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Die heilige Schrift


Elias

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Damit aber stehe ich vor einem gelinde gesagt sperrigen Text, der einerseits wunderbar geeignet scheint, ihn szenisch nachzustellen (Playmobil liefert bei Bedarf ein passendes Schiff), der aber in der Tat ziemlich viele Tote beinhaltet. Unstrittig ist nun, dass dieser Text Vorlagen hat, er der Redaktor/ Autor des Buches Genesis hat ihn nicht selbst erfunden noch selbst erlebt, er hat eine bestehende Erzählung adaptiert und für geeignet gehalten, etwas über G'tt zu sagen.

 

Mich interessiert nun deutlich die Frage, warum er das getan haben könnte? Was interessierte ihn an dieser Erzählung? Von woher muss ich sie verstehen?

 

Nun gehe ich von der Annahme aus, dass wir es hier mit einer Erzählung zu tun habe, nicht mit einem Bericht. Und ich nehme weiter an, dass man solche zum vorlesen und erzählen gedachten Geschichten vom Ende her interpretieren muss, nicht vom Anfang. Denn wenn man beginnt, über einen solchen Text nachzudenken, dann tut man das in der Regel von dem Punkt aus, an dem man zuletzt war, also vom Ende der Geschichte her. Die Interpretation folgt nicht dem Handlungsstrang, sie erwächst aus dem Ziel der Erzählung.

Man könnte tatsächlich vom Schluss her interpretieren. Bei sinnvoll verarbeiteten Texten ist dies manchmal möglich. Bei Gleichnissen liegt der Skopus ja auch oft am Ende - allerdings sind Gleichnisse noch mal kürzer.

 

Was Du als "gelinde gesagt sperrig" bezeichnest und hinterher noch als modular unterteilt erkennst, macht dieses Verfahren aber nicht sehr sinnvoll. Jedes Modul trägt noch einmal eine eigene Sinnspitze.

 

Man hätte aus dem vorliegenden Material wirklich eine Geschichte machen können, die Deinem Anliegen entspricht. Aber das wäre noch ein ziemlich weiter Weg. So, wie der Text vorliegt, geht das nicht.

 

Hätten die Autoren zum Beispiel eine Reue Gottes beschrieben, der entsetzt ist über den Leichenberg, den er angerichtet hat.

 

Hätte Noah kein Brandopfer von den Tieren gebracht, deren einzige Vertreter sie nun nach der Sintflut sind, sondern ein Mahnmal erstellt zum Gedenken an die Schandtaten Gottes - und Gott hätte seinen Regenbogen vom Mahnmal zur Arche gespannt.

 

Hätte Gott nach der Sintflut die Unschuld vieler Vernichteter erwähnt und seine eigene Ungerechtigkeit, die Schuldlosen zusammen mit den Schuldigen zu vernichten.

 

Ja. Dann könnte man vom Schluss her interpretieren. Warum? Ganz einfach: Weil es die Geschichte ja auch täte.

Tut sie aber nicht. Tut sie nicht!

 

Auf diese Weise stehen die verschiedenen Module einfach da. Nur die Anordnung hält sie zusammen - also im Vergleich die Noppen der Legosteine. Es sind aber ganz verschiedene Legosteine. Du kannst nicht aus dem letzten Stein des Legoturmes Aussagen über den gesamten Legoturm machen. Weil es die Geschichte ja auch nicht tut. Da steht nicht auf dem letzten Legostein: Ich interpretiere alle vorhergehenden.

 

Jedes Modul hat seine Aussage. Und der Aussage "verdorben ist alles Fleisch" wird nichts entgegengesetzt.

Und die Arche schippert über den Friedhof der Menschheit, ohne dass dies bedauert wird oder auch nur thematisiert wird.

Die Opfer bleiben gesichtslos, entmenscht.

Der Mensch bleibt vernichtbare Verfügungsmasse.

 

Nichts von alledem wird hinweggenommen. Nichts wird bereut. Nichts wird als falsch oder ungerecht bezeichnet. Und deshalb kann man nicht sagen: "Ende gut - alles gut!" Nichts aus den vorangehenden Passagen wird gut gemacht. Eine dorthin zielende Interpretation muss völlig ohne Textbasis auskommen. Nichts deutet darauf hin, dass man die Geschichte so deuten kann.

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Den anderen schlicht nicht richtig verstanden zu haben, das können wir uns nun fröhlich gegenseitig vorwerfen - und den anderen nicht verstehen zu wollen gleich mit. Das ist dann aber das Ende jeder Diskussion, und dann wäre ich längst gegangen. Ich will sehen, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht eine andere Meinung haben kann.

 

Alles wäre in Ordnung, wenn sie dazu stehen würde. Wenn sie sagen würde: "Die Sintflut, der monströse Gott, dieses Verdikt über die Menschen - all das widert mich an. Ich halte es für Schrott. Aber die Arche gibt mir ein tolles Bild für einen Gedanken, der mir sehr viel wert ist. Und darum liebe ich diese Geschichte, indem ich den ungeliebten Rest ausblende.

 

Ich greife dieses Zitat mal heraus - das wenn stört mich, weil Du hier einerseits die Übernahme deiner Lesart zur Bedingung für die Akzeptanz ihrer Position machst, damit andererseits aber bereit bist, einer Lesart zuzustimmen, die rosinenpickerisch sein mag, aber dein Entsetzen noch übernimmt.

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Die Essenz der Bibel als Summe von AT und NT bildet durchaus Maßstäbe. Aber nicht jeder Satz, jedes Buch der Bibel ist deshalb Maßstab. Schon der vielen Widersprüche wegen. Das ist ja das Gefährliche am Luthertum: die unkritische Berufung auf die Schrift allein, die dann auch zu evangelikalem Fundamentalismus führt. Daß es bei uns Katholiken anders ist, ist ein großer Vorzug, der leider zu wenig gewürdigt wird.

Ich denke das nochmal anders: Die Essenz der Bibel kann und muss jeder selbst herausspüren. Es gibt also zunächst einmal keine einheitliche Essenz. Diese Eigentümlichkeit ist der Kirche schon aufgefallen. Deshalb hat sie sich selbst als authentische Interpretatorin gesehen. Das ist natürlich nur begrenzt machbar. Und auch die Kirche des 4. Jahrhunderst interpretiert anders und legt eine andere Essenz vor, als die Kirche des 20. Jahrhunderts. Wiederum sieht man eine ungeheure Variabilität - sogar innerhalb der Kirche.

 

Ich halte "Maßstab" schlichtweg für ein sehr schlechtes Wort. Es geht meiner Meinung nach eben nicht darum, Leuten eine Verpflichtung aufzudrücken, indem man Maßstäbe deklariert - die ja doch wieder sehr relativ sind. Es geht darum, Menschen eine Quelle des Glaubens zu erschließen.

 

Und dies geht eben mit der Sintflutgeschichte nicht auf exegetische Weise. Der Text ist schlampig, in weitesten Teilen menschenverachtend und baut ein katastrophales Gottesbild auf, das die Menschen nicht zu Gott führt, sondern sie lehrt, diesen(!) Gott zu hassen und zu verachten.

 

Was man allerdings machen kann: Steinbruch! Rosinenpicken!

 

Damit nimmt man zwar den Text nicht mehr ernst. Man entspricht auch nicht dem Willen seiner Autoren, die meiner Meinung nach sehr wohl eine sehr menschenverachtende Mentalität an den Tag legen und Genozid grund- und nahelegen.

 

Aber beim Rosinenpicken hat man in den herausgepickten Rosinen etwas an der Hand, was einen Menschen zu Gott führen kann. Und dies ist mehr wert, als eine korrekte Texterfassung.

 

Nichts anderes tun unsere Erzieherinnen in den Kindergärten und unsere Lehrer in der Schule, wenn sie mit den Kindern eine Arche basteln, sich heftig um die Sauerei der Sintflut drücken, Angst vor der Frage haben, ob Gott auch die Häschen ersäuft hat. Stattdessen stürzen sie sich auf die Rosinen "Arche" und "Regenbogen".

 

Damit gelangen die Kinder natürlich nicht zu einer Auseinandersetzung ala Hiob mit dem unverstehbaren Gott und dessen dunkler Seite. Dieses Thema wird dann auf später verschoben, und da traut man sich nicht heran. Aber zumindest hat man ja ein paar schöne Rosinen in der Hand. Und damit wird gebastelt und gemalt. Für einen Kinderglauben ist das doch nicht das Schlechteste.

bearbeitet von Mecky
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Was Du als "gelinde gesagt sperrig" bezeichnest und hinterher noch als modular unterteilt erkennst, macht dieses Verfahren aber nicht sehr sinnvoll. Jedes Modul trägt noch einmal eine eigene Sinnspitze.

 

Das ist nun Deine, aber nicht meine These, ich kann nicht sehen, wo ich die Geschichte als "modular unterteilt" bezeichnet hätte, man kann (und ich wage zu behaupten: muss) sie als Ganze interpretieren, nicht ihre Teile. Und schon gar nicht im Sinne einer Wägung der guten und schlechten Anteile.

 

Man hätte aus dem vorliegenden Material wirklich eine Geschichte machen können, die Deinem Anliegen entspricht. Aber das wäre noch ein ziemlich weiter Weg. So, wie der Text vorliegt, geht das nicht.

 

Man hat aus dem vorliegenden Material eine Geschichte gemacht - das willst Du nur nicht sehen.

 

Hätte Gott nach der Sintflut die Unschuld vieler Vernichteter erwähnt und seine eigene Ungerechtigkeit, die Schuldlosen zusammen mit den Schuldigen zu vernichten.

 

Um auf der ebene der Erzählung zu bleiben: Gott vernichtet nicht gut und böse, Schuldige und Unschuldige. Er vernichtet die Bösen und rettet den Unschuldigen, das ist Noah, und dessen Familie, deren ethisches Sein keine Rolle zu spielen scheint. Es geht hier um Typologien, nicht um Personen. Und es geht um die Frage, wie man dem Bösen Herr werden kann - den Menschen zu vernichten ist offenbar keine Lösung. Denn die Zusage Gottes am Ende ist ja nur dann inhaltlich schlüssig, wenn man davon ausgeht, dass nun nicht nur untadelige Menschen die Erde bewohnen werden, und der Fortgang der Noaherzählung und der Genesis zeigen dann überdeutlich, dass die ganze Aktion den Menschen nicht gebessert hat.

 

Auf diese Weise stehen die verschiedenen Module einfach da. Nur die Anordnung hält sie zusammen - also im Vergleich die Noppen der Legosteine. Es sind aber ganz verschiedene Legosteine. Du kannst nicht aus dem letzten Stein des Legoturmes Aussagen über den gesamten Legoturm machen. Weil es die Geschichte ja auch nicht tut. Da steht nicht auf dem letzten Legostein: Ich interpretiere alle vorhergehenden.

 

Um das Bild der Legosteine aufzugreifen, das mir sehr gut gefällt: Die Steine sind beliebig, aus denen kannst du bauen, was du magst. Ein Haus, einen Baum, ein Schiff oder irgend etwas anderes - ein Peace-Zeichen so gut wie ein Kreuz, eine Kanone so einfach wie eine Blume. Die Steine selbst verändert das nicht.

 

Eine Palette mit Farben und eine Sammlung von Pinseln kann man nicht interpretieren - das Bild hingegen sehr wohl.

 

Nun mag die Auswahl der Steine oder der Farben Anlass zur Interpretation geben, aber diese kann vollkommen fehl gehen, weil das Ergebnis dann doch etwas anderes ist als das erwartete.

 

Jedes Modul hat seine Aussage. Und der Aussage "verdorben ist alles Fleisch" wird nichts entgegengesetzt. Und die Arche schippert über den Friedhof der Menschheit, ohne dass dies bedauert wird oder auch nur thematisiert wird. Die Opfer bleiben gesichtslos, entmenscht. Der Mensch bleibt vernichtbare Verfügungsmasse.

 

Im Ganzen der Komposition des Buches Genesis und des Pentateuch wird dem sehr wohl etwas entgegengesetzt: Das "Gott sah, dass es gut war" ebenso wie die Zusage, trotz der Verderbtheit nicht mehr zu vernichten. Aber eines stimmt, die Opfer bleiben gesichtslos, so wie die Einwohner Sodoms, die Kinder in Bethlehem und letztlich auch die Schächer am Kreuz, die nur Staffage zu sein scheinen, Stichwortgeber. Über den Täufer äußert sich Jesus, ohne einmal dessen Tod auch nur zu bedauern. Die Männer, die von einem Turm erschlagen werden - Jesus verwendet sie als Beispiel. Und der Blinde wurde blind geboren, damit Gottes Herrlichkeit an ihm offenbar werde - ein Statist im Heilsdrama! Aber die Schächer und Johannes, der Blinde und die vom Turm erschlagenen, sie sind reale Menschen gewesen, ob es die ermordeten Kinder Bethlehems gab, das wird ja nun bezweifelt, und hier haben wir es erst Recht mit einem literarischen Text zu tun, nicht mit einem Bericht.

 

Aber das Erste Testament ist mit dem Leben nicht gerade vorsichtig: Dem Exodus geht ein Massenmord an unschuldigen Kindern voraus, verübt auch, weil Gott das Herz des Pharaos verhärtet hat , und dem Exodus folgt der Untergang der ägyptischen Armee - als ob Gott dieselbe nicht hätte am Strand festhalten können-

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Ist es nicht so, dass "Gott" auch eine entwicklung durchmacht? Vom Barbaren, der sich nichts dabei denkt, die Menschheit zu ersäufen, bis zum Vater, der für die seinen sorgt, ist ein weiter Weg. Und auch heute entwickelt er sich weiter, auch wenn es manchen Menschen nicht ins Konzept passt, und wenn viele von denen, die eigentlich auf das verstehen "Gottes" spezialisiert sind, ihn am liebsten auf einem status quo einfrieren würden.

 

"Gott" deswegen in Anführungszeichen, weil es natürlich nicht um Gott geht, sondern um ein Gottesbild, das sich Menschen machen. Aber mehr als das haben wir ja nicht.

 

Werner

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Das ist eben nicht so richtig erkennbar. Es könnte sich auch um ein Schwanken Gottes handeln. Mal so, mal so.

Nach dem Landen der Arche erfreut er sich an dem Brandgeruch der Tiere, die er soeben noch als Retter in der Arche beschützt hat.

Mal so, mal so. Und er fordert auch die Todesstrafe. Denn er, der soeben die Menschheit vernichtet hat, ist strikt gegen das Töten von Menschen, die ja sein Abbild sind. Mal so und mal so.

 

Du sagst Entwicklung. Man könnte auch sagen: Der Typ ist total plemplem und weiß nicht, was er will. Die Geschichte endet mit dem Bund. Och nö, hinterher verflucht dann doch noch Noah das Land Kanaan. Und wer das Buch Josua gelesen hat, der weiß, dass dieser Fluch wiederum als Vernichtungskrieg beschrieben wird, in dem Gott wiederum Dörfer und Städte mit Mann und Frau und Kind und - wie aufschlussreich - auch allem Vieh vernichten lässt. Wieder so eine Genozid-Angelegenheit unter Einschluss der Tierwelt.

 

Und das Ganze ist ja so verwirrend. Welcher der mehreren Autoren der Sintflutgeschichte kannte denn das Buch Josua? Nix Genaues weiß man nicht. Ich gehe davon aus, dass mindestens einer der Autoren die Tradition der 40-jährigen Wüstenwanderung kennt. Aber das ist natürlich nicht das Buch Josua. Ob die anderen Autoren diese Tradition kannten? Ob sie Josua kannten?

 

Mehr, als ein völlig unklares Gottesbild kann man aus der Sintflutgeschichte nicht herauslesen. Und in diesem unklaren Gottesbild stehen verschiedene Gegensätze sich gegenüber, ohne dass die Geschichte hier vermittelnd oder erklärend etwas preisgibt. Dies ist doch der Grund dafür, dass ich schon geschrieben habe: Die Geschichte ist schludrig redigiert. Vielleicht kann man eine Entwicklung Gottes ausmachen. Aber nur vielleicht. Vielleicht ist das auch nur das Hin- und Hertorkeln eines völlig irren Gottes, der seinen Launen folgt. Mal so. Und mal so.

bearbeitet von Mecky
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Man hat aus dem vorliegenden Material eine Geschichte gemacht - das willst Du nur nicht sehen.

Genau dies hat man nicht gemacht. Das ist doch offensichtlich.

 

Da hat sich niemand die Mühe gemacht, Widersprüche zu entfernen. Doubletten werden auf engstem Raum einfach hintereinander geschaltet. Nur um hinterher dann noch mal eine Doublette gleichen Inhalts nachzuschieben.

Die Flut dauerte 40 Tage (7,17). Kurz darauf (7,24): Das Wasser aber schwoll hundertfünfzig Tage lang auf der Erde an.

Da ist nicht eine Geschichte geschrieben worden.

 

Es kommt mir eher so vor, als hätte jemand den 12-jährigen Lehrbub mit der Aufgabe überfordert, aus einem reichhaltigen Quellenmaterial eine Sammlung anzulegen und sie zu sortieren. Das ist aber erst die Vorarbeit zum Schreiben einer Geschichte. Heute würde man "Recherchephase" dazu sagen. Und der Meister scheint sich nicht die Mühe gegeben zu haben, das Elaborat seines Zöglings zu korrigieren.

 

Die ganzen Ungereimtheiten sind ein weiteres Zeichen dafür, dass man sich nicht viel Mühe gegeben hat.

 

Ob jemand, der sich so wenig Mühe gibt, tatsächlich eine Geschichte schreiben will, die man konsistent von ihrem Ende her aufdröseln kann? Ich halte das Gegenteil für offensichtlich. Mir kommt es eher so vor, als hätte man eben ein paar Quelltexte innerhalb weniger Stunden schnell kompiliert und lediglich noch dafür gesorgt, dass es ein happy-end gibt. Das happy-end hat zwar Bezug zu manchen vorausgehenden Elementen, aber selbst dieser Bezug ist noch locker und widersprüchlich und erstreckt sich keineswegs auf eine Gesamtstory. Wie denn auch: Eine geschlossene Gesamtstory gibt es nicht wirklich. Bei widersprüchlichen Aussagen kann auch das happy-end nur entweder die eine oder die andere (widersprechende) Passage deuten.

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Nun könnte das daran liegen, daß die Zahl der Tage überhaupt keine Rolle spielte.

 

Schon die Schöpfung ist aus zwei Mythen zusammengesetzt, die nicht übereinandergelegt werden können - weil es für die Erzählabsicht vermutlich einfach nicht wichtig genug war.

 

Der Text ist mittlerweile so uralt, meinst Du nicht, wenn die erzählerische Widerspruchsfreiheit ein wesentlicher Zug gewesen wäre, hätte man das irgendwann geglättet.

 

Wieso sollten in der Noah-Geschichte nicht genauso zwei (oder mehr) Erzähltraditionen zusammengeschrieben worden sein?

 

Eben WEIL der Text in sich nicht sooo schlüssig ist, liegt es meiner Meinung nach sehr, sehr nahe, daß die Erzählung selbst eigentlich keine große Rolle spielt sondern allein die dahinterstehende Aussage relevant ist.

 

Und diese Aussage steht (logischerweise) in einem inneren Zusammenhang mit den anderen Erzählungen des Pentateuch - sonst wäre Sie wohl irgendwann wieder rausgeflogen (der Kanon des AT ist ja auch nicht viel älter als das NT).

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Nichts anderes tun unsere Erzieherinnen in den Kindergärten und unsere Lehrer in der Schule, wenn sie mit den Kindern eine Arche basteln,

 

 

Ja, die Kritik teile ich. Das AT sollte in der Verkündigung gegenüber Kindern keine Rolle spielen, das erfordert zu viel intellektuelle Durchdringung. Aber warum regst du dich so auf? In Kindergärten wird viel dummes Zeug erzählt, ich glaube nicht, daß das am Ende den Kindern schadet.

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Ist es nicht so, dass "Gott" auch eine entwicklung durchmacht? Vom Barbaren, der sich nichts dabei denkt, die Menschheit zu ersäufen, bis zum Vater, der für die seinen sorgt, ist ein weiter Weg. Und auch heute entwickelt er sich weiter, auch wenn es manchen Menschen nicht ins Konzept passt, und wenn viele von denen, die eigentlich auf das verstehen "Gottes" spezialisiert sind, ihn am liebsten auf einem status quo einfrieren würden.

 

Recht lesenswert in diesem Kontext: Jack Miles, Gott. Eine Biographie,

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Nichts anderes tun unsere Erzieherinnen in den Kindergärten und unsere Lehrer in der Schule, wenn sie mit den Kindern eine Arche basteln,

Ja, die Kritik teile ich. Das AT sollte in der Verkündigung gegenüber Kindern keine Rolle spielen, das erfordert zu viel intellektuelle Durchdringung. Aber warum regst du dich so auf? In Kindergärten wird viel dummes Zeug erzählt, ich glaube nicht, daß das am Ende den Kindern schadet.

Das war keine Kritik an den Kindergärten. Im Gegenteil: Die tun das einzig Sinnvolle für die Kinder.

 

Ich bin sehr wohl aufmerksam, ob jemand Exegese betreibt oder Rosinen pickt. Aber ich werte das nicht unbedingt zugunsten der Exegese. Im Falle der Noah-Geschichte halte ich Rosinenpicken für viel angemessener und fruchtbarer, als Exegese.

 

Nur muss man zwischen Exegese und Rosinenpicken unterscheiden. Wer Rosinen pickt, kann keinen Anspruch auf eine exegetische Wahrheitsfindung beanspruchen. Sonst kommen eben solche Dinge heraus, dass man eine Genozid-Geschichte wie Auschwitz zu einer beeindruckenden Individualgeschichte (Edith Stein) umformt und damit die entsetzliche Grausamkeit von Auschwitz völlig verzerrt.

 

Korrekt wäre, wenn die Kindergarten-Erzieherinnen den Kindern die Arche und den Regenbogen nahebringen, sich aber (z.B. auf Nachfrage) deutlich von der biblischen Sintflutgeschichte, von dem dortigen Gottesbild und von der Verdorbenheit alles Fleisches distanzieren.

"Wisst ihr, meine Lieben, es gibt eben Menschen, die können selbst aus den schönsten Dingen etwas Grauenhaftes machen. Aber ich wollte euch zeigen, wie ich mir Gott vorstelle. Lassen wir also diese böse Menschen ihr böses Zeugs woanders erzählen. Ich erzähle euch lieber davon, dass Gott das Leben liebt. Guckt mal! Der Elefant, der schaut doch richtig verliebt zu seiner Elefantin!"

 

Voll die Rosinen gepickt. Voll die Gesamtheit des Textes missachtet. Aber dafür den Kindern einen Weg aufgezeigt und sie mit Arche und Regenbogen beschenkt. Ich kann daran nichts Schlechtes finden.

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Nichts anderes tun unsere Erzieherinnen in den Kindergärten und unsere Lehrer in der Schule, wenn sie mit den Kindern eine Arche basteln,

Ja, die Kritik teile ich. Das AT sollte in der Verkündigung gegenüber Kindern keine Rolle spielen, das erfordert zu viel intellektuelle Durchdringung. Aber warum regst du dich so auf? In Kindergärten wird viel dummes Zeug erzählt, ich glaube nicht, daß das am Ende den Kindern schadet.

Das war keine Kritik an den Kindergärten. Im Gegenteil: Die tun das einzig Sinnvolle für die Kinder.

 

Ich bin sehr wohl aufmerksam, ob jemand Exegese betreibt oder Rosinen pickt. Aber ich werte das nicht unbedingt zugunsten der Exegese. Im Falle der Noah-Geschichte halte ich Rosinenpicken für viel angemessener und fruchtbarer, als Exegese.

 

Nur muss man zwischen Exegese und Rosinenpicken unterscheiden. Wer Rosinen pickt, kann keinen Anspruch auf eine exegetische Wahrheitsfindung beanspruchen. Sonst kommen eben solche Dinge heraus, dass man eine Genozid-Geschichte wie Auschwitz zu einer beeindruckenden Individualgeschichte (Edith Stein) umformt und damit die entsetzliche Grausamkeit von Auschwitz völlig verzerrt.

 

Korrekt wäre, wenn die Kindergarten-Erzieherinnen den Kindern die Arche und den Regenbogen nahebringen, sich aber (z.B. auf Nachfrage) deutlich von der biblischen Sintflutgeschichte, von dem dortigen Gottesbild und von der Verdorbenheit alles Fleisches distanzieren.

"Wisst ihr, meine Lieben, es gibt eben Menschen, die können selbst aus den schönsten Dingen etwas Grauenhaftes machen. Aber ich wollte euch zeigen, wie ich mir Gott vorstelle. Lassen wir also diese böse Menschen ihr böses Zeugs woanders erzählen. Ich erzähle euch lieber davon, dass Gott das Leben liebt. Guckt mal! Der Elefant, der schaut doch richtig verliebt zu seiner Elefantin!"

 

Voll die Rosinen gepickt. Voll die Gesamtheit des Textes missachtet. Aber dafür den Kindern einen Weg aufgezeigt und sie mit Arche und Regenbogen beschenkt. Ich kann daran nichts Schlechtes finden.

 

Ehrlich gesagt verstehe ich langsam überhaupt nicht mehr, worüber du dich eigentlich aufregst.

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Der Biblische Text beschreibt nicht in kindlich verstehbaren Bildern Meckys Wir-haben-uns-alle-ganz-doll-lieb-Gottesbild. Und Mecky mag diese Herausforderung nicht.

bearbeitet von Flo77
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Nun könnte das daran liegen, daß die Zahl der Tage überhaupt keine Rolle spielte.

In diesem Fall hätte ein Geschichtenschreiber sowohl die eine, als auch die andere Zahl einfach weggelassen.

Aber beide widersprechende Zahlen aufzuführen ist dann Unfug.

 

Wahrscheinlicher ist, dass die Zahlen symbolische Bedeutung haben. 40 könnte eine Anspielung auf die Wüstenwanderung Israels sein.

Was aber sollen zwei unterschiedliche Symbole, die nicht einmal richtig aufgegriffen werden?

 

Aber selbst durch die Weglassung der Zahlen wäre nur ein kleines Fitzelchen erreicht. Der Text ist dermaßen uneinheitlich, widersprüchlich und durcheinander, dass man wirklich einige Mühe verwenden müsste, ihn zu einer Geschichte umzuformen. Wie gesagt: Es handelt sich meiner Meinung nach eher um eine sortierte Materialliste, als eine fertiggestellte Geschichte.

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Du regst Dich hier über einen Text auf, der vor seiner ersten schriftlichen Fixierung mehrere Jahrhunderte mündlicher Tradition hinter sich hatte - insofern könntest Du vielleicht sogar recht haben, daß es sich lediglich um eine Gedankestütze für einen Erzähler gehandelt haben könnte. An der Erzählabsicht ändert das allerdings wenig bis gar nichts.

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So langsam kehren frühe Erinnerungen an die ersten Begegnungen mit der Moses-Geschichte zurück. Meine frühe Skepsis galt der Frage, wie sich denn die vielen verschiedenen Tierarten in der Arche vertragen haben, ob die Termiten nicht die Arche anknabbern würden und wie dann alle vom Berg Ararat wieder heruntergekommen sind und den weiten Weg in ihre Heimat gefunden haben. Die viel gravierenderen moralischen und theologischen Fragen, die da offenbar drin stecken, waren mir nicht wichtig. Ich bin halt nicht zum Theologen geboren.

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Der Biblische Text beschreibt nicht in kindlich verstehbaren Bildern Meckys Wir-haben-uns-alle-ganz-doll-lieb-Gottesbild. Und Mecky mag diese Herausforderung nicht.

In gewisser Weise hast Du da Recht.

Ich mag keine Genozide, noch mag ich deren Bauplan. Ich mag keine Pauschalverurteilungen. Ich mag keinen Ozean voller Leichen. Ich mag auch keine Beschönigungen oder Rechtfertigungen von brutalen Gewalttaten. Einen Gott, der gefühllos Menschen massenmordet, der nicht einmal Erbarmen mit den Häschen hat, der allmächtig, aber ohne jegliche Gerechtigkeit handelt, ist mir zuwider.

 

Das mit dem "wir haben uns alle ganz doll lieb Gottesbild" ist wieder so eine öde Traumtänzerei Deinerseits. Ziemlich haltlos, insbesondere nach meinen Auslassungen über Hiob. Ich denke, dass es sich eher wieder einmal um den Versuch handelt, eine Gegenposition so zu verfälschen, dass man den Autor gut desavouieren kann. Der muss ja wirklich doof sein, diese Mecky, so ein naives Gottesbild zu haben.

 

Hast Du wirklich nichts besseres zu bieten, als solche Verzerrungen? Oder mangelt es Dir wirklich an Wahrnehmungsfähigkeit, so dass Du nach vielen Jahren gemeinsamer Forentätigkeit tatsächlich ein solches Gottesbild bei mir vermutest?

 

PS: Die gute Nachricht besteht darin, dass Chrysologus Dir für dieses Posting eine Perle gegeben hat. Ihr scheint Euch einig zu sein.

bearbeitet von Mecky
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Sehr viel schlimmer finde ich übrigens, daß Du Kinder wieder als religiös-intelektuelle Tiefflieger verstehst.

Wer tut das?

Du bist wohl gerade auf dem Verzerrungstripp.

bearbeitet von Mecky
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Du regst Dich hier über einen Text auf, der vor seiner ersten schriftlichen Fixierung mehrere Jahrhunderte mündlicher Tradition hinter sich hatte - insofern könntest Du vielleicht sogar recht haben, daß es sich lediglich um eine Gedankestütze für einen Erzähler gehandelt haben könnte. An der Erzählabsicht ändert das allerdings wenig bis gar nichts.

Eine Gedankenstütze voller Doubletten und Widersprüche. Na klasse.

Und eine Gedankenstütze wäre immer noch keine Geschichte.

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So langsam kehren frühe Erinnerungen an die ersten Begegnungen mit der Moses-Geschichte zurück. Meine frühe Skepsis galt der Frage, wie sich denn die vielen verschiedenen Tierarten in der Arche vertragen haben, ob die Termiten nicht die Arche anknabbern würden und wie dann alle vom Berg Ararat wieder heruntergekommen sind und den weiten Weg in ihre Heimat gefunden haben. Die viel gravierenderen moralischen und theologischen Fragen, die da offenbar drin stecken, waren mir nicht wichtig. Ich bin halt nicht zum Theologen geboren.

Die Kinder in meinen Schulklassen regen sich bei der Mosegeschichte gewaltig über die toten Pferde im Roten Meer auf.

Die biblische Geschichte lehrt sie, dass Gott ein Pferdemörder ist. Und das ist für die Kinder ein Unding.

Da hilft es auch nicht, wenn ich sage, dass das sowieso nur eine erfundene Geschichte ist. Wenn die erfundene Geschichte Gott als Pferdemörder erzählt, dann ist ihnen auch der erfundene Gott nicht sympathisch.

 

Soll ich ihnen erzählen, dass die Pferde ja sowieso nur verdorbenes Fleisch sind? Wie auch die Häschen? Und die Babys. Ja so ist er nun mal, der Gott. Und er trägt uns auch auf, Hexen nicht am Leben zu lassen. Und gefallene Jungfrauen zu steinigen. Und dass Menschen tatsächlich dem Aufruf Gottes gefolgt sind. Voll die effektive Hinführung zu einem Glauben an diesen Gott. Die Kinder werden begeistert sein. Und die Eltern auch.

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So langsam kehren frühe Erinnerungen an die ersten Begegnungen mit der Moses-Geschichte zurück. Meine frühe Skepsis galt der Frage, wie sich denn die vielen verschiedenen Tierarten in der Arche vertragen haben, ob die Termiten nicht die Arche anknabbern würden und wie dann alle vom Berg Ararat wieder heruntergekommen sind und den weiten Weg in ihre Heimat gefunden haben. Die viel gravierenderen moralischen und theologischen Fragen, die da offenbar drin stecken, waren mir nicht wichtig. Ich bin halt nicht zum Theologen geboren.

Die Kinder in meinen Schulklassen regen sich bei der Mosegeschichte gewaltig über die toten Pferde im Roten Meer auf.

Die biblische Geschichte lehrt sie, dass Gott ein Pferdemörder ist. Und das ist für die Kinder ein Unding.

Da hilft es auch nicht, wenn ich sage, dass das sowieso nur eine erfundene Geschichte ist. Wenn die erfundene Geschichte Gott als Pferdemörder erzählt, dann ist ihnen auch der erfundene Gott nicht sympathisch.

 

Soll ich ihnen erzählen, dass die Pferde ja sowieso nur verdorbenes Fleisch sind? Wie auch die Häschen? Und die Babys. Ja so ist er nun mal, der Gott. Und er trägt uns auch auf, Hexen nicht am Leben zu lassen. Und gefallene Jungfrauen zu steinigen. Und dass Menschen tatsächlich dem Aufruf Gottes gefolgt sind. Voll die effektive Hinführung zu einem Glauben an diesen Gott. Die Kinder werden begeistert sein. Und die Eltern auch.

 

 

Oh, da hab ich mich verschrieben, nicht Moses, Noah sollte es heißen. - Daß den Kindern die Pferde sympathischer sind als die Ägypter ist eigentlich kein gutes Zeichen. Nur bestätigt dein Bericht meine Meinung, daß man bei Kindern das AT halt am besten stecken läßt.

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Du regst Dich hier über einen Text auf, der vor seiner ersten schriftlichen Fixierung mehrere Jahrhunderte mündlicher Tradition hinter sich hatte - insofern könntest Du vielleicht sogar recht haben, daß es sich lediglich um eine Gedankestütze für einen Erzähler gehandelt haben könnte. An der Erzählabsicht ändert das allerdings wenig bis gar nichts.

Eine Gedankenstütze voller Doubletten und Widersprüche. Na klasse.

Und eine Gedankenstütze wäre immer noch keine Geschichte.

Mich würde wirklich mal dein Katechismus interessieren. Also deine persönliche Materialsammlung mit der Du dein Gottesbild weitergeben könntest.

 

(Meine Kinder finden Moses und den Auszug aus Ägypten übrigens gut...)

bearbeitet von Flo77
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Nö, finde ich nicht. Wir führen gerade angesichts solcher Stellen ganz prima Diskussionen.

"Glaubt ihr wirklich, dass Gott so etwas tut?" ist eine Ausgangsfrage, die unheimlich ergiebig ist. Hier äußert sich und prägt sich das Gottesbild der Kinder.

 

Nur muss man eben die Lockerheit haben, verschiedene Meinungen zuzulassen. Die Kinder sind nicht alle gleich. Tendenzmäßig sind pferdebegeisterte Mädchen (meist sind es Mädchen) erst einmal völlig schockiert. Aber es gibt andere, die schon so viele Gewaltfilme gesehen haben, dass sie nach Action um jeden Preis suchen. Das ist dann wie im Film. Und aus solchen Spannungen mit verschiedenen Sichtweisen kann sich wirklich was ergeben.

 

Als Religionslehrer hat man dann die Aufgabe, diese Diskussion zu regeln (immer nur einer spricht!) und Input zu geben. Knackpunkt ist oft: Wenn die Story erfunden ist, dann ist sie trotzdem böse. Und ist dann auch Gott erfunden? Und schließlich: "Woran können wir glauben?". Spätestens hier sind wir im Abgrund der Seele gelandet. Und da kann es dann in einer Klasse auch mal ganz ruhig werden.

 

In meiner Beichtvorbereitung erzähle ich auch eine sehr bewegte Geschichte von einem Mädchen, das furchtbar schuldig wird. Durch ihre Schuld kommt ein Seelöwenbaby ums Leben. Dann kommen viele Querelen, sie haut von zu Hause ab, verirrt sich im Wald und sitzt irgendwann mitten in der Nacht auf einem Hügel aus Reisig, friert, hat Angst und fühlt sich ... als schlecht, minderwertig, inakzeptabel und vor allem: Schlechter im Vergleich zu ALLEN anderen. Dann frage ich die Schüler, ob sie dieses Gefühl kennen. Und dann fangen manche sogar an zu erzählen. Wie schlimm das Gefühl ist, schuldig zu sein. Nicht nur, sich ertappt zu wissen, sondern ... schlecht zu sein. Viel schlechter, als andere. Und dass man manches nicht mehr rückgängig machen kann.

 

Dann komme ich auf den verlorenen Sohn. Und die Kinder empfinden mit ihm. Die selben Vorwürfe, die sie sich selbst machen, machen sie natürlich (wie sein älterer Bruder) ihm auch. Aber das ist nur ein Zwischenspiel. Diese Hilflosigkeit, diese Angewiesenheit auf ein Entgegenkommen - das kennen die Kinder. Und die biblische Geschichte setzt da Abgründe ihrer eigenen Seele frei und hilft ihnen, sich an Gott zu wenden und zu hoffen, dass er wirklich wie der barmherzige Vater ist. Und von dort ausgehend brauche ich kaum noch viel zu sagen, um Beichte einsichtig zu machen. Dieses Ausleeren des eigenen Mistkübels. Und dieses Annehmen lassen in einer Absolution.

 

Bei alledem betreibe ich normalerweise keine korrekte Exegese. Das, was wirkt, sind die Rosinen. Sie stellen - fernab vom korrekten Textverständnis eines Bibeltextes - den wahren Schatz der Bibel dar.

 

Deshalb ist mir diese Unterscheidung auch so wichtig.

Wenn ich Exegese betreibe, dann betreibe ich Exegese. Und da lasse ich nicht locker, bis der Text erfasst und verstanden und eingeordnet ist. Dies ist schlicht eine Frage der Redlichkeit. Einen Text mit bösem Gottesbild kann ich nicht als gute Geschichte bezeichnen. Das würde dem Text nicht gerecht.

 

Wenn ich aber Menschen im Glauben fördern möchte, dann ist mir die Korrektheit des Menschentextes reichlich egal. Dann arbeite ich zumeist eisegetisch - manchmal sogar exzessiv, indem ich in biblische Geschichten Dinge einfüge, die im Originaltext gar nicht enthalten sind. Das ist dann noch textentfremdeter, als gewöhnliche Eisegese. Und dennoch: Hier liegt der Reichtum. Hier liegt der Ariadnefaden, der zum Glauben führen kann.

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Mich würde wirklich mal dein Katechismus interessieren. Also deine persönliche Materialsammlung mit der Du dein Gottesbild weitergeben könntest.

(Meine Kinder finden Moses und den Auszug aus Ägypten übrigens gut...)

Da gibt es keinen Textbestand. Meine Materialsammlung besteht eher in meinem Glauben. Ich erzähle anderen (im Unterricht, in der Predigt) von meiner Suche nach Gott, den ganzen Hürden, von dem, was mir dabei hilft. Und das kommt jedes Mal anders.

 

Ich spiele gerne und gut Gitarre. Und ich habe einige Lieder auch selbst geschrieben. Da kommt was rüber - nicht, weil die Lieder in sich so gut sind, sondern, weil ich ganz in einem solchen Lied lebe.

Oder meine Geschichten. Viele biblische - manchmal auch selbstgeschriebene. Und meine Art, die Kinder dann in eine Diskussion zu verwickeln. Da kommt was rüber.

 

Die kurzen Dinge sind manchmal die besten. Allerdings haben bei mir auch die kurzen Scherze manchmal epische Ausmaße.

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