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Bilanzierung bei der Kirche


MartinO

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Lothar hat in diesem Thread geschrieben, Bistümer müssten nicht bilanzieren.

 

Verstehe ich das richtig, dass ein Bistum seinen Haushalt nicht aufschlüsseln muss? Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass es staats-, kirchen- und konkordatsrechtlich in Ordnung ist, wenn ein Bischof über Jahre keine Bilanzen seiner Ausgaben vorlegt.

 

Falls doch, sollte es dringend geändert werden.

bearbeitet von MartinO
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Konkordatsrechtlich ist das in der Tat absolut kaum geregelt, warum auch? Die Kirche konkreten Bilanzierungsvorschriften unterwerfen zu wollen würde schon mit deren Selbstorganisationsrecht kollidieren.

 

Dies bedeutet jedoch keine völlige Freiheit - die jeweiligen Rechtsträger werden nach den jeweils geltenden Bestimmungen behandelt: Vereine als Vereine, Stiftungen als Stiftungen, Kirchenstiftungen als eben solche.

 

Allerdings gibt es daneben auch noch ein kirchliches Vermögensrecht, das nicht nur verhältnismäßig demokratisch strukturiert ist, es kennt auch eine Pflicht zu Haushaltsplänen und Rechnungslegung sowie eine umfassende rechts- und zum Teil auch Fachaufsicht.

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Lothar hat in diesem Thread geschrieben, Bistümer müssten nicht bilanzieren.

 

Verstehe ich das richtig, dass ein Bistum seinen Haushalt nicht aufschlüsseln muss?[/Quote]

 

Um Himmels Willen, nein. Sie müssen nur keine Bilanzen erstellen, das heißt, ihre gesamten Vermögen, Forderungen, Verbindlichkeiten, ... komplett auflisten. Es reicht prinzipiell eine Einnahmenüberschussrechnung, bei der - primitiv gesagt - der Gewinn durch die Betriebseinnahmen, vermindert durch die Betriebsausgaben, ermittelt wird. Anlagevermögen wie z.B. Immobilien bleibt dabei unberücksichtigt, im Extremfall würde ein Verkauf von Anlagevermögen einfach als Einnahme verbucht.

 

Das ist eigentlich heute nicht mehr bei so großen Einheiten akzeptabel, spätestens dann, wenn Anlagevermögen im größerer Menge, welches auch gehandelt wird, vorhanden ist, kommt man um eine korrekte Bilanzierung sowie damit auch um die Ermittlung eines Buchwertes für Immobilien (z.B. "Was ist eine Kirche wert, wenn sie in Erbpacht auf einem kommunalen Grundstück steht"?) nicht herum.

 

Durch die Vereinfachung der Buchführung kommt es zu einer Trennung von Verwaltungs- und Vermögenshaushalt. Inzwischen mag es in einzelnen Bistümern in DE vorgeschrieben sein, auch den Vermögenshaushalt zu veröffentlichen, aber nachdem da keine bindenden Regeln vorgegeben sind, ist das auch nicht so leicht verständlich.

 

Prinzipiell kann man von Kirchen als Staat nicht mehr fordern als vom eigenen öffentlichen Dienst und von gemeinnützigen Vereinen. Deswegen reicht eine Einnahmeüberschussrechnung auch aus, die staatliche Finanzverwaltung begnügt sich auch damit. Es wäre aber sicherlich möglich und der Transparenz sehr zuträglich, wenn man irgendwann auf die international üblichen Methoden der Bilanzierung umsteigen würde. Ich weiß, Kirchen wehren sich dagegen, weil sie behaupten, sie hätten mit gewerblichen Unternehmen nichts zu tun, aber es ist nun mal so, dass in einem Bistum oder in einer großen Kirchengemeinde am Wirtschaftssystem teilgenommen wird, wie das auch ein Unternehmen tut - wenn auch mit anderen Zielen. Kirchen, die KdÖR oder e.V. sind erwirtschaften üblicherweise keinen Gewinn (und sie dürfen das nebenbei auch nicht). Das Ausweisen eines Gewinns ist aber nicht ein Abgrenzungstatbestand - gGmbHs, also gemeinnützige GmbHs, wie z.B. manche Krankenhausträger, bilanzieren durchaus auch, obwohl sie üblicherweise keine Gewinne ausweisen.

 

 

Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass es staats-, kirchen- und konkordatsrechtlich in Ordnung ist, wenn ein Bischof über Jahre keine Bilanzen seiner Ausgaben vorlegt.[/Quote]

 

Ähm. Eine Bilanz ist eine besondere Form der Vermögensdarstellung und damit auch eine besondere Form der Gewinnermittlung. Hierbei wird - platt gesagt - das Vermögen einer Entität zu Beginn des Geschäftsjahrs mit dem Vermögen zum Ende des Geschäftsjahres verglichen. Das ist ein ziemlicher Aufwand.

 

Eine Einnahmeüberschussrechnung ist keine Bilanz. Dabei wird nicht das Vermögen verglichen, sondern die Einnahmen mit den Ausgaben. Das geht einfacher, weil man damit praktisch nur den Verwaltungshaushalt betrachtet. Das Vermögen geht dabei nicht ein, Abschreibungen von Sachgütern gehen nicht ein (diese sind ja wertmindernd und stehen einer gleich hohen Verminderung des Anlagewertes eines Sachgutes - z.B. einer EDV-Anlage - gegenüber).Das erleichtert "kreative Buchführung". Bei einer Bilanz ist es nicht möglich, Verwaltungsausgaben in den Vermögenshaushalt zu verschieben. Und jeder weiß prinzipiell immer, wenn er eine Bilanz liest (und sie auch versteht), welches Vermögen nun wirklich zumindest zum Buchwert vorhanden ist. Dass ein Gut, welches auf 1 Euro abgeschrieben ist, unter Umständen noch für 1000 Euro verkauft werden kann, ist dabei etwas anderes. Aber wenn man die Abschreibungen so wählt, dass sie wirklich der üblichen Lebensdauer entsprechen, dann sind die damit erzielten Ergebnisse recht anschaulich. Ein gelernter Industriekaufmann kann eine solche Bilanz nach kurzer Einlesezeit verstehen.

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Danke erstmal die ausführliche Aufklärung.

 

Eine Einnahmeüberschussrechnung ist keine Bilanz. Dabei wird nicht das Vermögen verglichen, sondern die Einnahmen mit den Ausgaben. Das geht einfacher, weil man damit praktisch nur den Verwaltungshaushalt betrachtet.

Warum sollte "die Kirche" bzw. kirchliche Rechtspersonen wie Bistümer und Gemeinden denn dann eine Bilanz erstellen, bzw. was bringt es zu wissen, wie viel eine quasi unverkäufliche Kirche wert ist? Reicht nicht ein Haushalt? Müssten daraus nicht auch Rückschlüsse auf das Vermögen zulässig sein, etwa durch als Einnahmen auftretende Zinsen etc., die Rückschlüsse auf das Vermögen zulassen?

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Danke erstmal die ausführliche Aufklärung.

 

Eine Einnahmeüberschussrechnung ist keine Bilanz. Dabei wird nicht das Vermögen verglichen, sondern die Einnahmen mit den Ausgaben. Das geht einfacher, weil man damit praktisch nur den Verwaltungshaushalt betrachtet.

Warum sollte "die Kirche" bzw. kirchliche Rechtspersonen wie Bistümer und Gemeinden denn dann eine Bilanz erstellen, bzw. was bringt es zu wissen, wie viel eine quasi unverkäufliche Kirche wert ist? Reicht nicht ein Haushalt? Müssten daraus nicht auch Rückschlüsse auf das Vermögen zulässig sein, etwa durch als Einnahmen auftretende Zinsen etc., die Rückschlüsse auf das Vermögen zulassen?

 

Die Kirche besitzt nicht nur Kirchen.

 

Das Problem ist immer die Bewertung des Vermögens. In einer Bilanz (je nachdem, wie man konkret bilanziert) kann man etwa Wertverluste durch Abnutzung besser darstellen als in einem Haushalt. Zwar ist es richtig, dass etwa der Kölner Dom eher unverkäuflich sein dürfte, aber er verursacht dennoch erhebliche Kosten. Bei einem reinen Haushalt sehe ich zwar, wieviel Geld konkret in diesen Bau investiert wird, ich sehe jedoch nicht, wieviel denn nötig wäre, um einen bestimmten Status zu erhalten.

 

Deshalb ist es auf den ersten Blick für den Gesamthaushalt des Bistums nebst seiner Töchter vorteilhaft, wenn man hier Ausgaben pauschal kürzt, damit wird jedoch nicht deutlich, dass sich das aufs Ganze gesehen langfristig teurer zu stehen kommen kann. Das Leck im Dach, das ich heuer nicht repariere, spart mir 5.000€. Aber da das Wasser weiter tropft, kostet mich die Sanierung im nächsten Jahr schon 8.000€ und im übernächsten Jahr 20.000€ (Zahlen ohne jede Gewähr). Wenn ich mithin in der Lage bin, solche Dinge zu berücksichtigen, dann wird die Bilanz zu einem sehr wertvollen Instrument der Finanzplanung.

 

Es gab zumindest in verschiedenen Diözesen Versuche, die Haushaltsführung dahingehend umzustellen, aber ich weiß nicht, wie weit die gediehen sind. Grundproblem bleibt allerdings, dass das entscheidende Produktionskapital der Kirche ihre Mitarbeiter sind (wenn wir denn wüssten, was wir herstellen).

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Reicht nicht ein Haushalt?

 

Ja, das kann man machen. Wir (AKK) haben eine Buchführung, die das bewegliche Vermögen einfach ausweist, es sind allerdings die Wertänderungen bei Immobilien durch Abschreibung oder Renovierung nicht erfasst. Erstere fällt unter den Tisch, zweitere gelten als Ausgaben. Sind sie aber nicht direkt - denn man hat ja einen effektiven Gegenwert, weil sie den Wert einer Immobilie erhöhen. Der Wert von Immobilien ist nicht fix, allerdings denken viele Leute so etwas. Und aus einer Bilanz geht eben das hervor. Sachgüter verfallen irgendwann auf Null (sie werden aber mit 1 Euro gebucht, sonst wären sie nicht mehr in der Bilanz drin). Ein Haus (ohne Grundstück) verfällt innerhalb 40 Jahren von 100% auf 0%, das heißt, innerhalb 40 Jahren muss man irgendwie den ursprünglichen Wert in Form von Renovierungen reingesteckt haben, sonst hat man eine Ruine. All das kann man einer Bilanz entnehmen. Alleine aus der Differenz zwischen Gebäudeabschreibungen und Renovierungsaufwand (beides sind Bilanzposten nach Kontenrahmen SKR-03 der Datev) kann man schon theoretisch, für eine kaufmännische Betrachtung völlig ausreichend - auf den Erhaltungszustand der Immobilien schließen. Gelder sind damit besser einsetzbar.

 

Müssten daraus nicht auch Rückschlüsse auf das Vermögen zulässig sein, etwa durch als Einnahmen auftretende Zinsen etc., die Rückschlüsse auf das Vermögen zulassen?

 

Das ist aber sehr ungenau. Derzeit sind Spannbreiten bei Zinsen von 0,5 bis 5%/a möglich - je nach dem, wie und wann Geld angelegt wurde. Wenn Du das nur gesammelt als "Zinsertrag" buchst, dann kannst Du darin überhaupt keine Details erkennen. Eine beliebte Methode ist auch, Stückzinsen, die beim Kauf von festverzinslichen Wertpapieren auftreten, als negative Zinseinnahme (Rotabsetzung) bei "Zinsertrag Bank" zu buchen. Und schon fallen die ausgewiesenen Zinsen und täuschen einen niedrigeren Zinsertrag vor. Das ist nicht verboten, verwischt aber die Klarheit über den Rechnungszeitraum.

 

Ich bleibe dabei: Der kaufmännische Rahmen ist für Unternehmen und Kirchen nicht wirklich unterschiedlich. Den Standardkontenrahmen SKR-03 der Datev, der für bilanzpflichtige Unternehmen geschaffen wurde, kann mit kleinen Anpassungen ohne weiteres für Kirchengemeinden genutzt werden. Das machen wir in unseren Kirchengliederungen heute schon, allerdings eben bisher nur als Einnahmeüberschussrechnung. Dadurch, dass wir aber schon den standardisierten Kontenrahmen auf bilanzierungsfähiger Software nutzen, gehe ich davon aus, dass wir irgendwann mal bilanzieren werden.

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Die meisten Diözesen veröffentlichen ihre Haushalte. Die Darstellung folgt einer üblichen Gewinn- und Verlustrechnung. Im wirtschaftlichen Sinn gibt es "die Kirche" nicht, es gibt ein hochkomplexes Gemenge verschiedenster Vermögensträger unterschiedlicher Rechtsform. Der Kölner Dom etwa gehört nicht dem Erzbistum Köln, er ist ein eigenes Sondervermögen. In einer üblichen deutschen Diözese gibt es als rechts- und vermögensfähige Einheiten zunächst den Bischöflichen Stuhl, das Domkapitel, dessen Dignitäten, Pfarreien, andere Stiftungen und Vereine kirchlichen Rechts; dann Vereine, Einrichtungen und Unternehmen, die in staatlicher Rechtsform agieren. Orden uä. sind nochmal eine eigene Sache. Es wäre eine Mammutaufgabe eine konsolidierte Bilanz zu erstellen, sie wäre auch nicht sinnvoll. - Was vor Skandalen und auch vor Korruption schützt, ist die Transparenz von Einnahmen und Ausgaben. Wäre zB die Finanzlage des Bischöflichen Stuhls in Limburg mal transparent gemacht worden, hätte vermutlich niemand etwas dabei gefunden, wenn aus dieser Quelle Kulturdenkmäler saniert werden. Offenbar spielen dort 30 Millionen nicht die große Rolle, das Geld wird kaum TvE zusammengetragen haben.

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Das Bistum Hildesheim bilanziert.

 

Und wie bewerten sie ihre assets?

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Das Erzbistum Freiburg wird in Zukunft auch eine Bilanz veröffentlichen, nachdem bereits 2012 die Buchhaltung auf doppelte Buchführung umgestellt wurde.

Das das Vermögen des Erzbischöflichen Stuhles dabei auch veröffentlicht wird, mag vielleicht aktuelleren Entwickungen geschuldet sein, ist aber eine löbliche Sache. B)

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