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Sexualität und Berufung


rorro

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Isch hab da ma ne Fraaage...

 

Andernorts schrieb Flo, daß er nicht zur Keuschheit im Sinne des KKK berufen sei.

 

Der Satz ist an mir hängengeblieben.

 

Wie ist das mit "Berufung"? Stellt man die ausschließlich selbst fest, kann man die irgendwie quantifizieren oder qualifizieren?

 

Und wie ist das mit der "Berufung" in Bezug auf Sexualität? Folgen daraus irgendwelche "Rechte"?

 

Nehmen wir mal einen Mann, der verheiratet ist und auch nie ansatzweise das Gefühl hatte, "sexlos" leben zu wollen. Jetzt wird seine Frau schwer chronisch krank und Sex mit ihr ist nicht mehr möglich. Was macht er dann mit seiner "Berufung"? Muß er sie hintantstellen? Darf er Prostitutierte besuchen, One-Night-Stands oder eine Geliebte haben, auch wenn die Ehefrau das nicht will? Ist dann Lügen erlaubt? Und die gleiche Frage kann auch Frauen betreffen - gleiche Antwort?

 

Genauso stellt sich die Frage dem, der ungewollt Single bleibt, nur muß diese Person nicht unbedingt jemanden belügen...

 

Welchen Anspruch auf "Ausleben" hat also eine gefühlte "Berufung"?

 

Sind doch mehrere Fragen  geworden ...

 

 

bearbeitet von rorro
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Berufung, ich halte diesen Begriff, eben weil es derselbe ist wie bei der Rede über die Berufung zum Priestertum, Ordensstand oder Ehe, in diesem Zusammenhang für nicht so glücklich. 

 

Das hängt mir die ganze Sache auch etwas zu hoch und lädt Keuschheit oder Enthaltsamkeit noch mehr theologisch auf, als sie ehedem schon aufgeladen sind. Das soll nicht heißen, dass ich nicht glaube, dass es Menschen gibt, die explizit zur Keuschheit berufen sind, auf diesem Gebiet ein besonderes Charisma haben. Eunuchen um des Himmelreiches willen (nein, nicht das Buch der Ranke-Heinemann) sozusagen. 

 

Pragmatisch betrachtet würde ich viel eher sagen, Keuschheit und sexuelle Abstinenz sind ganz einfach im System der katholischen Moral der gedachte "default" Zustand aller jener Menschen, die nicht legitim verheiratet sind oder am Eingehen einer solchen Ehe gehindert sind. Darunter fielen alle Singles, Paare in nichtehelicher Beziehung, natürlich alle Ordenschristen, Kleriker ab der Diakonatsweihe, geschiedene Wiederverheiratete, Menschen mit homosexueller Sexualpräferenz usw. 

 

Jetzt kann sich jeder fragen, der Menschen aus dieser Gruppe kennt oder ihnen selbst angehört, ob diese Annahme oder Wunschvorstellung der Moralisten realistisch ist oder nicht. 

 

 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Stunden schrieb rorro:

Nehmen wir mal einen Mann, der verheiratet ist und auch nie ansatzweise das Gefühl hatte, "sexlos" leben zu wollen. Jetzt wird seine Frau schwer chronisch krank und Sex mit ihr ist nicht mehr möglich. Was macht er dann mit seiner "Berufung"? Muß er sie hintantstellen? Darf er Prostitutierte besuchen, One-Night-Stands oder eine Geliebte haben, auch wenn die Ehefrau das nicht will? Ist dann Lügen erlaubt? Und die gleiche Frage kann auch Frauen betreffen - gleiche Antwort?

 

Erweitere dein Beispiel doch etwas. Ohne Sexualität keine Familie. Dein Beispielmann hatte also immer den Wunsch, eine Familie zu gründen. Wenn du die Antwort darauf hast, hast du auch die auf deine Ursprungsfrage. 

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vor 57 Minuten schrieb Studiosus:

Pragmatisch betrachtet würde ich viel eher sagen, Keuschheit und sexuelle Abstinenz sind ganz einfach im System der katholischen Moral der gedachte "default" Zustand aller jener Menschen, die nicht legitim verheiratet sind oder am Eingehen einer solchen Ehe gehindert sind. Darunter fielen alle Singles, Paare in nichtehelicher Beziehung, natürlich alle Ordenschristen, Kleriker ab der Diakonatsweihe, geschiedene Wiederverheiratete, Menschen mit homosexueller Sexualpräferenz usw. 

Liege ich falsch, wenn ich davon ausgehe, dass die Kirche Keuschheit nicht mit sexueller Abstinenz gleichsetzt, wie du es hier tust?

Ich meine, dass es (durchaus offiziell) eine Keuscheit in der Ehe gibt, bei der nicht nur die "Josefsehen" gemeint sind. Also auch die gelebte Sexualität in einer Ehe kann keusch sein.

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vor 16 Minuten schrieb Aleachim:

Liege ich falsch, wenn ich davon ausgehe, dass die Kirche Keuschheit nicht mit sexueller Abstinenz gleichsetzt, wie du es hier tust?

Ich meine, dass es (durchaus offiziell) eine Keuscheit in der Ehe gibt, bei der nicht nur die "Josefsehen" gemeint sind. Also auch die gelebte Sexualität in einer Ehe kann keusch sein.

Keuschheit im kirchlichen Sinne beschreibt lediglich eine strenge Reglementierung der Sexualität, die die geschlechtliche Vereinigung auf einen sehr engen Rahmen beschränkt und alle andere sexuelle Aktivität verbietet.

D.h. Ehepaare dürfen zwar, aber auch nur unter einer sehr reglementierten Zweckbestimmung.

 

vor einer Stunde schrieb Studiosus:

Jetzt kann sich jeder fragen, der Menschen aus dieser Gruppe kennt oder ihnen selbst angehört, ob diese Annahme oder Wunschvorstellung der Moralisten realistisch ist oder nicht. 

Was hältst Du von der verrückten Idee, daß die Moralisten sich mal die Realität anschauen und dann mal ihre Wunschvorstellungen korrigieren.

bearbeitet von Flo77
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vor 3 Stunden schrieb rorro:

Was macht er dann mit seiner "Berufung"? ...

Es kommt darauf an, welche Verpflichtungen er eingegangen ist bzw. welche Versprechen er abgegeben hat. Verabredungen nicht einzuhalten ist grundsätzlich abzulehnen. Ansonsten ist es im Regelfall sinnvoll, seiner Berufung zu folgen, wenn man nicht am Leben vorbeileben möchte.

bearbeitet von Merkur
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vor 33 Minuten schrieb Aleachim:

Liege ich falsch, wenn ich davon ausgehe, dass die Kirche Keuschheit nicht mit sexueller Abstinenz gleichsetzt, wie du es hier tust? 

 

Da ich Keuschheit und sexuelle Abstinenz geschrieben und nicht das eine als Synonym für das andere verwendet habe, ja. Das sind zwei unterscheidbare Dinge, wenn sie auch zusammenfallen können. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 18 Minuten schrieb Flo77:

Was hältst Du von der verrückten Idee, daß die Moralisten sich mal die Realität anschauen und dann mal ihre Wunschvorstellungen korrigieren.

 

Da die meisten alten Moralisten, auf die nicht unwesentliche Teile der noch immer gültigen Moraltheologie zurückgehen, inzwischen tot sind, wird dieser Perspektivwechsel recht schwierig. 

 

Moderne Moraltheologen, die noch unter uns weilen, nehmen die Lebenswirklickeit der Menschen extrem ernst - und fallen auf der anderen Seite vom Pferd. 

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vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

Da die meisten alten Moralisten, auf die nicht unwesentliche Teile der noch immer gültigen Moraltheologie zurückgehen, inzwischen tot sind, wird dieser Perspektivwechsel recht schwierig.

Warum? Sind heutige Moralisten nicht mehr urteilsfähig?

 

vor 5 Minuten schrieb Studiosus:

Moderne Moraltheologen, die noch unter uns weilen, nehmen die Lebenswirklickeit der Menschen extrem ernst - und fallen auf der anderen Seite vom Pferd.

Das ist eine ganz andere Problematik.

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vor 2 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Erweitere dein Beispiel doch etwas. Ohne Sexualität keine Familie. Dein Beispielmann hatte also immer den Wunsch, eine Familie zu gründen. Wenn du die Antwort darauf hast, hast du auch die auf deine Ursprungsfrage. 

 

OT: neue Katze oder verschiedene Aufnahme derselben?

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vor 10 Stunden schrieb Flo77:

Nun gut...

 

Zunächst würde ich unterscheiden wollen, zwischen Berufung und Bedürfnis. Das sind aus meiner Perspektive zwei Ebenen, die durchaus kollidieren können.

 

Das Bedürfnis ist in jedem Menschen drin. Sie sind notwendig für unsere Lebenserhaltung und unser Wohlbefinden und Abhängig von unseren Normen und Werten, unserer Gefühlswelt, sprich sie sind zunächst einmal da. Ob ein Bedürfnis erfüllt wird hängt von vielen - auch äußeren - Faktoren und in vielen Fällen auch von anderen Personen und nicht zuletzt von unserer Fähigkeit unser Handeln anhand unserer erlernten Normen und Werte zu kanalisieren bzw. zu kontrollieren.

 

Die Berufung dagegen ist eine Gabe. Das kann ein besonderes Talent sein, eine markante Fähigkeit, eine Vision/Idee oder eine bestimmte Veranlagung mit der man "dienen" kann. Berufung ist denke ich in der Regel auf andere hin zu verstehen. Im Gegensatz zum Bedürfnis, daß in der Regel rein ich-bezogen ist. In vielen Fällen wird dir Berufung wohl auch eher von anderen erkannt, als das sie von einem selbst entdeckt wird.

 

Weder Bedürfnis noch Berufung an sich implizieren ein Recht auf Befriedigung oder Ausleben. Eine ideale Gesellschaft wäre nach meinem Verständnis allerdings daran gelegen, zum einen den Bedürfnissen ihrer Glieder gerecht zu werden und zum anderen von ihren Berufungen zu profitieren. Immer beschränkt/gefördert durch den Katalog der Normen und Werte, die eine Gesellschaft für sich vereinbart hat (was kein bewusster Prozess ist).

 

Für Dein Extrembeipiel habe ich daher auch keine Musterlösung, sondern nur einen methodischen Ansatz: Kommunikation. Als Paar ist das mit dem "autonomen Handeln" ja eh so eine Sache, aber grundsätzlich halte ich es für die Angelegenheit des Paares sich intern über die wechselseitigen Bedürfnisse auszutauschen und seinen Konsens zu finden. Dieser Konsens kann am Ende anders aussehen, als die öffentliche Moral das vielleicht gerne hätte oder wäre für Dich und mich nicht akzeptabel, nichts desto trotz halte ich in solchen Extremsituationen nichts von Pauschalregelungen.

 

Für mich besteht das göttliche Gesetz nicht in einem Gesetzbuch, sondern allein in einer Aufforderung: liebe Gott, liebe deinen Nächsten, liebe dich selbst. Alles Handeln wird am Ende an diesen dreien gemessen. Das gilt für Steuererklärungen, den Umgang mit Lebensmitteln, die Liturgie im Alltag und am Ende auch für die Sexualität.

 

Was mir völlig fremd ist - und weshalb ich von einer Nichtberufung für mich ausgehe - ist die Idee um Gottes Willen auf Sexualität verzichten zu sollen. Mir erschließt sich der Sinn dahinter nicht. Ich möchte hier nicht in bestimmte Spielarten der Sexualität abdriften in denen Keuschhaltung bzw. Enthaltsamkeit einen hohen Stellenwert haben und als Mittel der Erziehung und des Bondings benutzt werden - insofern ist mir der erzieherische Aspekt durchaus bewusst. Das ist nur nicht die Art Beziehung, die ich zum Ewigen haben möchte. Abhängigkeit und Ausgeliefertsein sind Dinge an denen man sich sehr schnell die Finger verbrennen kann.

 

Einigem kann ich zustimmen, allerdings sehe ich - aufgrund meiner Kenntnis vieler "Schicksale", die man nicht jedem erzählt - in meinem Beispiel keinerlei Extrem.

Das ist jetzt ein Paar, daß sich vor Gott ewige Treue versprochen hat und das auch so meint. Und beide haben, wie Moriz andernorts schrieb, "die Lust geschenkt" bekommen und sehen sich durch Gottes zulassenden Willen daran gehindert, diese gemeinsam auszuleben. Was tun?

Das Stichwort Kommunikation halte ich da ebenso für essentiell. Nur: nur zwischen den beiden? Reicht das? Reicht das in einem christlichen Kontext, Gott aus der Gleichung bei existentiellen Fragen draußen zu lassen? Das alles ganz unabhängig von einer möglichen Antwort des Paares untereinander oder dem Moralempfinden anderer...

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vor 8 Stunden schrieb Merkur:

Es kommt darauf an, welche Verpflichtungen er eingegangen ist bzw. welche Versprechen er abgegeben hat. Verabredungen nicht einzuhalten ist grundsätzlich abzulehnen. Ansonsten ist es im Regelfall sinnvoll, seiner Berufung zu folgen, wenn man nicht am Leben vorbeileben möchte.

 

Er hat vor Gott ewige Treue geschworen. Darf er das dann kontextuell "umdeuten", wenn es seine Frau nicht möchte, aber er sonst seine "geschenkte Lust" nicht ausleben kann?

bearbeitet von rorro
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vor 13 Minuten schrieb rorro:

 

Er hat vor Gott ewige Treue geschworen. Darf er das dann kontextuell "umdeuten", wenn es seine Frau nicht möchte, aber er sonst seine "geschenkte Lust" nicht ausleben kann?

Woher soll ich das wissen? Er sollte sich an das halten, was er geschworen hat oder - noch besser - erst gar nicht mit dem Schwören anfangen.

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vor 2 Minuten schrieb rorro:

 

Es gehört zur kirchlichen Heirat nach lateinischem Ritus dazu.

Bei einer kirchlichen Heirat ist die Sache klar. Da ist es nichts mit Ausleben, zumindest wenn man die Sache ernstnimmt.

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vor 20 Stunden schrieb rorro:

Isch hab da ma ne Fraaage...

 

Andernorts schrieb Flo, daß er nicht zur Keuschheit im Sinne des KKK berufen sei.

 

Der Satz ist an mir hängengeblieben.

 

Wie ist das mit "Berufung"? Stellt man die ausschließlich selbst fest, kann man die irgendwie quantifizieren oder qualifizieren?

 

Und wie ist das mit der "Berufung" in Bezug auf Sexualität? Folgen daraus irgendwelche "Rechte"?

 

Nehmen wir mal einen Mann, der verheiratet ist und auch nie ansatzweise das Gefühl hatte, "sexlos" leben zu wollen. Jetzt wird seine Frau schwer chronisch krank und Sex mit ihr ist nicht mehr möglich. Was macht er dann mit seiner "Berufung"? Muß er sie hintantstellen? Darf er Prostitutierte besuchen, One-Night-Stands oder eine Geliebte haben, auch wenn die Ehefrau das nicht will? Ist dann Lügen erlaubt? Und die gleiche Frage kann auch Frauen betreffen - gleiche Antwort?

 

Genauso stellt sich die Frage dem, der ungewollt Single bleibt, nur muß diese Person nicht unbedingt jemanden belügen...

 

Welchen Anspruch auf "Ausleben" hat also eine gefühlte "Berufung"?

 

Sind doch mehrere Fragen  geworden ...

 

 

 

Was soll man jemandem sagen, der behauptet nicht zur Liebe Gottes "berufen" zu sein? Was soll man jemandem sagen, der also behauptet dazu "berufen" zu sein sich selbst und seine Begierden mehr zu lieben als Gott?

 

Ich kann nicht wissen, ob Gott einer solchen Person jemals die Gnade der heiligen Liebe angeboten hat, ob diese Person also durch den eigenen freien Willen in diese missliche Lage geraten ist oder ob sie von Gott im negativen Sinne "erwählt" wurde (und also chancenlos ist bzgl. der übernatürlichen Bestimmung der Menschen im Allgemeinen). Ich kann nur feststellen, was die Abwendung von Gott ist und dass diese wesentliche Neigung der gefallenen Natur ist. Die Gnade Gottes zeigt sich in diesem Falle dadurch, dass man bereit ist zu bereuen, wenn man versagt hat, und Buße zu tun.

 

 

 

 

 

 

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vor 21 Stunden schrieb Flo77:

Keuschheit im kirchlichen Sinne beschreibt lediglich eine strenge Reglementierung der Sexualität, die die geschlechtliche Vereinigung auf einen sehr engen Rahmen beschränkt und alle andere sexuelle Aktivität verbietet.

D.h. Ehepaare dürfen zwar, aber auch nur unter einer sehr reglementierten Zweckbestimmung.

 

Was mir schon vor langer Zeit aufgefallen ist, was mich sehr neugierig gemacht hat und auch auf eine gewisse Art bis heute "fasziniert": Die verblüffenden Ähnlichkeiten einer bestimten Art sich ganz Gott und seinem Willen zu unterwerfen, der dann auch - als eine Dimension dieser Untwerwerfung, als ganz konkretes  "Zeichen" - die vollkommene sexuelle Enthaltsamkeit der absolute, uneingeschränkte Verzicht auf jede Art sexueller Handlung einschließt auf der einen Seite ( siehe z. B. Ordensleben ).

 

Auf der anderen Seite die Bedeutung der "Keuschhaltung", temporäres Verbot der Selbstbefriedigung, Reglementierung der Sexualität als eine Dimension der Erziehung und Disziplinierung in  erotisch- sexuellen Spielarten und Praktiken von sexueller Dominanz und Unterwerfung, z. B. in der Welt das pauschal so etikettierten "BDSM". 

 

Das was du hier über die klassisch verstandene eheliche Keuschaltung schreibst, über eheliche Keuschheit  als strenge Reglementierung , der Sexualität insgesamt und des ehelichen Geschlechtsverkehrs im Speziellen, einschließlich des Verbotes bestimmter sexueller Praktiken und Sexstellungen durch die Kirche hat große Ähnlichkeiten und Parallelen mit der sexuellen Unterwerfung einer Person oder eines Paares unter eine andere Person in der Welt des BDSM:  Der Wunsch, die Sehnsucht, das sexuelle Verlangen, erotisch-sexuelle Phantasien und Tagträume, sich im Bereich der Sexualität sich als Einzelperson oder als Paar  ganz und vollkommen einer anderen Person zu unterwerfen, sich sexuell auszuliefern, sexuell verfügbar zu sein, sich dabei bestimmten Regeln zu unterwerfen, die auch "Keuschhaltung" und temporären Sexverzicht einschließen können, als eine Dimension der sexuellen Unterwerfung und der sexuellen Verfügbarkeit, der Erziehung zum sexuellen Gehorsam.

 

In der Welt der Orden ist vollkommener Sexverzicht und vollkommene sexuelle Enthaltsamkeit auch ein sehr starkes und radikales Zeichen für Unterwerfung unter Gott, sich ganz und ausschlißlich Gott und seinem Willen hinzugeben.

 

Man kann in diesem Zusammenhang auch auf die kirchliche Praxis der "Jungfrauenweihe" hinweisen. 

 

Nach der traditiinellen Lehre der Kirche und ihren Morallehren unterwerfen sich katholische Eheleute gemeinsam sexuell den Vorstellungen des kirchlichen Lehramtes. Es hat ja schon auch eine gewisse erotische Pikanterie, dass diese katholischen Sexregeln für Sex praktizierende Eheleute ausgedacht wurden von sexuell enthaltsam, im Zölibat lebenden Klerikern, die zumindest in der Idealvorstellung über keinerlei sexuell praktische Erfahrung verfügen...

 

Wenn man sich diese konkreten kirchlichen Sexregeln und Sexvorschriften für katholische Ehepaare mal anschaut ( vgl. Morallehren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die 50er Jahre der Nachkriegszeit ) so haben diese Regeln, die zu einer sexuell keuschen Ehe führen sollen den verblüffenden Effekt, sexuelles Erleben, Sex insgesamt und ehelichen Geschlechtsverkehr möglichst zu begrenzen, vollkommen zu reglementieren und außerhalb dem Zweck der Zeugung von Nachwuchs möglichst zu vermeiden. Man entdeckt in der Morallehre der Kirche eine Menge Verbotsschilder beim ehelichen Verkehr: Zeiten, in denen Eheleuten Sex verboten wird: Verbot bestimmter sexueller Praktiken ( einschließlich der lange und intensive Zungenkuss ), bestimmte Sexstellungen, ,  etc ... 

 

All das findet sich auch in der Welt von "BDSM"... 

 

Man könnte bei dem Vergleich von "katholischer" sexueller Unterwerfung von Ordensleuten und katholischen Ehepaaren unter die Morallehre der Kirche noch weitere Parallelen zur "außerkirchlichen" Spielart von sexueller Dominanz und Unterwerfung in der Welt ded "BDSM"  entdecken: seine sexuellen Sünden einer anderen Person offen, explizit und detailliert zu gestehen, zu bekennen, zu "beichten" z.B das Verbot der Keuschheit, Verbot der Selbstbefriedigung nicht eingehalten zu haben. Zu beichten, bestimmte Verhütungsmittel zu benutzen, einer anderen Person genaue Auskunft zu geben über den ehelichen Geschlechtsverkehr..... für sexuelle Verfehlungen Bußleistungen und  Bestrafungen als Zeichen der sexuellen Disziplin z.B bei BDSM körperliche Züchtigungen ( Gerte, Lederpeitsche, Rohrstock ) ausdrücklich als sexuelle Disziplinierung zur Keuschhaltung zu akzeptieren.... 

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vor 1 Minute schrieb Cosifantutti:

All das findet sich auch in der Welt von "BDSM"...

Ich wollte es nicht so deutlich formulieren, aber ja.

 

Nun ist BDSM ähnlich wie Homosexualität als Konzept ja noch nicht so wahnsinnig alt (außer man nimmt De Sade als einen der frühen Vertreter, der allerdings eine völlig andere Denkrichtung hatte), insofern dürfte es schwierig sein Henne und Ei zu benennen.

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vor 3 Stunden schrieb Flo77:

 

Nun ist BDSM ähnlich wie Homosexualität als Konzept ja noch nicht so wahnsinnig alt (außer man nimmt De Sade als einen der frühen Vertreter, der allerdings eine völlig andere Denkrichtung hatte), insofern dürfte es schwierig sein Henne und Ei zu benennen.

Ich weiß jetzt überhaupt nicht, was du mit "Henne und Ei" in diesem Zusamnenhang meinst. Ich wollte einfach auf diese doch überraschenden und verblüffenden Parallelen aufmerksam machen. Wobei es im Gegensatz zur Morallehre der Kirche gerade nicht um die maximal möglichste Vermeidung der sexuellen Lust an sich  geht, sondern im Gegenteil das vertiefte Ausleben  der sexuellen Lust in den Dimensionen von sexueller Unterwerfung, Erziehung zum sexuellen Gehorsam .. 

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vor 1 Minute schrieb Cosifantutti:

Ich weiß jetzt überhaupt nicht, was du mit "Henne und Ei" in diesem Zusamnenhang meinst. Ich wollte einfach auf diese doch überraschenden und verblüffenden Parallelen aufmerksam machen. Wobei es im Gegensatz zur Morallehre der Kirche gerade nicht um die maximal möglichste Vermeidung der sexuellen Lust an sich  geht, sondern im Gegenteil das vertiefte Ausleben  der sexuellen Lust in den Dimensionen von sexueller Unterwerfung, Erziehung zum sexuellen Gehorsam .. 

Mit Henne und Ei wollte ich darauf hinaus, daß nicht ganz klar ist, wer nun woher seine Inspiration nimmt.

 

Und ich denke nicht, daß der Unterschied tatsächlich so groß ist, da es am Ende bei beidem vorallem um Psychologie geht. Genauer gesagt um Abhängigkeiten und um die Befriedigung seelischer/geistiger Bedürfnisse.

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@Cosifantutti

 

Der Gedanke ist interessant. Die Frage wäre, ob tatsächlich tiefere "systemische Gemeinsamkeiten" gibt, oder ob die Gründe und Motive ganz unterschiedlich sind und es Parallelen nur beim "Effekt" gibt.

 

Man könnte auch daran denken, dass ausgerechnet Zölibatäre sich traditionell  in besonders intensiver Weise mit allen Fragen rund um den Sexus beschäftigen (oder wenigstens beschäftigt haben). Deschner drückt das so aus (ich weiß, er ist nicht bei allen gelitten, aber wo er recht hat, hat er recht):

 

"Keine Religion der Welt erörtert sexuelle Intimitäten derart intensiv wie die katholische [2153]. Und kein gläubiger Katholik befolgt das Bibelwort: »Von Unzucht und Unreinheit jeder Art soll bei euch nicht einmal die Rede sein, so ziemt es sich für Heilige« [2154], weniger als ein Moraltheologe."

 

Zudem war es in manchen Zeiten vorgesehen, dass die Beichtväter die Pönitenten zum ganzen Thema "Sexualität" sehr genau auszufragen hatten, bis in alle Details. (Wovor Thomas v. Aquin m.W. warnte, sinngemäß mit den Worten, dass das die Fantasie des Beichtvaters unnötig erhitzen könne.) Und auch heute gilt ja noch offiziell die Verpflichtung, dass der Pönitent jede Sünde nach Art, Umständen und Häufigkeit zu beichten habe, natürlich auch jede "sexuelle Sünde".

 

Dass da auch Dynamiken entstehen können, die laut offizieller Lehre besser nicht entstehen sollen, liegt nahe.

 

Kritische Autoren haben zudem darauf hingewiesen, wie sehr bestimmte masochistische Praktiken bestimmten Übungen der Frömmigkeit ähneln können, aber das ist wieder eine etwas andere Frage.

 

Zitat

Wenn man sich diese konkreten kirchlichen Sexregeln und Sexvorschriften für katholische Ehepaare mal anschaut ( vgl. Morallehren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die 50er Jahre der Nachkriegszeit ) so haben diese Regeln, die zu einer sexuell keuschen Ehe führen sollen den verblüffenden Effekt, sexuelles Erleben, Sex insgesamt und ehelichen Geschlechtsverkehr möglichst zu begrenzen, vollkommen zu reglementieren und außerhalb dem Zweck der Zeugung von Nachwuchs möglichst zu vermeiden.

 

Wobei sich ja zumindest offiziell an den Regeln wenig geändert hat - wenn sich überhaupt irgendetwas geändert hat. Der Unterschied liegt wohl eher in der Regelbefolgung. Oder vielleicht sogar noch mehr darin, dass Regeln auch offen widersprochen wird.

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vor 7 Minuten schrieb iskander:

Der Gedanke ist interessant. Die Frage wäre, ob tatsächlich tiefere "systemische Gemeinsamkeiten" gibt, oder ob die Gründe und Motive ganz unterschiedlich sind und es Parallelen nur beim "Effekt" gibt.

Selbst die Motivik halte ich für vergleichbar. Es geht um eine freiwillige Überantwortung in dem Bedürfnis Anerkennung, Selbstbestätigung und Besserung zu erfahren. Ob die nun durch die Einhaltung der Regeln und dem Empfang der nach eigenem Empfinden verdienten Strafen eines "Masters" oder eines Gottes  geschieht, erscheint mir im Gesamtbild eher nebensächlich (zumal wir aus der Geschichte hinreichend Fälle kennen in denen sich Menschen im Namen Gottes als "Führer" ausgetobt haben, z.B. Konrad von Marburg oder Johannes vom Kreuz).

 

Ich halte das für einen Missbrauch der göttlichen Wirklichkeit, aber ich bin ja nur ein Depp ohne Ahnung von irgendwas.

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@Flo77

 

Allerdings dürften diejenigen, die sich im Rahmen eines sexuellen Rollenspiels unterwerfen und demütigen lassen, das auch letztlich genießen, und sie dürften davon normalerweise auch keinen Schaden nehmen. Im Katholizismus können ganz andere Motive eine Rolle spielen - etwa Angst vor einem göttlichen Strafgericht. Und nach Meinung vieler Experten kann das durchaus für die menschliche Psyche abträglich sein.

 

Insofern gibt es da sicher Parallelen und Überschneidungen - aber ich bezweifle dass es sich generell einfach um zwei Spielarten ein und desselben Phänomens handelt.

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