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Dezentralisierung und Subsidiarität in der Kirche


Udalricus

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Sicherlich recht hat Udal, wenn er von einer Angleichung der materiellen Lebensumstände bei ähnlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit spricht und mit Sicherheit auch, wenn es um Fragen der politischen Organisation geht.

 

Das, was ein kulturelles Umfeld ausmacht, sprich die ungeschriebenen Do & Don'ts, der Humor, etc. dürfte in der Tat ein nationales wenn nicht sogar regionales Phänomen bleiben. Da reicht in NRW schon eine Fahrt von Pulheim nach Soest um in eine andere Welt einzutauchen (obwohl beide Regionen katholisch geprägt sind). Insofern ist die Inkulturation meiner Meinung nach die notwendige Voraussetzung um die Kirche in einer - eng begrenzten - Region tatsächlich zu verheimaten indem sie sich durch Mentalität und Sprache (womit dann auch gleich Philosophie und Ethik gemeint sind) spiegeln lässt und wiederhallt.

 

Für mich ist das auch eine Frage der persönlichen Identität und wirft natürlich die Frage auf, wie man in einer "mobilen" Welt mit der Mischung der "Kulturen" umgeht.

 

Mir geht es nicht nur um wirtschaftlich-materielle Angleichung, sondern um die Globalisierung von Moden und Gewohnheiten.

 

Wenn heute jemand eine neue Erfindung macht oder eine originelle Idee hat, dann schwirrt diese in wenigen Momenten über Google, YouTube etc. über die ganze Welt, ganz gleich, ob es um Selfies, Musikvideos, Kleidungsstile und Rezepte geht.

 

Der Gangnam-Style bleibt nicht auf Südkorea beschränkt, sondern erobert die Welt

 

Es gibt heute nichts Neues mehr, das auf einen bestimmten Kulturraum beschränkt bleibt. In den Städten kann man weltweit auf jede Art Essen gehen: Italienisch, Griechisch, Chinesisch, Amerikanisch etc.

 

Immer mehr Ereignisse sportlicher, politischer oder kultureller Art beschäftigen medial mindestens die halbe Welt.

 

Demnächst wird der ESC wieder die Welt zusammenführen, bald darauf die Fußballweltmeisterschaft. Die Welt wird zum globalen Dorf. Regionale Eigenheiten gehen unter. Oder möchte jemand behaupten, Chonchita Wurst sei ein(e) typische® Vertreter(in) Österreichs?

 

Man mag das beklagen oder bestaunen, auf jeden Fall muss die Kirche in diesem globalen Dorf eine für alle wahrnehmbare Stimme sein.

 

Das hat man im Vatikan seit langem viel mehr verstanden als in vielen kleinkarierten Ortskirchen.

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Ich halte Deine Einschätzung für nicht ganz korrekt.

 

Die "Moden" sind meiner Meinung nach direkter Ausdruck der materiellen Angleichung, aber sie drücken keine Mentalität aus, keinen Wertebegriff, keine eindeutige Ethik oder etwas ähnliches.

 

Auf die Form der Beziehungen, die Sicht auf die Gesellschaft, etc. haben diese Angleichungen nur bedingt Einfluss. Auch Youtube wird nichts am Schützenfest ändern, an der Trinkkultur oder an den Bekleidungsnormen im Alltag.

 

Es mag sich ein "internationaler Code" herausbilden, der es Geschäftspartnern, Politikern, etc. ermöglicht sich jenseits ihrer Regionalidentität sicher zu bewegen (sich nicht daneben benehmen zu können), aber ich glaube nicht, daß dieser Code die regionalen dauerhaft ersetzen kann.

 

Und die Kirche begeht meiner Meinung nach Seppukku, wenn sie meint mit ihrem International Style in die Gemeinden hineinregieren zu können.

 

Du hast die verschiedenen Küchen erwähnt. Nun finden sich in meinen Menus etliche Elemente, die aus fremden Küchen stammen. Pasta, Pizza, Chilli, Curry, während manche wirklich einheimische Gerichte bei uns kaum noch oder gar nicht mehr gegessen werden (Bookwietenjanhinnerk aka Buchweizenpfannkuchen, bestimmte Fleischgerichte). Auf der anderen Seite ist bei vielen Gerichten der regionale Bezug überhaupt nicht mehr präsent (Wolfsbarsch, Alaskaseelachs) oder die Art der Zubereitung ließe jemandem, der in der entsprechenden Region verwurzelt ist, die Haare zu Berge stehen (mein Flammkueche oder meine Quiche Lorraine haben mit den Originalen der Elsässer wohl nur sehr wenig gemeinsam).

 

Nebenbei hast Du die These von Chryso, daß es für die Kirche wichtigeres gibt, als die Frage ob ein Mädchen unbedingt jungfräulich in eine von einem zölibatären Priester rekogniszierten Ehe in der dann nicht verhütet wird gehen muss, geflissentlich ignoriert.

 

Man wird immer wieder erleben, daß bestimmte Dinge aus anderen Regionen übernommen wird, aber es dürfte kaum möglich sein, solche Übernahmen von oben zu verordnen.

bearbeitet von Flo77
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Wir erleben doch den Gegenbeweis zu Udalricus These immer wieder....

Warum tun sich den afrikanische Priester die im besten Willen zu uns geschickt werden so schwer und warum klappt es so oft auch mit polnischen Priestern nicht? Weil auf Grund der so unterschiedlichen kulturellen Prägungen die Mentalitätsunterschiede offenbar kaum überbrückbar sind.

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Wir erleben doch den Gegenbeweis zu Udalricus These immer wieder....

Warum tun sich den afrikanische Priester die im besten Willen zu uns geschickt werden so schwer und warum klappt es so oft auch mit polnischen Priestern nicht? Weil auf Grund der so unterschiedlichen kulturellen Prägungen die Mentalitätsunterschiede offenbar kaum überbrückbar sind.

 

Gut, das kann ich - leider - bestätigen.

 

Es ist allerdings kein Gegenbeweis meiner Ausführungen, sondern eine Relativierung.

 

Auch wenn ich das rekapituliere, was Flo geschrieben hat, muss ich - sozusagen als Synthese nach meiner These und eurer Antithese - eingestehen, dass manche menschliche Aspekte sich mehr und schneller globalisieren als andere.

 

Zu den Dingen, die sich eher nicht so schnell globalisieren, gehört definitiv das, was man schlechthin "Mentalität" nennt. Ein Afrikaner wird wohl auch in Jahrzehnten noch mehr Probleme mit der Pünktlichkeit haben als ein Deutscher. Und Osteuropäer werden noch lange nicht so reinlich und auf Etikette bedacht sein wie Österreicher. ;)

 

Das muss die Kirche natürlich in ihrer Pastoral und in der Ausbildung der Priester berücksichtigen.

 

Aber ist das schon das, was so hochtrabend "Inkulturation" genannt wird?

 

Ich finde, die grundlegende "Inkulturation", die heute nötig ist, ist der geschulte Umgang mit der heutigen Medienwelt.

 

Ohne Präsenz der Kirche auf YouTube, Wikipedia oder Facebook wird sie schweren Schaden leiden.

bearbeitet von Udalricus
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Hoch interessant! Vielen Dank für den Link!
Wobei ich eher davon ausgehe, daß es auch zwischen Hirse-, Weizen-, Roggen- und Hafer-Gesellschaften ebensolche Unterschiede gibt. Daß das Nahrungsangebot die Gesellschaftsform beeinflusst finde ich angesichts der offensichtlichen Varianten unter Ackerbau-, Hirten- und Wildbeutergesellschaften nicht weiter verwunderlich.
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Wobei ich eher davon ausgehe, daß es auch zwischen Hirse-, Weizen-, Roggen- und Hafer-Gesellschaften ebensolche Unterschiede gibt. Daß das Nahrungsangebot die Gesellschaftsform beeinflusst finde ich angesichts der offensichtlichen Varianten unter Ackerbau-, Hirten- und Wildbeutergesellschaften nicht weiter verwunderlich.

Und selbst innerhalb dieser Gesellschaften kommen ja auch noch Organisationsformen und Machtgefälle hinzu, nimm die selbständigen Bauern in Nord-, West- und Süddeutschland gegenüber den ostelbischen Junkern mit ihren abhängigen oder sogar leibeigenen Bauern.

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Das hier Geschilderte riecht doch ziemlich nach unkoordiniertem Chaos.

 

nu ja - erst braucht es mal das Chaos (tohu w' bohu), damit etwas geschaffen werden kann.

 

nimm doch einfach mal eine Bibel zur Hand (hast Du eine?), schlage auf, erste Textseite, ganz links oben (solltest Du in der hebräischen Bibel lesen, gilt die Anweisung natürlich andersrum).

bearbeitet von Petrus
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Das muss die Kirche natürlich in ihrer Pastoral und in der Ausbildung der Priester berücksichtigen.
Sorry, aber ich halte es für ein Ding der Unmöglichkeit diesen Unterschieden zentralisiert Rechnung zu tragen. Weder macht es meiner Meinung nach Sinn, daß ein Seminarist in Kenia in deutscher Mentalität unterrichtet wird, noch wird es effektiv sein, in Rom Pastorale Handreichungen zu drucken, die sowohl in einer Mexikanischen Landgemeinde wie in einer Essener Innenstadtgemeinde zum Einsatz kommen sollen.

 

Genau das sind die Dinge, die lokal geregelt werden sollen.

 

Ich finde, die grundlegende "Inkulturation", die heute nötig ist, ist der geschulte Umgang mit der heutigen Medienwelt.

 

Ohne Präsenz der Kirche auf YouTube, Wikipedia oder Facebook wird sie schweren Schaden leiden.

Es gibt bei Youtube eine Reihe von Greg Willits, die sich "That Catholic Show" nennt. Die Idee dahinter finde ich wunderbar - in der Ausführung ist allerdings mehr als offensichtlich, daß diese Videos nicht für unsere Ortskirchen gemacht wurden, sondern in Sprache, Schwerpunkten, Ausführung ein anderes Publikum im Blick haben. Auch die Präsenz der Kirche im Internet muss zielgruppenorientiert gestaltet sein. Im Prinzip ist man damit schon fast wieder bei Sinus-Milieu-Studie. Wenn Kirche viele verschiedene Gruppen, "Kulturen", etc. erreichen will, ist nicht nur die Präsenz in den Medien überhaupt notwendig, sondern es ist unabdingbar in einem Medium auch zielgruppenorientiert zu texten und die passenden Medien anzubieten.

 

Es nützt meiner Meinung nach kaum etwas, wenn der Papst zwar twittert, seine Follower sich aber auf Linzer Waldbauern beschränken, weil weder Stil noch Aussage jemand anderen interessieren.

bearbeitet von Flo77
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Ein um Inkulturation bemühter Priester, der in Afrika mit einem Medizininmann-Köstum als Messgewand auftritt, würde sich dort mittlerweile genau so lächerlich machen, wie ein Bayern-Missionar, der in München beim Zelebrieren ein Lederhosen-Messgewand tragen würde.

 

Das ist nur billige Effekthascherei.

 

meine ich auch.

 

In der real existierenden Kirche ist es eher "umgekehrt".

 

Ein Priester, der lange Jahre Missionar in Afrika gewesen war, hat einmal geklagt: "ich wäre ja schon froh gewesen, wenn die nicht während des Wortgottesdienstes die Opfertiere geschlachtet hätten."

 

Für die Menschen vor Ort war das halt ihre Art und Weise, den Glauben für sich zu artikulieren und inkulturieren. "actuoasa participatio".

bearbeitet von Petrus
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