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Die heilige Schrift


Elias

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Liebe Ennasus!

 

Ich werde auf Dein Posting noch eingehen - wahrscheinlich nicht vor Montag, weil ich momentan noch andere Dinge anliegen habe und weil ich erst noch ein paar andere Punkte bearbeiten möchte.

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Vielleicht ergänzend zu dem, was Alfons gerade geschrieben hat:

 

Ich gehe nicht davon aus, dass es sich um die Begegnung mit einer konkreten Überschwemmung handelt, sondern um ein ganzes Bündel solcher Erfahrungen. Viele Völker kennen solche Überschwemmungsgeschichten.

 

Und was macht man dann damit? Da stellt sich die Theodizeefrage - und zwar je nach Religion (oder auch Nichtreligion) unterschiedlich. Religionen führen die Katastrophe bevorzugt auf das Wirken der Götter zurück. Im Polytheismus konzentriert man sich gerne auf bestimmte Götter. Der Monotheismus hat noch eine weitere Herausforderung: Er muss alles in einen einzigen Gott integrieren.

 

Die Autoren der Noahgeschichte haben solche Gedanken direkt oder indirekt gekannt. Schön, wenn man nach Tausenden von Jahren noch die Einflüsse herauskristallisieren kann - ich gehe trotzdem davon aus, dass es noch weitere Einflüsse gegeben hat, unter anderem auch welche, die zunächst einmal nicht ein Flutkatastrophe vorgeben. Das Schicksal hat ja noch andere Katastrophen bereit liegen.

 

Als Kathrina New Orleans verwüstet hatte, hat ein Priester (der auch noch Bischof werden wollte) namens Wagner diese Flutkatastrophe als Finger Gottes interpretiert. Die Verwüstung von New Orleans sei eine Strafe Gottes, weil es dort so viele Freudenhäuser gäbe.

Weltweit haben sich Menschen über diese Interpretation aufgeregt oder lustig gemacht. Aber mit seiner Aussage hat er sehr vorstellbar gemacht, wie solche Interpretationen laufen. So ähnlich stelle ich mir auch die Interpretationsweisen früherer Flutkatastrophen vor. Albert Camus beschreibt in "die Pest", wie der Priester Paneloux die Pestkatastrophe ähnlich deutet - und mit seiner Deutung sang- und klanglos untergeht.

 

Entlang des Tun-Ergehens-Zusammenhangs wird erst einmal Schuld überhaupt konstatiert. Die Katastrophe ist also nicht einfach ein Naturereignis, sondern sie ist beabsichtigt. Sie ist die Reaktion Gottes auf Schuld, auf Verdorbenheit.

 

In der Sintflutgeschichte wird da nichts zurückgenommen. Es wird nirgends gesagt, dass die Flut gar nicht Gottes Strafwirken gewesen sei. Es findet keine Rechtfertigung der Opfer statt, nicht einmal Trauer, und auch kein Entsetzen. Gott darf das. Die Strafe war gerecht.

 

Es findet keine Umkehr Gottes im Sinne von Einsicht statt. Er sagt zwar dass er nicht mehr "kann" und "will". Aber das bezieht sich lediglich auf die Totalität der Katastrophe. Er sagt nicht: "Das war Mist". Auch Gott weint nicht um seine toten Ebenbilder. Kein Mitgefühl, kein Erbarmen äußert er. Er spricht nicht davon, dass es Unrecht war, Mensch und Tier unbesehen, ungeprüft, dafür aber in Bausch und Bogen erst zu verurteilen und dann zu vernichten. Viel mehr erfreut sich Gott am Wohlgeruch eines Brandopfers. Mensch und Tier bleiben rechtlos. Und sie bleiben böse.

 

Es gibt Mythen, die sind noch negativer. Es gibt auch Mythen, die solche Säuberungsaktionen unblutig beschreiben - Herakles' Säuberung des Augiasstalles.

 

Wenn Zenger Einflüsse durch das Gilgamesch-Epos sieht, dann wird das wohl so sein. Der ist ja nicht blöd, der Zenger. Aber was ist damit schon gesagt? Die biblischen Autoren, vor allem aber der Endredaktor hätten den Umschwung mit größter Leichtigkeit deutlich machen können. Andere biblische Autoren haben dies ja auch vermocht. Aber gerade die Noah-Geschichte ist ja wirklich schweinemäßig schlecht bearbeitet - wiederum insbesondere von der Endredaktion. Es kommt einem beim Durchlesen so vor, als hätte die Redaktion unter größtem Zeitdruck gestanden und wildwütig diese und jene und noch eine dritte Quelle (oder auch noch mehr) einfach zusammengefügt. Die Doubletten sind einfach nur hintereinandergeschaltet.

 

Aus einem Umschwung hätte man sehr wohl was machen können. Gott weint um seine Kinder. Dass seine Schöpfung so verdorben wurde! Lamento über die böse Schlange. Ach, eine ganze, große Pallette literarischer Möglichkeiten tut sich auf.

 

Dadurch bleibt die Geschichte auf dem Niveau Wagners. Die Theodizee wird erst gar nicht angerissen. Überhaupt nichts Menschliches wird angerissen. Die Menschen sind bestenfalls ausführende Organe Gottes, die immer schön spuren. Oder eben sterben. Gott gibt sich nicht ein einziges Mal Mühe, die Menschen zu bekehren, bevor er sie vernichtet.

 

Und diese Geschichte soll keine Anleitung zum seelenlosen Genozid sein?

Dieses blasse Gegengewicht "ich mach das nie mehr!" soll das Gegenargument sein?

Nachdem doch immer wieder geschichtliche Genozide nach eben demselben Muster abgelaufen sind?

Nachdem dem negativen und entseelten Menschenbild nirgends widersprochen wird?

 

Warum soll Gott denn in Zukunft nicht mehr vernichten? Einzig aus dem Grund, weil er es eben in einem Mythos gesagt habe, er wolle nicht mehr? Die Schriftsteller haben samt den Autoren die Frage gar nicht aufgegriffen, was Gott denn davon abhalten sollte. Und auch das STrafprinzip wird nirgends außer Kraft gesetzt. Es kommt gar nicht zur Sprache, dass es neben Bestrafung und Vernichtung noch andere Umgangsmöglichkeiten mit Sündern gibt. Die Geschichte bleibt bei einem reinen Tat- und Strafeschema. Und da die Menschen auch nach dem Bundesschluss weiterhin böse sind, muss man sie auch weiter strafen.

 

Und die Strafe wird auch noch in die Hände von Menschen gelegt. Wie sollten Genozid-Fans da nicht auf die Idee kommen, das geschilderte Prinzip auch bei Juden, Armeniern, "Niggern", Kurden oder sonstigen ungeliebten Gruppen anzuwenden? Sie können sich ja darauf berufen, dass ein normaler Genozid nicht die ganze Menschheit betrifft und nicht durch eine Flut kommt. Und schon sind sie ungehindert bei dem erstellten Schema.

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Liebe Ennasus!

 

Ich werde auf Dein Posting noch eingehen - wahrscheinlich nicht vor Montag, weil ich momentan noch andere Dinge anliegen habe und weil ich erst noch ein paar andere Punkte bearbeiten möchte.

Hallo Mecky, von mir aus musst du das nicht.

 

Mir geht es beim Umgang mit Bibelstellen nicht ums Rechthaben, auch nicht darum, einen anderen Zugang zu widerlegen.

Es hat Gründe, warum du den Noah-Text liest wie du ihn liest und warum ich ihn lese wie ich ihn lese und warum z.B. Alfons den Text so versteht, wie er ihn versteht.

Ich kann mit dem, was dir an diesem Text wesentlich erscheint, nichts anfangen, es passt weder zu dem, was ich lese, wenn ich ihn lese, noch zu dem, was ich an faktischem Wissen zu dieser Stelle, zur hebräischen Bibel, zum Judentum,.. habe noch zu meiner Lebenserfahrung und meiner generellen Erfahrung im Umgang mit Bibeltexten. Aber ich nehme es (verwundert) zur Kenntnis, dass in der Noah-Geschichte offensichtlich auch das Potential steckt, sie bei jemandem als Anleitung zum seelenlosen Genozid ankommen zu lassen.

 

Da ich religiöse Texte immer als Texte verstehe, die in einen Dialog mit dem Leser treten und etwas in ihm anrühren, da ich sehr sicher bin, dass das, was jemanden dann anfängt zu beschäftigen, zu ärgern, zu bewegen, zu freuen,... untrennbar mit ihm selbst zu tun hat und mit dem Entwicklungsprozess, in dem er gerade steht, finde ich es nicht sinnvoll, da irgendein Verständnis gegen ein anderes zu stellen.

Ich hör dir zu (oder Chryso oder Alfons oder nannyogg) und lass mich evt. herausfordern oder bereichern. Oder stelle eben auch fest, dass mir eine Sichtweise nur fremd ist und völlig inkompatibel mit meiner.

Das ist dann halt so.

 

Was in mir Widerstand weckt, ist, wenn ein persönlicher (subjektiver) Zugang so als absolut dargestellt wird und wenn so getan wird, als ob die eigenen gezogenen Schlüsse redlicherweise von jedem anderen nachvollzogen werden müssten.

Ich könnte mich (du könntest dich das auch) fragen, warum es dir so wichtig ist, alles Mögliche an dieser Stelle und ihren Autoren zu bemängeln und warum du sie (zumindest ist das mein Empfinden) benutzt und verzweckst, um eine dir wichtige Botschaft an den Mann /die Frau zu bringen - aber jede Antwort, die dazu gegeben werden könnte, wäre eine Aussage über dich. Nicht über die Sintflutgeschichte.

(Und gehört drum wohl nicht ins Forum.)

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Warum soll Gott denn in Zukunft nicht mehr vernichten? Einzig aus dem Grund, weil er es eben in einem Mythos gesagt habe, er wolle nicht mehr? Die Schriftsteller haben samt den Autoren die Frage gar nicht aufgegriffen, was Gott denn davon abhalten sollte. Und auch das STrafprinzip wird nirgends außer Kraft gesetzt. Es kommt gar nicht zur Sprache, dass es neben Bestrafung und Vernichtung noch andere Umgangsmöglichkeiten mit Sündern gibt. Die Geschichte bleibt bei einem reinen Tat- und Strafeschema. Und da die Menschen auch nach dem Bundesschluss weiterhin böse sind, muss man sie auch weiter strafen.

 

Wer immer behauptet, ein Unwetter, eine Katastrophe, eine Flut sei Strafe Gottes, der behauptet damit implizit (und vermutlich unabsichtlich) auch, dass Gott seiner gegeben Zusage, seinem Versprechen, untreu geworden ist. Die Menschen sind weiter böse - mag sein. Die Menschen "verdienen" weiterhin Strafe? Mag auch sein. Aber Gott sagt, egal was die Menschen tun, er wird sie nicht noch einmal zu vernichten suchen, und er wird nie wieder eine Flut kommen lassen (wobei ich geneigt bin Flut als Synonym für vernichtende Katastrophen zu werten - eher hier jemand behauptet, Gott habe sich die Hintertüren Vulkanausbrüche und Orkane offen gehalten).

 

Was aber sollte Gott davon abhalten, das nicht doch noch einmal zu tun? Wir können das nicht. Und sonst kann das auch keine Macht der Welt. Das einzige, was uns schützen mag, ist die Treue Gottes, dass er zu seinem Wort steht. Was anderes sollten wir auch haben?

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Nö. Er sagt nur zu, dass er nicht mehr die totale Vernichtung herbeiführen wird.

 

Kapitel 8

21 Der Herr roch den beruhigenden Duft und der Herr sprach bei sich: Ich will die Erde wegen des Menschen nicht noch einmal verfluchen; denn das Trachten des Menschen ist böse von Jugend an. Ich will künftig nicht mehr alles Lebendige vernichten, wie ich es getan habe.

22 So lange die Erde besteht, / sollen nicht aufhören / Aussaat und Ernte, Kälte und Hitze, / Sommer und Winter, Tag und Nacht.

 

Wobei auch dies eine sehr relative Sache ist. Die Apokalyptik spricht völlig anders (ist allerdings nicht wirklich vergleichbar).

 

Teilkatastrophen sind doch durchaus noch drin. So mal einen Tsunami, mal einen Hurrikan, mal ein Erdbeben. Darauf bezieht sich die Zusage nicht. Die Herkunft von Katastrophen, wie sie jährlich immer wieder geschehen, bleibt hier völlig außen vor. Und auch die Vernichtung von 6 Millionen Juden im 3. Reich. Vor allem auch das reale Ende des Lebens auf der Erde - spätestens in 500 Millionen Jahren ist sowieso Sense, weil es zu warm wird.

 

Geht man sogar zu den individuellen Katastrophen, dann sieht man, wie sie via Mord sogar extra erwähnt werden: Das wird es weiterhin geben. Ungedeutet.

 

Flutkatastrophen widersprechen dieser Zusage nicht.

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Hallo Werner,

 

das Thema hatten wir schon ganz oft.

Durch alle Zeiten zieht sich dieser unterschiedliche Zugang (auch im Judentum, auch im Islam - wobei es im Judentum an sich allein von der Sprache her immer viel klarer war, dass es um Symbolsprache geht): dass die einen die Texte konkretistisch und die andern eben als in Erzählungen und Bilder verpackte Aussagen über Lebenserfahrungen lesen.

(z.B. auch "Vierfacher Schriftsinn".)

Wobei keiner dieser Schriftsinne /Lesarten "falsch" ist.

Sie ergänzen sich auch.

Ich finde es spannend, dass ich die Bibel lesen kann und immer wieder Zugänge finde, an die ich vorher nicht gedacht habe.

Manchmal bekomme ich auch durch Predigten oder hier im Forum Anregungen.

bearbeitet von mn1217
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Ich fand die Noahgeschichte immer tröstlich, da am Ende ja doch das Überleben, der Regenbogen sowie die Zusage Gottes stehen.

Das heißt nicht, das sich das Zerstörerische nicht sehe.

Ich finde aber auch wichtig, DASS die Bibel das Zerstörerische, Brutale nicht auslässt, denn es existiert und Menschen müssen sich damit auseinandersetzen.

Zu welchen Ergebnissen sie kommen, ist auch in der Bibel recht unterschiedlich.

bearbeitet von mn1217
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Hallo Werner,

 

das Thema hatten wir schon ganz oft.

Durch alle Zeiten zieht sich dieser unterschiedliche Zugang (auch im Judentum, auch im Islam - wobei es im Judentum an sich allein von der Sprache her immer viel klarer war, dass es um Symbolsprache geht): dass die einen die Texte konkretistisch und die andern eben als in Erzählungen und Bilder verpackte Aussagen über Lebenserfahrungen lesen.

(z.B. auch "Vierfacher Schriftsinn".)

Wobei keiner dieser Schriftsinne "falsch" ist.

Sie ergänzen sich auch.

Ja, natürlich.

Wobei der "literarische" Schriftsinn, die konkrete, anscheinend "historische" oder "naturwissenschaftliche" Aussage der Texte, den Bibelschreibern nicht wichtig ist und nach heutigem Wissensstand sehr wohl falsch sein kann. Es ist meist nicht äußeres Faktenwissen, worum es ihnen geht. Bibelkritik dort anzusetzen ist nicht wirklich sinnvoll.

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Die Erzählung von Noah und der großen Flut in Genesis 6, 5 bis 9,17 ist keine Handlungsanweisung für einen Genozid, wie Mecky behauptet, sondern vermittelt die Botschaft „Gewalt ist keine Lösung“.

 

Nachdem hier ein Gottesmann seine Deutung der biblischen Noah-Erzählung ausgebreitet hat („monströse Genozid-Ideologie“, „Gott im ungehemmten Todes- und Vernichtungs- und Strafrausch“, bis hin zu dem ungeheuerlichen Vorwurf, im jüdischen Bereich habe die Noah-Geschichte die Legitimation für Völkermord gegeben) – nachdem also Mecky seine Deutung der Flut-Erzählung ausgebreitet hat, bitte ich um Verzeihung, dass ich als Atheist hier in den Glaubensgesprächen eine andere Deutung dieser Geschichte wage, die vielleicht nicht ganz den Geist jener pastoralen Frömmigkeit atmet.

 

Ich denke, es gibt Einigkeit darüber, dass es sich bei der biblischen Flut-Erzählung um einen Mythos handelt. Die Geschichte basiert auf altorientalischen mythologischen Erzählungen. Vorlage war wahrscheinlich der viele Jahrhunderte ältere Atramhasis-Mythos. Der Gang der Erzählung ist weitgehend gleich. Aus Atramhasis wird im Gilgamesh-Epos Utnapishtim und im Buch Genesis Noach.

 

Ein Mythos berichtet stets von einem inneren Konflikt, gekleidet in ein äußeres Geschehen. In diesem Fall geht es um einen Wachstumsschritt des Menschen. Es geht darum, wie Ennasus sehr richtig geschrieben hat, „zu erkennen, dass es nicht richtig sein kann, dass man alles, was man als böse, als zerstörerisches Potential in sich erlebt, einfach ausrottet“. Und nicht nur in sich, sondern auch in anderen Menschen, möchte ich hinzufügen. Die Flut-Erzählungen, ob in der Tora oder anderswo, haben immer die eine große Lehre: Gewalt ist keine Lösung.

 

In Mythen geht es nicht um reales Geschehen, sondern um die Gestaltung archetypischer Bilder, die in die jeweilige Welt der religiösen Vorstellungen eingefügt werden. Im Hintergrund dieses Mythos steht das kollektive Wissen von der Gefährdung der Menschheit, steht das Wissen von der großen Flut. Es hat immer wieder große Überschwemmungen gegeben. Es wird vermutet, dass die altorientalischen Fluterzählungen auf eine konkrete Katastrophe zurück gehen, nämlich auf den Durchbruch der Dardanellen und die Entstehung des Schwarzen Meeres. Wenn das so war, war es wirklich wie ein Weltuntergang.

 

Wer schickt solche Fluten? Natürlich Gott, hieß die Antwort in alten Kulturen, deren Gottesbilder noch sehr archaisch waren. Und warum? Nun, die Götter waren erzürnt, und worüber waren sie erzürnt? Natürlich über die Menschen. Heute wissen wir, wie Naturkatastrophen entstehen. Damals war es das Werk Gottes oder der Götter. Wenn das Buch Genesis von einer solchen Flut berichtet, dann ist diese Erzählung keine bösartige Erfindung, um ein literarische Handlungsanweisung für einen Genozid zu schaffen, sondern dann beschreibt dieser Mythos Urängste der Menschen, basierend auf der kollektiven Erinnerung an ein tatsächliches Geschehen: Es gab Fluten. Die Menschen sind wirklich ertrunken.

 

„Man kann in der Bibel die Evolution eines Gottesbildes erkennen, dessen archaische Wurzeln sich inzwischen sehr gut freilegen lassen“, schreibt Martin Urban in „Woran der Mensch glaubt“. Die Flut-Erzählung – noch einmal: sie beschreibt kein reales Geschehen, sondern schildert inneres Geschehen vor dem Hintergrund kollektiver Erinnerung und persönlicher Ängste – berichtet von einem solchen evolutionären Schritt. Der archaische Gott des Zorns lernt in dieser Geschichte, dass Gewalt keine Lösung ist. Am Ende muss er einsehen, dass die Menschheit, nach der Flut, genau so sündhaft und böse ist wie vorher, die Erzählung beschreibt es mit exakt den gleichen Worten. Was sich geändert hat, ist Gott selber: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen...“ Nein, Schluss mit der Gewalt, stattdessen die Zusicherung: „So lange die Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Und ein Regenbogen als Zeichen dieses Bundes.

 

Ganz im Geist dieser Worte aus der Urgeschichte hat Jesus in der Bergpredigt gesagt: „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“, und für Jesus ist das ein Grund, seine Feinde zu lieben und nicht zu hassen. Jesus hat die Noah-Erzählung verstanden.

 

Im Mythos von der großen Flut und der biblischen Erzählung davon steckt sicher noch viel mehr als diese eine Botschaft: Gewalt ist keine Lösung! Aber sie steht auch nach Theologen-Meinung im Mittelpunkt. Der Stuttgarter Pfarrer und Theologie-Professor Dr. Christoph Dinkel formulierte es in einer Predigt 2010 deutlich: „Wenn wir uns wieder einmal moralisch empören und uns selbst auf- und andere abwerten, wenn Gedanken der Gewalt in uns aufsteigen und zur Tat werden wollen, handgreiflich oder verbal, dann fällt uns hoffentlich rechtzeitig der Gott der Noahgeschichte ein, der begreift, dass Abwertung und Gewalt keine Lösung sind.“

 

Alfons

... und da frage ich mich dann, was mir ein solcher Mythos, der ein, wie du selbst sagst, sehr archaisches Gottesbild zugrunde legt, heute sagen? Die Quintessenz, die du ziehst, ist ja durchaus vernünftig, die Frage ist nur, wer das heute noch verstehen kann, außer ein paar wenigen Spezialisten. Wäre es da nicht vernünftiger, solche Geschichten in den Fachbibliotheken verschwinden zu lassen, wie etwa den Gilgamesch-Epos, und für den Volksgebrauch neue, heute verständliche Geschichten zu erzählen? Stattdessen werden solche Geschichten als "Wort Gottes" unters Volk gebracht, und wer nicht das Glück hat, jemanden wie dich oder Susanne zu kennen, der muss doch daran scheitern.

 

Werner

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Wer immer behauptet, ein Unwetter, eine Katastrophe, eine Flut sei Strafe Gottes, der behauptet damit implizit (und vermutlich unabsichtlich) auch, dass Gott seiner gegeben Zusage, seinem Versprechen, untreu geworden ist.

Wenn das Ganze ein Mythos ist, dann hat Gott nie irgendeine Zusage oder ein Versprechen gemacht. Ein Autor mit der archaischen Vorstellung, Gott hätte die große Flut verursacht (Alfons), schreibt etwas von einem Versprechen dieser archaischen Gottesvorstellung. Warum soll das nun auf einmal Realität sein?

 

Werner

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Die Erzählung von Noah und der großen Flut in Genesis 6, 5 bis 9,17 ist keine Handlungsanweisung für einen Genozid, wie Mecky behauptet, sondern vermittelt die Botschaft „Gewalt ist keine Lösung“.

 

Nachdem hier ein Gottesmann seine Deutung der biblischen Noah-Erzählung ausgebreitet hat („monströse Genozid-Ideologie“, „Gott im ungehemmten Todes- und Vernichtungs- und Strafrausch“, bis hin zu dem ungeheuerlichen Vorwurf, im jüdischen Bereich habe die Noah-Geschichte die Legitimation für Völkermord gegeben) – nachdem also Mecky seine Deutung der Flut-Erzählung ausgebreitet hat, bitte ich um Verzeihung, dass ich als Atheist hier in den Glaubensgesprächen eine andere Deutung dieser Geschichte wage, die vielleicht nicht ganz den Geist jener pastoralen Frömmigkeit atmet.

 

Ich denke, es gibt Einigkeit darüber, dass es sich bei der biblischen Flut-Erzählung um einen Mythos handelt. Die Geschichte basiert auf altorientalischen mythologischen Erzählungen. Vorlage war wahrscheinlich der viele Jahrhunderte ältere Atramhasis-Mythos. Der Gang der Erzählung ist weitgehend gleich. Aus Atramhasis wird im Gilgamesh-Epos Utnapishtim und im Buch Genesis Noach.

 

Ein Mythos berichtet stets von einem inneren Konflikt, gekleidet in ein äußeres Geschehen. In diesem Fall geht es um einen Wachstumsschritt des Menschen. Es geht darum, wie Ennasus sehr richtig geschrieben hat, „zu erkennen, dass es nicht richtig sein kann, dass man alles, was man als böse, als zerstörerisches Potential in sich erlebt, einfach ausrottet“. Und nicht nur in sich, sondern auch in anderen Menschen, möchte ich hinzufügen. Die Flut-Erzählungen, ob in der Tora oder anderswo, haben immer die eine große Lehre: Gewalt ist keine Lösung.

 

In Mythen geht es nicht um reales Geschehen, sondern um die Gestaltung archetypischer Bilder, die in die jeweilige Welt der religiösen Vorstellungen eingefügt werden. Im Hintergrund dieses Mythos steht das kollektive Wissen von der Gefährdung der Menschheit, steht das Wissen von der großen Flut. Es hat immer wieder große Überschwemmungen gegeben. Es wird vermutet, dass die altorientalischen Fluterzählungen auf eine konkrete Katastrophe zurück gehen, nämlich auf den Durchbruch der Dardanellen und die Entstehung des Schwarzen Meeres. Wenn das so war, war es wirklich wie ein Weltuntergang.

 

Wer schickt solche Fluten? Natürlich Gott, hieß die Antwort in alten Kulturen, deren Gottesbilder noch sehr archaisch waren. Und warum? Nun, die Götter waren erzürnt, und worüber waren sie erzürnt? Natürlich über die Menschen. Heute wissen wir, wie Naturkatastrophen entstehen. Damals war es das Werk Gottes oder der Götter. Wenn das Buch Genesis von einer solchen Flut berichtet, dann ist diese Erzählung keine bösartige Erfindung, um ein literarische Handlungsanweisung für einen Genozid zu schaffen, sondern dann beschreibt dieser Mythos Urängste der Menschen, basierend auf der kollektiven Erinnerung an ein tatsächliches Geschehen: Es gab Fluten. Die Menschen sind wirklich ertrunken.

 

„Man kann in der Bibel die Evolution eines Gottesbildes erkennen, dessen archaische Wurzeln sich inzwischen sehr gut freilegen lassen“, schreibt Martin Urban in „Woran der Mensch glaubt“. Die Flut-Erzählung – noch einmal: sie beschreibt kein reales Geschehen, sondern schildert inneres Geschehen vor dem Hintergrund kollektiver Erinnerung und persönlicher Ängste – berichtet von einem solchen evolutionären Schritt. Der archaische Gott des Zorns lernt in dieser Geschichte, dass Gewalt keine Lösung ist. Am Ende muss er einsehen, dass die Menschheit, nach der Flut, genau so sündhaft und böse ist wie vorher, die Erzählung beschreibt es mit exakt den gleichen Worten. Was sich geändert hat, ist Gott selber: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen...“ Nein, Schluss mit der Gewalt, stattdessen die Zusicherung: „So lange die Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Und ein Regenbogen als Zeichen dieses Bundes.

 

Ganz im Geist dieser Worte aus der Urgeschichte hat Jesus in der Bergpredigt gesagt: „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“, und für Jesus ist das ein Grund, seine Feinde zu lieben und nicht zu hassen. Jesus hat die Noah-Erzählung verstanden.

 

Im Mythos von der großen Flut und der biblischen Erzählung davon steckt sicher noch viel mehr als diese eine Botschaft: Gewalt ist keine Lösung! Aber sie steht auch nach Theologen-Meinung im Mittelpunkt. Der Stuttgarter Pfarrer und Theologie-Professor Dr. Christoph Dinkel formulierte es in einer Predigt 2010 deutlich: „Wenn wir uns wieder einmal moralisch empören und uns selbst auf- und andere abwerten, wenn Gedanken der Gewalt in uns aufsteigen und zur Tat werden wollen, handgreiflich oder verbal, dann fällt uns hoffentlich rechtzeitig der Gott der Noahgeschichte ein, der begreift, dass Abwertung und Gewalt keine Lösung sind.“

 

Alfons

... und da frage ich mich dann, was mir ein solcher Mythos, der ein, wie du selbst sagst, sehr archaisches Gottesbild zugrunde legt, heute sagen? Die Quintessenz, die du ziehst, ist ja durchaus vernünftig, die Frage ist nur, wer das heute noch verstehen kann, außer ein paar wenigen Spezialisten. Wäre es da nicht vernünftiger, solche Geschichten in den Fachbibliotheken verschwinden zu lassen, wie etwa den Gilgamesch-Epos, und für den Volksgebrauch neue, heute verständliche Geschichten zu erzählen? Stattdessen werden solche Geschichten als "Wort Gottes" unters Volk gebracht, und wer nicht das Glück hat, jemanden wie dich oder Susanne zu kennen, der muss doch daran scheitern.

 

Werner

 

Die frühen Leser der Bibel haben es jedenfalls verstanden und zwar aus vielerlei Gründen. Z.B.

 

1. Den jüdischen Lesern der Thora ist der Theodizeegedanke völlig fremd. Sie waren, wie heute auch noch die Muslime in einem Ausmaß gottergeben, dass sich ihnen die Frage ob Gott etwas Falsches tun könne gar nicht stellte. Wenn man die jüdische Sicht kennen lernen will lese man mit Sorgfalt die Hiobgeschichte: Hiob hadert zwar mit Gott aber er ist sofort bereit sich auf Gottes nahezu begründungslose Einwände wieder mit ihm zu versöhnen und sich seinem Handeln anzuvetrauen.

 

2. Im Mittelalter war die Noahgeschichte weit verbreitet, aber auch der mittelalterliche Mensch hat keinen Gedanken an eine Theodizeefrage verschwendet. Für ihn ist, und das kann man in mittelalterlichen frommen Schriften und aus Bildzeugnissen (Glasfenster Buchmalerei) klar verfolgen die Idee tröstend dass Gott den Gerechten schont und dass Gott im Bild mit dem Regenbogen und der Taube und in seinem Versprechen die Menschheit künftig zu schonen eine trostreiche Verheißung gibt. Dieses Versprechen war für die früheren Menschen sehr wichtig und hat Zuversicht gegeben....man muss dabei bedenken, dass die Menschen ein weitaus ausgeprägteres Schuld und Sündenbewusstsein hatten. Man denke nur daran wie sehr Martin Luther von der Frage gequält und umgetrieben wurde "Wie finde ich einen gnädigen Gott.

Im NT ist Noah auch ls Herold der GTerechtigkeit angesprochen (2. Petrus, 2,5)

 

Übrigens: Zu behaupten die Noahgeschichte sei Anleitung zum seelenlosen Genozid ist schon dehalb blanker Unsinn weil die Rettung des Gerechten dem diametral entgegensteht - der "seelenlose Genozid" kennt keine Rettung auch nicht die des Gerechten.

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Wer immer behauptet, ein Unwetter, eine Katastrophe, eine Flut sei Strafe Gottes, der behauptet damit implizit (und vermutlich unabsichtlich) auch, dass Gott seiner gegeben Zusage, seinem Versprechen, untreu geworden ist.

Wenn das Ganze ein Mythos ist, dann hat Gott nie irgendeine Zusage oder ein Versprechen gemacht. Ein Autor mit der archaischen Vorstellung, Gott hätte die große Flut verursacht (Alfons), schreibt etwas von einem Versprechen dieser archaischen Gottesvorstellung. Warum soll das nun auf einmal Realität sein?

 

Werner

 

Sinn ergeben diese Geschichten, indem man sie für sich selbst liest und sich fragt, was das für einen selber bedeuten kann.

In dem Moment nämlich richtet sich die Frage nach der Realität an einen anderen Ort und wird zur Frage: kenne ich ähnliche Erfahrungen in meinem eigenen Erleben?

Und außerdem dreht sich die Verantwortung für die Wirkung solcher Geschichten um.

 

Es geht dann nicht mehr darum, dass man Gott vorwirft, er mache etwas falsch oder behauptet, er sei treu oder untreu oder lernfähig oder nicht lernfähig, sondern: man liest die Aussage der Schreiber über "Gott" und dann ist man selbst gefragt: kann/will ich das auch so sehen, dass so ein Gewaltanwendungsversuch nichts Gutes bringt, kann ich glauben und hoffen, dass auch nach langen verzweifelten Zeiten irgendwann ein Hoffnungsregenbogen auftaucht und dass irgendwann das Leben wieder weitergeht, vertraue ich darauf, dass die Wirklichkeit so beschaffen ist, dass fehlerhaftes Verhalten nicht postwendend zur Ausrottung des Fehlermachenden führt usw.

(und damit verbunden der genauso wichtige Schritt: was hat das konkret mit der Situation, mit dem Konflikt, mit der Frage zu tun, mit der ich gerade umgehe? Was bedeutet es für mein eigenes Verhalten?)

bearbeitet von Ennasus
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Hallo Werner,

 

das Thema hatten wir schon ganz oft.

Durch alle Zeiten zieht sich dieser unterschiedliche Zugang (auch im Judentum, auch im Islam - wobei es im Judentum an sich allein von der Sprache her immer viel klarer war, dass es um Symbolsprache geht): dass die einen die Texte konkretistisch und die andern eben als in Erzählungen und Bilder verpackte Aussagen über Lebenserfahrungen lesen.

(z.B. auch "Vierfacher Schriftsinn".)

Wobei keiner dieser Schriftsinne "falsch" ist.

Sie ergänzen sich auch.

Ja, natürlich.

Wobei der "literarische" Schriftsinn, die konkrete, anscheinend "historische" oder "naturwissenschaftliche" Aussage der Texte, den Bibelschreibern nicht wichtig ist und nach heutigem Wissensstand sehr wohl falsch sein kann. Es ist meist nicht äußeres Faktenwissen, worum es ihnen geht. Bibelkritik dort anzusetzen ist nicht wirklich sinnvoll.

Wobei es diese historischen Wahrheiten durchaus gibt, Manches ist ja historisch korrekt dargestellt.

Die historische und naturwissenschaftliche Herangehensweise ist auch eine, die heute aktuell ist. und ich lebe nun mal heute. Ich KANN die Bibel nicht so lesen wie Juden vor 3000 Jahren, einfach, weil ich kein Jude von vor 3000 Jahren bin. Es ist mir immer nur möglich an die Bibel aus meinem Kontext heraus heranzugehen- wozu natürlich das Wissen um die Symbolsprache etc auch gehört.

Und ich halte es nicht für gut, Menschen zu sagen, dass sie die Bibel so und so lesen oder verstehen müssen. Ich denke, eine Möglichkeit Gottes ist es, in der Bibel so zu uns zu sprechen, wie wir es gerade verstehen können.

Und diesen Zugang können wir uns mMn ziemlich verbauen, wenn wir unter Vorgaben (das ist so und so zu verstehen) lesen.

bearbeitet von mn1217
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Wer immer behauptet, ein Unwetter, eine Katastrophe, eine Flut sei Strafe Gottes, der behauptet damit implizit (und vermutlich unabsichtlich) auch, dass Gott seiner gegeben Zusage, seinem Versprechen, untreu geworden ist.

Wenn das Ganze ein Mythos ist, dann hat Gott nie irgendeine Zusage oder ein Versprechen gemacht. Ein Autor mit der archaischen Vorstellung, Gott hätte die große Flut verursacht (Alfons), schreibt etwas von einem Versprechen dieser archaischen Gottesvorstellung. Warum soll das nun auf einmal Realität sein?

 

Werner

 

Sinn ergeben diese Geschichten, indem man sie für sich selbst liest und sich fragt, was das für einen selber bedeuten kann.

In dem Moment nämlich richtet sich die Frage nach der Realität an einen anderen Ort und wird zur Frage: kenne ich ähnliche Erfahrungen in meinem eigenen Erleben?

Und außerdem dreht sich die Verantwortung für die Wirkung solcher Geschichten um.

 

Es geht dann nicht mehr darum, dass man Gott vorwirft, er mache etwas falsch oder behauptet, er sei treu oder untreu oder lernfähig oder nicht lernfähig, sondern: man liest die Aussage der Schreiber über "Gott" und dann ist man selbst gefragt: kann/will ich das auch so sehen, dass so ein Gewaltanwendungsversuch nichts Gutes bringt, kann ich glauben und hoffen, dass auch nach langen verzweifelten Zeiten irgendwann ein Hoffnungsregenbogen auftaucht und dass irgendwann das Leben wieder weitergeht, vertraue ich darauf, dass die Wirklichkeit so beschaffen ist, dass fehlerhaftes Verhalten nicht postwendend zur Ausrottung des Fehlermachenden führt usw.

(und damit verbunden der genauso wichtige Schritt: was hat das konkret mit der Situation, mit dem Konflikt, mit der Frage zu tun, mit der ich gerade umgehe? Was bedeutet es für mein eigenes Verhalten?)

Da stimm ich dir ja zu, aber dann kann ich nicht Chrysos Aussage zustimmen.

 

Werner

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Die Erzählung von Noah und der großen Flut in Genesis 6, 5 bis 9,17 ist keine Handlungsanweisung für einen Genozid, wie Mecky behauptet, sondern vermittelt die Botschaft „Gewalt ist keine Lösung“.

 

Nachdem hier ein Gottesmann seine Deutung der biblischen Noah-Erzählung ausgebreitet hat („monströse Genozid-Ideologie“, „Gott im ungehemmten Todes- und Vernichtungs- und Strafrausch“, bis hin zu dem ungeheuerlichen Vorwurf, im jüdischen Bereich habe die Noah-Geschichte die Legitimation für Völkermord gegeben) – nachdem also Mecky seine Deutung der Flut-Erzählung ausgebreitet hat, bitte ich um Verzeihung, dass ich als Atheist hier in den Glaubensgesprächen eine andere Deutung dieser Geschichte wage, die vielleicht nicht ganz den Geist jener pastoralen Frömmigkeit atmet.

 

Ich denke, es gibt Einigkeit darüber, dass es sich bei der biblischen Flut-Erzählung um einen Mythos handelt. Die Geschichte basiert auf altorientalischen mythologischen Erzählungen. Vorlage war wahrscheinlich der viele Jahrhunderte ältere Atramhasis-Mythos. Der Gang der Erzählung ist weitgehend gleich. Aus Atramhasis wird im Gilgamesh-Epos Utnapishtim und im Buch Genesis Noach.

 

Ein Mythos berichtet stets von einem inneren Konflikt, gekleidet in ein äußeres Geschehen. In diesem Fall geht es um einen Wachstumsschritt des Menschen. Es geht darum, wie Ennasus sehr richtig geschrieben hat, „zu erkennen, dass es nicht richtig sein kann, dass man alles, was man als böse, als zerstörerisches Potential in sich erlebt, einfach ausrottet“. Und nicht nur in sich, sondern auch in anderen Menschen, möchte ich hinzufügen. Die Flut-Erzählungen, ob in der Tora oder anderswo, haben immer die eine große Lehre: Gewalt ist keine Lösung.

 

In Mythen geht es nicht um reales Geschehen, sondern um die Gestaltung archetypischer Bilder, die in die jeweilige Welt der religiösen Vorstellungen eingefügt werden. Im Hintergrund dieses Mythos steht das kollektive Wissen von der Gefährdung der Menschheit, steht das Wissen von der großen Flut. Es hat immer wieder große Überschwemmungen gegeben. Es wird vermutet, dass die altorientalischen Fluterzählungen auf eine konkrete Katastrophe zurück gehen, nämlich auf den Durchbruch der Dardanellen und die Entstehung des Schwarzen Meeres. Wenn das so war, war es wirklich wie ein Weltuntergang.

 

Wer schickt solche Fluten? Natürlich Gott, hieß die Antwort in alten Kulturen, deren Gottesbilder noch sehr archaisch waren. Und warum? Nun, die Götter waren erzürnt, und worüber waren sie erzürnt? Natürlich über die Menschen. Heute wissen wir, wie Naturkatastrophen entstehen. Damals war es das Werk Gottes oder der Götter. Wenn das Buch Genesis von einer solchen Flut berichtet, dann ist diese Erzählung keine bösartige Erfindung, um ein literarische Handlungsanweisung für einen Genozid zu schaffen, sondern dann beschreibt dieser Mythos Urängste der Menschen, basierend auf der kollektiven Erinnerung an ein tatsächliches Geschehen: Es gab Fluten. Die Menschen sind wirklich ertrunken.

 

„Man kann in der Bibel die Evolution eines Gottesbildes erkennen, dessen archaische Wurzeln sich inzwischen sehr gut freilegen lassen“, schreibt Martin Urban in „Woran der Mensch glaubt“. Die Flut-Erzählung – noch einmal: sie beschreibt kein reales Geschehen, sondern schildert inneres Geschehen vor dem Hintergrund kollektiver Erinnerung und persönlicher Ängste – berichtet von einem solchen evolutionären Schritt. Der archaische Gott des Zorns lernt in dieser Geschichte, dass Gewalt keine Lösung ist. Am Ende muss er einsehen, dass die Menschheit, nach der Flut, genau so sündhaft und böse ist wie vorher, die Erzählung beschreibt es mit exakt den gleichen Worten. Was sich geändert hat, ist Gott selber: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen...“ Nein, Schluss mit der Gewalt, stattdessen die Zusicherung: „So lange die Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Und ein Regenbogen als Zeichen dieses Bundes.

 

Ganz im Geist dieser Worte aus der Urgeschichte hat Jesus in der Bergpredigt gesagt: „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“, und für Jesus ist das ein Grund, seine Feinde zu lieben und nicht zu hassen. Jesus hat die Noah-Erzählung verstanden.

 

Im Mythos von der großen Flut und der biblischen Erzählung davon steckt sicher noch viel mehr als diese eine Botschaft: Gewalt ist keine Lösung! Aber sie steht auch nach Theologen-Meinung im Mittelpunkt. Der Stuttgarter Pfarrer und Theologie-Professor Dr. Christoph Dinkel formulierte es in einer Predigt 2010 deutlich: „Wenn wir uns wieder einmal moralisch empören und uns selbst auf- und andere abwerten, wenn Gedanken der Gewalt in uns aufsteigen und zur Tat werden wollen, handgreiflich oder verbal, dann fällt uns hoffentlich rechtzeitig der Gott der Noahgeschichte ein, der begreift, dass Abwertung und Gewalt keine Lösung sind.“

 

Alfons

... und da frage ich mich dann, was mir ein solcher Mythos, der ein, wie du selbst sagst, sehr archaisches Gottesbild zugrunde legt, heute sagen? Die Quintessenz, die du ziehst, ist ja durchaus vernünftig, die Frage ist nur, wer das heute noch verstehen kann, außer ein paar wenigen Spezialisten. Wäre es da nicht vernünftiger, solche Geschichten in den Fachbibliotheken verschwinden zu lassen, wie etwa den Gilgamesch-Epos, und für den Volksgebrauch neue, heute verständliche Geschichten zu erzählen? Stattdessen werden solche Geschichten als "Wort Gottes" unters Volk gebracht, und wer nicht das Glück hat, jemanden wie dich oder Susanne zu kennen, der muss doch daran scheitern.

 

Werner

 

Die frühen Leser der Bibel haben es jedenfalls verstanden und zwar aus vielerlei Gründen. Z.B.

 

1. Den jüdischen Lesern der Thora ist der Theodizeegedanke völlig fremd. Sie waren, wie heute auch noch die Muslime in einem Ausmaß gottergeben, dass sich ihnen die Frage ob Gott etwas Falsches tun könne gar nicht stellte. Wenn man die jüdische Sicht kennen lernen will lese man mit Sorgfalt die Hiobgeschichte: Hiob hadert zwar mit Gott aber er ist sofort bereit sich auf Gottes nahezu begründungslose Einwände wieder mit ihm zu versöhnen und sich seinem Handeln anzuvetrauen.

 

2. Im Mittelalter war die Noahgeschichte weit verbreitet, aber auch der mittelalterliche Mensch hat keinen Gedanken an eine Theodizeefrage verschwendet. Für ihn ist, und das kann man in mittelalterlichen frommen Schriften und aus Bildzeugnissen (Glasfenster Buchmalerei) klar verfolgen die Idee tröstend dass Gott den Gerechten schont und dass Gott im Bild mit dem Regenbogen und der Taube und in seinem Versprechen die Menschheit künftig zu schonen eine trostreiche Verheißung gibt. Dieses Versprechen war für die früheren Menschen sehr wichtig und hat Zuversicht gegeben....man muss dabei bedenken, dass die Menschen ein weitaus ausgeprägteres Schuld und Sündenbewusstsein hatten. Man denke nur daran wie sehr Martin Luther von der Frage gequält und umgetrieben wurde "Wie finde ich einen gnädigen Gott.

Im NT ist Noah auch ls Herold der GTerechtigkeit angesprochen (2. Petrus, 2,5)

 

Übrigens: Zu behaupten die Noahgeschichte sei Anleitung zum seelenlosen Genozid ist schon dehalb blanker Unsinn weil die Rettung des Gerechten dem diametral entgegensteht - der "seelenlose Genozid" kennt keine Rettung auch nicht die des Gerechten.

Aber das ist ja das, was ich sage. Um diese Gesichte(n) richtig verstehen zu können, braucht mein ein anderes als das christliche Gottesbild. Damit ist diese Geschichte aber ja nicht mehr als z. B. ein griechischer oder germanischer Mythos, aus dem man sicher auch gute Schlüsse für sich ziehen kann in dem Sinn, in dem es Susanne beschreibt, aber es ist nicht "Wort Gottes" oder "Heilige Schrift".

 

Werner

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Da stimm ich dir ja zu, aber dann kann ich nicht Chrysos Aussage zustimmen.

 

Werner

Hm.

Ob man ihm zustimmen kann, hängt vermutlich davon ab, was man unter "Gott" versteht.

Ich kann Chrysos Aussage gut so verstehen, dass sie nicht im Widerspruch zu meinem Geschreibsel steht.

Er verwendet nur eine andere Sprache - ich versuche immer, solche Aussagen so zu übersetzen, dass sie sich mit der Wirklichkeit meines Lebens berühren.

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Aber das ist ja das, was ich sage. Um diese Gesichte(n) richtig verstehen zu können, braucht mein ein anderes als das christliche Gottesbild.

 

Ich empfinde das Gegenteil....man braucht gerade das christliche Gottesbild, das einen Gott der mutwillig Rache übt, ausschließt.

bearbeitet von Der Geist
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Aber das ist ja das, was ich sage. Um diese Gesichte(n) richtig verstehen zu können, braucht mein ein anderes als das christliche Gottesbild. Damit ist diese Geschichte aber ja nicht mehr als z. B. ein griechischer oder germanischer Mythos, aus dem man sicher auch gute Schlüsse für sich ziehen kann in dem Sinn, in dem es Susanne beschreibt, aber es ist nicht "Wort Gottes" oder "Heilige Schrift".

 

Werner

Auch da ist wieder die Frage, was "Wort Gottes" ist.

Was verstehst du denn darunter?

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... und für den Volksgebrauch neue, heute verständliche Geschichten zu erzählen? ..

es gibt sie. wer liest sie? wer propagiert sie? wer deutet sie etwas bildhaft aus?

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Aber das ist ja das, was ich sage. Um diese Gesichte(n) richtig verstehen zu können, braucht mein ein anderes als das christliche Gottesbild. Damit ist diese Geschichte aber ja nicht mehr als z. B. ein griechischer oder germanischer Mythos, aus dem man sicher auch gute Schlüsse für sich ziehen kann in dem Sinn, in dem es Susanne beschreibt, aber es ist nicht "Wort Gottes" oder "Heilige Schrift".

 

Werner

Auch da ist wieder die Frage, was "Wort Gottes" ist.

Was verstehst du denn darunter?

Ich selbst verstehe darunter gar nicht mehr.

 

Die Noahgeschichte habe ich das erste mal im Kindergarten gehört. Ich weiß nicht, ob die Nonnen nur gute Schauspielerinnen waren, ich denke eher nicht, ich denke, sie haben die Geschichte, so wie sie da steht, geglaubt, und das auch so rübergebracht. Als ich lesen konnte, bekam ich eine Kinderbibel, die konnte ich praktisch auswendig, auch da stand die Geschichte als Erzählung drin, die so stattgefunden hat. Meine Eltern haben mir die Geschichte als Bericht vermittelt, und wenn sie in der Kirche vorkam, handelte die Predigt davon, dass Gott so gut sei, weil er dem Noah versprach, keine Flut mehr zu schicken, und dass wir deshalb keine Angst haben müssen (die AUssage von Chryso). Keine Rede von einem Mythos, der etwas ganz anders aussagen will, als dass Gott eine Flut schickt, um alles Leben zu vernichten.

Irgendwann war ich dann an dem Punkt, an dem mir klar wurde, dass diese Geschichte gar keine Realität sein kann, aber ich bin mir bei diesen Gedanken lange wie ein Ketzer, ein Ungläubiger vorgekommen. Mein "Gewissen" sagte mir, dass ich die Geschichte eigentlich glauben müsste.

Irgendwann waren auch diese Gewissensbisse überwunden und damit auch ein Großteil meines Glaubens.

Zurück blieb das Gefühl, für dumm verkauft worden zu sein.

Und das Bewusstsein, dass das, was man für "Gewissen" hält, sehr oft vermutlich nur eine Folge kindlicher Indoktrination ist.

 

Was verstehe ich unter "Wort Gottes"? Die Bibel wurde mir als höhere Wahrheit vermittelt. Höhere Wahrheit im Sinne von göttlicher Inspiration, deshalb "Wort Gottes". Die Lesung in der Messe wir mit den Worten "Wort des lebendigen Gottes" abgeschlossen.

 

Ich bin bei dir und den anderen hier, die nach der Bedeutung hinter en Geschichten suchen, und ich kann vieles davon sehr gut nachvollziehen. Aber diese Geschichten sind dann auch nicht mehr oder weniger "Wort Gottes" (ich hab es schon gesagt) als germanische oder indische oder griechische Mythen.

 

Und ein ganzes Stück weit fühle ich mich verschaukelt, weil ich, leichtgläubig wie ich bin, so lange geglaubt habe, diese Geschichten seien etwas besonderes. Das hat die Glaubwürdigkeit der Institution, die mir das erzählt hat, auf Null gebracht.

 

Werner

bearbeitet von Werner001
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... und für den Volksgebrauch neue, heute verständliche Geschichten zu erzählen? ..

es gibt sie. wer liest sie? wer propagiert sie? wer deutet sie etwas bildhaft aus?

Sie werden nicht als "Wort Gottes" verkauft. Darum sind sie nicht populär.

 

Werner

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@ Werner

 

Ich tu mir schwer, auf deinen Beitrag öffentlich zu antworten.

Ich kann das im Grund einfach nur so stehen lassen, wie es für dich ist und dir wünschen, dass du nicht aufhörst zu fragen, oder?

 

Allgemein denke ich, dass das, was du beschreibst, ein Prozess ist, den sehr viele sehr ähnlich durchmachen.

Vermutlich ist das alles noch viel schwerer und enttäuschender, wenn man lang - so wie du es von dir schreibst - sehr leichtgläubig bzw. wenig misstrauisch und kritisch war und man nicht schon sehr früh angefangen hat, zu hinterfragen und sich Zeit zu geben, in ein neues Verstehen hineinzuwachsen.

 

Ich weiß auch nicht, wie ich das verständlich machen kann, dass diese Texte für mich sehr wohl ganz besonders und "Wort Gottes" sind.

Versuchen kann ich es schon, das zu erklären (solltest du daran interessiert sein), aber ob das Antworten für deine Fragen sind???

Dass ich das so sagen kann, da steht ja mein eigenes jahrzehntelanges Suchen und Verstehen- und Lernenwollen und immer wieder auch Finden dahinter. Abkürzungen konnte ich dabei keine machen, etwas neu zu verstehen war immer unmittelbar mit Herausforderungen und Erfahrungen im konkreten Leben verknüpft.

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@ Werner

 

Ich tu mir schwer, auf deinen Beitrag öffentlich zu antworten.

Ich kann das im Grund einfach nur so stehen lassen, wie es für dich ist und dir wünschen, dass du nicht aufhörst zu fragen, oder?

 

Allgemein denke ich, dass das, was du beschreibst, ein Prozess ist, den sehr viele sehr ähnlich durchmachen.

Vermutlich ist das alles noch viel schwerer und enttäuschender, wenn man lang - so wie du es von dir schreibst - sehr leichtgläubig bzw. wenig misstrauisch und kritisch war und man nicht schon sehr früh angefangen hat, zu hinterfragen und sich Zeit zu geben, in ein neues Verstehen hineinzuwachsen.

 

Ich weiß auch nicht, wie ich das verständlich machen kann, dass diese Texte für mich sehr wohl ganz besonders und "Wort Gottes" sind.

Versuchen kann ich es schon, das zu erklären (solltest du daran interessiert sein), aber ob das Antworten für deine Fragen sind???

Dass ich das so sagen kann, da steht ja mein eigenes jahrzehntelanges Suchen und Verstehen- und Lernenwollen und immer wieder auch Finden dahinter. Abkürzungen konnte ich dabei keine machen, etwas neu zu verstehen war immer unmittelbar mit Herausforderungen und Erfahrungen im konkreten Leben verknüpft.

Ich bin dem Glauben und Glaubensdingen gegenüber nicht negativ eingestellt. Ich lese daher mit Interesse, was du schreibst, auch die Ausführungen zu Noah. Zu fragen und zu suchen werde ich wahrscheinlich erst aufhören, wenn mein Verstand irgendwann einmal nicht mehr mitmacht.

Meine grundsätzliches Mistrauen und meine (oft sicher beißende und vermutlich verletzende wirkende) Kritik richtet sich nur gegen Menschen und Institutionen, die sich hinstellen und hochnäsig behaupten, göttliche Wahrheiten zu kennen oder zu verkünden, obwohl sie, so glaube ich jedenfalls, in Wahrheit nur die Leute verschaukeln.

Menschen, die suchend glauben, haben meinen größten Respekt.

 

Werner

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