phyllis Geschrieben 6. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 6. Juli 2014 (bearbeitet) Ob er Christ ist, ist dabei eigentlich nicht so wichtig. Hauptsache Jesus ist Antisemit.der wahrscheinlich nicht. aber seine biographen. auch franzl betreibt hier rasenmäher-exegese. die hetze gegen die juden beginnt eigentlich schon bei der unterstellung von kindesmorden an den jüdischen statthalter-könig herodes. und wieviele nicht-jüdische touristen waren am passatfest wohl in jerusalem und interessierten sich für eine gerichtsverhandlung gegen irgend einen wanderprediger? ich denke, die anti-jüdische stimmung war von den evangelisten gewollt. die kirche mag zu einem grossen teil verantwortlich sein für die verbrechen gegenüber den juden im mittelalter. aber es ist einfach lächerlich das linear ins 20JH und in die gegenwart weiterzuziehen. theologische tunnelblicke, und der tunnel ist 2cm breit, 1cm hoch und 500km lang. jesus war vermutlich einfach blauäugig und hatte null ahnung wie seine fabeln mal der nachwelt weitergegeben würden. er mag den juden falschheit, scheinheiligkeit und ähnliches vorgehalten haben, wie es heute jedem deutschen freigestellt ist, deutsche tugenden wie fleiss und pünktlichkeit zu kritisieren. das macht noch keinen zum anti-semiten oder anti-deutschen. Eine Meisterleistung von "Hofrat Schönfärber" ....da merkt man die Wiener Großmutter.Anti-Wienerismus?Nicht grundsätzlich, aber das erinnert schon stark an den Herrn Karl Wahrscheinlich wars auch nur eine böhmische Köchin.es wird mir jedesmal bewusst wenn ich meine iranische freundin sehe (wie gestern) wie schnell weltpolitische ereignisse das leben von zumindest einer (im iran mittlerweilen 3) generationen gründlich versauen können. es gab und gibt leute die zu einer dummen zeit geboren wurden und durch umstürze, revolutionen, verfolgung, weltkriege und dgl. gehen mussten und dabei noch für ihre familien und angehörigen zu sorgen hatten. es ist leicht, sie vom warmgeheizten stubensofa aus abzuqualifizieren. ich kenne nix spiessigeres und nix platteres als linkes theater. bearbeitet 6. Juli 2014 von phyllis Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 7. Juli 2014 Autor Melden Share Geschrieben 7. Juli 2014 Ich möchte mich ab heute damit beschäftigen, was man Juden für Untaten vorgeworfen hat und historisch Fälle dazu schildern. Dabei werde ich die Chronologie durchbrechen und die Fallgruppen durch die Jahrhunderte schildern. Die hauptsächlichen Vorwürfe waren a. Ritualmorde b. Hostienfrevel c. Brunnenvergiftung Die die Ritualmordvorwürfe die ältesten waren – sie begannen etwa im 11. Jh. - möchte ich mit diesen anfangen: Die erste nachantike Beschuldigung findet in Norwich 1144 statt. Was geschildert wird ist eine „Kreuzigungsimitation“ In Fulda 1235 kommt die Blutbeschuldigung dazu. Nach dem 4. Laterankonzil (1213 einberufen und von 11.– 30. November 1215 abgehalten) und dessen Dogmatisierung der Transsubstantiationslehre kam die Beschuldigung dazu den ermordeten meist Kindern Blut abgezapft zu haben. Schauplätze solcher Ritualmordlegenden waren England, Frankreich, Spanien, Rhein, Main, Bodensee, Alpenraum, ab 16. Jahrhundert Polen, ab dem 19. Jahrhundert in die Levante Das Grundmuster dieser Legenden läuft wie folgt ab: Das Opfer wird um die Osterzeit gekauft oder entführt. Man unterwirft es der Marter und Kreuzigung quasi als Passionswiederholung. Der Leichnam wird versteckt , aber Wunder machen Obrigkeit und Volk aufmerksam. Der Leichnam wird in die Kirche überführt und so entsteht ein Wallfahrtsort. „Täter“ werden gefoltert, bestraft und hingerichtet. Die Blut-Magie- und Verschwörungslegende bewirken, dass nicht ein einzelner Schuldiger gesucht wird, sondern die Schuld der Gesamtheit der Juden zugemessen wird, ein solcher Vorgang kam auch den ökonomische Interessen entgegen, weil er Vermögenseinzug und Gelderpressung mit sich brachte. Wir werden später besonders bei Hostienfreveln sehen, dass solche häufig dort auftraten, wo der Landesherr bei Juden stark verschuldet war. Der Anfang und Ursprung all dieser Geschichten ist diejenige des William von Norwich, die sich 1144 ereignet haben soll. William soll 1132 geboren sein. Am Karsamstag den 25. März 1144 wurde in Thorpe Wood nahe Norwich der Körper eines Jungen gefunden, der Zeichen für einen gewaltsamen Tod aufgewiesen hat. Er wurde bis Ostermontag nicht angerührt und wurde dann ohne jede Zeremonie dort beerdigt wo er gelegen ist. In der Zwischenzeit hatten viel junge Männer den Ort besichtigt und die Juden wurden des Mordes verdächtigt und zwar auf Grund der Wunden. Der Körper wurde als der des William erkannt eines Gerberlehrlings, welcher aus Berufsgründen gemeinsam mit seinem Meister öfter die Häuser von Juden besucht hatte. Das Grab wurde durch seinen Onkel den Priester Godwin Stuart geöffnet und der Körper identifiziert, Es wurden die offiziellen Begräbnisriten vollzogen und das Grab wieder zugeschaufelt. Wenige Tage später trat einen Diözesansynode unter dem Vorsitz des Bischofs Eboard zusammen und der Onkel Stuart beschuldigte die Juden des Mordes und erbot sich seine Anschuldigung durch ein Gottesurteil zu erhärten. Aber die Juden, die im Judenviertel von Norwich lebten unterstanden dem König und standen unter dem Schutz des Sheriffs, der klar machte, dass der Bischof in dieser Angelegenheit keine Jurisdiktion habe. Dass der Versuch einer Anklage gegen die Juden fehlgeschlagen ist, scheint hauptsächlich dem Handeln dieses starken Amtsinhabers zu verdanken zu sein. Der einzige Erfolg des Handelns des Onkels war die Überführung des Leichnams von Thorpe Wood auf den Friedhof der Mönche am 24. April. Aber die Verehrung des hl. William wurde nicht populär und obwohl in den Jahren 1144 -1149 ein oder zwei Wunder berichtet wurden, ist es durchaus möglich dass die Geschichte des Mordes durch die Juden in Vergessenheit geraten wäre, wenn nicht der Jude Eleazar 1149 durch einen Gefolgsmann von Sir Simon von Novers ermordet worden wäre. Die Juden forderten die Bestrafung des Mörder aber der nunmehrige Bischof Turbe der sich für den Beschuldigten einsetzte, weil dieser einer seiner Pächter war, brachte den Mord an dem Jungen der sich 5 Jahre vorher ereignet hatte als Gegenklage ein. Der Fall wurde vor den König gebracht aber dort niemals endgültig behandelt weil nach Meinung des Thomas von Monmouth die Juden erhebliche Summen an den König und dessen Berater bezahlt hätten. Für die gesamte Geschichte des William von Norwich ist unser einziger Gewährsmann Thomas von Monmouth, ein Mönch des Kathedralpriorats von Norwich. Er hat die ganze Geschichte auf Grund von Gerüchten aufgezeichnet. Er scheint von unendlicher Leichtgläubigkeit gewesen zu sein und scheint eher selbst ein Betrogener als ein Betrüger gewesen zu sein. Die wichtigste Evidenz solchen Betruges und die unheilvollste in ihren Folgen kommt von Theobald einem konvertierten Juden und möglicherweise Mönch im Priorat Norwich. Dieser Mann erzählte Thomas dass „in den alten Büchern seiner Väter geschrieben stehe, dass die Juden ohne menschliches Blutlopfer weder ihre Freiheit erlangen könnten und auch niemals in ihr Vaterland zurückkehren könnten. Aus diesem Grund war in uralten Zeiten festgelegt worden, dass sie jedes Jahr in irgendeinem Teil der Welt einen Christen opfern mussten und dass 1144 das Los die Juden von Norwich getroffen hätte." Dies ist zu Recht als eine der Lügen mit den schlimmsten Folgen in der Geschichte genannt worden. Die Aufzeichnungen des Thomas von Monmouth sind die Grundlage aller Blut- und Ritualmordanschuldigungen gegen Juden. Sie hat Folgewirkungen gehabt und populäre Glaubwürdigkeit erlangt und zwar bis heute. In der "Jewish Encyclopedia", III, 266, findet man eine Liste von Ritualmordfällen beginnend mit William von Norwich. Es hat im 12. Jh. 5 andere Fälle gegeben, 15 Fälle im 13. Jh., 10 im 14. Jh., 16 im 15 Jh., 13 im 16. Jh., 8 im 17. Jh., 15 im 18 Jh., und 39. im 19. Jh. und zwar bis herauf zum Jahr 1900. Es gibt in Osteuropa noch jüngere Fälle. Im Zusammenhang mit Simon von Trient und Anderl von Rinn werden wir sehen, dass die Ritualmordanschuldigungen bis in due Gegenwart Verteidiger finden. 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
kam Geschrieben 7. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 7. Juli 2014 Für die gesamte Geschichte des William von Norwich ist unser einziger Gewährsmann Thomas von Monmouth, ein Mönch des Kathedralpriorats von Norwich. Er hat die ganze Geschichte auf Grund von Gerüchten aufgezeichnet. Er scheint von unendlicher Leichtgläubigkeit gewesen zu sein und scheint eher selbst ein Betrogener als ein Betrüger gewesen zu sein. Die wichtigste Evidenz solchen Betruges und die unheilvollste in ihren Folgen kommt von Theobald einem konvertierten Juden und möglicherweise Mönch im Priorat Norwich. Dieser Mann erzählte Thomas dass „in den alten Büchern seiner Väter geschrieben stehe, dass die Juden ohne menschliches Blutlopfer weder ihre Freiheit erlangen könnten und auch niemals in ihr Vaterland zurückkehren könnten. Aus diesem Grund war in uralten Zeiten festgelegt worden, dass sie jedes Jahr in irgendeinem Teil der Welt einen Christen opfern mussten und dass 1144 das Los die Juden von Norwich getroffen hätte." Dies ist zu Recht als eine der Lügen mit den schlimmsten Folgen in der Geschichte genannt worden. Die Aufzeichnungen des Thomas von Monmouth sind die Grundlage aller Blut- und Ritualmordanschuldigungen gegen Juden. Hat Adrian Kembter eigentlich dieses Beispiel zitiert? Das wäre interessant, weil das einzig verbliebene Manuskript der englischen Geschichte ja bis 1890 verschollen war. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 7. Juli 2014 Autor Melden Share Geschrieben 7. Juli 2014 Für die gesamte Geschichte des William von Norwich ist unser einziger Gewährsmann Thomas von Monmouth, ein Mönch des Kathedralpriorats von Norwich. Er hat die ganze Geschichte auf Grund von Gerüchten aufgezeichnet. Er scheint von unendlicher Leichtgläubigkeit gewesen zu sein und scheint eher selbst ein Betrogener als ein Betrüger gewesen zu sein. Die wichtigste Evidenz solchen Betruges und die unheilvollste in ihren Folgen kommt von Theobald einem konvertierten Juden und möglicherweise Mönch im Priorat Norwich. Dieser Mann erzählte Thomas dass „in den alten Büchern seiner Väter geschrieben stehe, dass die Juden ohne menschliches Blutlopfer weder ihre Freiheit erlangen könnten und auch niemals in ihr Vaterland zurückkehren könnten. Aus diesem Grund war in uralten Zeiten festgelegt worden, dass sie jedes Jahr in irgendeinem Teil der Welt einen Christen opfern mussten und dass 1144 das Los die Juden von Norwich getroffen hätte." Dies ist zu Recht als eine der Lügen mit den schlimmsten Folgen in der Geschichte genannt worden. Die Aufzeichnungen des Thomas von Monmouth sind die Grundlage aller Blut- und Ritualmordanschuldigungen gegen Juden. Hat Adrian Kembter eigentlich dieses Beispiel zitiert? Das wäre interessant, weil das einzig verbliebene Manuskript der englischen Geschichte ja bis 1890 verschollen war. Das weiß ich nicht. Ich kann folgende relevante Literatur anbieten: Friedrich Lotter: Innocens virgo et martyr. Thomas von Monmouth und die Verbreitung der Ritualmordlegende im Hochmittelalter, in: Erb, Rainer (Hrsg.): Die Legende vom Ritualmord. Zur Geschichte der Blutbeschuldigung gegen Juden, Berlin 1993, S. 25–72. Stefan Rohrbacher, Michael Schmidt, Judenbilder, Hamburg: Reinbek 1991, S. 18. THOMAS OF MONMOUTH, Life and Miracles of St. William of Norwich, ed. JESSOP and JAMES (Cambridge, 1896); Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Marcellinus Geschrieben 7. Juli 2014 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 7. Juli 2014 der wahrscheinlich nicht. aber seine biographen. auch franzl betreibt hier rasenmäher-exegese. die hetze gegen die juden beginnt eigentlich schon bei der unterstellung von kindesmorden an den jüdischen statthalter-könig herodes. und wieviele nicht-jüdische touristen waren am passatfest wohl in jerusalem und interessierten sich für eine gerichtsverhandlung gegen irgend einen wanderprediger? ich denke, die anti-jüdische stimmung war von den evangelisten gewollt. die kirche mag zu einem grossen teil verantwortlich sein für die verbrechen gegenüber den juden im mittelalter. aber es ist einfach lächerlich das linear ins 20JH und in die gegenwart weiterzuziehen. theologische tunnelblicke, und der tunnel ist 2cm breit, 1cm hoch und 500km lang. jesus war vermutlich einfach blauäugig und hatte null ahnung wie seine fabeln mal der nachwelt weitergegeben würden. er mag den juden falschheit, scheinheiligkeit und ähnliches vorgehalten haben, wie es heute jedem deutschen freigestellt ist, deutsche tugenden wie fleiss und pünktlichkeit zu kritisieren. das macht noch keinen zum anti-semiten oder anti-deutschen. Ist es denn so schwer, sich das Ganze als einen historischen Prozeß vorzustellen. Das Christentum hat begonnen als Sekte innerhalb des Judentums. Damit war es weder die erste noch die letzte. Sie entstand entlang der Messias-Erwartung der Juden, und wenn alle auf jemanden warten, ist klar, daß irgendwann einige behaupten, er sei da oder da gewesen. Die Mehrzahl der Juden hat dieser Idee nicht folgen wollen, hat sie vermutlich sogar für Gotteslästerung gehalten, während die Christen (wie man sie später genannt hat) ihrerseits die übrigen Juden für uneinsichtig und verstockt gehalten haben. Der Bruch zwischen beiden war unvermeidlich, und er war nicht von guten Gefühlen begleitet. Als die Christen dann noch begannen, Nichtjuden aufzunehmen, und mit einem "Judentum light" in direkte Konkurrenz zu den Missionsbemühungen der jüdischen Gemeinden im Römischen Reich traten, war das Tischtuch zerschnitten. Die Christen ihrerseits interpretierten die Zerstörung des Tempels als ein Zeichen für den Niedergang des Judentums, eine Art Gottesurteil zum Ende des Alten Bundes. Wir haben also zwei Gruppen, die aus einer hervorgegangen sind, und die beide, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, an Abgrenzung interessiert waren, die Juden, weil Jesus in ihren Augen nicht der Messias gewesen sein konnte, weil er nicht die Befreiung ihres Volkes gebracht hatte, die Christen, weil ihr Glaube an die alleinige Erlösung durch Christus voraussetzte, daß die Juden im Irrtum waren. Zwei "Wahrheiten" auf der Grundlage einer Schrift gehen eben nicht, sonst hätte man ja Jude bleiben können, und die nicht-christlichen Juden wären im Recht gewesen. So war es existenziell für das entstehende Christentum, sich streitig vom Judentum abzusetzen, gerade weil es aus ihn entstanden war. Alles, was danach passiert ist, war nur noch die Folge, und die einzige Frage, die noch bleibt, ist die, warum die siegreiche Kirche das Judentum als Religion nicht beseitigt hat wie alle anderen Religionen auch. Denn daß sie es gekonnt hätten, steht außer Frage. War es Sentimentalität gegenüber den "älteren Brüdern" oder der Wunsch, sie als Gegenbild zum Christentum, als das Volk der "Gottesmörder", gewissermaßen zur Abschreckung zu erhalten. Äußerungen letzterer Art gibt es von christlicher Seite. Wie auch immer, eins steht fest: Während alle anderen Religionen vollständig vernichtet wurden, kein Priester am Leben gelassen, kein Tempel unzerstört oder ungeschändet, haben die Juden zwar immer wieder Verfolgungen zu erleiden gehabt, sind aber als Religionsgemeinschaft nie ausgeschlöscht worden. Es ist richtig, alle Bestandteile des Antisemitismus der Neuzeit finden wir in Ansätzen auch schon im Christentum, einschließlich des Rassismus. Schon die Idee eines "Volkes von Gottesmördern" funktioniert nicht, ohne daß man diesen Vorwurf für vererblich hält. Nur haben die Christen zwar immer darüber geredet, ihre Rhetorik aber nie in letzter Konsequenz in die Tat umgesetzt, ganz im Gegensatz zu den Nazis, die sogar einige Anstrengungen unternahmen, ihren Plan zur Ausrottung der Juden geheimzuhalten. Sie wollten eben nicht hauptsächlich darüber reden, sie wollten es tun. Das bleibt für mich der grundsätzliche Unterschied zwischen christlichem Antijudaismus und Antisemitismus und der Judenvernichtung der Nazis. Ersteres ist sicher eine der Grundlagen, letzteres aber nicht die notwendige Folge. 5 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
MartinO Geschrieben 7. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 7. Juli 2014 Ist es denn so schwer, sich das Ganze als einen historischen Prozeß vorzustellen. Das Christentum hat begonnen als Sekte innerhalb des Judentums. Damit war es weder die erste noch die letzte. Sie entstand entlang der Messias-Erwartung der Juden, und wenn alle auf jemanden warten, ist klar, daß irgendwann einige behaupten, er sei da oder da gewesen. Die Mehrzahl der Juden hat dieser Idee nicht folgen wollen, hat sie vermutlich sogar für Gotteslästerung gehalten, während die Christen (wie man sie später genannt hat) ihrerseits die übrigen Juden für uneinsichtig und verstockt gehalten haben. Der Bruch zwischen beiden war unvermeidlich, und er war nicht von guten Gefühlen begleitet. Als die Christen dann noch begannen, Nichtjuden aufzunehmen, und mit einem "Judentum light" in direkte Konkurrenz zu den Missionsbemühungen der jüdischen Gemeinden im Römischen Reich traten, war das Tischtuch zerschnitten. Die Christen ihrerseits interpretierten die Zerstörung des Tempels als ein Zeichen für den Niedergang des Judentums, eine Art Gottesurteil zum Ende des Alten Bundes. Im Großen und Ganzen stimme ich dir zu; "Missionsbemühungen" der Juden gab es allerdings eher wenige: Das Judentum ist zwar monotheistisch, versteht sich allerdings (ähnlich wie die klassischen heidnischen Religionen der Antike es taten) als Volksreligion, d.h. die Juden hatten kein Interesse daran, Griechen, Römer oder Syrer aufzunehmen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 7. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 7. Juli 2014 Im Großen und Ganzen stimme ich dir zu; "Missionsbemühungen" der Juden gab es allerdings eher wenige: Das Judentum ist zwar monotheistisch, versteht sich allerdings (ähnlich wie die klassischen heidnischen Religionen der Antike es taten) als Volksreligion, d.h. die Juden hatten kein Interesse daran, Griechen, Römer oder Syrer aufzunehmen. Das stimmt so für die Antike offenbar nicht. Die Juden haben zwar nicht aktiv missioniert, aber es gab offenbar durchaus Übertritte zum Judentum und damit ein Wachstum der Gemeinden. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 7. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 7. Juli 2014 Im Großen und Ganzen stimme ich dir zu; "Missionsbemühungen" der Juden gab es allerdings eher wenige: Das Judentum ist zwar monotheistisch, versteht sich allerdings (ähnlich wie die klassischen heidnischen Religionen der Antike es taten) als Volksreligion, d.h. die Juden hatten kein Interesse daran, Griechen, Römer oder Syrer aufzunehmen. Das stimmt so für die Antike offenbar nicht. Die Juden haben zwar nicht aktiv missioniert, aber es gab offenbar durchaus Übertritte zum Judentum und damit ein Wachstum der Gemeinden. Ich meine, dass es in der Antike auch aktive jüdische Mission gab. Der paulinische Verzicht auf Speisegebote und Beschneidung erwies sich in diesem Klima als durchaus erfolgreich. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 7. Juli 2014 Autor Melden Share Geschrieben 7. Juli 2014 (bearbeitet) .....und die einzige Frage, die noch bleibt, ist die, warum die siegreiche Kirche das Judentum als Religion nicht beseitigt hat wie alle anderen Religionen auch. Denn daß sie es gekonnt hätten, steht außer Frage. War es Sentimentalität gegenüber den "älteren Brüdern" oder der Wunsch, sie als Gegenbild zum Christentum, als das Volk der "Gottesmörder", gewissermaßen zur Abschreckung zu erhalten. Äußerungen letzterer Art gibt es von christlicher Seite. Die Lektüre der Kirchenväter hilft: Die Tatsache der Zerstreuung der Juden sollte also den Verlust ihrer göttlichen Erwählung und Lebensverheißung beweisen. In dieser Rolle hielt die Kirche das Judentum fortan als Demonstrationsobjekt ihrer Überlegenheit fest. Dass das Judentum dennoch weiter existierte, erklärte Augustinus in De Civitate Dei (420) so: „Die Juden sind Zeugen ihrer Bosheit und unserer Wahrheit.“ Erst bei der Parusie Jesu Christi würden sie sich bekehren; bis dahin seien sie für Gottes Heilsplan notwendig. Sie dienten unfreiwillig dessen Durchsetzung, indem sie mit ihrer Bibel die Weissagungen auf Christus verbreiteten und so der christlichen Völkermission den Weg ebneten. Darum müssten christliche Herrscher sie schützen. Diese Haltung bestimmte den Umgang mit jüdischen Minderheiten unter christlicher Herrschaft: Die Juden wurden in untergeordneter Stellung gehalten, um an ihnen die Überlegenheit des Christentums demonstrieren zu können. bearbeitet 7. Juli 2014 von Der Geist Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 9. Juli 2014 Autor Melden Share Geschrieben 9. Juli 2014 (bearbeitet) Wie ich schon im letzten Beitrag gezeigt habe, hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine nicht geringe Zahl von Ritualmordlegenden entwickelt. Hier nur einige Beispiele herausgreifen, in denen die angeblichen Opfer als Heilige und Selige anerkannt und verehrt wurden: • Wilhelm von Norwich - Gedenktag am 25. März • Richard von Pontoise (von Paris) - Gedenktag am 24. März † 1179 • Robert von St. Edmundsbury - Gedenktag am 25. März † 1188, begraben in der Kirche von Edmundsbury - heute Bury St Edmunds • Herbert of Huntingdon † 1180 • Dominikus von Val (Dominic / Dominguito del Val) - Gedenktag am 31. August † 1250, • Kleiner Hugo von Lincoln - Gedenktag am 27. Juli • Werner von Oberwesel - Gedenktag am 19. April † 1271 • Rudolf von Bern † 1294 • Konrad von Weißensee † 1303 • Ludwig von Ravensburg (Ludwig von Bruck) - Gedenktag am 30. April ermordet Ostern 1429 • Andreas (Anderl) von Rinn - Gedenktag am 12. Juli † 1462 • Simon von Trient - Gedenktag am 24. März † 1475 • Lorenzino Sossio (Laurentinus Sossius) - Gedenktag am 15. April † in der Karwoche 1485 • Albert aus Swinarzewo bei Łosice - Gedenktag am 20. April † 1598, verehrt im Jesuitenkolleg in Lublin Ich möchte von diesen nur einige wenige hervorheben: Kleiner Hugo von Lincoln Der Heilige Hugo war der Sohn einer armen Frau namens Betrice die on Lincoln lebte. Er wurde ungefähr 1246 geboren und starb 1255. Den Juden von Lincoln wurde vorgeworfen ihn gekreuzigt zu haben; als man ihn wenige Tage nach seinem Tod am Grund eines Brunnens fand, habe sein Körper die Spuren einer Kreuzigung getragen. Der Brunnen habe einem Juden namens Copin gehört. Copin wurde angeklagt das Kind in sein Haus gelockt zu haben. Eine große Zahl von Juden traf zusammen und soll angeblich das Kind gemartert zu haben. Sie hätten es ausgepeitscht, mit Dornen gekrönt und zur Verspottung des Todes Christi gekreuzigt. Die Geschichte erzählt weiter, dass sich die Erde geweigert habe den Köper Hughs zu bedecken, weshalb sie ihn in einen Brunnen geworfen hätten. Einige Zeit nachdem das Kind vermisst worden war, erzählten seine Spielgefährten seiner Mutter, sei hätten gesehen wie er dem Juden folgte. Man ging in Copins Haus und entdeckte den Körper. Copin wurde des Mordes angeklagt und unter der Folter gestand er, dass es ein jüdischer Brauch sei, einmal im Jahr einen Knaben zu kreuzigen. Wunder sollen sich am Grab des Kindes ereignet haben und die Kanoniker von Lincoln überführten seinen Leichnam von der Pfarrkirche zu der William gehörte und begruben ihn mit einer großen Zeremonie in der Kathedrale Copin wurde grausam hingerichtet und 18 Juden wurden in Lincoln gehängt. Andere 19 wurden in London eingesperrt und zum Tode verurteilt. Über ihr Schicksal gibt es verschiedene Aussagen: Nach den ein en sollen sei zum Tode verurteilt und aber dann gegen Zahlung eines hohen Lösegeldes freigelassen worden sein. Nach anderen Quellen soll man sei trotz der Zahlung gehängt haben. Werner von Oberwesel, auch Werner von Bacharach Werner wurde als armer Knabe geboren und hatte sich in Oberwesel als Taglöhner bei einem Weinbauern verdingt. Den 16-jährigen Knaben fand man am Gründonnerstag erschlagen auf. Nach der Legende wurde er von Juden, für die er Erde aus einem Keller schaufeln musste, ins Haus gelockt und zu Tode gepeinigt; sein Blut hätten diese Juden für ihre Passahfest-Riten benötigt, seine Leiche sei in den Rhein geworfen worden. 26 beschuldigte Juden wurden in Bacharach ermordet. Die jüdischen Gemeinden wandten sich an Kaiser Rudolf; dieser war von der Grundlosigkeit der Beschuldigungen überzeugt, legte den Mördern der Juden eine Geldbuße auf und befahl, die Leiche von Werner zu verbrennen, um einer Verehrung vorzubeugen. Die kaiserlichen Anweisungen wurden jedoch nicht befolgt. Ab 1293 wurde die Kunibert-Kapelle in Bacharach zur Märtyrerkapelle umgebaut; sie steht angeblich an der Stelle, an der der Rhein die Leiche an Land geschwemmt habe; ihr Besuch wurde mit Ablass belohnt. Um 1300 entstand die Legende in drei Sprachen (niederländisch, deutsch, lateinisch); in ihr wurde erzählt, wie Juden Werner an den Füßen aufgehängt hätten, um eine Hostie, die er im Begriff war zu verschlucken, in ihren Besitz zu nehmen. 1338 wurde der geplante Ausbau der Kapelle zu einer großen Kirche unterbrochen, die Verehrung ebbte ab. Pfalzgraf Ludwig III. strebte eine Wiederbelebung des Kultes an. Die folgenden Kanonisationsversuche zwischen 1426 und 1429 brachten eine offizielle Anerkennung. Trotz des Verlustes der Reliquien und der Zerstörung der Werner-Kapelle in Bacharach im 17. Jahrhundert wurde der Gedenktag in der Diözese Trier begangen. Erst 1963 wurde der Wernerkult im Kalender der Diözese Trier gestrichen. Doch noch immer taucht der „heilige Werner von Oberwesel“ in deutschen Heiligenverzeichnissen auf. Die ihm geweihte Kapelle in der dem Rhein zugewandten Seite der Stadtmauer von Oberwesel wurde um 2001 renoviert und 2008 zur Mutter Rosa Kapelle Der Name „Wernerkapelle“ ist jedoch nach wie vor geläufiger. Die Kapelle in Bacharach wurde als Ruine gesichert und man fügte eine Gedenktafel mit dem Gebet Papst Johannes XXIII. um Sinnesänderung der Christen in ihrem Verhältnis zu den Juden ein: „Wir erkennen heute, daß viele Jahrhunderte der Blindheit unsere Augen verhüllt haben, so daß wir die Schönheit deines auserwählten Volkes nicht mehr sahen und die Züge unseres erstgeborenen Bruders nicht mehr wiedererkannten. Wir entdecken nun, daß ein Kainsmal auf unserer Stirn steht. Im Laufe der Jahrhunderte hat unser Bruder Abel im Blute gelegen, das wir vergossen, und er hat die Tränen geweint, die wir verursacht haben, weil wir deine Liebe vergaßen. Vergib uns den Fluch, den wir zu Unrecht an den Namen der Juden hefteten. Vergib uns, daß wir dich in ihrem Fleische zum zweitenmal ans Kreuz schlugen. Denn wir wußten nicht, was wir taten.“ Neuere Forschungen gehen davon aus, dass Werner wahrscheinlich einem Sexualverbrechen zum Opfer fiel. Durch die falsche Bezichtigung der Juden sollte der Mord womöglich vertuscht werden. In den nächsten Beiträgen möchte ich noch Anderl von Rinn und Simon von Trient behandeln bearbeitet 9. Juli 2014 von Der Geist Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
kam Geschrieben 9. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 9. Juli 2014 Zum kleinen Hugo von Lincoln ist zu sagen, daß die Verfolgung der Juden in diesem Zusammenhang ausschließlich von weltlichen Personen und Instanzen ausging. König Heinrich III. wollte sich bereichern. Es gab nie eine Heiligsprechung oder die Aufnahme in ein Martyriologicum, folglich auch keinen Gedenktag. Man soll den Teufel nicht mit Beelzebub austreiben. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 9. Juli 2014 Autor Melden Share Geschrieben 9. Juli 2014 (bearbeitet) Natürlich und die Kirche ist am Antisemitismus der kleinen Leute völlig unschuldig. Man soll den Teufel nicht mit Beelzebub austreiben. Und vor allem soll man nicht über Dinge schreiben die man nicht weiß. Oder ist diese Quelle: http://www.newadvent.org/cathen/07515b.htm falsch. Ich will da gar nicht von den Professoren des Institus für Judaistik der Uni Wien reden....die wissen sicher weniger als Du bearbeitet 9. Juli 2014 von Der Geist Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 9. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 9. Juli 2014 Oder ist diese Quelle: http://www.newadvent.org/cathen/07515b.htmfalsch. Diese Quelle sagt gar nichts über die nicht erfolgte Canonisation. Der Volksglaube dichtete (ählich wie bei Werner oder Anderl) dem toten Jungen diverse Wunder an und es gab eine lokale Verehrung (was eher auf einen Seligen nach altkirchlicher Praxis deutet), aber es gab nie eine offizielle Heiligsprechung. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 9. Juli 2014 Autor Melden Share Geschrieben 9. Juli 2014 (bearbeitet) Oder ist diese Quelle: http://www.newadvent.org/cathen/07515b.htmfalsch. Diese Quelle sagt gar nichts über die nicht erfolgte Canonisation. Der Volksglaube dichtete (ählich wie bei Werner oder Anderl) dem toten Jungen diverse Wunder an und es gab eine lokale Verehrung (was eher auf einen Seligen nach altkirchlicher Praxis deutet), aber es gab nie eine offizielle Heiligsprechung. Anderl und Werner wurden offiziell kanonisiert, bei Werner bereits in Thread nachzulesen, bei Anderl werde ich berichten....wenn es so etwas nicht gegeben hätte, hätte man sei nicht aus den Heiligenlisten streichen müssen. Für Hugh gab es einen offiziellen Gedenktag und nach allen Quellen wurde er als Heiliger verehrt ohne dass die Kirche dagegen eingeschritten wäre...also wenig Gründe um eine Schönfärberei zu rechtfertigen. bearbeitet 9. Juli 2014 von Der Geist Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 9. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 9. Juli 2014 Für Hugh gab es einen offiziellen Gedenktag und nach allen Quellen wurde er als Heiliger verehrt ohne dass die Kirche dagegen eingeschritten wäre...also wenig Gründe um eine Schönfärberei zu rechtfertigen. Wenn du Deschner liest, dann findest du noch viel mehr schlimmes. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 9. Juli 2014 Autor Melden Share Geschrieben 9. Juli 2014 (bearbeitet) Für Hugh gab es einen offiziellen Gedenktag und nach allen Quellen wurde er als Heiliger verehrt ohne dass die Kirche dagegen eingeschritten wäre...also wenig Gründe um eine Schönfärberei zu rechtfertigen. Wenn du Deschner liest, dann findest du noch viel mehr schlimmes. Mich hat Deschner noch nie interessiert. Mich treibt nicht der Hass der Deschner getrieben hat. Worum es mit geht ist eine Wiedergabe dessen, was ich in den letzten Semestern in verschiedenen Vorlesungen von kompetenten Professoren der Judaistik und der katholischen Theologie an beschämenden Ereignissen in wissenschaftlich fundierter Weise gelernt habe. Unter dem Motto: Niemals vergessen, damit es nie wieder geschehen kann. bearbeitet 9. Juli 2014 von Der Geist Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
fragerin Geschrieben 9. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 9. Juli 2014 Worum es mir geht ist eine Wiedergabe dessen, was ich in den letzten Semestern in verschiedenen Vorlesungen von kompetenten Professoren der Judaistik und der katholischen Theologie an beschämenden Ereignissen in wissenschaftlich fundierter Weise gelernt habe. Unter dem Motto: Niemals vergessen, damit es nie wieder geschehen kann. Was mich beim Lesen umtreibt, ist die Gewissheit, dass ich diese Geschichten damals sicher geglaubt hätte, wenn ich gelebt hätte. Ich hätte es geglaubt (außer ich wäre Jüdin gewesen), weil ich mir nicht hätte vorstellen können, dass die alle lügen bzw. hätte ich nicht kapiert, dass erpresste "Geständnisse" fürn Hugo sind. Das mit den Ritualmorden würde heute fast* keiner mehr glauben. Aber das Schlimme ist, dass es immer neue Varianten von Verleumdungen gibt, wo ich befürchte, ich vertraue den Verleumdern, einfach deshalb, weil Vertrauen sich besser anfühlt als Misstrauen. Was ich sagen will: Ich bin sehr für "niemals vergessen". Aber ich befürchte, dass dies nicht zu "nie wieder geschehen" führt. fast* habe ich eingefügt, als mir einfiel, dass ich vor Jahren im Kathnet-Forum eine Diskussion verfolgte, wo Bischof Stecher angegriffen wurde und wo es einen Poster gab, der schrieb, die Juden sollten doch endlich zugeben, dass es unter ihnen Menschen gegeben habe, die Ritualmorde vollführten. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Julius Geschrieben 10. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 10. Juli 2014 (bearbeitet) Diese Quelle sagt gar nichts über die nicht erfolgte Canonisation. Der Volksglaube dichtete (ählich wie bei Werner oder Anderl) dem toten Jungen diverse Wunder an und es gab eine lokale Verehrung (was eher auf einen Seligen nach altkirchlicher Praxis deutet), aber es gab nie eine offizielle Heiligsprechung. Was ist "der Volksglaube"? Die Pfarrer, übrigens auch die protestantischen, kommen schließlich auch "aus dem Volk". Und da wo ich groß geworden bin, wurden zwar weder Anderl noch Werner als Heilige oder Selige verehrt, wallfahren gingen Protestanten sowieso nicht, aber auch der evangelische Pfarrer erzählte gläubig den Quatsch von den durch Juden begangenen Ritualmorden und geschlachteten Christenkindern herum, und auch in seinem "Volk" gab es welche, die es für bare Münze nahmen, weil es der Pfarrer sagte. Solche Spitzfindigkeiten, ob es mal eine offizielle Kanonisation gegeben habe oder nicht, interessierten übrigens auch das katholische Durchschnitts-"Volk" nicht die Bohne, die Frage danach treibt erst die fortgeschritteneren um. - Der katholische Pfarrer am Ort war übrigens mindestens so abergläubig wie sein protestantischer Kollege - die haben sich diesbezüglich ganz wunderbar ergänzt: geradezu ökumenische Vorreiter waren sie, was das Verbreiten solcher Schauergeschichten betraf. Beide sind noch im 19. Jahrhundert geboren worden und haben in den 1920er/1930er Jahren Theologie studiert. Und nein: ich habe ihnen die Ritualmordgruselgeschichten nicht abgekauft; ich hatte das Glück, vor allem einen Großvater zu haben, der kein Blatt vor den Mund nahm und mich umgehend davon überzeugte, dass ich solchen Dreck ja nicht glauben sollte ...Den Ausdruck, mit dem er die beiden Pfarrherren belegte und zumindest bei mir deren Autorität sträflich untergraben hat, wiederhole ich hier nicht - der wäre nicht mal arenakonform, aber er war halt eindrucksvoll überzeugend ... und ja, ein Mann "aus dem Volke" war er schon auch, wenn auch wiederum nicht unbedingt repräsentativ für den dichtenden und pfarrergläubigen Volksglauben ... bearbeitet 10. Juli 2014 von Julius 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 10. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 10. Juli 2014 Buchtipp: "Es geschah im Nachbarhaus" von Willi Fährmann. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Julius Geschrieben 10. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 10. Juli 2014 Buchtipp: "Es geschah im Nachbarhaus" von Willi Fährmann. Oder: der Xantener Ritualmordvorwurf Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 10. Juli 2014 Autor Melden Share Geschrieben 10. Juli 2014 Einen besonders Stellenwert für Österreich hat die Ritualmordlegende im Zusammenhang mit dem „Anderl von Rinn“ Zum Einen ist in diesem Fall das Phantom eine Kindes das real nie gelebt hat kanonisiert worden und zum anderen hat die sukzessive Abschaffung des Kultes anfangs durch Bischof Rusch und dann endgültig durch Bischof Reinhold Stecher starkes Aufsehen erregt und erschreckende Äußerungen verursacht. Die Legende erzählt: Im Dorfe Rinn lebte um die Mitte des 15. Jahrhunderts eine arme Taglöhnerswitwe, Maria Oxner, mit ihrem dreijährigen Knaben Andreas. Als die Mutter eines Tages, am 12. Juli 1462, auf die Ambraser Felder zum Kornschneiden ging, übergab sie ihr Kind seinem Taufpaten, der ihr hoch und heilig versprach, das Anderle wie seinen Augapfel zu hüten. Aber der Göt aber liebte allzusehr das Geld und so verkaufte er den Anderl vorbeiziehenden Juden. Die Männer aber schleppten das Anderle mit sich und verübten an ihm im nahen Birkenwald ein schauerliches Verbrechen. Auf einem großen Stein entkleideten sie das Kind, knebelten seinen Mund und schnitten ihm die Adern am ganzen Körper auf, so daß es in stummer Qual verbluten mußte. Dann hingen die Unmenschen den entseelten Körper an einen Birkenbaum und suchten das Weite. Zur gleichen Stunde spürte die Mutter mitten in ihrer Arbeit auf den Ambraser Feldern einen warmen Blutstropfen auf der rechten Hand. Sie wischte ihn zuerst achtlos fort, da fiel ein zweiter und gleich darauf ein dritter Tropfen auf ihre Hand. Die Mutter ahnte nun, dass ihrem Kinde Böses widerfahren sein müsse, und eilte heim, hinauf nach Rinn. Auf die Frage der Mutter, wo denn das Kind sei, erzählte der Göt ihr von den fremden Männern und wies der Frau den Hut voller Taler vor. Da wandelten sich zum Entsetzen des Hannes die Geldstücke in raschelndes, welkes Laub. Den verräterischen Göt aber befiel in der jähen Erkenntnis seiner unseligen Tat Wahnsinn. Die unglückliche Mutter durchsuchte nun mit ihren Nachbarinnen die ganze Umgebung und fand bald zu ihrem Entsetzen den Leichnam des Kindes an der Birke hoch über dem blutbefleckten Stein hängen. Das Knäblein wurde unter großer Teilnahme des Volkes zunächst auf dem Friedhof zu Rinn bestattet. Als dort viele Wunder geschahen und eine herrliche Lilie aus dem Unschuldsgrab hervorwuchs, erbauten die Rinner über dem Martergrab eine Kirche, in der die Gebeine des Anderle, bekleidet mit kostbaren Gewändern, in der einen Hand eine goldene Palme, in der anderen ein goldenes Messerlein, oberhalb des Altars zur allgemeinen Verehrung aufgestellt wurden. Die Mörder des Kindes sind nie gefunden und für ihre Untat bestraft worden, der leichtsinnige Göt mußte in seinem Irrwahn jahrelang mit schweren Ketten in einem Stall gehalten werden, bis ihn der Tod von seinem Elend erlöste. Die Anderl Geschichte und daraus resultierend der antijüdische Anderl-Kult entstand durch ein Buch des Haller Damenstiftsarztes Ippolito Guarinoni, der - angeregt vom Erfolg der Legende des Simon von Trient - 1642 den mehr als 150 Jahre zurückliegenden Märtyrertod des Tiroler Jungen behauptete; diese Biografie wurde Grundlage zahlreicher volkstümlicher Schauspiele. „Andreas“ Gebeine wurden 1475 erhoben und in der Pfarrkirche von Rinn bestattet. 1671 wurde an der Stelle seines angeblichen Martyriums über dem Judenstein bei Rinn eine neue Kirche erbaut und seine Reliquien wurden dorthin übertragen. Oft wurde der Kult zu antisemitischen Kundgebungen missbraucht. Papst Benedikt XIV. genehmigte 1753 auf Betreiben des Abtes von Wilten, Norbert Bußjäger, den Kult. Der Festtag wurde 1953 vom damaligen Innsbrucker Bischof Paulus Rusch aus dem kirchlichen Kalender gestrichen, 1961 entzog der Vatikan die Erlaubnis zur Verehrung. Die alljährlichen offiziellen Wallfahrten fanden aber erst 1994 nach dem definitiven Verbot des Kultes rund um den Judenstein durch Bischof Stecher aus dem Jahr 1988 ein Ende. Schon 1985 hatte Bischof Stecher die Entfernung der angeblichen Gebeine von Anderl aus dem Altar veranlasst, danach wurde auch das Wandbild in der Pfarrkirche in Rinn übermalt. Dennoch pilgern bis heute im Juli rund 300 Unentwegte zum Judenstein. Ort und Straße heißen noch immer so. Auf Gloria TV kann man z.B. einen Ankündigung der Wallfahrt die heuer am 13.07. stattfindet lesen. Der User schreibt bezeichnender Weise unter dem Nick „Alphons Maria Stickler“ Unter http://www.tt.com/panorama/gesellschaft/8600495-91/anderl-kult-alte-wunden-und-verbotene-wallfahrten.csp kann man dazu einen Artikel der Tiroler Tageszeitung finden. Zur Anmerkung der „fragerin“, dass heute offenbar noch immer Menschen diese Ritualmordgeschichten glauben noch ein Hinweis. In der extrem rechten Wochenzeitung „Zur Zeit“ des Herrn Mölzer (Ex EU Abgeordneter der FPÖ, der heuer seine Kandidatur wegen rassistischer Ausfälle gegen den Starfußballer David Alaba zurückziehen musste), schrieb Herr Professor DDr. Robert Prantner am 5.12,1999 folgendes: "...niemals schienen diese jüdischen Persönlichkeiten die Demut in ihrem eigenen Sinne und Gewissen zu mobilisieren, auch ein Wort, eine Geste, ein Zeichen des Bedauerns, der Reue, der Entschuldigung zu setzen: Angesichts der sogar blutigen Verbrechen jüdischer Vertreter (nicht "des Judentums" an sich) an katholischen Christen. Es wäre eine Verfälschung der Geschichte, etwa bestimmte Ritualmorde zu mittelalterlicher Zeit dem phantasiebestimmten "Haß des Nationalsozialismus" zuzuschreiben. Auch Verbrechen von jüdischen Menschen an Christen sind beklagenswerte Geschichte, an Kindern, wie etwa dem seligen Märtyrerkind Anderl von Rinn wie an erwachsenen Menschen zu vorösterlichen Zeit... Ökumene, auch zwischen Juden und Christen, kann niemals eine Einbahnstraße sein. Auch das Blut gemordeter Christen, vergossen durch jüdische Hand, schreit zum Himmel! So erwartet man einen Kongreß der Weltjudenheit auf religiöser Grundlage, in dessen Verlauf das "Neue Gottesvolk" – des "Neuen Testaments", geboren aus dem Blute Jesu, am Kreuze durch den Hohen Rat der Judenheit vor knapp 2000 Jahren – um Verzeihung gebeten wird." Zitiert nach der Internetzeitung haGalil.com, Jüdisches Leben online. (http://www.hagalil.com/archiv/2004/11/prantner.htm) Um Einwänden gegen die Quelle zu begegnen: Ich bin im Besitz des Originalartikels, dieser ist aber online nicht abrufbar. Herr Professor DDr. Robert Prantner Jahrgang 1932, +1910 war Sekretär von Bundeskanzler Julius Raab und später von Nationalratspräsident Dr. Maleta und schließlich Professor für Ethik (sic) an der philosophisch theologischen Hochschule in Heiligenkreuz, Berater von Bischof Kurt Krenn. Er war einer der Meinungsbildner im rechtskatholischen Lager in Österreich 1893 veröffentlichte der Wiener Geistliche Joseph Deckert (ich werde im Laufe des Threads auf ihn noch zurückkommen) das Traktat Vier Tiroler Kinder, Opfer des chassidischen Fanatismus, mit welchem er die Legende weiter am Leben halten und auch für die modernen Formen des Antisemitismus dienstbar machen wollte. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
MartinO Geschrieben 10. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 10. Juli 2014 Die Ritualmordlegende ist ein Beispiel, wie sich Gerüchte gegen eine verhasste Minderheit über lange Zeit und quer durch verschiedene Kulturen fortpflanzen können. Offenbar wurde der Kindesmordvorwurf zunächst von heidnischen Philosophen gegen Juden bzw. jüdische Aufständische erhoben. Laut Minucius Felix, Octavius IX, wurde auch den Christen vorgeworfen, bei ihren Ritualen in Teig eingehüllte Kleinkinder geopfert zu haben. (Ich weiß, es handelt sich hier um eine Sekundärquelle, doch glaube ich nicht, dass Minucius Felix in einer Zeit, in der die Christen noch eine Minderheit waren, völlig unbekannte Vorwürfe gegen seine eigene Religion erfunden hätte). Später, nachdem das Christentum zur Staatsreligion geworden war, behauptete man von christlichen Sekten, sie opferten Kinder. Im Mittelalter waren es nun wieder Juden, denen man dies zum Vorwurf machte. In der frühen Neuzeit weitete sich der Kreis der Opfer auf angebliche Hexen aus. Das Motiv des Kleinkinds, das seinen Eltern weggenommen und anschließend geopfert wird, ist dabei stets das gleiche. Stichhaltige Argumente, dass dergleichen passiert sein sollte, gibt es in keinem der genannten Fälle; immer dagegen taugten sie, die Empörung gegen eine verhasste Minderheit zu lenken. Der Ursprung der Legende wird im Brauch des Menschenopfers gesehen, das in vielen Religionen existierte, u.a. sowohl im frühen griechisch-römischen Heidentum als auch im frühen Judentum. Hier wie dort wurde es allerdings später verboten und taucht hier wie dort als Symbol besonderer Grausamkeit wieder auf, bei den Propheten des Alten Testaments gegen Nachbarvölker und Könige, die die Baalsverehrung etablieren wollten ("Ließ seinen Sohn für den Moloch durchs Feuer gehen"), bei Heiden, etwa bei Cäsar, als Veranschaulichung der Grausamkeit von "Barbaren". Die Erfinder (und die Weitererzähler) der Kindermordlegende nutzten den allgemeinen Abscheu gegen Menschen-, vor allem Kindesopfer. In vielen Fällen dürften Geständnisse unter Folter als Argumente gedient haben. Es gilt mittlerweile als sicher, dass Menschen unter Folter Dinge gestehen, die der Folternde ihrer Meinung nach hören will. Diese Fakten mahnen nicht nur dazu, Folter entschieden abzulehnen, sondern auch dazu, skeptisch gegenüber Gerüchten, vor allem wenn die erhobenen Vorwürfe sich allzu sehr mit solchen gegen ganz andere Gruppen decken, zu sein. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Werner001 Geschrieben 10. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 10. Juli 2014 ...Dennoch pilgern bis heute im Juli rund 300 Unentwegte zum Judenstein.... Ich glaube, es werden sich immer Leute finden, die das glauben. Eine der in meinen Augen bemerkenswertesten Aspekte beim Thema Religion ist, dass es wohl nichts gibt, was absurd genug ist, dass sich keine Menschen finden, die daran glauben. Bezeichnenderweise wird in diesem Fall des Anderl ja selbst von der Kirchenführung klipp und klar gesagt, dass es nur eine wüste Legende ist, aber nicht mal das hält manche Leute ab, und widersinnigerweise sind das ja dann in der Regel auch noch solche, die sich der Kirche besonders stark verbunden fühlen. Werner Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 10. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 10. Juli 2014 ...Dennoch pilgern bis heute im Juli rund 300 Unentwegte zum Judenstein.... Ich glaube, es werden sich immer Leute finden, die das glauben. Eine der in meinen Augen bemerkenswertesten Aspekte beim Thema Religion ist, dass es wohl nichts gibt, was absurd genug ist, dass sich keine Menschen finden, die daran glauben. Bezeichnenderweise wird in diesem Fall des Anderl ja selbst von der Kirchenführung klipp und klar gesagt, dass es nur eine wüste Legende ist, aber nicht mal das hält manche Leute ab, und widersinnigerweise sind das ja dann in der Regel auch noch solche, die sich der Kirche besonders stark verbunden fühlen. Nicht ganz so blutig, aber ebenfalls zweifelhaft: Medjugorje... Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Edith1 Geschrieben 10. Juli 2014 Melden Share Geschrieben 10. Juli 2014 Das Motiv des Kleinkinds, das seinen Eltern weggenommen und anschließend geopfert wird, ist dabei stets das gleiche. Stichhaltige Argumente, dass dergleichen passiert sein sollte, gibt es in keinem der genannten Fälle; immer dagegen taugten sie, die Empörung gegen eine verhasste Minderheit zu lenken. Es ist außerdem historisch der Kernvorwurf bei "Schwarzen Messen" gewesen; (unter anderem auch zur Zeit Ludwig XIV., da wurde seine Mätresse der Teilnahme an derartigen Veranstaltungen bezichtigt; Beweis Null). Mord an Kindern, an möglichst kleinen Kindern... eignet sich halt bestens zum Aufputschen der negativen Emotionen in die gewünschte Richtung. (Erinnert sei an die "Brutkastenbabies, die auf den eiskalten Fußboden geworfen wurden, wo sie starben", 2. Golfkrieg, Kuwait City, frei erfundene Greuelvorwürfe gegen die irakischen Truppen, als Beispiel aus jüngster Zeit.) 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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