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Was spricht für den religiösen Pluralismus?


Mystiker

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vor 23 Stunden schrieb iskander:
Am 24.1.2024 um 13:02 schrieb Marcellinus:

Und was, wenn du jetzt in deinen Schlussfolgerungen etwas vergessen hast? Was man übrigens eigentlich immer tut, denn, du erinnerst dich, alle unser gedanklichen Bemühungen leiden unter drei grundsätzlichen Mängeln, dem an Informationen, Zeit und kognitiven Fähigkeiten! :D

 

Was sollte ich denn in diesem Fall vergessen haben? ;)

 

Wenn wir nicht empirisch prüfen können, ob es keine Außenwelt gibt und wenn wir nur das wissen, was wir empirisch prüfen können: Dann folgt unmittelbar, dass wir nicht wissen können, ob es eine Außenwelt gibt.

 

Was du vergessen hast? Wenn du für die Existenz einer „Außenwelt“ die empirische Überprüfbarkeit vermisst, dann gilt das auch für die Existenz deiner „Innenwelt“, also deiner Existenz überhaupt, und dann bist du beim Solepsismus. 

 

Wenn du aber deine Existenz für gegeben hältst, dann gilt das auch für die Existenz deiner Umwelt, denn ohne die würde es dich gar nicht geben.

bearbeitet von Marcellinus
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vor 10 Stunden schrieb Marcellinus:

Was du vergessen hast? Wenn du für die Existenz einer „Außenwelt“ die empirische Überprüfbarkeit vermisst, dann gilt das auch für die Existenz deiner „Innenwelt“, also deiner Existenz überhaupt, und dann bist du beim Solepsismus. 

 

Wenn du aber deine Existenz für gegeben hältst, dann gilt das auch für die Existenz deiner Umwelt, denn ohne die würde es dich gar nicht geben.

 

Theoretisch könnte es sein, dass all meinem bewussten Erleben nichts außerhalb meines Bewusstseins gegenübersteht. Alles wäre sozusagen eine gigantische Illusion. Das wird kaum jemand ernsthaft in Erwägung ziehen, es ist aber widerspruchsfrei denkbar. Auch meine Überzeugung, dass es mich ohne die äußere Welt um mich herum nicht gäbe, wäre dann natürlich illusorisch. Ich würde es in meinem Bewusstsein zwar so erleben, aber diesem bewussten Erleben stünde nichts gegenüber. Ich hätte beispielsweise den Eindruck, dass ich Wasser trinke, welches meinen Durst löscht - aber es gäbe kein reales Wasser, sondern eben nur meine entsprechenden Empfindungen des Durstes, der Nässe, der Kühle, der Sättigung usw. Es wäre eine perfekte Halluzination. Es würde sich für mich alles wie echt anfühlen - doch es wäre nicht echt.

 

Kenntnis der physischen Dinge um uns herum haben wir nämlich nicht unmittelbar, sondern nur vermittelt durch unsere Bewusstseinsinhalte: Sinneseindrücke, Empfindungen, Gedanken usw. Wir schließen aus dem, was in unserem Bewusstsein existiert, auf das, was außerhalb von ihm existiert. Das heißt: unsere Kenntnis der "äußeren" Welt ist mittelbar.

Hierdurch können nun aber auch Illusionen auftreten: Ich kann in meinem Bewusstsein das Bild eines Apfels haben und daher glauben, dass in der realen Welt auf dem Tisch vor mir tatsächlich ein Apfel liegt. Aber das könnte auch eine Täuschung sein: Es wäre möglich, dass zwar das Bild eines Apfels in meinem Bewusstsein existiert, dass diesem "inneren Bild" aber nichts in der realen Welt entspricht. Die Illusion bestünde hier in der Diskrepanz zwischen meinem bewussten Erleben und der Wirklichkeit außerhalb meines Bewusstseins. Es gäbe etwas in meinem Bewusstsein, das mir suggerieren würde, dass es auch "außerhalb" etwas Entsprechendes gäbe, während das gar nicht der Fall wäre.

 

Wenn ich hingegen in meinem Bewusstsein das Bild eines Apfels habe, dann habe ich in meinem Bewusstsein das Bild dieses Apfels (ob es nun auch noch auf dem Tisch vor mir einen realen Apfel gibt oder nicht). Zu sagen, dass auch das Bild des Apfels in meinem Bewusstsein eine Illusion sein könnte, ergibt keinen Sinn, denn was sollte das heißen? Dass ich das Bild eines Apfels in meinem Bewusstsein habe, dass dem aber kein Bild eines Apfels in meinem Bewusstsein entspricht?

Deswegen kann man eben sagen, dass im Bewusstsein Erscheinung und Realität zusammenfallen: Wenn ich etwas erlebe, dann ist dieses Erleben als Erleben real. Wenn ich etwas wahrnehme, und sei es ein Trugbild, dann ist dieser Akt des Wahrnehmens Realität (und kein Trugbild). Wenn mir etwas so und so zu sein scheint, dann ist es Realität, dass es mir so und so zu sein scheint.

 

Anders sieht es mit der physischen Welt aus: Da fallen Erscheinen und Wirklichkeit auseinander. Ich habe das Bild eines Apfels in meinem Bewusstsein - also, so leite ich ab, wird es da wirklich eine physische Welt mit Apfel geben. Aber ganz unmittelbar weiß ich eben nur um das "innere Bild" des Apfels, nicht um den Apfel selbst. Mir "erscheint" ein Apfel - aber das heißt nicht zwingend, dass es ihn auch wirklich unbedingt geben muss. Ganz sicher weiß ich das nur von der Erscheinung des Apfels, die ich habe.

 

So besitzen wir also über unser eigenes Bewusstsein und seine Inhalte eine unmittelbare Kenntnis, über die physische Welt "außerhalb" unseres Bewusstseins aber nur eine indirekte: Wir schließen (bewusst oder unbewusst) von unserem bewussten Erleben auf das, was "außerhalb" des Bewusstseins ist.

 

Der viel gescholtene Descartes hatte diesen durchaus richtig gesehen, was immer man sonst auch Kritisches über seinen Ansatz sagen mag. Seine Überlegung war, was man denn überhaupt bezweifeln könnte, und wo der Zweifel an sein Ende gerät. Es ist eine Art Gedankenexperiment. Weil das Copyright längs erloschen ist, darf ich aus seinen Meditationes ausführlicher zitieren:

 

"Alles nämlich, was ich bis heute für das Allerwahrste hingenommen habe, empfing ich unmittelbar oder mittelbar von den Sinnen; diese aber habe ich bisweilen auf Täuschungen ertappt, und es ist eine Klugheitsregel, niemals denen volles Vertrauen zu schenken, die uns auch nur ein einziges Mal getäuscht haben.

Indessen, wenn uns auch die Sinne zuweilen über kleine und ferner liegende Gegenstände täuschen, so ist doch vielleicht das meiste andere derart, daß ein Zweifel ganz unmöglich ist, wiewohl es auch aus den Sinnen herrührt, so z. B. die Wahrnehmung, daß ich hier bin, am Ofen sitze, meinen Winterrock anhabe, dies Papier hier mit den Händen berühre u. dgl. Wie könnte ich leugnen, daß diese Hände, dieser ganze Körper mein sind? [...]

Trefflich fürwahr! Bin ich denn nicht ein Mensch, der nachts zu schlafen pflegt und dann alles das, und oft noch viel Unglaublicheres im Traume erlebt, wie jene im Wachen? Wie oft aber erst glaube ich nachts im Traume ganz Gewöhnliches zu erleben; ich glaube hier zu sein, den Rock anzuhaben und am Ofen zu sitzen – und dabei liege ich entkleidet im Bette!

Jetzt aber schaue ich sicherlich mit ganz wachen Augen auf dies Papier. Dies Haupt, das ich bewege, ist nicht vom Schlafe befangen. Mit Überlegung und Bewußtsein strecke ich diese Hand aus und habe Empfindungen dabei. So deutlich würde ich nichts im Schlafe erleben!

Ja, aber erinnere ich mich denn nicht, daß ich auch schon von ähnlichen Gedanken in Träumen getäuscht worden bin? – Während ich aufmerksamer hierüber nachdenke, wird mir ganz klar, daß ich nie durch sichere Merkmale den Schlaf vom Wachen unterscheiden kann, und dies macht mich so stutzig, daß ich gerade dadurch fast in der Meinung bestärkt werde, daß ich schlafe. [...]

 

Nun ist aber doch meinem Geiste eine gewisse althergebrachte Meinung eingeprägt, es gebe einen Gott, der alles kann; von dem sei ich, so wie ich da bin, geschaffen worden. Woher aber weiß ich, daß dieser es nicht etwa so eingerichtet hat, daß es überhaupt gar keine Erde, keinen Himmel, nichts Ausgedehntes, keine Gestalt, keine Größe, keinen Ort giebt, und daß trotzdem alles dies mir genau so wie jetzt da zu sein scheint?[19] [...]

 

Aber ich habe mir ja eingeredet, es sei gar nichts in der Welt, kein Himmel, keine Erde, kein Geist, kein Körper: also bin doch auch ich nicht da? – Nein, ganz gewiß war ich da, wenn ich mir dergleichen eingeredet!

Aber giebt es nicht irgend einen sehr mächtigen, sehr schlauen Betrüger, der mit Absicht mich immer täuscht –?

Ganz zweifellos bin aber eben darum auch ich, wenn er mich täuscht; mag er mich nun täuschen, soviel er kann, das wird er doch nie bewirken können, daß ich nicht sei, während ich denke, ich sei etwas! und nachdem ich so alles wieder und immer wieder erwogen habe, muß ich schließlich konstatieren, daß der Satz: „Ich bin, ich existiere“ unbedingt wahr ist, so oft ich ihn ausspreche oder denke.[21] [...]

 

Aber was bin ich denn nun? – Ein denkendes Wesen! Was bedeutet das? – Ein Wesen, das zweifelt, erkennt, bejaht, verneint, will, nicht will, auch vorstellt und empfindet.[24] – In der That, nicht wenig, wenn das alles zu meinem Wesen gehören soll!

Doch warum sollte es nicht dazu gehören? Bin ich es nicht selbst, der ich fast alles bezweifle, der ich aber doch immerhin Etwas erkenne, dies Eine bejahe, alles andere verneine, aber noch mehr erkennen will, und dabei nicht will, daß ich getäuscht werde, der ich mir selbst unwillkürlich vielerlei vorstelle, vieles aber auch empfinde, als käme es von den Sinnen her?

Giebt es hierbei etwas, das nicht genau ebenso wahr wäre als mein Sein? – selbst wenn ich immer träumte; selbst wenn der, der mich erschaffen, mich täuschte, soviel er vermag?

Ist denn alles dies etwas Anderes als mein Denken? Kann von alledem etwas ohne mein Ich gedacht werden?

Daß ich es bin, der da zweifelt, erkennt, will, das ist so offenbar, daß sich überhaupt nichts finden läßt, wodurch man es mehr verdeutlichen könnte! Ich bin aber ferner auch derselbe, der vorstellt; denn wenn vielleicht auch, wie ich einmal angenommen habe, gar kein vorgestelltes Objekt wahr wäre, so besteht doch das Vorstellen selbst als ein Vermögen, das einen Teil meines Denkens ausmacht. Ebenso bin ich es auch endlich, der empfindet, oder der körperliche Gegenstände wahrnimmt, als ob er Sinn hätte. So sehe ich Licht, höre Geräusch, fühle Wärme.

Aber das ist ja nicht richtig; ich träume ja! Nun wohl, aber sicherlich ist mir doch so, als ob ich sehe, höre, warm werde; dies kann nicht falsch sein, dies ist es eigentlich, was in mir „Empfinden“ heißt, und genau so in dieser Auffassung ist das Empfinden eben nichts Anderes als Denken."

[Anmerkung: Mit "Denken" bezeichnet Descartes alle bewussten bzw. kognitiven Prozesse überhaupt.]

 

Descartes ist viel kritisiert worden - auch bzw. von Philosophen. Man muss ihm allerdings zweierlei zugute halten: Seine Zweifel sind methodischer Natur, das heißt es geht ihm nicht um Argumente für den Skeptizismus, sondern darum, das Wissen generell auf sichere Grundlagen zu stellen. Inwieweit ihm das gelungen ist, ist eine andere Frage. (Sein Projekt war wohl doch überambitioniert.)

 

Zweitens hat er damit recht, dass unser Wissen um die Welt "außerhalb unseres Bewusstseins" uns nicht unmittelbar gegeben ist (sondern eben nur durch unser Bewusstsein) und dass sie zumindest nicht diese absolute Unbewzweifelbarkeit für uns besitzt wie unser eigenes Bewusstsein - selbst wenn die Existenz der bewusstseins-transzendenten Welt sicherlich jenseits aller ernsthaften Zweifel gegeben ist.

 

Da die physische Welt außerhalb unseres Bewsstseins uns nicht unmittelbar, sondern nur über unser Bewusstsein gegeben ist, ist es auch eine legitime Frage, wie wir um sie wissen. Meine Frage lautet hier m.E. wohlgemerkt nicht, ob wir um diese Welt um uns herum wissen, sondern wie. Diese Frage ist weitgehend gleichbedeutend mit der, wie wir wissen, dass die Sinneseindrücken, die wir in unserem Bewusstsein haben, eine Ursache in einer physischen Welt haben.

 

Was nun die Sinneswahrnehmung (bzw. empirische Prüfung) betrifft, so brauchen wir sie für das Erkennen unseres Bewusstseins und seiner Inhalte nicht "direkt". Wir nehmen unser Bewusstsein ja nicht sinnlich vermittelt wahr, wir sehen, hören und fühlen es nicht - vielmehr sind wir sind uns seiner unmittelbar gewahr. (Sonst hätte man - wie immer, wenn es nur mittelbares und kein unmittelbares Wissen geben soll - übrigens auch wieder das Problem des unendlichen Regresses.) Sofern man also das Wissen um das Bewusstsein und seine Inhalte als "empirisch" bezeichnen möchte, dann doch nur, insoweit es in den Bereich der Erfahrung im allgemeinen Sinne gehört. 

 

Was andererseits den Sprung von der Sinneswahrnehmung zur realen äußeren Welt angeht, so kann keine Sinneserfahrung allein ihn leisten. Denn soweit wir zu unserer Sinneserfahrung unmittelbaren Zugang haben, ist sie etwas, was in unserem Bewusstsein stattfindet.

 

Um zur realen Welt "außerhalb" unseres Bewusstseins zu gelangen, müssen wir etwas einsehen, was sich selbst nicht sinnlich prüfen lässt: Dass die einzig vernünftige Erklärung, die es für unsere Sinneserfahrung gibt, in einer realen Welt liegt, durch welche sie verursacht wird. Dass jede andere Erklärung zwar nicht schlechterdings unmöglich, aber doch äußerst unplausibel wäre. Was man noch im Detail ausführen kann.

 

Es ist also letztlich eine abduktive Rechtfertigung: Der Schluss vom Gegebenen auf die beste - oder die einzige sinnvolle - Erklärung.

bearbeitet von iskander
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vor 20 Stunden schrieb iskander:

Descartes ist viel kritisiert worden - auch bzw. von Philosophen. Man muss ihm allerdings zweierlei zugute halten: Seine Zweifel sind methodischer Natur, das heißt es geht ihm nicht um Argumente für den Skeptizismus, sondern darum, das Wissen generell auf sichere Grundlagen zu stellen. Inwieweit ihm das gelungen ist, ist eine andere Frage. (Sein Projekt war wohl doch überambitioniert.)

 

Zweitens hat er damit recht, dass unser Wissen um die Welt "außerhalb unseres Bewusstseins" uns nicht unmittelbar gegeben ist (sondern eben nur durch unser Bewusstsein) und dass sie zumindest nicht diese absolute Unbewzweifelbarkeit für uns besitzt wie unser eigenes Bewusstsein - selbst wenn die Existenz der bewusstseins-transzendenten Welt sicherlich jenseits aller ernsthaften Zweifel gegeben ist.

 

Descartes' Fehler war und ist der der philosophischen Erkenntnistheorie überhaupt. Sie geht von einem "Ich" aus, das vor aller Zeit existiert und prinzipiell isoliert von allen anderen Menschen (denn die sind ja Teil der Welt "außerhalb unseres Bewußtseins").

 

Nur ist unser Bild unseres Bewusstseins ebenso eine Konstruktion unseres Gehirns wie Die Welt "außerhalb". Wenn an letzterem Zweifel anzubringen sind, dann auch an ersterem.

 

vor 20 Stunden schrieb iskander:

Da die physische Welt außerhalb unseres Bewsstseins uns nicht unmittelbar, sondern nur über unser Bewusstsein gegeben ist, ist es auch eine legitime Frage, wie wir um sie wissen. Meine Frage lautet hier m.E. wohlgemerkt nicht, ob wir um diese Welt um uns herum wissen, sondern wie. Diese Frage ist weitgehend gleichbedeutend mit der, wie wir wissen, dass die Sinneseindrücken, die wir in unserem Bewusstsein haben, eine Ursache in einer physischen Welt haben.

 

Was nun die Sinneswahrnehmung (bzw. empirische Prüfung) betrifft, so brauchen wir sie für das Erkennen unseres Bewusstseins und seiner Inhalte nicht "direkt". Wir nehmen unser Bewusstsein ja nicht sinnlich vermittelt wahr, wir sehen, hören und fühlen es nicht - vielmehr sind wir sind uns seiner unmittelbar gewahr. (Sonst hätte man - wie immer, wenn es nur mittelbares und kein unmittelbares Wissen geben soll - übrigens auch wieder das Problem des unendlichen Regresses.) Sofern man also das Wissen um das Bewusstsein und seine Inhalte als "empirisch" bezeichnen möchte, dann doch nur, insoweit es in den Bereich der Erfahrung im allgemeinen Sinne gehört. 

 

Unser Bewusstsein nimmt sich selbst ebensowenig unmittelbar wahr wie sein Umwelt. Daß dein Weltbild damit nicht klar kommt, ist kein Einwand, sondern liegt einfach an deinem Weltbild. ;)

 

vor 20 Stunden schrieb iskander:

Was andererseits den Sprung von der Sinneswahrnehmung zur realen äußeren Welt angeht, so kann keine Sinneserfahrung allein ihn leisten. Denn soweit wir zu unserer Sinneserfahrung unmittelbaren Zugang haben, ist sie etwas, was in unserem Bewusstsein stattfindet.

 

Damit ist das auch kein "Sprung", sondern prinzipiell erst einmal kein Unterschied.

 

vor 20 Stunden schrieb iskander:

Um zur realen Welt "außerhalb" unseres Bewusstseins zu gelangen, müssen wir etwas einsehen, was sich selbst nicht sinnlich prüfen lässt: Dass die einzig vernünftige Erklärung, die es für unsere Sinneserfahrung gibt, in einer realen Welt liegt, durch welche sie verursacht wird. Dass jede andere Erklärung zwar nicht schlechterdings unmöglich, aber doch äußerst unplausibel wäre. Was man noch im Detail ausführen kann.

 

Es ist also letztlich eine abduktive Rechtfertigung: Der Schluss vom Gegebenen auf die beste - oder die einzige sinnvolle - Erklärung.

 

Na, erst einmal wäre es sinnvoll, sich ein realistischeres Bild von dieser Welt zu machen, einschließlich seiner selbst. Der erste Schritt ist die Erkenntnis, daß wir nicht alleine sind, daß jeder von uns nicht nur seine Sprache, sondern auch seine Art zu Denken und zu fühlen von anderen lernen muß, die vor ihm waren. Das gilt übrigens auch für diese Form der Descartes'schen Selbstwahrnehmung, die du ja nicht selbst entwickelt, sondern aus der philosophischen Literatur übernommen hast. 

 

Deine Umwelt wahrzunehmen, andere Menschen ebenso wie Gegenstände, aber auch schon Begriffe von Gegenständen wie Zusammenhängen, wie auch die Art, wie Menschen unserer Gesellschaftsstufe sich selbst wahrnehmen, hast du mit der Sprache der Eltern und anderer Erwachsener aufgeschnappt, bevor du auch nur in der Lage warst, dir eigenen Gedanken zu machen. 

 

Das Bild von dir als autonomem Individuum, das durch seine Augen auf eine erst einmal von dir selbst getrennten Außenwelt schaut, gehört dazu, wie auch die Vorstellung, diese Art zu denken, sei allen Menschen gemeinsam (was übrigens einer der Gründe ist, warum wir im sogenannten Westen weite Teile der anderen Welt nicht verstehen). 

 

Der einzige Weg zu einem realistischeren Weltbild vom eigenen "Ich" wie der Welt, in der wir leben, und von der wir ein Teil sind, ist also erst einmal, diese philosophische Erkenntnistheorie hinter sich zu lassen, die von der Fehltheorie einer prinzipiellen Trennung zwischen Individuum und "Außenwelt" ausgeht, und zu einer soziologischen Wissenstheorie zu kommen.

 

Dazu muß man allerdings einen Schritt zurücktreten, sich selbst aus einer größeren Entfernung betrachten. Dann sieht man sich selbst aufwachsen in einer Gesellschaft von Menschen, unentrinnbar auf andere angewiesen, und zu lernen, wie man sich in dieser Welt verhält und orientiert, um zu überleben. 

 

Dann sieht man, daß alle unsere Vorstellungen, die von uns selbst wie die unserer Umwelt, über Generationen entstanden und weitergegeben wurden. Diese Vorstellungen waren die Orientierungsmittel der Menschen, um sich in einer ihnen grundsätzlich unbekannten Umgebung zu überleben und sich zu behaupten. Da uns diese Orientierungsmittel nicht angeboren sind, es sogar viel dafür spricht, daß gerade das Fehlen angeborener Verhaltensweisen die unabdingbare Voraussetzung unserer Anpassungsfähigkeit ist, haben sich diese Orientierungsmittel über Generationen entwickelt.

 

Wenn die Weitergabe dieser Orientierungsmittel aus irgendwelchen Gründen nicht funktionierte, haben Menschen sie auch wieder verloren. Das ist in Europa in großem Maße während der Völkerwanderungszeit passiert, in Arabien während der Eroberung durch die Mongolen, in Amerika während der Einwanderung der Europäer. Immer haben ganze Bevölkerungsgruppen ihre kulturellen Errungenschaften, ihr Wissen, ihr Denken und die Art ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen verloren, und meistens auch ihre Sprache. 

 

Der Schritt von einer philosophischen zu einer sozioloschen Erkenntnis- und Wissenstheorie ist also mehr ein paar andere Argumente oder Prämissen. Es ist ein Perspektivwechsel weg vom homo philosophicus, der als isoliertes, alters- und beziehungsloses "Ich" erst einmal verständnislos in eine von ihm durch eine unsichtbare aber umüberwindliche Mauer von der "Außenwelt" getrennt ist, hin zu einem Bild einer "Gesellschaft der Individuen", in der jeder aufbaut auf und hineinwächst in das Wissen derjenigen, unter denen er heranwächst, einer Welt, in der zahlreiche Menschen durch erst einmal unsichtbare, aber doch wirkungsvolle Zwänge aneinander gebunden sind, in der wir ein untrennbarer Teil dessen sind, was wir als "Außenwelt" wahrnehmen.

 

Es geht also nicht um ein paar neue Argumente, sondern um ein vollkommen anderes, weit realistischeres Bild. Aber dieses realistischere Bild kommt zu einem Preis (wie realistischere Bilder das oft an sich haben), dem Preis des Verlusts der Selbstwahrnehmung als unabhängiges, autonomes, grundsätzlich von anderen getrenntes Individuum. Der Gewinn ist allerdings erheblich. Man kommt weg von abstrakten, weltfremden philosophischen Diskussionen (umso weltbewegende Fragen, ob der Tisch vor mir wirklich ein Tisch ist), hin zu einem realistischeren Bild (der Komparativ ist hier entscheidend) der Entwicklung menschlichen Gesellschaften und der sie bildenden Individuen, von denen man selbst schließlich eines ist. 

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Wenn man dieses Bild von der Kette der Generationen erst einmal im Kopf hat, dann drängt sich sofort ein weiterer Gedanke auf. Nicht nur ist jeder von uns Teil einer solchen Kette, setzt jeder von uns nur fort, was andere Menschen ihm beigebracht haben. Auch diese Kette der Generationen selbst hat keinen Anfang. Es gab keinen "ersten" Menschen, niemanden, der auf einmal zu sich selbst kam und sich in einer ihm fremden Umgebung befand.

 

Nicht nur Descartes und seine Zeitgenossen waren Teil einer Gesellschaft der Individuen, deren Wissen und Traditionen das bestimmten, worauf sie ihre gedanklichen Bemühungen aufbauten. Selbst der fernste Australopithecus wuchs auf ein einer Gruppe, die das Wissen ihrer Zeit besaß, ausreichend um unter den damaligen Umständen zu überleben.

 

Das Wissen, was selbst die ersten Homo Sapiense besitzen mußten, um in ihrer Umwelt zurechtzukommen, kann nicht klein gewesen sein. Auch ihre Kindheit dauerte viele Jahre, und es scheint mir kein Zufall, daß es bis heute keine Gruppe von Neuzeitmenschen geschafft hat, mehr als ein paar Wochen unter den Bedingungen auch nur der frühen Steinzeit ohne neuzeitliche Hilfsmittel zu überleben. Das Wissen dagegen, das heutige Zeitgenossen haben müssen, um im Germanien des Bürgergeldes über die Runden zu kommen, kann man in einem Tag erwerben. 

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Am 27.1.2024 um 22:12 schrieb Marcellinus:

Descartes' Fehler war und ist der der philosophischen Erkenntnistheorie überhaupt. Sie geht von einem "Ich" aus, das vor aller Zeit existiert und prinzipiell isoliert von allen anderen Menschen (denn die sind ja Teil der Welt "außerhalb unseres Bewußtseins").

 

Nein. Descartes geht erst einmal von dem aus, was ihm ganz unmittelbar bewusst ist. Er bezweifelt alles, was er als nicht für völlig sicher erkennbar hält (um dann am Ende doch wieder unser "Weltwissen" retten zu wollen). Insofern gelangt er zu seinem eigenen Bewusstsein als erkenntnistheoretischer Basis, weil hier für ihn erst das Unbezweifelbare erreicht ist.

Aber er glaubt nicht, dass sein "Ich" ewig ist. Im Gegenteil fasst er (was nur konsequent ist) sogar ausdrücklich die Möglichkeit ins Auge, dass er nur gerade so lange existiert, wie er bei Bewusstsein ist. Bei Descartes ist das "Ich" also keineswegs "gottgleich". Descartes glaubt auch nicht, dass es außer seinem Bewusstsein nichts gäbe, sondern lässt alles andere nur (vorerst) als zweifelhaft beiseite, nachdem er dort die Möglichkeit eines Irrtums nicht ausschließen konnte. 

 

Man kann das alles für zu radikal halten, und tatsächlich ist das selten der Ansatz in der philosophischen Erkenntnistheorie gewesen. Meistens ging man von unserer ganz normalen Wirklichkeitserfahrung aus, ohne eine solch radikale Skepsis durchzuspielen (auch wenn manchmal auf skeptische Argumente eingegangen wurde). Gewöhnlich war durchaus erst einmal die ganz normale sinnlichen Erfahrung der Ausgangspunkt, wie bei Aristoteles. Insofern war der Ansatz von Descartes radikal und neu und eigentlich gerade nicht typisch für das meiste an Erkenntnistheorie, was bisher geherrscht hatte.

 

Eines sollte man sich hier jedoch eines vor Augen halten: Unsere Sinneswahrnehmung hat (grob schematisiert) eine physiologische und eine bewusste Seite. Es gibt also einerseits den Vorgang, dass beispielsweise Licht in unser Auge fällt, dass Sinneszellen angeregt werden, dass elektrische Impulse an unser Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet werden usf. Das ist das eine.

Und dann gibt es andererseits das "bewusste (visuelle) Bild" in unserem Bewusstsein. Dieses wäre sozusagen die "subjektive" Seite der Wahrnehmung. ("Subjektiv" heißt hierbei nicht "irreal", sondern hebt darauf ab, dass etwas nur existiert, sofern es von einem Subjekt erlebt wird; das gilt etwa für unsere Gedanken, inneren Bilder etc.)

 

Unmittelbaren erkenntnismäßigen "Zugriff" haben wir aber nur auf das "bewusste Bild" bzw. den "subjektiven" Anteil des Wahrnehmungsvorgangs. Alles, was wir über die Welt lernen - auch über die "physiologische" Seite der Sinneswahrnehmung - lernen wir eben immer nur durch die "subjektiven" Bilder, Höreindrücke, Tasteindrücke usw., welche "in" unserem Bewusstsein existieren. Lichtwellen, unsere Sinneszellen, unsere Nerven usw. sind nicht direkt "in" unserem Bewusstsein vorhanden - sondern dort sind höchstens die "bewusste Bilder" von ihnen bzw. die "Gedanken" über sie.

 

Dass den "inneren Bildern" auch eine vom Bewusstsein unabhängige Welt entspricht, können wir deswegen nicht sinnlich feststellen, weil wir eben nur auf denjenigen "Teil" der Sinneserfahrung unmittelbaren Zugriff haben, der "in" unserem Bewusstsein existiert und der somit gerade keinen bewusstseins-unabhängigen Aspekt der Welt darstellt.

 

Unser Zugang zur Welt ist unser Bewusstsein, aber dort finden wir eben immer nur unser Bewusstsein selbst und seine Inhalte (Empfindungen, Bilder, Gedanken...).

Wir können die physische Welt auch nicht logisch zwingend aus unseren bewussten Eindrücken ableiten, weil wir nicht definitiv sagen können, dass die einzige mögliche Ursache für unsere "bewussten Empfindungen" eine physische Realität ist - und dass eine umfassende Täuschung, wie Descartes sie erwägt, schlichtweg undenkbar wäre. (Oder zumindest bräuchte man komplizierte und umstrittene Argumente, wenn man da etwas zwingend beweisen wollte.)

 

Wir können daher nur dies sagen: Die in unserem Bewusstsein vorhandenen Eindrücke und die Erinnerungen, die wir haben, sind von solcher Art und einem solchen Zusammenhang, dass die einzig vernünftige Erklärung die ist, dass es eine physische Welt "außerhalb" unseres Bewusstseins gibt, die uns beeinflusst; alles andere erscheint als hochgradig konstruiert bzw. abwegig.

 

Descartes hat also auch nicht völlig unrecht. Es ist prinzipiell denkbar, dass unsere Wahrnehmung unserer Gehirne, anderer Menschen sowie unsere ganze Biographie eine große Illusion ist. Es wäre sogar denkbar, dass die Welt erst vor drei Sekunden entstanden ist, und dass alles, woran ich mich zu erinnern glaube, eine Pseudo-Erinnerung ist, die mir jemand eingepflanzt hat.

Aber auch dann würde immer noch gelten, dass ich Illusionen habe und eine - in diesem Fall trügerische - Erinnerung. Wer getäuscht wird, der existiert immerhin.   

 

Nicht, dass das für einen vernünftigen Menschen eine ernstzunehmende Option wäre (und auch bei Descartes war der Zweifel letztlich offenbar auch nur ein methodischer). Aber einen ganz direkten (und absolut sicheren) Zugriff habe ich eben nur auf das, was in meinem bewussten Erleben unmittelbar präsent ist, sei es an "Erlebnissen" oder Ideen oder Vorstellungen - und zwar gerade in diesem Augenblick präsent. Alles andere ist abgeleitet, und zwar oftmals auf eine nicht logisch zwingende Weise.

 

 

Am 27.1.2024 um 22:12 schrieb Marcellinus:

Nur ist unser Bild unseres Bewusstseins ebenso eine Konstruktion unseres Gehirns wie Die Welt "außerhalb". Wenn an letzterem Zweifel anzubringen sind, dann auch an ersterem.

 

Nur weiß ich unmittelbar, dass ich existiere und mir meiner bewusst bin. Sollte jemand sagen, das sei eine "Illusion", so wäre meine Frage: Für wen? Wenn für jemand anderen oder etwas anderes als mich, geht es mich nichts an und erklärt auch nicht, wieso ich mir etwas einbilde. Wenn es eine Illusion für mich selbst ist, bin ich offenbar zumindest jemand, der Illusionen haben kann (was immerhin schon mal etwas ist). :D

 

Den Rest, der mir nicht unmittelbar im Bewusstsein gegeben ist - etwa alles, was ich über das Gehirn weiß - muss ich hingegen erst einmal ableiten. Und zwar mithilfe einer langen und im Übrigen nicht im ganz strengen Sinne zwingenden Begründungskette. Ich muss zuerst einmal u.a. Sinneserfahrungen haben und davon ausgehen, dass diese eine reale Welt einigermaßen zuverlässig abbilden, bevor ich dann irgendwann zu dem Schluss gelangen kann, dass mein Gehirn für mein Bewusstsein eine zentrale Rolle spielt.

Das Wissen um das Gehirn und die Abhängigkeit des Bewusstseins steht also nicht am Anfang, sondern am Ende einer langen Begründungskette, die wie gesagt u.a. bei der Sinneserfahrung - und das heißt: beim bewussten Erleben - ansetzt. (Dass das Wissen um das Gehirn nicht der Anfangspunkt der Erkenntnis sein kann, sieht man schon daran, dass die Bedeutung des Gehirns für das Bewusstsein historisch erst recht spät bekannt wurde, lange, nachdem man doch einiges andere wusste.)

 

Und wie bei jeder Begründungskette kann das Ende höchstens so sicher sein wie der Anfang. Mein bewusstes Erleben ist also gewiss mindestens so sicher wie die Existenz meines Gehirns. Das gilt auch dann, wenn die Existenz des Gehirns eine Bedingung für mein Erleben ist. Die Existenz von Kohlestoff-Verbindungen ist auch eine Bedingung für mein bewusstes Erleben. Sie ist aber ebenfalls nicht der Anfangspunkt meines Erkennens (oder des menschlichen Erkennens im allgemeinen), sondern Endpunkt einer langen Beweiskette, und sie ist mir auch nicht sicherer als meine Existenz als bewusstes Wesen. 

 

Am 27.1.2024 um 22:12 schrieb Marcellinus:

Unser Bewusstsein nimmt sich selbst ebensowenig unmittelbar wahr wie sein Umwelt. Daß dein Weltbild damit nicht klar kommt, ist kein Einwand, sondern liegt einfach an deinem Weltbild. ;)

 

Mein Bewusstsein besitzt definitiv unmittelbare Kenntnis seiner selbst. ;)

Wenn ich eine Empfindung, sagen wir von Wärme, bewusst wahrnehme, dann nehme ich eben diese Empfindung bewusst wahr (und bin ich mir zugleich bewusst, dass ich diese Empfindung wahrnehme).

 

Nehmen wir an, bei Dir wäre es anders als bei mir und Du hättest keinen direkten Zugang zu Deinem eigenen Bewusstsein, sondern besäßest vielleicht nur eine Art "geistiges Bild" Deines Bewusstseins und seiner Inhalte (wobei dieses "Bild" womöglich auch noch falsch ist). Hast Du dann zumindest einen unmittelbaren bewussten Zugang zu diesem "geistigen Bild" - und dazu, dass Du es hast? Wenn ja, dann hast Du (gegen die Voraussetzung) eben doch einen unmittelbaren Zugang zu Deinem Bewusstsein und seinem Inhalt.

Falls Dir das geistige Bild jedoch nicht unmittelbar in Deinem Bewusstsein gegeben ist, sondern falls zwischen diesem Bild und Deinem Bewusstsein ein weiteres Bild steht, zu welchem Du auch wieder keinen direkten bewussten Zugang hast usw., dann hast Du einen unendlichen Regress.

 

Und wenn wir den Ausdruck "geistiges Bild" durch "Konstruktion" ersetzen, bringt uns das auch nicht weiter. Nehmen wir an, Du nimmst nicht die Wirklichkeit wahr (etwa die Deines Bewusstseins), sondern nur eine Konstruktion. Wenn nun ebendies - dass Du nur eine Konstruktion wahrnimmst - erneut keine echte Erkenntnis sein soll, sondern wieder nur eine Konstruktion, und wenn das immer so weitergeht, dann würde dieses folgen: Es wäre eine bloße Konstruktion, dass Du eine Konstruktion wahrnimmst, dass Du eine Konstruktion wahrnimmst, dass Du eine Konstruktion wahrnimmst, dass Du eine Konstruktion wahrnimmst ...

Irgendwann muss der Punkt kommen, an dem Du tatsächlich etwas bewusst wahrnimmst (und darum weißt) - und sei es auch nur, dass Du eine Konstruktion wahrnimmst. Ansonsten würdest Du eben gar nichts wahrnehmen bzw. gar nichts wissen - nicht einmal, dass Du Konstruktionen oder eine Kette von Konstruktionen wahrnimmst.

 

Ohne ein unmittelbares Wissen kann es eben überhaupt kein Wissen geben, weil man dann nie einen Punkt erreicht, an dem das Subjekts dem Wissen direkt begegnet. Immer soll ja etwas vermittelnd zwischen dem Wissen und dem Subjekt stehen (und zwar sogar unendlich viel). Und begegnen kann das Subjekt dem Wissen eben nur in seinem Bewusstsein (es sei denn man spräche über ein rein unbewusstes Wissen; aber das ist dann auch kein Wissen im vollen Sinne).

 

Abgesehen davon klingt in Deiner Formulierung an (auch wenn Du es nicht explizit sagst), dass man sich über sein eigenes bewusstes Erleben täuschen und diesbezüglich einer Illusion zum Opfer fallen könnte. Wie ich erläutert habe, ergibt das jedoch keinen Sinn, denn eine Illusion besteht ja in dem Kontrast von "subjektivem Erleben" einerseits und "Wirklichkeit" andererseits. Das setzt aber die die Existenz des Erlebens voraus. Und wo das Erleben selbst die infrage stehende Wirklichkeit ist, da gibt es keine Differenz von Erleben und Wirklichkeit.

 

Was Du vielleicht meinst (und womit Du recht hättest) wäre, dass unsere Wahrnehmung unbewusst bearbeitet und organisiert und gefiltert wird, bevor sind in unserem Bewusstsein erscheint, und dass außerdem das Bewusstsein selbst wieder von komplexen Prozessen abhängt. 

 

Am 27.1.2024 um 22:12 schrieb Marcellinus:

Damit ist das auch kein "Sprung", sondern prinzipiell erst einmal kein Unterschied.

 

Doch, weil wir zu dem, was wir unmittelbar erleben, einen anderen Zugang haben als zur äußeren Welt. Wenn jemand etwas bewusst erlebt, erlebt er es bewusst - ob dem Erleben etwas Reales in der bewusstseins-unabhängigen Welt entspricht, ist eine andere Frage. Wenn jemand etwas sieht, was nicht da ist, dann ist das Gesehene eben nicht da. Dennoch ist immer noch ein bewusstes Erleben da, wie es dem beim Sehen ähnelt. Es ist dann eben eine Halluzination.

 

Unser Zugang zur Welt führt über unser Bewusstsein. Wir haben unmittelbar nichts anderes als uns selbst als bewusste Wesen mit all den Inhalten unseres Bewusstseins. Auch wenn wir von anderen Menschen lernen, nehmen wir deren Kommunikation durch unsere Sinneserfahrung wahr - und diese stellt eine Kette dar, deren finale Glieder eben bewusst bzw. "subjektiv" sind. Das bewusste Erleben ist das unmittelbar Zugängliche; die vom eigenen Bewusstsein unabhängige und verschiedene Welt das mittelbar Zugängliche.

 

Am 27.1.2024 um 22:12 schrieb Marcellinus:

Der einzige Weg zu einem realistischeren Weltbild vom eigenen "Ich" wie der Welt, in der wir leben, und von der wir ein Teil sind, ist also erst einmal, diese philosophische Erkenntnistheorie hinter sich zu lassen, die von der Fehltheorie einer prinzipiellen Trennung zwischen Individuum und "Außenwelt" ausgeht, und zu einer soziologischen Wissenstheorie zu kommen.

 

Es geht nicht darum, hier eine unnötige Trennung durchzuführen, sondern eine Unterscheidung im Hinblick insbesondere auf das primär Gegebene. Jedes Kind ab einem gewissen Alter weiß, dass es etwas erlebt, dass es denkt usw., bevor es das Wort "Gehirn" auch nur gehört hat. Das Wissen um das Gehirn und ähnliches ist abgeleitet aus dem, was mir direkt zugänglich ist: Meine Wahrnehmung und mein Denken. Sei es, dass ich als Forscher arbeite, der das selbst entdeckt, oder dass ich jemand bin, der das nur von anderen lernt.

 

Am 27.1.2024 um 22:12 schrieb Marcellinus:

Es geht also nicht um ein paar neue Argumente, sondern um ein vollkommen anderes, weit realistischeres Bild. Aber dieses realistischere Bild kommt zu einem Preis (wie realistischere Bilder das oft an sich haben), dem Preis des Verlusts der Selbstwahrnehmung als unabhängiges, autonomes, grundsätzlich von anderen getrenntes Individuum. Der Gewinn ist allerdings erheblich. Man kommt weg von abstrakten, weltfremden philosophischen Diskussionen (umso weltbewegende Fragen, ob der Tisch vor mir wirklich ein Tisch ist), hin zu einem realistischeren Bild (der Komparativ ist hier entscheidend) der Entwicklung menschlichen Gesellschaften und der sie bildenden Individuen, von denen man selbst schließlich eines ist. 

 

Viele Philosophen - wahrscheinlich die weitaus meisten - würden das im Prinzip alles unterschrieben. Wir können uns als Menschen nur verstehen, wenn wir uns als soziale Wesen in einer Gemeinschaft mit einer Geschichte betrachten. Ganz richtig.

 

Das ist hier aber nicht der infrage stehende Punkt. Es geht hier darum, dass unser Zugang zu unserer Umwelt, zu unseren Mitmenschen und zur Vergangenheit nur durch unser eigenes Bewusstsein haben, und durch die Wahrnehmungen, Begriffe und Repräsentationen, die wir in ihm finden. Und darum, dass wir unterschiedliche Dinge auf unterschiedliche Weise wissen. Mancher sind wir uns ganz unmittelbar bewusst, während wir andere ableiten - und zwar durch verschiedene Formen von Schlüssen. Das näher zu beleuchten ist eine der legitimen Aufgaben der Erkenntnistheorie. 

 

Philosophie und Soziologie kommen sich weder in die Quere noch ersetzen sie einander. Sie stellen weitgehend andere Fragen. Die Soziologie fragt nach den sozialen Bedingungen von Wissen. Was Wissen aber an und für sich ist, wie man es beispielsweise von bloßer Meinung unterscheidet, welche Formen von Wissen es gibt usw. - das sind philosophische Fragen. Und auch die Soziologie hat einen Wissens-Begriff - entweder ist es ein alltäglicher, unreflektierter, oder ein philosophischer.

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vor 12 Minuten schrieb iskander:
Am 27.1.2024 um 22:12 schrieb Marcellinus:

Nur ist unser Bild unseres Bewusstseins ebenso eine Konstruktion unseres Gehirns wie Die Welt "außerhalb". Wenn an letzterem Zweifel anzubringen sind, dann auch an ersterem.

 

Nur weiß ich unmittelbar, dass ich existiere und mir meiner bewusst bin

 

Nein, daran ist nichts „unmittelbar“, es erscheint dir nur so, aber das gilt für unser Bild von der Welt um uns ebenso. Dein Bewusstsein ist ebenso eine Konstruktion deines Gehirns, wie das Bild des Baumes, den du vor dir siehst.

 

Unser Gehirn erzeugt aus den Wahrnehmungen, die ihm zur Verfügung stehen, Bilder, innerhalb derer wir uns orientieren können. Das Bild des Baumes vor uns ist genauso eine Vereinfachung wie das Bild, das unser Gehirn von uns selbst erzeugt.

 

Das Bild des Baumes ist evolutionär gesagt sogar älter. Beide Bilder sind aber im Prozess der Evolution entstanden, und sie dienen dem gleichen Zweck: dem besseren Überleben, nicht der Erkenntnis. Das ist das Bittere.

 

Daher ist das Bild, dass eine Katze von ihrer Umwelt hat, anders als das eines Hundes, und das wieder anders als unseres, von dem Bild, das eine Biene sich von ihrer Umwelt macht, gar nicht zu reden.

 

Alle diese Bilder sind gleichermaßen „unmittelbar“, was nichts anderes bedeutet, als daß uns der Prozess ihrer Herstellung nicht bewusst ist, nur das Ergebnis, und das sofort und augenblicklich. Liegt einfach daran, dass unser Gehirn sehr viel leistungsfähiger ist als unser Bewusstsein. es merkt die Verzögerung gar nicht.

 

Wieso war nun Descartes das Bild seines eigenen Bewusstseins näher, als das Bild der Umwelt, von der er ein Teil war? Die Antwort ist eine soziopsychologische. Descartes war das Produkt frühbürgerlicher Individualisierung, die zum ersten Mal seit dem Altertum eine Schicht hervorbrachte, deren Leben nicht vom täglichen Kampf ums Überleben bestimmt war, die also Zeit und Muße hatten, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Das Ergebnis kennen wir! ;)

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vor 24 Minuten schrieb iskander:

Philosophie und Soziologie kommen sich weder in die Quere noch ersetzen sie einander. Sie stellen weitgehend andere Fragen. Die Soziologie fragt nach den sozialen Bedingungen von Wissen. Was Wissen aber an und für sich ist, wie man es beispielsweise von bloßer Meinung unterscheidet, welche Formen von Wissen es gibt usw. - das sind philosophische Fragen. Und auch die Soziologie hat einen Wissens-Begriff - entweder ist es ein alltäglicher, unreflektierter, oder ein philosophischer.

 

Das habe ich von dem Verhältnis zwischen Religion und Wissenschaft auch schon mal gehört! Das eine ist so falsch wie das andere. Soziologie ist Teil der Menschenwissenschaften, und die fragen nach Menschen und den Gesellschaften, die sie miteinander bilden.

 

Diese Gesellschaften entstehen in einem Prozess, sie sind ein Prozess, und in dessen Verlauf entsteht auch das Wissen der Menschen. Das alles ist Gegenstand der Menschenwissenschaften. Die Philosophen haben darin schon lange keine Aktien mehr. Sie reden es sich nur ein. 

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vor 2 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Nein, daran ist nichts „unmittelbar“, es erscheint dir nur so, aber das gilt für unser Bild von der Welt um uns ebenso. dein Bewusstsein ist ebenso eine Konstruktion deines Gehirns, wie das Bild des Baumes, den du vor dir siehst.

 

Vielleicht müssten wir erst einmal den Begriff "Konstruktion" klären. Was meinst Du damit? Jedenfalls wollen wir doch wohl nicht so weit gehen, den Begriff so zu verstehen, dass am Ende das Subjekt effektiv "aufgelöst" ist - denn das wäre noch extremer als der Solipsismus.

Und gegebenenfalls: Für wen oder was ist das Bewusstsein eine "Konstruktion"? Für ein subjektloses Gehirn? Für mich selbst als Subjekt?

 

Wenn ich, wie Du sagst, nicht einmal unmittelbar weiß, dass ich Bewusstsein besitze und existiere - wie weiß ich es dann? Mittelbar? Durch was wird dieses Wissen vermittelt? Und muss ich nicht schon um mein Bewusstsein wissen, um dieses "vermittelte" Wissen zu erlangen?

 

Oder soll es heißen, dass ich einfach so konstruiert wäre, dass ich gezwungen bin, zu glauben, dass ich bewusst bin und existiere? Das wäre allerdings gerade kein Wissen. 

(Und falls wir um etwas so absolut Basales wie unsere Existenz oder unser Bewusstsein nicht wissen könnten: Wie sollten wir dann um andere Dinge, etwa um die Antworten auf komplexe neurophysiologische Fragen wissen, etwa zum Verhältnis von Gehirn und Bewusstsein?)

 

Und wenn Du meinst, dass es mir "nur so erscheint", dann meinst Du doch, dass es mir wirklich so erscheint? (Du behauptest ja kaum, dass es mir nur so erscheint, dass es mir so erscheint?)

Woher weiß ich dann aber, dass es mir so erscheint? Ist mir dann wenigstens dieses Erscheinen unmittelbar gegeben?


Dass das "Bild des Baumes" in einem gewissen Sinne eine Konstruktion des Gehirns ist, gebe ich gerne zu. Selbst wenn Du mit Deiner Aussage, dass auch das Bewusstsein eine ebensolche Konstruktion sei (was immer das genau heißen soll) recht hättest, würde das aber doch nichts daran ändern, dass uns unser Bewusstsein und das Bild des Baumes direkter zugänglich sind als der reale Baum selbst. Denn sowohl das Bewusstsein wie das Bild des Baum wären Konstrukte unseres Gehirns, mit denen wir doch irgendwie in Fühlung wären - was man aber so vom realen Baum doch wohl schwerlich sagen könnte. Dass wir zum realen Baum nur einen Zugang durch unser Bewusstsein und unser "inneres" Bild von ihm besitzen, bliebe also doch so oder so bestehen - oder nicht? ;)

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vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Diese Gesellschaften entstehen in einem Prozess, sie sind ein Prozess, und in dessen Verlauf entsteht auch das Wissen der Menschen. Das alles ist Gegenstand der Menschenwissenschaften. Die Philosophen haben darin schon lange keine Aktien mehr. Sie reden es sich nur ein. 

 

Weil die Fragestellungen der Philosophie andere sind! Nochmals: Der Soziologe hat entweder den ungeklärten Alltagsbegriff des Wissens, oder er hat einen philosophischen Begriff.

 

Zudem wundere ich mich etwas, denn ein erheblicher Teil dessen, was Du schreibst, hat mit spezifisch sozialen Aspekten des Wissens doch nicht direkt zu tun. ;)

Du äußerst Dich vielmehr Fragen, die nach allen gängigen Definition unzweideutig philosophisch sind. Es geht dabei eben nicht um spezifisch soziale Aspekte des Wissens. Und Du argumentierst dort auch nicht sozialwissenschaftlich, sondern genau im Stile eines Philosophen: Durch ein abstraktes Erwägen von Gründen

 

Natürlich sind nicht alle Aussagen, die Du tätigst, (entsprechend den üblichen Definitionen) philosophisch - manche Deiner Aussagen kann man sicher auch als "sozialwissenschaftlich" begreifen (wobei das oft eher auf der Meta-Ebene liegt). Aber viele Deiner Äußerungen sind doch nun etwas anderes als sozialwissenschaftlich. Nimm Deine These, dass man nur dort Wissen haben könne, wo es empirische Prüfung gebe. Das ist fast eins zu eins das, was der Empirismus sagt (Wikipedia):

 

"Der Ausdruck Empirismus wird bei Klassifikationen erkenntnistheoretischer Ansätze für Theorien verwendet, denen zufolge Wissen, verstanden als gerechtfertigte wahre Erkenntnis, zuerst oder ausschließlich auf Sinneserfahrung beruht (einschließlich der Verwendung wissenschaftlicher Instrumente)."

 

Ich wüsste nicht, dass je irgendjemand infrage gestellt hätte, dass der Empirismus eine philosophische Tradition ist. Bei Dir mag ein stärkeres falsifikationistisches Element darin sein als beim "klassischen" Empirismus, aber der Falsifiktionsmus gilt ja ebenfalls unbestritten als Philosophie.

 

Und Du legst nun auch keine soziologische Analyse vor, die empirisch die Wahrheit des Empirismus erweisen würde. Das ist keine Kritik, denn das wäre auch zu viel verlangt: Der Empirismus ist weder sozialwissenschaftlich noch sonst irgendwie empirisch prüfbar.

 

Oder ich hatte seinerzeit geschrieben:

 

"Gleichzeitig gibt es aber doch auch Fragen, die eben nicht unmittelbar ins Feld der Soziologie gehören, beispielsweise:

 

Was ist Wissen? Welche Arten von Wissen gibt es überhaupt? Was kann man wissen? Kann Wissenschaft genuines Wissen generieren? (Falls ja, nur "negatives" oder auch "positives"?) Wie viel Theorie fließt bereits in die Beobachtung ein, und untergräbt dieses "Einfließen" die Geltung wissenschaftlicher Resultate? Gibt es im Fall eines Paradigmenwechsels in der Wissenschaft rationale Kriterien, an denen man seine Angemessenheit festmachen könnte?

 

In all diesen Fragen kommen Begriffe, die auf soziale Phänomene qua soziale Phänomene abzielen würden, nicht einmal vor. Würdest Du denn dennoch behaupten, dass all diese Fragen - und zumindest einen Teil von ihnen diskutierst Du ja auch - trotzdem rein "sozialwissenschaftliche" Fragen seien? Falls ja, wie soll man diese Fragen rein sozialwissenschaftlich stellen und beantworten?"

 

Du hattest dann den letzten Abschnitt zitiert und geantwortet:

 

"Nein, ich halte sie für entbehrlich, für ähnlich entbehrlich wie die Frage, ob Adam und Eva die ersten Menschen waren, und ob es den Sündenfall gegeben hat. Es sind Fragen, die außerhalb von Religion und Philosophie keine Bedeutung haben."
 

Ich hatte geantwortet:

 

"Nun thematisierst Du solche Fragen, die Deiner Meinung nach "außerhalb von Religion und Philosophie keine Bedeutung haben", ja aber teilweise selbst. ;)

 

Wenn Du beispielsweise sagst, dass es außerhalb formaler Systeme nur empirisch prüfbares Wissen geben könne, und dass der ganze Rest kein Wissen sei, dann gibst Du damit zugleich doch (implizit) auch eine Antwort auf die Fragen "Welche Arten von Wissen gibt es überhaupt?" und "Was kann man wissen?".

 

Und wenn Du erklärst, dass die Wissenschaft nur "negative" Sachverhalte, nicht aber "positive" beweisen könne, dann ist das effektiv eine Antwort auf die Frage "Kann Wissenschaft genuines Wissen generieren?". Und zumindest die Frage, wo die aktuellen Grenzen der Wissenschaft verlaufen - was die Wissenschaft also zumindest aktuell leisten kann und was nicht - wäre damit ja auch ein Stück weit beantwortet."

 

(Auch zu der Frage, ob es rationale Kriterien für Paradigmenwechsel geben kann, hast Du Stellung genommen: "Paradigmenwechsel sind schlicht Machtwechsel, und sind ohne die die Wissenschaften umgebenden Machtgewichte und -auseinandersetzungen einfach nicht zu verstehen." )

 

Das sind Beispiele. Über große Strecken (nicht generell) tätigst Du Aussagen, die eben nach allen üblichen Definitionen in die philosophischen Disziplinen der Erkenntnistheorie, der Wissenschaftstheorie, der Ontologie und der Metalogik fallen und bei denen es nicht um spezifisch soziale Aspekte des Wissenserwerbs geht; und Deine Meinung untermauerst Du in diesen Fällen auch nicht durch sozialwissenschaftliche empirische Evidenz (und oft nicht einmal durch allgemeine sozialwissenschaftliche Reflexionen), sondern Du argumentierst ähnlich, wie ein Philosoph es an dieser Stelle täte.

 

Gleichzeitig kannst Du die Philosophie nicht ausstehen...das verwundert mich irgendwie. ;)

bearbeitet von iskander
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Um einen womöglich entscheidenden Punkt nochmals hervorzuheben noch dies ergänzend: Begründungs-Ketten (Schluss-Ketten) sind etwa wesentlich anderes als Bedingungs- oder Kausalketten.

 

Beispielsweise bin ich sicherlich durch meine Vorfahren im Mittelalter bedingt: Das heißt, dass ich ohne sie nicht existieren würde. Ihr Leben ist die Bedingung für mein Leben. Um jedoch zu wissen, dass es mich gibt, muss ich nicht wissen, wer meine Vorfahren im Mittelalter waren; ja, ich muss noch nicht einmal wissen, dass ich überhaupt Vorfahren im Mittelalter hatte. ;)

Umgekehrt könnte ich allerdings aus meiner Existenz (zusammen mit dem Wissen, dass jeder, der heute lebt, Vorfahren im Mittelalter hat) schließen, dass ich im Mittelalter Vorfahren gehabt haben muss. Das wäre dann ein Schluss vom Bedingten (meiner Existenz) auf die Bedingung (die Existenz meiner Vorfahren).

 

Oder ein anderes Beispiel: Wenn ich Durst empfinde, fällt der ja nicht aus dem heiteren Himmel. Vielmehr wird er durch bestimmte physiologische Prozesse verursacht, die mir zwar nicht bewusst sind, aber eben ein Durst-Gefühl erzeugen. (Wie genau das im Detail aussieht, weiß ich nicht; sicherlich wird die Natrium-Konzentration im Blut eine Rolle spielen.)

Muss ich nun, bevor ich Durst empfinden kann - und somit wissen kann, dass ich Durst habe -, zuerst wissen, dass bestimmte physiologische Prozesse gerade in mir ablaufen?

Doch gewiss nicht! Ich spüre den Durst einfach; ich fühle mich unmittelbar durstig.

 

Höchstens wird umgekehrt ein Schuh daraus: Wenn ich Durst empfinde und wenn ich zudem weiß, dass ich nur dann durstig bin, wenn bestimmte physiologische Prozesse ablaufen, dann kann ich schließen, dass jetzt in mir bestimmte physiologische Prozesse ablaufen. Ich schließe also hier von der Wirkung auf die Ursache.

 

Die Ketten des Begründens (bzw. Schlussfolgerns) und die Ketten der Bedingungen und Ursachen sind also etwas grundsätzlich verschiedenes!

Sie müssen keineswegs parallel verlaufen. Oft verlaufen sie sogar in "entgegensetzte" Richtungen, nämlich wenn ich vom Bedingten bzw. Verursachten auf die Bedingung bzw. die Ursache schließe. Das, was in der Wirklichkeit "zuerst" kommt (bedingungsmäßig, kausal, zeitlich), kommt in der Begründungskette dann erst Ende; und das, was in der Wirklichkeit zuletzt da ist, kann am Anfang einer Schlusskette stehen.

 

Mir scheint dies extrem wichtig zu sein; und falls es in dieser Frage Diskrepanzen geben sollte, wäre es m.E. wichtig, diese zu klären.

 

Entscheidend ist zudem, dass jede Begründungskette einen Anfang braucht, der unmittelbar gewusst wird und nicht von etwas anderem hergeleitet werden muss - sonst gäbe es gar kein Wissen.

Wenn ich nun Durst habe - also nicht einfach physiologisch Anzeichen des Durstes zeige, sondern wirklich den Durst bewusst spüre: Hat es dann einen Sinn zu sagen, dass ich um meinen Durst nicht unmittelbar weiß? Sondern dass ich das Wissen um meinen Durst irgendwo "herleite" (denn das ist die einzige Alternative)? Noch dazu herleite von etwas, dessen ich mir gar nicht bewusst bin? Ist "sich einer Sache bewusst sein" und "unmittelbar von ihr zu wissen" nicht vielmehr das gleiche?

 

Und stellt die These, dass wir von dem, was in unserem Bewusstsein ist, nichts unmittelbar wissen können, sondern nur von dem, was außerhalb unseres Bewusstseins liegt, die tatsächliche Situation nicht gerade auf den Kopf? Ist es nicht so, dass wir von dem, was wir im Bewusstsein haben, unmittelbar wissen und davon ausgehend auf das schließen, was außerhalb unseres Bewusstseins liegt?

Andernfalls gäbe es doch offenbar gar kein Wissen: Unser bewusstes Wissen würden wir aus etwas folgern müssen, zu dem wir keinen bewussten Zugang haben (wie sollten wir das machen?). Wissen im eigentlichen Sinne ist aber doch bewusstes Wissen. Wenn aber die Anfänge unserer Begründungsketten kein wirkliches Wisse darstellen, dann können die Konklusionen, die sich aus ihnen ergeben, auch kein Wissen sein. Denn das Ende einer Schlusskette ist ja höchstens so gut wie der Anfang. Insofern scheint hier die Möglichkeit von Wissen überhaupt aufgehoben zu sein.

 

(Ob die These, dass wir keinen direkten "wissensmäßigen" Zugang zu unserem Bewusstsein besitzen, aus einer "neuro-konstruktivistischen" Sichtweise folgen würde: Darüber wage ich auf die Schnelle kein Urteil. Das müsste man (oder jedenfalls ich) wohl näher betrachten.)

 

Generell sei auch angemerkt, dass es viele ausgefeilte Theorien über die Welt und unseren Platz in ihr gibt, die in sich erst einmal stimmig wirken mögen, aber an einem Problem leiten: Eigentlich passen wir als erkennende Subjekte in diese Theorien nicht richtig rein. Es gibt für uns als Personen, die zu echter, "gültiger" Begründung und Erkenntnis fähig sind, eigentlich keinen wirklichen Platz mehr. Die Lösung läuft im Grunde dann oft auf eine implizite Elimination heraus. (In Extrem-Fällen sogar auf eine explizite.)

Aber damit schießt man sich in den eigenen Fuß. Denn wenn wir wissen sollen, dass eine bestimmte Theorie wahr ist, oder dass es auch nur wahr ist, dass sie empirisch weitgehend adäquat ist; und wenn wir des weiteren wissen wollen, dass aus ihr bestimmte Dinge für uns selbst, für unsere Beziehungen zu unserer Umwelt, zu unserem Gehirn usw. folgen, dann muss erst einmal dies gelten:

Wir existieren, und zwar als erkennende Subjekte, die grundsätzlich auch in der Lage sind, wahr und falsch zu unterscheiden. Und das heißt insbesondere auch, dass wir in der Lage sein müsse, gültige Begründungsketten zu schmieden, mit deren Hilfe wir etwas folgern können, und dass wir zugleich um die Gültigkeit dieser Ketten zu wissen. (Das ist wie dargelegt auch für die empirische Forschung wahr, denn auch dort braucht man Beweise und Widerlegungen.)

 

Diese Fähigkeit zum Erkennen und Begründen des menschlichen Subjekts muss innerhalb jeder Theorie, die einen Geltungsanspruch erhebt, rekonstruierbar sein. Sonst würde sie sich selbst gewissermaßen den Schemel wegschlagen, auf dem sie stehen möchte.

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Die Philosophie ist, historisch gesehen, der zweite von drei Versuchen der Menschen, sich in dieser ihnen so fremden Welt zu orientieren.

 

Den Anfang machte die Religion, in der die Menschen die Antwort auf Fragen von existenzieller Bedeutung für sie selbst in den Absichten, Handlungen und Zielen von als übermenschliche Personen gedachten Wesen oder Kräften suchten.

 

Der zweite Versuch war die Philosophie, die zwar noch weitgehend die gleichen Fragen stellte, die Antworten aber nicht mehr in übermenschlichen Wesen suchte, sondern in metaphysischen Abstraktionen wie „Wahrheit“ oder „Vernunft“, denen sie mit ihrem eigenen Denken auf die Spur zu kommen hofften.

 

Der dritte Versuch waren die theoretisch-empirischen Wissenschaften, die sich nicht mehr an religiösen oder philosophischen Fragestellungen orientierten, die zwar für die Fragenden von existenzieller Bedeutung sein mochten, sich aber nicht durch Tatsachenbeobachtungen belegen lassen.

 

Stattdessen versuchen die Wissenschaften, Modelle zu entwickeln, die nachprüfbar Zusammenhänge zwischen beobachtbaren Tatsachen beschreiben, womit sie zwangsläufig immer wieder mit religiösen Welterklärungsmodellen zusammenstießen.

 

Die Philosophie nimmt eine merkwürdige Mittelstellung zwischen Religion und Wissenschaft ein. Einerseits lehnt sie Erklärungsmodelle auf der Grundlage von Gottesvorstellungen und Offenbarungen ab. Andererseits beharrt sie darauf, Fragestellungen beantworten zu wollen (und zu können), für die es keine empirischen Belege gibt.

 

So hat die Philosophie Methoden der gedanklichen Kritik entwickelt, die religiösen Überzeugungen die Begründung zu entziehen trachten, und war in dieser Religionskritik auch ziemlich erfolgreich. Es hat die Religionen zwar nicht zum Verschwinden gebracht, ihnen aber weitgehend die rationale Legitimation entzogen.

 

Weniger erfolgreich war die Philosophie da, wo sie selbst versucht, „Wahrheiten“ zu propagieren. Da ihre Fragen empirisch nicht zu belegen sind, scheitern ihre Behauptungen an der gleichen Stelle wie die von ihnen kritisierten Religionen, dem Mangel an Begründung.

 

So erscheinen weite Teile der Philosophie als die verzweifelte Suche nach dem „heiligen Gral“, nach „Eldorado“, oder, wie sie es nennen: der „Wahrheit“. Sich wie die Religion auf das bloße Glauben zurückzuziehen, steht ihnen der Verstand im Weg, und ihre erwünschte Rolle als „Wissenschaft des Geistes“ scheitert zunehmend daran, daß die theoretisch-empirischen Wissenschaften ihrer Metaphysik zunehmend die Existenz streitig machen.

 

Hinzu kommt, daß die eigentliche Qualifikation eines Philosophen darin besteht, die Schriften anderer Philosophen gelesen zu haben und sich mit deren Fragestellungen auseinanderzusetzen. Was sich in den Wissenschaften niemand trauen würde, Autoren von vor hunderten von Jahren als Referenz oder Autorität zu zitieren, ist in der Philosophie vollkommen normal.

 

Da man gleichzeitig jede Frage soweit verallgemeinern kann, daß sie sich wie eine philosophische Frage anhört, halten sich Philosophen zuständig für alles. Sobald man erst im „Allgemeinen“ ist, daß die Philosophen für das „Wesen“ der Dinge halten, ist man auch fern von jeder Sache. Damit wird jede Sachkenntnis entbehrlich und es bleibt ein riesengroßer Anspruch ohne Grundlage.

 

Denn wenn etwas für die Philosophie charakteristisch ist, dann daß sie zwar ständig von „Gültigkeit“ redet, aber nichts hervorbringt, was nicht mit fast den gleichen Gründen bezweifelt werden kann und wenn es mal einer der Philosophen schafft, über die gelegentliche Erwähnung im Feuilleton hinauszukommen, kann er sicher sein, von seinen Standeskollegen für oberflächlich und überschätzt gehalten zu werden.

 

So verkommt die Philosophie, ähnlich wie die Theologie, immer mehr zu einer zirkulären Übung, dreht sich argumentativ im Kreis, und hat nur noch für eine kleine Zahl von Insidern Bedeutung.

 

Philosophie erscheint ihren Anhängern als bedeutend, ja geradezu als unentbehrlich, weshalb sie der Ansicht sind, niemand könne ohne Philosophie sein, man hätte nur die Wahl zwischen einer guten (der ihren) und einer schlechten. Auch das haben sie mit der Religion gemeinsam. Nur steht diesem Anspruch keine wirkliche Bedeutung mehr gegenüber. Die Welt hat sich weitergedreht, und wie es keine außenreligiösen Gründe mehr dafür gibt, religiös zu sein, gibt es auch außerhalb der Philosophie keine Gründe mehr für Philosophie. Sie hatte ihre Zeit, und die ist vorbei.

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@Marcellinus

 

Ein paar Fragen:

 

1) Wo um alles im der Welt hast Du Dein Bild der Philosophie her? (Comte ist, bei allen Verdiensten, nun auch nicht in allen Fragen der Weisheit letzter Schluss.) ;)

 

2) Ist die These, dass Begründung immer empirische Begründung sein müsse, Deiner Meinung nach rein empirisch begründbar und ggf. wie? (Diese Frage ist aus meiner Sicht entscheidend, denn davon hängt ab, ob man Deine Position ohne Selbstwiderspruch vertreten kann.)

 

3) Du gehst doch davon aus, dass Deine wichtigsten Aussagen zumindest wahrscheinlich vernünftig und zumindest wahrscheinlich weitgehend zutreffend sind, oder? Und wir alle gehen davon aus, dass Wissenschaft, wenn sie gut funktioniert, "vernünftiger" ist als das Lesen des Kaffee-Satzes, und wohl auch, dass sie uns der Wahrheit wenigstens näherbringt. Und selbst wenn die Wissenschaft nur etwas widerlegt, beansprucht sie ja, dass die Widerlegung gültig ist und dass es also tatsächlich zutrifft (und nicht nur behauptet wird), dass etwas widerlegt wurde.

Egal, wie bescheiden man den Anspruch an die Wissenschaft konzipiert: Um Begriffe wie "Wahrheit", "Begründung", "Geltung", "Vernünftigkeit" usw. kommen wir nicht herum, sofern wir behaupten wollen, dass (gut funktionierende) Wissenschaft mehr leisten kann als der Kaffeesatz, den ich in meiner Küche habe.

Wieso sollte es dann aber nicht legitim sein, die Begriffe der "Wahrheit", "Begründung", "Geltung" usw. explizit zum Thema zu machen oder sie reflexiv genauer zu klären?

 

4) Man kann im Prinzip jede empirische These vor Falsifikation schützen, indem man einfach geeignete (und notfalls abenteuerliche) Ad-hoc-Einnahmen einführt, um seine Auffassung vor der Widerlegung zu schützen. Empirisch widerlegen kann man diese Ad-hoc-Annahmen nicht, denn man kann jede Widerlegung mit neuen Ad-hoc-Annahmen abwehren. Beispielsweise könnte ich behaupten, dass das Sternenlicht nicht deswegen aus unterschiedlichen Winkeln auf die Erde fällt, weil die Erde um die Sonne kreist, sondern weil Kräfte, Phänomene oder Felder, die uns noch unbekannt sind, das Licht so ablenken, dass auf der Erde ein entsprechender falscher Eindruck entsteht.

Natürlich gehen wir dennoch davon aus, dass es valide empirische Widerlegungen gibt. Dass sie valide sind, lässt sich aber eben nicht empirisch beweisen. Woher wissen wir Deiner Meinung nach aber dann, dass eine Widerlegung gültig ist? Wodurch, wenn nicht durch die Einsicht, dass bei Berücksichtigung aller Daten das Akzeptieren der Widerlegung und das Zurückweisen der Ad-hoc-Annahmen vernünftig ist?

 

5) Es gibt Grundlagen des Erkennens, die in einem gewissen Sinne "vor" jeder empirischen Wissenschaft und gleichzeitig für jedes empirische Forschen unverzichtbar sind. Dazu gehört beispielsweise das Induktions-Prinzip, welches  von der Wissenschaft notwendig gebraucht wird (egal was Popper sagt). Entsprechend bedarf die Wissenschaft andauernd logischer Schlüsse, und zwar deduktiver, induktiver und abduktiver. Diese zu untersuchen und zu rechtfertigen unternimmt sie jedoch nicht. Gleichzeitig ist die rein empirische Begründung der entsprechenden Prinzipien unmöglich, weil sie immer in einem Zirkel enden würde. Welche Alternativen zu einer "philosophischen" Analyse und Begründung bleiben - außer man nimmt eben alles "dogmatisch" hin?

 

6) Was unterscheidet Deine Position grundsätzlich von der philosophischen Richtung des Empirismus (vor allem, wenn man den Empirismus falsifikationistisch interpretiert)?

Schließlich gehören zur Philosophie von Alters her auch "metaphysik-feindliche" Positionen, auch wenn man einen ganz anderen Eindruck gewinnen könnte, wenn man Deien Beiträge liest. ;)

Wäre es aus Deiner Sicht nicht konsequenter zu sagen, dass man der Philosophie durchaus eine große und wichtige Erkenntnis verdanke, nämlich die "Wahrheit des Empirismus"? Oder beanspruchst Du, dass Du im Gegensatz zu den Philosophen die vermeintliche Wahrheit des Empirismus empirisch, sagen wir mal "soziologisch", beweisen könnest?

 

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vor 9 Minuten schrieb iskander:

@Marcellinus

6) Was unterscheidet Deine Position grundsätzlich von der philosophischen Richtung des Empirismus (vor allem, wenn man den Empirismus falsifikationistisch interpretiert)?

Schließlich gehören zur Philosophie von Alters her auch "metaphysik-feindliche" Positionen, auch wenn man einen ganz anderen Eindruck gewinnen könnte, wenn man Deien Beiträge liest. ;)

 

 

Ich würde die gleiche Frage stellen bezüglich der analytischen Philosophie.

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vor 39 Minuten schrieb Domingo:

 

Ich würde die gleiche Frage stellen bezüglich der analytischen Philosophie.

 

Ich verstehe, wie Du auf die Frage kommst, aber "Analytische Philosophie" ist ein weiter und umstrittener Begriff. Es gab ja dieses starken Impuls aus dem "Logischen Empirismus". Dieser war ja ein ganz besonders extremer Empirmismus und Positivismus. Da waren dann Fragen, die nicht empirisch beantwortbar waren, dann nicht mehr nur schlechterdings unbeantwortbar, sondern auch "sinnlos".

 

Die empirischen Wissenschaften galten ohnehin alles und waren eigentlich die einzig genuine Erkenntnisquelle. Im Prinzip eine ähnliche Haltung wie bei @Marcellinus, nur ging es damals mehr um Bestätigung als um die Falsifikation. Die Rolle der Philosophie bestand dann eigentlich in nichts anderem mehr als in einer Analyse jener Sprache, die von den Wissenschaften verwendet wurde, wobei die Philosophie da aber dienende Magd und nicht etwa Herrin war!

 

Das ist insofern bemerkenswert, weil ein Großteil der akademischen Philosophie, insbesondere in der anglophonen Welt, für sich selbst über Jahrzehnte nur ein Nischen-Dasein beanspruchte, während nach Auffassung von @Marcellinus es für offenbar fast die gesamte Philosophie absolut typisch sei, an einer geradezu pathologischen Arroganz zu leiden und dem Rest der Menschheit, insbesondere aber den empirischen Wissenschaften ständig ins Handwerk pfuschen wollen. ;)

 

Diese Tradition (oder auf eine andere Weise auch die der Ordinary-Language-Philosophie) hatten die im angelsächsischen Raum beheimatete Analytische Philosophie erheblich beeinflusst, obwohl es auch von Anfang kritische Stimmen gab.

 

Aber nachdem die Defizite des Logischen Empirismus immer sichtbarer wurden, gilt dieser heute als überlebt. Selbst seine prominenten Anhänger sahen das ein. 

(Ich hatte es in einem anderen Thread schon dies erwähnt: "Beispielsweise antwortete Alfred J. Ayer, ein führender Vertreter des logischen Empirismus, als er zu den Mängeln seines eigenen grundlegendes Buch befragt wurde: 'I suppose the most important [defect]…was that nearly all of it was false.'").

(Womit dann auch noch eine weitere Auffassung von @Marcellinus infragegestelt wird: Dass es in der Philosophie generell nie zu Fortschritten käme und dass es in keiner wichtigen Frage einen (weitestgehenden) Konsens gäbe.)

 

Abgesehen davon ist meine Darstellung natürlich sehr komprimiert und auch etwas vereinfacht, im Kern aber treffend. Unabhängig davon bleibt aber natürlich die Frage, was die Position von @Marcellinus grundlegend von einer empiristisch-falsifikationistischen Überzeugung unterscheidet, und damit von einem Gedankengebäude, welches seit Jahrhunderten -wenn nicht eher seit Jahrtausenden - als "Philosophie" im genuinsten Sinne gilt. Eine unterschiedliche Begründung?

 

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vor 43 Minuten schrieb iskander:

Das ist insofern bemerkenswert, weil ein Großteil der akademischen Philosophie, insbesondere in der anglophonen Welt, für sich selbst über Jahrzehnte nur ein Nischen-Dasein beanspruchte, während nach Auffassung von @Marcellinus es für offenbar fast die gesamte Philosophie absolut typisch sei, an einer geradezu pathologischen Arroganz zu leiden und dem Rest der Menschheit, insbesondere aber den empirischen Wissenschaften ständig ins Handwerk pfuschen wollen. ;)

 

Das ist ein Mißverständnis, das entstanden ist, weil du (und andere an anderer Stelle) nach meinem Eindruck für die Philosophie eine prominente Rolle beanspruchst. Ich habe vor längere Zeit einmal eine kleine Untersuchung gemacht über den Zusammenhang der Entwicklung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und philosophischer Erkenntnistheorie. 

 

Eine kleine Geschichte von Wissenschaft und Philosophie.

 

Ich will einmal versuchen, eine kleine Geschichte von Wissenschaft und Philosophie der letzten Jahrhunderte zu schreiben, festgemacht an jeweils vier ihrer hervorragendsten Vertreter.

 

Nikolaus Kopernikus (1473-1543): In seinem Hauptwerk De revolutionibus orbium coelestium (1543) beschrieb er das heliozentrische Weltbild unseres Sonnensystems.

 

Isaac Newton (1643-1727): Mit seinem Gravitationsgesetz und seinen Bewegungsgesetzen (1686) legte er den Grundstein für die klassische Mechanik.

 

Charles Darwin (1809-1882): Er gilt wegen seiner wesentlichen Beiträge zur Evolutionstheorie (1859) als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler.

 

Albert Einstein (1879-1955): Seine Forschungen zur Struktur von Materie, Raum und Zeit sowie dem Wesen der Gravitation veränderten maßgeblich das physikalische Weltbild. Einsteins Hauptwerk, die Relativitätstheorie (1905/1915), machte ihn weltberühmt.

 

René Descartes (1596-1650): Er gilt als der Begründer der analytischen Geometrie und des neuzeitliche Rationalismus. Sein Ziel war, „eine universale Methode zur Erforschung der Wahrheit“ zu finden. Die einzige Gewißheit sah er im Zweifel am eigenen Denken, „denn auch wenn ich mich täusche, kann ich nicht daran zweifeln, daß ich es bin, der zweifelt“. „cogito, ergo sum“ (1641).

 

David Hume (1711-1776):  Er war überzeugt, die Gewohnheit der Menschen, aus beobachteten Ursache-Folgen-Beziehungen auf eine allgemeine Kausalität zu schließen, sei nicht aus den Erfahrungen der Menschen zu rechtfertigen. Kausalität sei mithin keine Eigenschaft der beobachterunabhängigen Realität, sondern existiere nur im Geiste der menschlichen Betrachter (1740), das, was wir heute Nominalismus nennen.

 

Immanuel Kant (1724-1804): Kant erklärte diese Gewohnheit der Menschen, Begriffe und Kategorien zu bilden, zu einem a priori der menschlichen Vernunft. Kritik der reinen Vernunft (1781), „kopernikanische Wende der Philosophie“

 

Karl Popper (1902-1994): Popper schließlich, der jede Form induktiver Beweise ablehnte, und nur zwischen falsifizierten und noch nicht falsifizierten Theorien unterschied, womit jeder Beweis auf rational nicht begründbaren Voraussetzungen beruht. Logik der Forschung (1934).

 

Damit liegt das „ich denke, also bin ich“ Descartes 100 Jahre nach Kopernikus und seiner Grundlegung der modernen Astronomie, Humes Induktionsproblem und seine Beschäftigung mit der Kausalität über 50 Jahre nach Isaac Newtons klassischer Mechanik und Kant, der die Kategorien des Denkens zu einem a priori menschlicher Vernunft erklärte, sogar noch einmal 40 Jahre später. Popper schließlich veröffentlichte sein „Logik der Forschung“, in dem er schrieb wie Wissenschaften, die er „empirisch“ nannte, seiner Ansicht nach zu verfahren hätten, 75 Jahre nach Darwins Evolutionstheorie und sogar noch 20 Jahre nach Einsteins spezieller Relativitätstheorie.

 

Man kann also mit einigem Recht sagen, daß fast 300 Jahre philosophischer Erkenntnistheorie immer den jeweiligen, bahnbrechenden Erkenntnissen ihrer Zeit gefolgt sind, nicht etwa ihnen vorausgingen. Die vier hier zitierten Philosophen betrieben alle in der Tradition Descartes eine Philosophie des Zweifels. Sie waren in der einen oder anderen Weise alle Nominalisten, überzeugt, daß die Strukturen dieser Welt nicht in den Dingen liegen, sondern im Denken der Menschen.

 

Descartes vertraute noch darauf, daß seine Wahrnehmungen „wahr“ seien, weil Gott ihn schon nicht in die Irre führe würde. Hume, ehrlicher Kerl, der er war, sagte einfach nur, daß er nicht wisse, warum wir die Welt so wahrnähmen, wie wir es tun, Kant meinte Humes Problem zu lösen, indem er unsere Kategorien zu einem a priori der Vernunft erklärte, und nach Popper folgt das menschliche Denken den ewigen Gesetzen der Logik (oder sollte es zumindest tun). Sie alle hielten rationales Denken beim Erwerb und der Begründung von Wissen für vorrangig, verorteten Strukturen allein in ihrer eigenen Vernunft, während sie die Eigenschaften, Strukturen und manchmal sogar die Existenz der Außenwelt für nicht erkennbar hielten.

 

Dabei begann schon spätestens hundert Jahre vor Descartes mit Kopernikus der Aufstieg der theoretisch-empirischen Wissenschaften, die wir Naturwissenschaften zu nennen uns angewöhnt haben. Während David Hume darüber nachdachte, ob ein Tisch noch da ist, wenn wir ihn aus den Augen verlieren, und wieso Menschen in ihrer Welt Ursache-Wirkung-Zusammenhänge sehen, waren Isaac Newtons Gravitations- und Bewegungsgesetze sowie seine zahlreichen Arbeiten zu Optik, Mechanik und Astronomie seit über 50 Jahren bekannt, alles Arbeiten über nachprüfbare Zusammenhänge in dieser Welt, allem philosophischen Skeptizismus zum Trotz. Selbst 90 Jahre nach Newton plagt sich Kant immer noch mit der Frage, woher eigentlich die Strukturen stammen, die die Naturwissenschaftler so erfolgreich unserer Welt abringen, und konnte offenbar zu keiner anderen Erkenntnis kommen, als daß sie im Inneren der menschlichen Vernunft a priori vorhanden seien.

 

Popper schließlich hat mit der Evolutionstheorie von Darwin und der Relativitätstheorie von Einstein die bisher letzten Meilensteine theoretisch-empirischer Wissenschaften vor sich (bzw. hinter sich). Aber am Primat philosophischen Denkens wollte auch er nicht rütteln, an der Illusion des Gelehrten im Elfenbeinturm, der sich nicht vorstellen kann, daß es da draußen, außerhalb seines Denkens, seiner „Logik“, eine erkennbare Welt existiert. Viel schlimmer, eigentlich wußte Popper, daß die Wissenschaften nicht so vorgehen, wie er sich das wünschte, und es kann ihm nicht entgangen sein, daß sie dabei erfolgreich sind, und doch bestand er mit der ganzen Autorität, die er mit 300 Jahren abendländischer Philosophie beanspruchte, darauf, daß Wissenschaften wider besseres Wissen sich so verhalten sollten, wie er es für rational hielt.

 

Ich denke, man kann spätestens jetzt sehen, daß die europäische, philosophische Erkenntnistheorie seit 300 Jahren viel Zeit und Mühe darauf verwendet, den theoretisch-empirischen Wissenschaften hinterherzulaufen. Die ganze vorgebliche „Voraussetzungsmetaphysik“ der Philosophen entpuppt sich so als nachträgliches Räsonieren von der Empore, während andere die Arbeit machen. Die leuchtendsten Vertreter der philosophischen Erkenntnistheorie haben sich, jeder auf seine Weise, nach Kräften bemüht, Zweifel zu schüren an der menschlichen Fähigkeit, sich realistische Modelle von dieser Welt zu machen, um in dieser vermeintlichen Lücke ihre eigene Unentbehrlichkeit zu behaupten, eine Unentbehrlichkeit, die nur in ihrer eigenen Einbildung besteht und verbunden war mit Anstrengungen, die einer besseren Sache wert gewesen wären.

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Am 1.2.2024 um 19:43 schrieb Marcellinus:

Während David Hume darüber nachdachte, ob ein Tisch noch da ist, wenn wir ihn aus den Augen verlieren, und wieso Menschen in ihrer Welt Ursache-Wirkung-Zusammenhänge sehen, waren Isaac Newtons Gravitations- und Bewegungsgesetze sowie seine zahlreichen Arbeiten zu Optik, Mechanik und Astronomie seit über 50 Jahren bekannt, alles Arbeiten über nachprüfbare Zusammenhänge in dieser Welt, allem philosophischen Skeptizismus zum Trotz.

 

Nur dass dieser Skeptizismus eben leider nicht durch die empirische Naturwissenschaft beantwortet wird. Denn auch Hume hätte es ja nicht geleugnet, dass wir bisher die Erfahrung gemacht haben, dass etwa die Vorhersagen von Newtons Theorie bisher eingetroffen sind.

Nur ist mit dieser bisherigen Regelmäßigkeit allein weder Kausalität bewiesen, noch eine vom eigenen Bewusstsein unabhängige "Außenwelt", noch dass die Gesetze von Newton (oder Einstein) auch noch morgen noch gelten werden.

(Tatsächlich gibt es sogar extreme Interpretationen der "Beobachterabhängigkeit" in der Quantenmechanik, die zumindest im Hinblick auf den Anti-Realismus in eine ähnliche Richtung weisen.)

 

Zitat

Selbst 90 Jahre nach Newton plagt sich Kant immer noch mit der Frage, woher eigentlich die Strukturen stammen, die die Naturwissenschaftler so erfolgreich unserer Welt abringen, und konnte offenbar zu keiner anderen Erkenntnis kommen, als daß sie im Inneren der menschlichen Vernunft a priori vorhanden seien.

 

Ich selbst bin sehr kritisch gegenüber einem sehr großen Teil von Kants (theoretischer) Philosophie. Aber das Gros seiner Philosophie (nicht alles) liegt einfach auf einer anderen - und in gewissem Sinne: grundsätzlicheren - Ebene als die empirische Wissenschaft und kann insofern von wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht erschüttert werden. (Dasselbe gilt für Hume.) Eine Kritik an Kant muss in erster Linie eine philosophische sein.

 

Am 1.2.2024 um 19:43 schrieb Marcellinus:

Aber am Primat philosophischen Denkens wollte auch er nicht rütteln, an der Illusion des Gelehrten im Elfenbeinturm, der sich nicht vorstellen kann, daß es da draußen, außerhalb seines Denkens, seiner „Logik“, eine erkennbare Welt existiert.

 

Bist Du sicher? Popper war kein realistisch eingestellter Philosoph? ;)

 

Zitat

Viel schlimmer, eigentlich wußte Popper, daß die Wissenschaften nicht so vorgehen, wie er sich das wünschte, und es kann ihm nicht entgangen sein, daß sie dabei erfolgreich sind, und doch bestand er mit der ganzen Autorität, die er mit 300 Jahren abendländischer Philosophie beanspruchte, darauf, daß Wissenschaften wider besseres Wissen sich so verhalten sollten, wie er es für rational hielt.

 

Was Popper genau wusste oder nicht wusste, weiß nun ich wiederum nicht. ;) Soweit ich mich erinnere, hat er durchaus etwas von Lakatos gelernt, aber zu den Details frag mich jetzt bitte nicht.

Dass Popper sich auf die Autorität von 300 Jahren abendländischer Philosophie berufen hätte, um die Wissenschaften zu etwas zu drängen, wäre mir neu. Ich habe das eher so in Erinnerung, dass er gegen die herkömmliche (insbesondere auch philosophische bzw. wissenschaftstheoretische!) Sichtweise, nach welcher die Induktion für die Wissenschaft eine zentrale Rolle spielt, rebelliert hat.

 

Und bei allem Respekt vor Poppers Leistungen dürfte es in der professionellen Philosophie nur relativ wenige "reine" Anhänger von Popper geben (wenn es überhaupt je allzu viele davon gab). In der Wikipedia heißt es dazu:

 

"Obwohl Poppers Kritischer Rationalismus schon früh viele Anhänger und Sympathisanten unter hochrangigen Wissenschaftlern fand (vor allem Physiker, darunter Albert Einstein,[48] aber auch Nobelpreisträger anderer Fachrichtungen, nämlich Peter Brian Medawar, John Carew Eccles und Jacques Monod), konnte er sich weder in der Wissenschaftstheorie noch in der naturwissenschaftlichen Praxis entscheidend durchsetzen."

 

De Fettungen sind von mir. Denn wo Popper in reiner Form vor allem hochgehalten wird, das sind die empirischen Wissenschaften selbst; aber eben nicht in der Praxis, sondern in dem, was man dort offiziell sagt. Und das dürfte womöglich auch an dem unrealistisch "heroischen" Bild des Wissenschaftlers liegen, das Popper zeichnet: Der Forscher gibt stets sein Bestes, alle seine eigenen Theorien zu widerlegen, und nichts macht ihn glücklicher als der Nachweis, dass alles, was er sich in Jahrzehnten aufgebaut hat, falsifiziert und in die Mülltonne geworfen wird. ;)

 

Zitat

Ich denke, man kann spätestens jetzt sehen, daß die europäische, philosophische Erkenntnistheorie seit 300 Jahren viel Zeit und Mühe darauf verwendet, den theoretisch-empirischen Wissenschaften hinterherzulaufen.

 

Ich zumindest sehe das nicht. Kant war sicher stark von seinem naturwissenschaftlichen Interesse beeinflusst, insbesondere der Newtonschen Physik, und wollte diese - auf seine Weise - gegen die Skepsis verteidigen. Wohlgemerkt gegen eine Skepsis, die selbst nicht naturwissenschaftlich widerlegt werden kann. Aber ihr "nachlaufen"? In welchem Sinne? Descartes arbeitete effektiv an der "Mathematisierung" der Naturwissenschaften mit. Da war er kein Nachzügler, sondern eher Pionier. Und inwiefern wäre Hume der Naturwissenschaft "nachgelaufen"? Und von Popper sagst Du in anderen Worten ja selbst, dass er der Naturwissenschaft gerade nicht "nachgelaufen" sei.

 

Zudem: Soweit man Wissenschaftstheorie betreibt und der tatsächlichen Naturwissenschaft folgt, ist es dann nicht auch legitim, auf die Wissenschaft zu sehen und zu reagieren?

(Dir kann es die Philosophie bzw. Wissenschaftstheorie auch nicht recht machen: Wenn sie der realen Wissenschaft folgt und sich auf diese bezieht, wirfst Du ihr das vor; wenn jemand wie Popper meint, der Naturwissenschaft etwas sagen zu können, ist es aber auch nicht recht. ;) )

 

Und Erkenntnistheorie - und in einem gewissen Sinne auch Wissenschaftstheorie - gab es schon lange vor der modernen Naturwissenschaft. Um nur etwas über Aristoteles zu zitieren:

 

"He [Aristotle] further insists that science (epistêmê) [...] not only reports the facts but also explains them by displaying their priority relations (APo. 78a22–28). [...]

We may, for instance, wish to know why trees lose their leaves in the autumn. We may say, rightly, that this is due to the wind blowing through them. Still, this is not a deep or general explanation, since the wind blows equally at other times of year without the same result. A deeper explanation—one unavailable to Aristotle but illustrating his view nicely—is more general, and also more causal in character: trees shed their leaves because diminished sunlight in the autumn inhibits the production of chlorophyll, which is required for photosynthesis, and without photosynthesis trees go dormant. Importantly, science should not only record these facts but also display them in their correct explanatory order. That is, although a deciduous tree which fails to photosynthesize is also a tree lacking in chlorophyll production, its failing to produce chlorophyll explains its inability to photosynthesize and not the other way around. This sort of asymmetry must be captured in scientific explanation. Aristotle’s method of scientific exposition is designed precisely to discharge this requirement."

 

Zitat

Die ganze vorgebliche „Voraussetzungsmetaphysik“ der Philosophen entpuppt sich so als nachträgliches Räsonieren von der Empore, während andere die Arbeit machen.

 

Was ist "Vorraussetzungsmetaphysik"? Und nochmals: Wenn Wissenschaftstheorie tatsächlich eine Analyse oder Reflexion von empirischer Wissenschaft sein soll, aber nicht empirische Wissenschaft selbst: Ist es dann wirklich illegitim, wenn sie sich "nachträglich" auf die Naturwissenschaft bezieht und dabei der Naturwissenschaft die empirische Arbeit überlässt? Abgesehen davon, dass ich wie gesagt große Zweifel habe, dass die erkenntnistheoretischen Ansätze, über die wir hier sprechen, sich einfach auf eine Reaktion auf naturwissenschaftliche Entwicklungen reduzieren lassen. Und abgesehen auch davon, dass sie - außer bei Popper - etwas anderes bzw. mehr sind als Wissenschaftstheorie.

 

Zitat

Die leuchtendsten Vertreter der philosophischen Erkenntnistheorie haben sich, jeder auf seine Weise, nach Kräften bemüht, Zweifel zu schüren an der menschlichen Fähigkeit, sich realistische Modelle von dieser Welt zu machen, um in dieser vermeintlichen Lücke ihre eigene Unentbehrlichkeit zu behaupten, eine Unentbehrlichkeit, die nur in ihrer eigenen Einbildung besteht und verbunden war mit Anstrengungen, die einer besseren Sache wert gewesen wären.

 

Angesichts des bisher Dargelegten wird es nicht überraschen, wenn ich dieser Diagnose nicht zustimmen kann.

 

1) Sind die von Dir genannten Philosophen die "leuchtendsten Vertreter der philosophischen Erkenntnistheorie"? Da hätte ich aber große Zweifel, insbesondere bei Hume, Kant und Popper. (Popper würde ich als weit eher als Wissenschaftstheoretiker denn als Erkentnnistheoretiker sehen.)

 

2) Descartes und Kant ging es gerade darum, unser (wissenschaftliches) Wissen auf eine möglichst sichere Grundlage zu stellen. Die ehrliche Absicht würde ich keinem der beiden Männer absprechen wollen. Dass der Ansatz von Descartes unbefriedigend und Kants Scheitern geradezu tragisch ist, bestreite ich damit nicht. Auch an Poppers subjektiver Redlichkeit habe ich wenig Grund zum Zweifeln, und das gilt auch für Hume.

Dafür, dass diese Leute - so wie das bei Dir anklingt - nicht ein ernstes Anliegen verfolgt haben, sondern sich nur wichtig machen wollten, dürfe es kaum irgendwelche Indizien geben, weshalb entsprechende Vorhaltungen bestenfalls rein spekulativ sind.

 

3) Die Probleme, die von den von Philosophen wie Descartes oder Hume herausgearbeitet wurden, sind real, auch wenn die von Descartes und Hume gegebenen Antworten unbefriedigend sein mögen bzw. gerade im Fall von Hume ganz unzweifelhaft vollkommen unbefriedigend sind. Es sind Herausforderungen, die auch die Wissenschaft betreffen, von ihr aber nicht gelöst werden können, weil sie eine Stufe darunter liegen. Man denke nur etwa an das Induktionsproblem.

Hier gibt es aus meiner Sicht eigentlich nur drei Möglichkeiten (wenn man mal vom Skeptizismus absieht): a) Diese Probleme ignorieren, b) sich unmittelbar auf den gesunden Menschenverstand berufen oder c) näher untersuchen, warum der gesunde Menschenverstand recht hat. Die Option c) ist nichts anderes als Philosophie. Oder eben als eine bestimmte Form der Philosophie. Denn Philosophie ist mehr als nur die Befassung mit Skepsis.

bearbeitet von iskander
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Die ersten Naturwissenschaftler, namentlich Kopernikus, Galilei, und Kepler, lebten in einer Zeit, in der sich eine große Zahl von Beobachtungen angesammelt hatten, und durch die sich entwickelnde Technik immer neue hinzukamen, die durch die herrschenden Theorien nicht hinreichend erklärt werden konnte.

 

Fast 1.000 Jahre hatte die Kirche und ihre Theologen bestimmt, welche Erklärungsmodelle „gültig“ waren, dh. wie man die Wirklichkeit wahrzunehmen habe, damit sie sich in Übereinstimmung mit dem herrschenden Glauben befanden. So hatte sich eine zunehmende Diskrepanz ergeben zwischen der kirchlichen Welterklärung und den beobachtbaren Tatsachen.

 

Mit der nachlassenden Macht und Kontrolle durch die Kirche und die Unterstützung der sich entwickelnden Staaten bahnte sich langsam ein Perspektivwechsel an, weg von der theologischen Theorie, hin zu einer Orientierung an der beobachtbaren Wirklichkeit.

 

In der Astronomie waren es die Arbeiten der oben genannten Kopernikus, Galilei, und Kepler, in der Kunst entdeckte man die Perspektive wieder, und die Malerei orientierte sich nicht mehr so sehr daran, den christlichen Glauben zu verkünden, sondern stellte die Menschen mit ihrem realistischen Aussehen in den Mittelpunkt.

 

Es war eine Welt, in der die neu entstandenen Naturwissenschaften in großem Umfang Erfolge feierten, in die Descartes hineingeboren wurde. Ausgebildet von Jesuiten, erfolgreich als Soldat im beginnenden 30jährigen Krieg, besuchte er persönlich 1619 die Wirkungsstätten Tycho Brahe (1546–1601) in Prag und die von Johannes Kepler (1571–1630)in Regensburg.

 

Descartes kannte also die Arbeiten von Kopernikus und Kepler. Aber statt sich zu fragen, wie diese bei ihrer erfolgreichen Wissenschaftlichen Arbeit vorgegangen seien, entwickelte er noch im selben Jahr die Idee (vorgeblich nach einer Vision der Jungfrau Maria), es müsse „eine universale Methode zur Erforschung der Wahrheit“ geben, und er sei berufen, sie zu finden. Er „fand“ sie , welch Wunder, in sich selbst und in der Ablehnung aller anderen Erkenntnisquellen, namentlich „äußerer Sinneswahrnehmungen“ oder „religiöser Offenbarung oder Überlieferung“. Nur was er selbst auf „Plausibilität“ und Logik geprüft habe, könne „Geltung begründen“, sollte „Gültigkeit“ als Erkenntnis haben und so zur „Wahrheit“ führen.

 

Descartes gilt als der Begründer des neuzeitlichen Rationalismus, einer philosophischen Erkenntnistheorie, die das rationale Denken beim Erwerb und bei der Begründung von Wissen für vorrangig oder für allein hinreichend hält. Damit verbunden ist eine Abwertung anderer Erkenntnis­quellen, etwa Sinneserfahrung (Empirie) oder religiöser Offenbarung und Überlieferung.

 

Wohl gemerkt, es geht nicht darum, mit einer solchen Methode neue wissenschaftlicher Erkenntnisse zu gewinnen. Tatsächlich wurde der naturwissenschaftliche Fortschritt ja auch von anderen betrieben, nicht von Philosophen. Es ging darum, die Arbeiten anderer zu beurteilen, um ihnen „Gültigkeit“ zu verleihen, oder auch nicht.

 

Descartes nahm für sich in Anspruch, mit seinem „Inneren“ die Rolle der Theologie als Hüterin der „Wahrheit“ zu übernehmen. Mangelndes Selbstvertrauen kann man ihm wohl nicht vorwerfen. Hier nimmt die philosophische Tradition ihren Anfang, von den Wissenschaften philosophische Begründungen für ihre Ergebnisse zu verlangen, und Philosophie die Aufgabe und Fähigkeit zuzusprechen, Methoden zu entwickeln, die die „Geltung“ wissenschaftlicher Erkenntnisse überprüfen und beurteilen können.

 

Daß er damit ganz in der Tradition der Theologie steht, sieht man schon allein daran, daß er diese Methode vor allem verwenden wollte, um einen Gottesbeweis zu führen. Das gelang ihm zwar gerade nicht, dafür aber, den kirchlichen Institutionen weitgehend ihre Legitimation abzusprechen, was die gar nicht gut fanden und mit zahlreichen Verboten beantworteten. Wie überhaupt die Philosophie vor allem geneigt ist, das Wissen anderer in Frage zu stellen (und keineswegs das eigene), nicht eigenes, positives Wissen hervorzubringen.

 

Die Naturwissenschaften sind in ein zweigleisiges Unternehmen. Sie beruhen auf einem Wechsel zwischen Tatsachenbeobachtung auf der einen und Theoriebildung auf der anderen Seite, wobei Theorien von Menschen geschaffene nachprüfbare, gedankliche Werkzeuge zur Orientierung in dieser Welt sind, die Zusammenhänge zwischen beobachtbaren Tatsachen beschreiben, während die Tatsachen zu einer Wirklichkeit gehören, die nicht von uns geschaffen wurde. Naturwissenschaftliches Wissen entsteht da, wo solche Theorien an der beobachtbaren Wirklichkeit getestet werden. Eine weitere „Begründung“ braucht es nicht.

 

Die Philosophie in der Tradition von Descartes ist dagegen eingleisig, spielt sich nur in der Welt der Gedanken ab, in der in Sätzen formulierte Gedanken anderer (oder was man davon verstanden hat) auf ihre „Gültigkeit“ überprüft werden, wobei Logik, „Plausibilität“ und allgemein das eigenen „Innere“ des Philosophen als Maßstab genommen werden.

 

"Die Philosophie unterscheidet sich einerseits von den Naturwissenschaften und andererseits von der Mathematik. Im Unterschied zu den Naturwissenschaften stützt sie sich nicht auf Experimente und Beobachtungen, sondern allein auf das Denken. Im Unterschied zu Mathematik kennt sie keine formalen Beweisverfahren. Man philosophiert einzig, in dem man fragt, argumentiert, bestimmte Gedanken ausprobiert und mögliche Argumente gegen sie erwägt, und darüber nachdenkt, wie unsere Begriffe wirklich beschaffen sind. […] Je grundlegender die Ideen sind, die wir zu erforschen versuchen, umso weniger Werkzeug haben wir hierfür zur Verfügung. Nur weniges darf angenommen oder vorausgesetzt werden. Die Philosophie ist daher eine etwas schwindelerregende Tätigkeit, und nur wenige ihrer Ergebnisse bleiben langfristig unangefochten.“

(Thomas Nagel 1987: Was bedeutet das alles?, S. 8f)

 

Ich halte das für sehr wohlwollend formuliert. Die Philosophie als „Hüterin der Wahrheit“, in der Tradition der Theologie und damit der Kirche, ist mit ihr zusammen gescheitert. Es erscheint mir kein Zufall, daß der Begriff der „Wahrheit“ gerade in letzter Zeit immer wieder zu Legitimation autoritärer Herrschaft verwendet wird. Wissenschaft ist objektiv (an Objekten, Tatsachen orientiert) und damit vorläufig, weil unser Wissen immer unvollständig und vorläufig ist. „Wahrheit“ ist also kein Begriff der Wissenschaften, sondern des Glaubens, dogmatisch und subjektiv, weil am Glauben des Subjekts orientiert.

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vor 15 Stunden schrieb iskander:

Descartes und Kant ging es gerade darum, unser (wissenschaftliches) Wissen auf eine möglichst sichere Grundlage zu stellen.

 

Eine unsicherere Grundlage als das eigene "Innere" gibt es ja wohl nicht! :D

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Zitat

Er „fand“ sie [die universale Methode], welch Wunder, in sich selbst und in der Ablehnung aller anderen Erkenntnisquellen, namentlich „äußerer Sinneswahrnehmungen“ oder „religiöser Offenbarung oder Überlieferung“.

 

Das wird der Sache schlichtweg nicht gerecht. Descartes ging es nicht darum, alle Wahrheit in seinem Inneren zu finden. Dass das absurd wäre, hätte er zweifellos eingeräumt (wenn er es nicht sogar expressis verbis getan hat, das weiß ich jetzt nicht mehr).

Sondern Descartes wollte mithilfe von gewissen Erkenntnissen, die er "in seinem Inneren" fand, eine möglichst absolut sichere und feste Grundlage für alles übrige Wissen zu schaffen. Natürlich auch für das Wissen, das wir mithilfe der "äußeren Sinneswahrnehmung" oder mithilfe naturwissenschaftlicher Methoden erhalten.

 

Am 3.2.2024 um 13:45 schrieb Marcellinus:

Descartes kannte also die Arbeiten von Kopernikus und Kepler. Aber statt sich zu fragen, wie diese bei ihrer erfolgreichen Wissenschaftlichen Arbeit vorgegangen seien, entwickelte er noch im selben Jahr die Idee (vorgeblich nach einer Vision der Jungfrau Maria), es müsse „eine universale Methode zur Erforschung der Wahrheit“ geben, und er sei berufen, sie zu finden.

 

Erneut: Damit wirst Du Descartes nicht gerecht:

 

"Der Discours [de la méthode] bildet eine methodologische Vorrede zu drei naturphilosophischen Abhandlungen Descartes’, die gemeinsam mit ihm herausgegeben wurden: La Dioptrique[1], Les Météores[2] und La Géométrie[3]. Diese Untersuchungen, die Lichtbrechung, Himmelserscheinungen und Analytische Geometrie zum Gegenstand haben (in der Geometrie wird das cartesische Koordinatensystem vorgestellt), stellen bereits eine Anwendung dieses Verfahrens dar: Durch mathematische Modellierung werden die Naturphänomene mit Hilfe allgemeiner Regeln bestimmt, die nach Vermessung und durch schrittweise Berechnung und zwingende Schlüsse auf den Einzelfall angewendet werden."

https://de.wikipedia.org/wiki/Discours_de_la_méthode

 

"Im 2. Punkt spielte die Mathematik eine große Rolle. Es fand eine Mathematisierung der physikalischen Wissenschaften statt. Für Galileo Galilei (1564-1642) und Descartes (1596-1650) und für ihre Nachfolger war das Buch der Natur in der Sprache der Mathematik geschrieben. Das war neu. Sie hatten nur sehr wenige Vorläufer für diese mathematische Weltsicht."

https://philarchive.org/archive/KOHANW-3v1

 

(Fettung i. Orig.)

 

"[Descartes] was a French philosopher, scientist, and mathematician, widely considered a seminal figure in the emergence of modern philosophy and science. Mathematics was central to his method of inquiry, and he connected the previously separate fields of geometry and algebra into analytic geometry. [...] Current popular opinion holds that Descartes had the most influence of anyone on the young Isaac Newton, and this is arguably one of his most important contributions."

https://en.wikipedia.org/wiki/René_Descartes

 

(Fettung von mir)

 

Am 3.2.2024 um 13:45 schrieb Marcellinus:

Wohl gemerkt, es geht nicht darum, mit einer solchen Methode neue wissenschaftlicher Erkenntnisse zu gewinnen. Tatsächlich wurde der naturwissenschaftliche Fortschritt ja auch von anderen betrieben, nicht von Philosophen. Es ging darum, die Arbeiten anderer zu beurteilen, um ihnen „Gültigkeit“ zu verleihen, oder auch nicht.

 

Auch das stimmt so nicht. Siehe oben. Und beachte auch dies:

 

"Together, they [Descartes and Isaac Beeckman] worked on free fall, catenaries, conic sections, and fluid statics. Both believed that it was necessary to create a method that thoroughly linked mathematics and physics.[43] [...]"

https://en.wikipedia.org/wiki/René_Descartes#Physics

 

"Aristotle's [research] research program was first challenged during the 1630s by that of Descartes. Newton's program appeared during the 1680s as a rival to Descartes's, and the revolution ended in the defeat of both Aristotle and Descartes by Newton (Lakatos, 1978). The programs of both Descartes and Newton were, of course, progressive relative to that of Aristotle. Both could account for the motions of comets and the tides, whereas Aristotle's program could not, and each made new predictions not made by its contemporary rival. The Cartesians, for example, could explain why the moon always kept the same face toward the earth and why all planets revolved in the same direction, whereas the Newtonians could explain how the planets exerted forces on each other (Aiton, 1972). [...] Newton's program also included elements from the older Cartesian program, such as action by contact. This is an example of a fruitful exchange between programs, which would not be expected according to the incommensurability thesis."

https://www.beniculturali.unipd.it/www/wp-content/uploads/2013/04/Gholson1985.pdf

 

Ca. 50 Jahre vor Newton hatte Descartes also eine Physik entwickelt, die besser und neuer war als die aristotelische, und von der Newton dann Ideen übernommen hat. Dass Descartes' Physik nicht das Ende der Fahnenstange war, kann man ihm schlecht vorwerfen: Es ist oft so, dass fortschrittliche Theorien in der Wissenschaft dann durch noch bessere ersetzt werden, wie Du ja selbst immer wieder betonst (man denke auch an Newton und Einstein). 

 

Manche gehen, was Descartes' naturwissenschaftliche Leistungen betrifft, sogar noch weiter:

 

"Not only can many of the concepts that make Newton seem ‘revolutionary’ to us already be found in Descartes’ work, I will argue that the view of the universe that Descartes espoused was the genuinely mechanistic view: it is Descartes, and not Newton, whose portrait should adorn every textbook on mechanics. [...] [W]e see that Newton’s famous ‘laws of motion’ are almost identical to Descartes’ three ‘Laws of Nature’. Conservation of momentum, force being proportional to acceleration, action/reaction equivalence – although sometimes in a very different guise, they can all be found in the laws of Descartes!"

https://www.shellsandpebbles.com/2014/06/01/the-father-of-modern-science/

 

Wenn Du insinuierst, dass Descartes ein naturwissenschaftliche Laie und ein "Armchair Philosopher" gewesen sei, der naturwissenschaftliche Methoden durch philosophische ersetzen wollte, dann wirst Du der Sache wirklich nicht gerecht. Nochmals: Descartes wollte mithilfe philosophischer Methoden unter anderem jene Grundlagen festigen, die von der Naturwissenschaft vorausgesetzt, aber nicht bewiesen werden. Die philosophischen Methoden haben also einen anderen Gegenstand bzw. Anwendungsbereich als Mathematik und Sinneswahrnehmung. Dass man für die Naturforschung spezifische Methoden braucht und man nicht einfach "nach innen" schauen kann, war natürlich auch Descartes klar.

 

Auch Immanuel Kant gilt als begabter Naturwissenschaftler, und seine Arbeiten zur Entstehung des Planetensystems (40 Jahre vor Laplace) sind noch heute anerkannt:

 

"Der Kant-Laplace-Theorie wird eine hohe philosophie- und wissenschaftshistorische Bedeutung zugesprochen, da in ihr die Entstehung des Planetensystems ohne Zuhilfenahme einer übernatürlichen Ordnungskraft zu erklären versucht wurde. Noch Isaac Newton hatte eine solche Erklärung für unmöglich gehalten und somit Gott als unverzichtbaren Teil jeder Kosmogonie angenommen. Kant und Laplace können daher als wichtige Vordenker heutiger Theorien zur Kosmogonie gelten."

https://de.wikipedia.org/wiki/Kant-Laplace-Theorie

 

Was das andere angeht, so ist es halt nun einfach der Fall, dass die Naturwissenschaft tatsächlich auf Grundlagen beruht, die sie nicht begründen kann. Das gilt für die Geltung der Logik, für die Induktion (egal was Popper dazu sagt), für die Kausalität und - wenn man die Erkenntnisse der Naturwissenschaft realistisch verstehen möchte - für die Existenz einer vom Bewusstsein unabhängigen Auenwelt. Dass beispielsweise auch nur eines der Naturgesetze morgen gilt, kann naturwissenschaftlich nicht bewiesen werden.

 

Dass das so ist, ist keine Erfindung der "bösen" Philosophen, und es ist auch nicht ihre Schuld. Es ist daher legitim, wenn Philosophen auf solche Probleme aufmerksam machen und versuchen, sie zu lösen. Damit pfuschen sie auch nicht in der Naturwissenschaft herum, weil es hier eben gar nicht um naturwissenschaftliche Fragen geht.

 

Falls Du das anders siehst, wird Dich niemand hindern, die genannten Fragen rein naturwissenschaftlich zu lösen oder zumindest aufzuzeigen, wie das prinzipiell möglich sein könnte. Man kann nach meiner Überzeugung zwar schlüssig zeigen, dass das nicht möglich ist. Aber wenn Du - und da wärest Du dann wohl wirklich ein Pionier - das Gegenteil beweisen oder auch nur plausibel machen kannst, dann soll mir das willkommen sein! ;)

 

Alles andere liefe allerdings darauf hinaus, bestimmte Fragen und Probleme zu ignorieren und diejenigen, die sich mit ihnen befassen, dafür zu kritisieren, dass sie das tun.

 

Am 3.2.2024 um 13:45 schrieb Marcellinus:

Descartes nahm für sich in Anspruch, mit seinem „Inneren“ die Rolle der Theologie als Hüterin der „Wahrheit“ zu übernehmen. Mangelndes Selbstvertrauen kann man ihm wohl nicht vorwerfen. Hier nimmt die philosophische Tradition ihren Anfang, von den Wissenschaften philosophische Begründungen für ihre Ergebnisse zu verlangen, und Philosophie die Aufgabe und Fähigkeit zuzusprechen, Methoden zu entwickeln, die die „Geltung“ wissenschaftlicher Erkenntnisse überprüfen und beurteilen können.

 

Verzeih, aber das ist nun wirklich gar nicht richtig. ;) Siehe das Bisherige.

 

Am 3.2.2024 um 13:47 schrieb Marcellinus:

Eine unsicherere Grundlage als das eigene "Innere" gibt es ja wohl nicht! :D

 

Was immer man an Descartes und Kant kritisieren kann: Dummerweise haben wir einen bewussten Zugang nur zu unserem "Inneren" und dem, was uns dort begegnet. Weil das, was uns nicht bewusst ist, nur durch das erschlossen werden kann, was uns bewusst ist. Unsere bewusstes Erleben bzw. unsere bwusste Erfahrung ist daher zwingend der Ausgangspunkt für alles andere. Wenn ich etwas über die Welt weiß, dann durch mein Bewusstsein. Wir begegnen "der Welt" nicht unmittelbar, sondern durch das Medium unserer Gedanken, Sinneswahrnehmungen, Empfindungen, Erinnerungen usw.

 

Ansonsten läuft Dein Beitrag großteils zum einen darauf hinaus, der Philosophie erstens vorzuhalten, dass sie keine Naturwissenschaft sei (was natürlich stimmt), und zum anderen, dass sie sich in unangemessener Weise in die Naturwissenschaften einmischen wolle. Der einzige von Dir beigebrachte Beleg für die zweite These, der m.E. eine gewisse Plausibilität besitzt, ist allerdings der Hinweis auf Popper. Nur hat Popper die Naturwissenschaft (bzw. ihr Selbstbild, nicht ihre praktische Arbeit) wohl wesentlich stärker beeinflusst als die Philosophie.

 

Könnte es nicht vielleicht doch sein, dass Dein Bild der Philosophie ein wenig zur Einseitigkeit neigt? ;)

 

Das Hauptproblem besteht aus meiner Sicht vielleicht darin, dass spezifisch philosophische Fragen für Dich entweder nicht existent oder unlösbar sind - weshalb Du offenbar meinst, dass die Philosophie dann doch wieder Naturwisseschaft betreibe, nur eben schlchte. Eine relevante philosophische Erkenntnis nicht darzustellen, sondern auch zu begründen, bedarf auch gewähnlich mehr als dreier Zeilen. Dennoch will ich im nächsten Beitrag ein Beispiel versuchen.

bearbeitet von iskander
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vor 47 Minuten schrieb iskander:

Was das andere angeht, so ist es halt nun einfach der Fall, dass die Naturwissenschaft tatsächlich auf Grundlagen beruht, die sie nicht begründen kann.

 

Meinen Philosophen! Wenn man dagegen ihre Vorstellung von "Begründung", die eigentlich eine religiöse-metaphysische ist, nicht teilt, dann nicht. 

 

vor 50 Minuten schrieb iskander:
Am 3.2.2024 um 13:47 schrieb Marcellinus:

Eine unsicherere Grundlage als das eigene "Innere" gibt es ja wohl nicht! :D

 

Was immer man an Descartes und Kant kritisieren kann: Dummerweise haben wir einen bewussten Zugang nur zu unserem "Inneren" und dem, was uns dort begegnet. Weil das, was uns nicht bewusst ist, nur durch das erschlossen werden kann, was uns bewusst ist. Unsere bewusstes Erleben bzw. unsere bwusste Erfahrung ist daher zwingend der Ausgangspunkt für alles andere. Wenn ich etwas über die Welt weiß, dann durch mein Bewusstsein. Wir begegnen "der Welt" nicht unmittelbar, sondern durch das Medium unserer Gedanken, Sinneswahrnehmungen, Empfindungen, Erinnerungen usw.

 

Das ist sachlich einfach falsch! Unser "bewußtes Erleben" ist genau wie jede andere unserer Wahrnehmungen, Sinneseindrücke, Empfindungen und Erinnerung ein Produkt der Evolution, und diente damit nicht der Erkenntnis, sondern dem Überleben - übrigens einschließlich Täuschungen, die unser Gehirn produziert, weil es für unser Überleben offenbar nützlich war. Die Wahrnehmung deines "Inneren" ist ebensowenig unmittelbar wie die der sogenannten "Außenwelt". Nicht böse sein, ich bin nur der Überbringer der schlechten Nachricht. 

 

vor 53 Minuten schrieb iskander:

Könnte es nicht vielleicht doch sein, dass Dein Bild der Philosophie ein wenig zur Einseitigkeit neigt? ;)

 

Nein, es ist schlicht das Bild eines Außenseiters, für den Philosophie keine Bedeutung hat, weil sie für die Außenwelt schon lange nichts mehr von Bedeutung produziert. 

 

vor 53 Minuten schrieb iskander:

Das Hauptproblem besteht aus meiner Sicht vielleicht darin, dass spezifisch philosophische Fragen für Dich entweder nicht existent oder unlösbar sind - weshalb Du offenbar meinst, dass die Philosophie dann doch wieder Naturwisseschaft betreibe, nur eben schlchte. Eine relevante philosophische Erkenntnis nicht darzustellen, sondern auch zu begründen, bedarf auch gewähnlich mehr als dreier Zeilen. Dennoch will ich im nächsten Beitrag ein Beispiel versuchen.

 

Philosophische Fragen, jedenfalls soweit ich sie kennengelernt habe (nein, nicht nur von dir, nicht einmal hauptsächlich), sind Fragen innerhalb einer bestimmten akademischen Tradition, über die die Zeit hinweggegangen ist. Es sind Fragen, die entweder mittlerweile von den Naturwissenschaften beantwortet wurden, oder einfach falsch gestellt sind. Was die Philosophen aber nicht daran hindert, seit Jahrhunderten die immer gleichen Fragen zu diskutieren. Auch darin sich sie der Theologie sehr ähnlich.

 

Das alles ist nicht mein Problem. Mich interessiert die Abgrenzung, wie auch bei der Religion. Es gibt heute keinen außerreligiösen Grund, religiös zu sein. Trotzdem ist es immer wieder interessant, sich über die Frage zu unterhalten, was Religion eigentlich sei, und wo die Grenze zum Nichtreligiösen verläuft. 

 

Ähnlich ist es mit der Philosophie. Sie ist eine in sich geschlossene Tradition, und ich bin der festen Überzeugung, daß es keine anderen als historische Gründe gibt, sich mit Philosophie zu beschäftigen, es sei denn, jemand sieht sich als Teil dieser Tradition. Philosophen pflegen bestimmte Arten, Fragen zu stellen, über diese nachzudenken und dann nach Lösungen zu suchen.

 

Das kann auch für einen Außenstehen durchaus interessant sein, und du hast mir da auch schon zu einigen Einsichten verholfen. Aber anstatt froh darüber zu sein, bist du offenbar unglücklich, daß ich deine Ansichten, so spannend ich sie finde, nicht übernehme. Tja, da haben wir ein Problem, ähnlich dem mit der Religion. Ich versuche, zu verstehen, warum Menschen religiös sind (ok, das ist noch einfach), aber vor allem, was sie darunter verstehen. Ich verrate dir kein Geheimnis: jedesmal, wenn ich das, was ich meinte verstanden zu haben, geäußert habe, bekam ich zur Antwort, ich würde nichts verstehen. ;)

 

Ich vermute, mit der Philosophie ist es genauso. Wie die Theologie ist sie Teil des akademischen Betriebs, aber wie die Religion schon lange nicht mehr Teil der theoretisch-empirischen Wissenschaften. Daß es gerade in den Sozialwissenschaften heftige Vermischungen gibt, ist keine Widerspruch, sondern einfach Ausdruck der Tatsache, daß die Sozialwissenschaften sich noch im Stadium der "Inventurwissenschaften" befinden, wie Harald Lesch das mal so treffend genannt hat. Zwar sammelt man Beobachtung, aber es fehlt an einem erprobten und gesicherten theoretischen Instrumentarium, und weil das so ist, haben auch die allermeisten Beobachtungen nur begrenzten Wert. Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal. 

 

Für dieses Mal bleibt festzuhalten, daß die Erkenntnisse von Religion wie Philosophie Bedeutung nur haben für die, die sich dieser Tradition verbunden fühlen. Für alle anderen, und damit auch für mich, sind sie, wie soll ich sagen?, befremdlich. ;)

 

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vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Meinen Philosophen! Wenn man dagegen ihre Vorstellung von "Begründung", die eigentlich eine religiöse-metaphysische ist, nicht teilt, dann nicht. 

 

Dann wirst Du mir sicher sagen können, wie man - beispielsweise - das Induktionsprinzip nicht-philosophisch begründen kann.

Oder meinst Du einfach nur, dass die Naturwissenschaften faktisch arbeiten können, ohne dass sie oder andere bestimmte Fragen geklärt hätten? Ja, das können sie allerdings!

Aber wenn wir beispielsweise davon ausgehen, dass morgen noch gilt, was die Naturwissenschaften heute herausgefunden haben, dann haben wir die Frage nach der Induktion bereits positiv beantwortet! Das kann man gewiss tun - aber wer etwas ohne Begründung als wahr annimmt, sollte nicht denjenigen kritisieren, der sich um eine Begründung bemüht.

 

vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Das ist sachlich einfach falsch! Unser "bewußtes Erleben" ist genau wie jede andere unserer Wahrnehmungen, Sinneseindrücke, Empfindungen und Erinnerung ein Produkt der Evolution, und diente damit nicht der Erkenntnis, sondern dem Überleben - übrigens einschließlich Täuschungen, die unser Gehirn produziert, weil es für unser Überleben offenbar nützlich war. Die Wahrnehmung deines "Inneren" ist ebensowenig unmittelbar wie die der sogenannten "Außenwelt". Nicht böse sein, ich bin nur der Überbringer der schlechten Nachricht. 

 

Vielleicht reden wir aneinander vorbei? Mit "unmittelbar" meine ich einfach dass ein Wissen, das wir haben, ohne es logisch herleiten zu müssen. Wenn wir keinen unendlichen Regress haben wollen, dann brauchen wir ein solches Wissen - siehe hier. Wenn wir nun von unserem Bewusstsein kein unmittelbares Wissen haben, wovon dann?

 

Wie sich nun unser Erkenntnisvermögen im Laufe der Zeit historisch entwickelt hat oder welche Bedingungen es hat, ist doch erst mal ein anderes Thema. Was sollte es unmittelbar mit der Frage zu tun, was im Hinblick auf einen Begründungszusammenhang die Basis für unser Wissen ist?

 

Und der Unterschied zwischen Begründungszusammenhängen einerseits und Bedingungs- bzw. Kausalzusammenhängen andererseits ist Dir doch bewusst, oder?

 

Die Evolution mag kausal am Anfang stehen - innerhalb einer Begründungskette steht sie jedoch weit am Ende. Sie ist das Ergebnis einer komplexen Beweises. Und wie bei allen Beweisen ist die Schlussfolgerung, die sich ergibt, höchstens so sicher wie die Prämissen und ihre notwendigen Voraussetzungen.

 

Ein Argument dahingehend, dass wir dank der Evolution wissen würden, dass es kein unmittelbares Wissen gebe - und also überhaupt kein Wissen -, wäre selbstaufhebend.

 

vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Philosophische Fragen, jedenfalls soweit ich sie kennengelernt habe (nein, nicht nur von dir, nicht einmal hauptsächlich), sind Fragen innerhalb einer bestimmten akademischen Tradition, über die die Zeit hinweggegangen ist.

 

Damit wir uns nicht (noch mehr) im Kreise drehen, hätte ich zwei Fragen, deren Beantwortung mich wirklich interessieren würde.

 

1) Du vertrittst ja die These, dass es ohne empirische Rechtfertigung bzw. Prüfung kein Wissen gebe. Warum ist das aus Deiner Sicht denn keine bestimmte Spielart der Philosophie, namentlich Empirismus? Also einer "ur-philosophischen" Position?

 

Nun würde jedes Lexikon der Welt Deine Position als "philosophisch" charakterisieren. So schreibt beispielsweise die Wikipedia:

 

"Der Ausdruck Empirismus wird bei Klassifikationen erkenntnistheoretischer Ansätze für Theorien verwendet, denen zufolge Wissen, verstanden als gerechtfertigte wahre Erkenntnis, zuerst oder ausschließlich auf Sinneserfahrung beruht (einschließlich der Verwendung wissenschaftlicher Instrumente). [...]"

 

Dass eine solche Position als "philosophisch" gilt, hat auch seinen Grund. Denn mit einer derartigen These werden ja auch Fragen beantwortet, die ganz Zentrum der philosophischen Erkenntnistheorie stehen: Was für ganz grundsätzliche Arten von Wissen gibt es? Was ist überhaupt "wissbar"?

 

Das sind Fragen, die grundlegender sind als alles, was die Einzelwissenschaften thematisieren. Es geht hier wohlgemerkt auch nicht um spezifisch soziale Aspekte des Wissens, also etwa darum, welche sozialen Bedingungen vorliegen müssen, damit Wissen entstehen kann.

 

Oder sollte das Kriterium dies sein, dass Du Deine Auffassung anders begründest als die Philosophen? Nun erinnere ich mich jedoch nicht, dass Du je irgendwelche empirische Evidenz - etwas sozialwissenschaftlicher Art - vorgelegt hättest, um Deine entsprechende Überzeugung zu beweisen bzw. auch nur "vorläufig zu bestätigen".

 

Weder inhaltlich noch im Hinblick auf die methodische Begründung also scheint sich Deine Auffassung - soweit ich das sehe - vom philosophischen Empirismus zu unterscheiden.

 

Wäre es also nicht sehr viel konsequenter, wenn Du sagen würdest, dass Dich bestimme philosophische Fragen durchaus interessieren? Und das Du nicht die Philosophie im allgemeinen ablehnst, sondern dass Du vielmehr selbst eine ganz bestimmte philosophische Position vertrittst und diese durchaus für richtig und relevant hältst? Und dass Du eben in ihrem Namen alternative bzw. konkurrierende philosophische Auffassungen kritisierst und ablehnst?

 

Wenn nicht, dann würde es mich wirklich interessieren, warum Du - entgegen dem Augenschein - meinst, dass Deine Position keine Philosophie darstelle.

 

2) Soweit ich mich erinnern kann, hast Du niemals den Versuch unternommen, Deine Position, nach welcher Wissen nur das empirisch Prüfbare sein kann, empirisch zu beweisen - weder sozialwissenschaftlich noch auf andere Weise. Dass es auch gar nicht möglich ist, eine solche Position empirisch zu beweisen, sollte offensichtlich sein (ich hatte das in einem anderen Thread sowohl im Hinblick dennoch auch dargelegt). Dieses Problem hatten Philosophen im Hinblick auf den Empirismus schon lange erkannt. Ich hatte ja erst kürzlich Russell zitiert:

 

"I will observe, however, that empiricism, as a theory of knowledge, is self-refuting. For, however it may be formulated, it must involve some general proposition [Satz] about the dependence of knowledge upon experience; and any such proposition, if true, must have as a consequence that [it] itself cannot be known. While therefore, empiricism may be true, it cannot, if true, be known to be so. This, however, is a large problem."

 

Ich sehe hier drei Alternativen:

 

- Du meinst Deine Position nicht strikt, sondern akzeptierst durchaus Einsichten des "gesunden Menschenverstandes" gibt, um die wir auch ohne empirische Prüfung wissen können. Dann wären wir uns grundsätzlich einig, und es wäre nur noch zu klären, was der Umfang dieser Einsichten ist.

 

- Du vertrittst Deine Position in aller Strenge. Dann würde mich interessieren, wie Du Deine Auffassung empirisch begründen oder auch nur empirisch prüfen willst. Und es geht hier wohlgemerkt nicht um den Teil, der besagt, dass wir mithilfe der empirisch-experimentellen Prüfung Wissen generieren können; sondern es geht um den zweiten Teil, nämlich die Auffassung, dass wir ohne empirische Prüfung kein Wissen haben können.

 

- Oder Du bist der Auffassung, dass eine Überzeugung, die empirisch nicht prüfbar ist, gleichzeitig Wissen darstellen und nicht darstellen könne - wie das konkret gehen sollte, müsstest Du mir dann aber bitte erklären. ;)

 

Kurz gesagt: Alles scheint mir darauf hinzudeuten, dass Deine Überzeugung nichts anders ist als die philosophische Position des Empirismus, und dass sie entweder nicht streng gemeint ist oder sich selbst aufhebt.

 

Ich mag mich da irren - was genau Du meinst weiß schließlich nur Du, und ich will Dir gewiss nichts unterstellen. Aber dann wüsste ich doch immerhin zu gerne, wo und warum ich mich diesbezüglich irre, falls ich das denn tue. 

bearbeitet von iskander
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vor 11 Stunden schrieb iskander:
vor 13 Stunden schrieb Marcellinus:

Meinen Philosophen! Wenn man dagegen ihre Vorstellung von "Begründung", die eigentlich eine religiöse-metaphysische ist, nicht teilt, dann nicht. 

 

Dann wirst Du mir sicher sagen können, wie man - beispielsweise - das Induktionsprinzip nicht-philosophisch begründen kann.

 

Nein, und das muß ich zum Glück auch nicht. Vollständige Induktion ist eine mathematisches Beweismethode. Das kannst du ja wohl kaum meinen.

 

Induktion als philosophisches Konzept als Schluß vom Speziellem auf Allgemeines ist gilt selbst in der Philosophie als nicht begründet. Was willst du also an dieser Stelle von mir? In den Wissenschaften gibt es Synthese und Analyse, einmal das Zusammenfassen von Einzelbeobachtungen zu einem Modell von Zusammenhängen, und zum anderen die Überprüfung, ob dieses Modell den Beobachtungen standhält. Das eine gibt es nicht ohne das andere, und hat mit Philosophieren nichts zu tun. 

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vor 11 Stunden schrieb iskander:

Vielleicht reden wir aneinander vorbei?

 

Ja, du argumentierst philosophisch, also innerhalb deines Denksystems, ich nicht. 

 

vor 11 Stunden schrieb iskander:

Mit "unmittelbar" meine ich einfach dass ein Wissen, das wir haben, ohne es logisch herleiten zu müssen. Wenn wir keinen unendlichen Regress haben wollen, dann brauchen wir ein solches Wissen - siehe hier. Wenn wir nun von unserem Bewusstsein kein unmittelbares Wissen haben, wovon dann?

 

Es gibt kein "unmittelbar". Mit Logik hat das nichts zu tun. Logik ist ursprünglich erfunden worden, um auf dem Forum oder Agora bei öffentlichen Gerichtsverhandlungen den Gegner blöd ausschauen zu lassen. Letztlich ist es eine Ansammlung von argumentativen Tricks. Unsere Formen der Erkenntnis sind älter, sehr viel älter. 

 

Unser Wissen beruht zu allererst auf unserem Wahrnehmungsapparat, Hören, Sehen, Schmecken, und so weiter. Die sind das Ergebnis der biologischen Evolution. Der Eindruck, wir sähen zB etwas "unmittelbar", entsteht nur dadurch, daß uns der Prozeß der Bildverarbeitung einfach nicht bewußt ist. Dein "Unmittelbar" ist also schon an dieser Stelle eine Illusion, erzeugt von unserem Gehirn. Damit dürfte deine Argumentation hinfällig sein. 

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