicht. In so einem Umfeld funktioniert die Forderung eines wörtliches Textverständnisses beispielsweise ganz hervorragend. Da wesentliche Teile des Kontextes geteilt werden, abweichende Kontexte aber zumindest teilweise sanktioniert werden ("falsches Verständnis", "Verdrehen des Textes"), enthalten Texte für eine solche Gruppe einen offensichtlichen Sinn. Und selbstverständlich gehen die Mitglieder solcher Gruppen davon aus, dass es sich um einen allgemeingültigen Sinn handelt, über die Gruppe hinaus. Unverständnis außerhalb der Gruppe wird dann ebenfalls damit begründet, dass andere das Offensichtliche nicht sehen. Was aus dieser Perspektive gleichermaßen bedauerlich wie rätselhaft erscheint und je nach Weltsicht auch dazu führen kann, den Unverständigen bösen Willen oder Unglauben zu unterstellen.

 

Sehr oft trifft man auch das Phänomen an, dass der Kontext und das Vorverständnis auch ohne den Text wirken und der Text gar nicht mehr wichtig zu sein scheint. Das eindrücklichste Beispiel für mich ist das mehrfach belegte Ergebnis in Umfragen, dass Messbesucher eine Predigt schön fanden, ohne dass sie sagen konnten, was gepredigt wurde, oder dass die Bewertung der Predigt immer gleich ausfiel, egal, was gepredigt wurde. Es war also nicht der Text wichtig, sondern nur Kontext.

 

Die Reflexion über den eigenen Kontext bzgl. der Bibeltexte ist für Prediger und Theologen eine schwierige und lebenslange Aufgabe (aber bei weitem nicht jeder sieht dies als Aufgabe an). Zum einen bringt jeder schon Erfahrungen mit den Bibeltexten mit und zum anderen bilden sich durch die Beschäftigung mit den immer gleichen Texten auch Verstehensmuster die sich immer und immer wieder kopieren. Oft weiß man schon, was jetzt gepredigt wird.

Die Verstehensmuster sind ja durchaus hilfreich, weil sie Stabilität und Sicherheit vermitteln, aber sie können auch den Blick für tradierte Missverständnisse oder weitere wichtige Bedeutungen eines Textes verstellen.

 

Der Text

Ein geschriebener Text ist nie eindeutig. Er enthält zum einen mehrdeutige Informationen und zum anderen Lücken. Viele Dinge werden eben nicht gesagt. Beispielsweise, was bedeutet es genau, wenn die Hohenpriester das Volk aufwiegeln: ist das Volk hier sowieso schon aufgebracht und braucht nur einen kleinen Impuls (man könnte sagen, dann folgen die Priester eher der Stimmung im Volk) oder war das Volk eher ruhig und auf der Seite Jesu und die Hohenpriester mussten mit viel Mühe die Leute zum Mitmachen gegen Jesus überreden?

Außerdem setzt ein Text immer ein Vorwissen voraus. Er erklärt nicht alles, was in ihm steht. Wenn beispielsweise jemand schreibt: "ich habe heute wieder einhundertmal geposte), dann dürfte ein Leser mit dem Vorwissen aus dem Barock ein Verständnisproblem haben. Und genau so geht es uns mit vielen Informationen in antiken Texten.

 

Texte sind also unvollständig, ungenau und mangelhaft informativ (je mehr man vom Kontext des Autors entfernt ist). Das ist auch ein Grund für die trockene und komplexe juristische Sprache, die versucht diese "Mängel" eines Textes zu minimieren.

 

Man kann also fragen, was der Text dem Leser zumutet, welches Wissen er voraussetzt, welche Lücken er lässt und wie diese Lücken zu füllen sind. Dies ist ein Ansatz der sog. kanonischen Exegese. Man kann dann weiter fragen, wie der Leser gemäß der Absicht der Autors/Textes diese Lücken füllen sollte (und wie nicht).

 

An dieser Stelle fallen die Analyse der Textgestaltung und der Lesepsychologie zusammen. Denn das Füllen der Lücken ist Teil der Kontextbildung. In diesem Fall versucht die kanonische Exegese die Lücken nicht durch den Leser zu füllen sondern durch Annahmen über den Autor bzw. die Gemeinde, die Adressatin bzw. Trägerin der Texte ist. Diese Annahmen kann man aus den Bezügen eines Textes zu anderen Texten entwickeln oder durch Annahmen über die Theologie einer biblischen Gemeinde.

 

Für den Prediger und Theologen scheint es mir wichtig zu sein, hier nicht zu schnell verstehen zu wollen und die Lücken "wie von selbst" zu füllen. Sondern diese Lücken auch wieder wahrzunehmen und diese dann reflektiert und bewusst füllen.

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Ebenso spannend finde ich die These, dass gemäß der These Q ebenso vollständig verwendet wurde mit Mk. Das würde ja darauf hinweisen, dass die Gemeinden beide Werke weitgehend kannten und rezipierten. Und dann muss man sich ja fragen, warum macht man ein neues Werk aus diesen beiden?

Meine spontane Vermutung: Die Gemeinden hatten ja nicht nur Mk und Q zur Verfügung, sondern auch weitere Überlieferungen. Da scheint mir die Idee, diese unterschiedlichen Quellen zusammenzufügen nicht so weit hergeholt. MK mit der Passionsgeschichte, Q mit den Sprüchen sowie das jeweilige Sondergut. Scheint zumindest zwei mal so passiert zu sein: Die Autoren nennen wir heute Mt und Lk ;)

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Hallo Alfons,

 

vielen Dank für Deine Ausführungen. Hast Du mal eine Literaturangabe für diese Studienausgabe der Quelle Q?

 

Interessant finde ich an dem, was Du geschrieben hast, die folgenden Punkte:

 

Bei Paulus steht der Kreuzestod und die Auferstehung sowie damit verbunden das Abendmahl im Vordergrund. Paulus braucht keine weiteren biographischen Angaben oder Teile der Lehre Jesu. Und auf dieser Linie liegt auch Beobachtungen innerhalb der Evangelien, dass vermutlich die Passion der älteste Teil der Geschichte Jesu ist. Selbst das Evangelium des Johannes verwendet das Passion trotz einiger signifikanter Abweichungen recht traditionsgetreu.

 

Die Quelle Q stellt Jesu Lehre in den Vordergrund. Letztendlich ist es hier nicht die rettende Tat am Ende, die Theologie schafft, sondern vielmehr beglaubigt die Auferstehung die Lehre Jesu (ich gehe davon aus, dass ohne die Auferstehung auch eine solche Sammlung nicht entstanden wäre). Die judenchristliche Prägung liegt bei einer solchen Schrift durchaus nahe (mich würde dabei interessieren, ob die Arbeitsgruppe die judenchristliche Prägung mit dem Inhalt oder mehr mit den historischen Umständen begründet). Jesus predigt auf aramäisch in seiner jüdischen Umwelt: vermutlich zielt seine Lehre damit zunächst auf eine innerjüdische Diskussion und erst durch den Übergang in die Griechisch sprachige Welt kommen auch die Völker in den Blick der christlichen Lehre.

Aus der Apostelgeschichte ist ja bekannt, dass die Christen sich zunächst als Juden sahen (sonst wäre ja die Diskussion um eine obligatorische Beschneidung der Neuchristen sinnlos) in einer bestimmte Variante des Judentums. Mich würde interessieren, ob man aus der Quelle Q schon den Bruch mit dem Judentum herauslesen kann, oder nicht.

 

Im Endeffekt ist ja das palästinische Judenchristentum in den jüdischen Kriegen zerrieben worden zwischen den Juden und den Römern.

 

 

Ebenso spannend finde ich die These, dass gemäß der These Q ebenso vollständig verwendet wurde mit Mk. Das würde ja darauf hinweisen, dass die Gemeinden beide Werke weitgehend kannten und rezipierten. Und dann muss man sich ja fragen, warum macht man ein neues Werk aus diesen beiden?

 

 

Hallo Mat,

 

es gibt, meine ich, mehrere Studienausgaben von Q. Ich benutze „Die Spruchquelle Q“, Studienausgabe Griechisch und Deutsch, herausgegeben und eingeleitet von Paul Hoffmann und Christoph Heil, die beide zum Herausgeberkreis des Internationalen Q-Projekts gehören. Erschienen ist sie bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, 4. Auflage 2013.

 

Die Frage, warum Q keine Passionsgeschichte enthalten hat – vorausgesetzt, der Umfang dieser Quelle war tatsächlich nicht wesentlich größer als die bis jetzt rekonstruierte Form – habe ich mir auch gestellt, und eine wirklich befriedigende Antwort habe ich nicht. Es erinnert mich an das offene Ende der Apostelgeschichte, wo Lukas den Tod des Paulus nicht berichtet, obwohl er mit einiger Wahrscheinlichkeit davon gewusst haben muss. Verstehbar ist es aber insofern, als Q kaum Ereignisse berichtet, sondern fast ausschließlich Aussprüche Jesu überliefert. Wenn ich versuche, mich in diese Zeit hinein zu denken, dann sehe ich zuerst als Träger der Überlieferung die Männer und Frauen, die mit der Botschaft des barmherzigen Gottes, dessen Reich gekommen ist, von Dorf zu Dorf ziehen. Gerd Theißen spricht von den Wander-Radikalen, die als erste die Botschaften des Jesus weiter tragen. Die Ereignisse um Jesus, den Menschensohn, von dessen baldigem Wiederkommen sie überzeugt sind, haben sie (vielleicht sogar als Erlebnisse) im Kopf. Aber seine Aussprüche müssen irgendwann in den nächsten Jahren aufgeschrieben werden, um den mutmaßlichen Wortlaut zu sichern. Später wurden diese Aussprüche zusammengefasst, geordnet, redigiert, wohl auch angesichts des heraufziehenden Krieges um Gerichtssprüche ergänzt. In der Forschung ist aber das, was ich mir hier vorstelle, umstritten – sowohl die Verschriftlichung, da auch die These vertreten wird, Q sei ausschließlich mündlich überliefert worden, als auch die Entstehung im Kreis der Wanderprediger, da es unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, wie man sich den Übergang von der freien Wandermission zu den ersten Hausgemeinden vorstellen muss und ob Q nicht eher in diesen kleinen Gemeinden im galiläisch/syrischen Grenzraum verschriftlicht wurde.

 

Ich gehe mit Dir darin einig, dass die Auferstehung (bzw. aus meinem atheistischen Verständnis: ein nicht verifizierbares Geschehen, das von den Anhängern des Jesus als Auferstehung gedeutet und weiter berichtet wurde) der Auslöser der Verkündigung war. Auch aus den Evangelien lässt sich ja ersehen, dass das Leben Jesu von der Passion her erinnert und beschrieben wurde.

 

Zur Frage der judenchristlichen Prägung: Die ergibt sich schon daraus, dass die ersten Anhängerinnern und Anhänger Jesu, die als Wanderprediger loszogen, „Judenchristen“ waren. Ihre Verkündigung war geprägt von „nachösterlichem Enthusiasmus, charismatisch-eschatologischer Tora-Verschärfung und der prophetischen Botschaft vom nahen Schöpfergott“ (S. Schulz: Q, zitiert nach Hoffmann/Heil [Hg.]: Die Spruchquelle Q, S. 15). Das Auseinanderstreben von Judentum und der neuen zunächst innerjüdischen Bewegung war ja eine allmähliche und auch uneinheitliche und mehrschichtige Entwicklung. Die Heidenmission des Paulus und seiner Anhänger war nur ein Teil davon. Im Hinterkopf habe ich dazu den Gedanken, dass auch damals nur ein Bruchteil der Juden in Palästina lebte. Die Paulus-Mission z.B. wandte sich zunächst stets an die mit hellenistischem Denken bekannten Juden in den großen Städten außerhalb Palästinas; jedenfalls betont Lukas in der Apostelgeschichte, dass Paulus zunächst in den Synagogen lehrte (sofern das nicht dem Harmoniestreben des Lukas geschuldet ist). Andererseits gab es in Jerusalem neben den orthodoxen Juden, denen die Jerusalemer Jesus-Gemeinde um Petrus und den Jesus-Bruder Jakobus durchaus nahe gestanden haben muss, auch „hellenistische“ Juden und eine diesen nahe stehende frühchristliche Gemeinde – wahrscheinlich identisch mit dem Stephanus-Kreis. Die Q-Gruppe, die nach Ansicht des Internationalen Q-Projekts eindeutig in Galiläa zu verorten ist, war also eine dritte judenchristliche Gruppierung.

 

Der endgültige Bruch zwischen dem Judentum und dem entstehenden Christentum war der Jüdische Krieg – die Jesus-Anhänger beteiligten sich nicht an dem Krieg gegen die Römer. Die Jerusalemer Gemeinde ging dabei unter. Wie Du sehr richtig geschrieben hast: „Im Endeffekt ist ja das palästinische Judenchristentum in den jüdischen Kriegen zerrieben worden zwischen den Juden und den Römern.“ Dass die Jerusalemer Gemeinde habe flüchten können, ist bisher nur ein unbestätigtes Gerücht. Die Stephanus-Gruppe war ja schon früher vertrieben worden. Für die Jesus-Anhänger aus Galiläa, die mit der Entstehung von Q in Verbindung gebracht werden, wird angenommen, dass sie spätestens im Jahr 67, als die Römer Galiläa eroberten, nach Syrien flohen. Mir erscheint einleuchtend, dass dort auch die Endredaktion von Q stattfand. Das würde die heftige Polemik gegen Israel in Q erklären. Es gibt aber auch Argumente für eine Endredaktion in Jerusalem. Als Antwort auf Deine Frage also: Ja, man kann den Bruch mit dem Judentum schon in der Spruchquelle erkennen.

 

Zu Deiner letzten Frage nach der Verbreitung von Q in den jungen Gemeinden habe ich keine brauchbare Antwort. Die Spruchsammlung Q muss ja schriftlich, wenn auch in wahrscheinlich leicht voneinander abweichenden Versionen, sowohl dem Verfasser des Matthäus- als auch dem des Lukas-Evangeliums vorgelegen haben, also in mindestens zwei Gemeinden in Gebrauch gewesen sein. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Sammlung, wenn auch vielleicht nur mündlich und teilweise, auch dem Markus-Verfasser bekannt gewesen ist. Denn es gibt 40 Dubletten zwischen dem Q-Text und dem Markus-Text. Ebenso faszinierend finde ich die Verbindungen zum Thomas-Evangelium. In den 114 Logien des Thomas-Evangeliums haben 49 eine Parallele zu Q. Darunter 13, die auch schon im Markus-Evangelium stehen. Eine doch recht weite Verbreitung lässt sich also annehmen. Dass Q dennoch verloren ging, wird dadurch noch erstaunlicher. Allerdings ist ja auch das Thomas-Evangelium, das eindeutig jesuanische Logien enthält und das eine so weite Verbreitung hatte, dass mehrere Kirchenväter von ihm wussten, fast verschwunden gewesen und wurde erst in der Neuzeit wiederentdeckt. Ich werfe jetzt mal den Hoffnungsgenerator an...

 

Alfons

 

PS: Sorry für die späte Antwort, aber ich war die vorige Woche im mykath-Wanderurlaub.

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Hallo Mat,

 

es gibt, meine ich, mehrere Studienausgaben von Q. Ich benutze „Die Spruchquelle Q“, Studienausgabe Griechisch und Deutsch, herausgegeben und eingeleitet von Paul Hoffmann und Christoph Heil, die beide zum Herausgeberkreis des Internationalen Q-Projekts gehören. Erschienen ist sie bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, 4. Auflage 2013.

 

Hallo Alfons,

 

erst einmal danke für Deine Antwort. ich bin jetzt auch wieder da.

 

Die Frage, warum Q keine Passionsgeschichte enthalten hat – vorausgesetzt, der Umfang dieser Quelle war tatsächlich nicht wesentlich größer als die bis jetzt rekonstruierte Form – habe ich mir auch gestellt, und eine wirklich befriedigende Antwort habe ich nicht. Es erinnert mich an das offene Ende der Apostelgeschichte, wo Lukas den Tod des Paulus nicht berichtet, obwohl er mit einiger Wahrscheinlichkeit davon gewusst haben muss. Verstehbar ist es aber insofern, als Q kaum Ereignisse berichtet, sondern fast ausschließlich Aussprüche Jesu überliefert. Wenn ich versuche, mich in diese Zeit hinein zu denken, dann sehe ich zuerst als Träger der Überlieferung die Männer und Frauen, die mit der Botschaft des barmherzigen Gottes, dessen Reich gekommen ist, von Dorf zu Dorf ziehen. Gerd Theißen spricht von den Wander-Radikalen, die als erste die Botschaften des Jesus weiter tragen. Die Ereignisse um Jesus, den Menschensohn, von dessen baldigem Wiederkommen sie überzeugt sind, haben sie (vielleicht sogar als Erlebnisse) im Kopf. Aber seine Aussprüche müssen irgendwann in den nächsten Jahren aufgeschrieben werden, um den mutmaßlichen Wortlaut zu sichern. Später wurden diese Aussprüche zusammengefasst, geordnet, redigiert, wohl auch angesichts des heraufziehenden Krieges um Gerichtssprüche ergänzt. In der Forschung ist aber das, was ich mir hier vorstelle, umstritten – sowohl die Verschriftlichung, da auch die These vertreten wird, Q sei ausschließlich mündlich überliefert worden, als auch die Entstehung im Kreis der Wanderprediger, da es unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, wie man sich den Übergang von der freien Wandermission zu den ersten Hausgemeinden vorstellen muss und ob Q nicht eher in diesen kleinen Gemeinden im galiläisch/syrischen Grenzraum verschriftlicht wurde.

 

Interessant finde ich hier, dass Q ganz auf die Lehre Jesu fokussiert. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Auferstehung und Lehre für die ersten Christen zusammengehören und dass es unbefriedigend war, sich nur auf die Passion zu fokussieren. Aber anscheinend ist es ja auch so, dass man sich bei jemandem, der keine Bücher schreibt, sondern eher durch Reden und v.a. Sprüche wirkt, schwer tut, eine allgemein anerkannte Form der Überlieferung zu entwickeln. Paulus löst das Problem dadurch, dass er sich überhaupt nicht mit einer Lehre Jesu auseinandersetzt.

Q ist eine Sammlung von Sprüchen, die irgendwer mal gesammelt hat - warum auch immer. Interessant scheint mir hier, dass Q nicht als eigenständiges Werk in die Schrift aufgenommen wurde, Markus als andere Quelle hingegen schon. Dies könne entweder darauf hinweisen, dass Q tatsächlich nur in einem kleinen Umfeld verbreitet war (anders als die synoptischen Evangelien), das dann im Krieg unterging (und mit ihm auch diese Schrift) oder aber, dass man Q nicht als eine Schrift angesehen hat, sondern lediglich als eine Art Protokoll von Teilen der Lehre Jesu, die man dann bei Bedarf zitieren kann.

 

 

Zur Frage der judenchristlichen Prägung: Die ergibt sich schon daraus, dass die ersten Anhängerinnern und Anhänger Jesu, die als Wanderprediger loszogen, „Judenchristen“ waren. Ihre Verkündigung war geprägt von „nachösterlichem Enthusiasmus, charismatisch-eschatologischer Tora-Verschärfung und der prophetischen Botschaft vom nahen Schöpfergott“ (S. Schulz: Q, zitiert nach Hoffmann/Heil [Hg.]: Die Spruchquelle Q, S. 15). Das Auseinanderstreben von Judentum und der neuen zunächst innerjüdischen Bewegung war ja eine allmähliche und auch uneinheitliche und mehrschichtige Entwicklung. Die Heidenmission des Paulus und seiner Anhänger war nur ein Teil davon. Im Hinterkopf habe ich dazu den Gedanken, dass auch damals nur ein Bruchteil der Juden in Palästina lebte. Die Paulus-Mission z.B. wandte sich zunächst stets an die mit hellenistischem Denken bekannten Juden in den großen Städten außerhalb Palästinas; jedenfalls betont Lukas in der Apostelgeschichte, dass Paulus zunächst in den Synagogen lehrte (sofern das nicht dem Harmoniestreben des Lukas geschuldet ist). Andererseits gab es in Jerusalem neben den orthodoxen Juden, denen die Jerusalemer Jesus-Gemeinde um Petrus und den Jesus-Bruder Jakobus durchaus nahe gestanden haben muss, auch „hellenistische“ Juden und eine diesen nahe stehende frühchristliche Gemeinde – wahrscheinlich identisch mit dem Stephanus-Kreis. Die Q-Gruppe, die nach Ansicht des Internationalen Q-Projekts eindeutig in Galiläa zu verorten ist, war also eine dritte judenchristliche Gruppierung.

Dies halte ich für naheliegend. Das Judentum war nicht so einheitlich, wie es heute scheint. Und man findet ähnliches Gedankengut wie bei den Christen auch in Teilen der Qumranschriften. Anscheinend hat sich das Christentum aus verschiedenen Denkrichtungen bedient, bzw. lagen bestimmte Gedanken in der Luft, die das Christentum genauso aufgenommen hat wie das Judentum.

Für mich ist das auch wieder ein Hinweis darauf, dass die Anfänge des Christentums erheblich komplexer waren, als man sich das heute vorstellt. (Man kann hier ja auch noch das Johanneische Christentum als weitere Gruppierung nennen). Und auf diesem Hintergrund erscheint die große Harmonisierung der Apostelgeschichte wie ein Versuch, in der Rückschau einen großen Wurf darzustellen, wo in der Realität tatsächlich ein vielfältiges Tasten und Suchen war. Durchgesetzt hat sich am Ende der hellenistische (juden-)christliche Zweig, zum Einen, weil sie die meisten waren und zum Anderen, weil sie von den Ereignissen in Palästina nicht berührt waren.

 

 

Der endgültige Bruch zwischen dem Judentum und dem entstehenden Christentum war der Jüdische Krieg – die Jesus-Anhänger beteiligten sich nicht an dem Krieg gegen die Römer. Die Jerusalemer Gemeinde ging dabei unter. Wie Du sehr richtig geschrieben hast: „Im Endeffekt ist ja das palästinische Judenchristentum in den jüdischen Kriegen zerrieben worden zwischen den Juden und den Römern.“ Dass die Jerusalemer Gemeinde habe flüchten können, ist bisher nur ein unbestätigtes Gerücht. Die Stephanus-Gruppe war ja schon früher vertrieben worden. Für die Jesus-Anhänger aus Galiläa, die mit der Entstehung von Q in Verbindung gebracht werden, wird angenommen, dass sie spätestens im Jahr 67, als die Römer Galiläa eroberten, nach Syrien flohen. Mir erscheint einleuchtend, dass dort auch die Endredaktion von Q stattfand. Das würde die heftige Polemik gegen Israel in Q erklären. Es gibt aber auch Argumente für eine Endredaktion in Jerusalem. Als Antwort auf Deine Frage also: Ja, man kann den Bruch mit dem Judentum schon in der Spruchquelle erkennen.

Den Bruch schon - aber auch ein heiden-christliches Konzept? Das würde ich eher bezweifeln.

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Hallo Alfons,

 

erst einmal danke für Deine Antwort. ich bin jetzt auch wieder da.

(...)

 

Hallo Mat,

 

es wäre besser gewesen, Du hättest gesagt, dass Du weg bist.

Geht die Löschung von sieben Seiten dieses Threads auf Deine Kappe? Falls ja, wünsche ich dir weiter viel Freude in Deinem Thread, aber ich bin dann mal weg.

 

Alfons, stinksauer

bearbeitet von Alfons
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Aber anscheinend ist es ja auch so, dass man sich bei jemandem, der keine Bücher schreibt, sondern eher durch Reden und v.a. Sprüche wirkt, schwer tut, eine allgemein anerkannte Form der Überlieferung zu entwickeln. Paulus löst das Problem dadurch, dass er sich überhaupt nicht mit einer Lehre Jesu auseinandersetzt.

Gleichnisse, auch mündlich vorgetragen, sind ein brauchbare Form, Allgemeines zu überliefern.

Paulus beschäftigt sich sehr wohl mit der Lehre Jesu. Er hält Jesus, dessen Leben für die Lehre. Das gelebte Leben Jesu ist nach Paulus die Lehre des Christentums.

 

Es ist nicht Paulus gewesen, der den Kanon mit seinen Briefen zum NT genehmigt hat. Andere als Paulus haben ihn in einen Topf mit den Evangelien gesteckt.

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