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Theodizee


Gastovski

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Da Volker hier unaufhörlich sein angeblich unlösbares Theodizee-Problem als 'Evidenz' gegen Gott anführt, will ich einmal erläutern, wie eine Lösung des Problems aussieht - denn auch wenn Kant oder sonstwer es als unlösbar bezeichnet haben - es ist lösbar und längst gelöst!

 

Es gibt keine Evidenz pro oder contra Gott. Eine Evidenz wäre rational und logisch eindeutig, und quasi verpflichtend in dem Sinne, dass ein Mensch daran glauben *muss*, wenn er nicht seine eigene Ratio verleugnen will. Ein solcher Beweis (egal in welche Richtung) ist undenkbar. Jeder angeblich Gottesbeweis

oder Gegen-Gottesbeweis beruht auf Annahmen, die zwar der Verfasser macht, die aber nur auf Interpretation beruhen und von jedem anderen Menschen auch völlig anders  gedeutet werden können. Ich kann jedes Argument eines Gegen-Gottesbeweises widerlegen, und jeder Atheist kann jedes Argument meines Gottesbeweises widerlegen, denn dazu

bedarf es nur einer einzigen veränderten Prämisse, und schon sieht alles ganz anders aus.

Daher ist es schlicht falsch, von Beweisen zu reden - echte Beweis sind schon in den um das Verstehen materieller Vorgänge bemühten Naturwissenschaften selten, und ganz und gar undenkbar in spirituellen Fragen.

 

Das Theodizee-Problem beschreibt den Widerspruch zwischen der Aussage "es gibt einen allmächtigen, allgütigen und liebevollen Gott", und dem offenbaren Elend in unserer Welt, das sich nicht nur durch Leid, Tod und Schmerz zeigt, sondern auch durch die überall offensichtliche Vergänglichkeit alles Materiellen, sowohl auf der Erde wie auch sonstwo im Kosmos. Scheinbar (!) ist nichts für die Ewigkeit geschaffen, und überall herrscht nur Zerstörung und Vergehen.

 

Es stellt sich die Frage wie ein gütiger, allmächtiger

Gott eine dermassen furchtbare Schöpfung erschaffen konnte!

 

Betrachtet man die christliche Glaubensannahme, dass die göttliche Schöpfung durch den Fall Luzifers aus der Ordnung gebracht und in tiefes Chaos gestürzt wurde, als gegeben, so stellt sich aber immer noch die Frage, wieso Gott angesichts des furchtbaren Leids in der Welt *scheinbar* untätig bleibt.

Denn wenn er ein allmächtiger Gott ist, dann kann er alles Leid auf der Stelle beseitigen. Könnte er das nicht, so wäre er logischerweise nicht allmächtig. Wäre er aber dazu in der Lage, und täte es dennoch nicht, so wär er kein liebevoller, sondern nur ein teilnahmsloser Gott - und somit ergibt sich ein scheinbarer Widerspruch zwischen der Allmacht und der Liebe in Gott.

 

Zur Allmacht Gottes kann man zahlreiche paradoxe Aussagen machen, wie etwa "Wenn Gott allmächtig wäre, dann könnte er einen Stein erschaffen, der so schwer wäre, dass er ihn nicht  tragen könnte. Dann aber wäre er nicht mehr allmächtig".

 

Eine solche Aussage kann man logischerweise auch ohne Bezug zu Gott treffen - sie gilt immer.

 

Offensichtlich ist die übliche Vorstellung des Begriffs "Allmacht" also in sich widersprüchlich - und zwar noch nichtmal nur die Vorstellung davon, sondern der Begriff selbst (wie obiges Beispiel

drastisch zeigt)!

 

Man kann das Theodizee-Problem lösen, indem man die offensichtlich  falsche Vorstellung der göttlichen Allmacht unter die Lupe nimmt,  und sich klarmacht, was unter der Allmacht eines liebenden und  gütigen Gottes zu verstehen ist. Nämlich keine richtende  Allmacht, die das Mussgesetz ihrer Schöpfung zu jeder Zeit un-

widerruflich durchsetzt, sondern eine Allmacht, die auf die Durchsetzung  ihres Gebotes warten kann. Mit anderen Worten: Gott *IST* allmächtig, aber er setzt seinen Willen nicht mit purer Brachialgewalt durch,

indem er diese Allmacht anwendet. Vielmehr setzt er auf elegantere, sanfte Mittel. Dies bedeutet ganz einfach, dass Gott am Ende stets über alles Böse siegen wird, und das Böse schlicht und einfach *vergehen* wird, indem sich alle gottgeschaffenen Wesen *von selbst*

nach und nach von ihm abwenden, und somit ohne ein allmächtiges Mussgericht und ohne Verletzung der Freiheit der Geschöpfe die Schöpfung wieder ins Lot gebracht wird. Es soll also ohne Beeinträchtigung

oder gar Zerstörung des freien Willens eine verlorengegangene Schöpfung von ihrem Fall (=ihren Sünden) erlöst werden. Warum aber diese

Schöpfung verlorenging, das besagt die christliche Lehre, und sie stellt damit die zentrale Frage unseres Lebens in den Mittelpunkt: Warum ist die Welt so voller Leid, Tod und Verderben?

 

Gott erschuf zu Anbeginn der Schöpfung ein unendlich mächtiges Wesen (Luzifer=Satan), welches ihm selbst in allem entsprach. In diesem Wesen  konnte Gott seine eigene Wesenheit spiegeln und sich in ihm selbst

erkennen, ebenso wie das Wesen sich in Gott spiegelte und erkannte, und so entzündete sich die Selbsterkenntnis. Dieses Wesen (Luzifer) war

annähernd so mächtig und weise wie Gott selbst, und da es das Licht  der (Selbst-)Erkenntnis brachte, und Gott sich in ihm erschauen konnte, heisst es Luzifer - Lichtbringer.

 

Man könnte nun fragen, ob Luzifer vielleicht ein zweiter Gott gewesen sei, denn er war Gott ja in allem ähnlich - und das wäre zweifellos ein Widerspruch zum christlichen Glaubensverständnis, dass es nur

einen Gott gibt und geben kann. Tatsächlich war Luzifer Gott in allem ähnlich, aber eben nicht gleich - denn Luzifer war zwar unendlich mächtig und unendlich weise, aber diese Macht und diese Weisheit waren

ihm nur von Gott verliehen; sie kamen also eigentlich von Gott, auch wenn Luzifer darüber verfügen durfte. Luzifer erschuf ein unüberschaubares Heer von Seelen und geistigen Wesen, die sich wiederum in ihm erschauten, und durch ihn auch Gott erschauten. Angesichts seiner ungeheuren Machtfülle entzündete sich Luzifer in der Begierede, selbst ganz Gott zu sein,

und verfing sich so in dem Irrtum, sich die göttliche Machtfülle ganz zu eigen machen zu können. Er rebellierte gegen Gott und seine Gebote, und die durch ihn geschaffenen zahllose Wesen folgten ihm *zu einem grossen Teil* (aber keineswegs alle). So wurde er von Gott gewarnt, aber er tat  nicht danach, sondern erhob sich gegen Gott, und in diesem Augenblick fiel

er mitsamt aller Geisterwesen, die ihm folgten, von der göttlichen Liebe  und der göttlichen Macht ab. Luzifer und die durch ihn geschaffenen Wesen  waren wie tot ohne die belebende göttliche Liebe, und ohne die ihnen von  Gott verliehene Macht.

 

Es stellt sich an diesem Punkt die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Gott Luzifer einfach vernichtet und einen neuen geschaffen hätte, aber

dies widerspricht dem göttlichen Gebot, dass etwas einmal geschaffenes für die Ewigkeit bestehen muss, und im übrigen wäre mit einer Vernichtung Luzifers

zwar der Urheber der Sünde aus der Schöpfung geschafft worden, aber nicht die Sünde selbst. Die Sünde, also der Verstoss gegen göttliches Gebot und die

Auflehnung gegen die göttliche Ordnung, waren so aber nuneinmal in die Schöpfung eingebracht worden, und sie hätte auch nach der Vernichtung Luzifers

in den mit ihm gefallenen Wesen weitergelebt.

 

Gott geht daher den mühevollen Weg, die Sünde Stück für Stück wieder aus der Schöpfung herauszuschaffen, und dies dadurch, dass jedes Wesen sie *von sich

aus* und aus eigener Kraft und eigenem Willen überwinden muss. Die Sünde aber besteht und bestand allzeit in Selbstherrlichkeit, Egoismus und Hochmut; die

Demut aber ist das Gesetz und Gebot der göttlichen Schöpfung - wer einmal bedenkt, dass sich Gott selbst in Jesus Christus aufs allerniedrigste hat demütigen lassen, der sieht auch ein, dass selbst Gott sich dieses Gebot auferlegt hat. Die Demut, die das Gegenteil des Hochmuts und der Selbstherrlichkeit ist, ist daher der steinige Weg auf dem allein die Sünde (und damit

der geistige Tod=das sich in Selbstherrlichkeit abwenden von der göttlichen Liebe und Kraft) für ewig wieder beseitigt werden kann, und dies muss jeder

Mensch aus eigener Kraft und eigenem Willen tun - darin besteht der Sinn und Zweck des Erdenlebens. Dies ist der von Gott gewählte Erlösungsweg, und

es scheint dies auch die einzige Möglichkeit zu sein, die gefallene Schöpfung wieder in die göttliche Ordnung zurückzuholen *OHNE* den freien Willen der

gottgeschaffenen Wesen zu zerstören oder gar die Wesen selbst zu vernichten.

 

Gott lässt jedem Menschen allzeit den völlig freien Willen. Er stellt ihn  auf eine kurze Zeit auf diese Erde, wo er aufs bitterste erfährt,welches Leid die Sünde und der Verstoss gegen das göttliche Liebesgebot hervorbringt. In der durch den Sündenfall überhaupt erst entstandenen materiellen Schöpfung

herrscht das Gesetz Luzifers, und er - der Fürst der Welt - hat darin seine eigene, dem göttlichen Gebot aufs ärgste widersprechende Schöpfung, in die

aber jede gefallene Seele auf eine gewisse Zeit gestellt wird, um am eigenen Leib die Wirkungen der Sünde und das damit einhergehende Leid zu erfahren.

 

"Nach dem Sündenfall wurde das Leiden zum Hilfsinstrument der Schöpfung;  es ist der mächtigste Hebel zur Wiederaufrichtung der Welt; es ist der rechte

Arm der Liebe, die unsere Wieder herstellung erreichen will" (Pater Pio).

 

Wir leben also in einer gigantischen Erlösungsmaschinerie, in der die gefallene Schöpfung ohne jede Vernichtung der Identität und des freien Willens der Seelen erlöst und in die göttliche Ordnung zurückgestellt wird. Dies ist der Grund der göttlichen Zulassung des Leids - die nötige Macht hätte

Gott wohl, es augenblicklich zu vernichten und aus der Welt zu schaffen; allein das ist nicht der Sinn des göttlichen Erlösungswerkes. Vielmehr ist das

Leid der zentrale Mechanismus der Erlösung; nicht zuletzt deshalb hat Gott selbst in Jesus Christus diesen Weg beschritten.

 

Die Erlösung besteht in einer Läuterung der Seele; sie wird hinausgestell in  die (Un)-Ordnung ihrer Seele, um von dem darin herrschenden Leid zur Rückkehr

angetrieben zu werden. Auf diesem Weg gelangt die Seele schliesslich  *aus sich selbst* heraus zur erlösenden Erkenntnis, dass Gott der Schöpfer

aller Dinge ist, und er es daher auch stets am besten weiss, in welcher Ordnung sich alles befinden soll und muss. Die Befolg der göttlichen Gebote und die damit einhergehende Abkehr von der Sünde sind der erlösende Schritt und damit das wahre Lebensziel des irdischen Daseins.

 

Es besteht daher kein Widerspruch zwischen der göttlichen Zulassung des Leids auf dieser Erde - das aber wohlgemerkt zum allergrössten (!) Teil

von Menschenhand gemacht ist, und somit in den Verantwortungsbereich von uns Menschen selbst fällt - und der göttlichen Liebe, die die in die finstersten Untiefen der Sünde gefallenen Schöpfung wieder erlösen will, ohne den freien Willen und damit die Individualität der gefallenen Wesen zu zerstören. Das körperlich-materielle Leid in dieser Schöpfung

ist wohl ohne Zweifel unsagbar gross, aber es gilt in diesem Erlösungswerk etwas weitaus wichtigeres, und über alles vergänglich-materielle unendlich erhabenes zu retten: die gottgeschaffene, allerfreieste Seele,

die für die Ewigkeit bestimmt ist.

 

Wem es immer noch nicht klar ist, warum das Theodizee-Problem nicht wirklich ein Problem, und die dahinterstehenden Glaubensannahmen - nämlich

göttliche Allmacht und Liebe - keineswegs widersprüchlich sind, dem kann es vielleicht helfen, mal über Alternativen zu diesem Erlösungsweg

nachzudenken. - Es gibt nämlich tatsächlich keine, die den freien Willen der gottgeschaffenen Wesen nicht zerstören würden!

 

Würde Gott das Leid in dieser Welt vernichten wollen, so bedürfte es dazu der augenblicklichen Vernichtung der Sünde - also des Egoismus, des Hochmuts und des Grössenwahns, der Bösartigkeit, der Lüge und des

Hasses. Dies wäre nicht denkbar ohne endgültige Vernichtung auch unseres freien Willens, aus dem heraus wir uns ja gegen die göttliche Ordnung

stellen, und unsere Seelen mehr oder weniger tief in den oben genannten satanischen Eigenschaften vergraben. Würde Gott dies tun, so hätte er

wohl augenblicklich eine brave Herde treuer Roboter, die seinem Willen folgen, da jeder freie Wille in ihnen abgetötet wäre - das aber war nie das Ziel der Schöpfung, die freie gottähnliche Wesen hervorbringen

sollte.

 

Es sollte daher klar sein, das göttliche Liebe nicht in der beschriebenen Vernichtung des Leids um des körperlichen Wohlergehens willen bestehen

kann - eine solche Liebe würde den Willen töten und uns in Roboter verwandeln - , sondern vieleher darin besteht, auf einem langen und mühsamen Weg

die gefallenen und in Sünde versunkenen Geschöpfe wieder zu erretten, sodass sie wieder in sein Reich eingehen können, und dann auch aus freiem

Willen in seiner Ordnung verbleiben werden, da sie am eigenen Leib erfahren mussten, was der Verstoss gegen seine Ordnung mit sich bringt.

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Zitat von Gastovski am 20:36 - 22.November.2002

 

Gott erschuf zu Anbeginn der Schöpfung ein unendlich mächtiges Wesen (Luzifer=Satan), welches ihm selbst in allem entsprach. In diesem Wesen  konnte Gott seine eigene Wesenheit spiegeln und sich in ihm selbst

erkennen, ebenso wie das Wesen sich in Gott spiegelte und erkannte, und so entzündete sich die Selbsterkenntnis. Dieses Wesen (Luzifer) war

annähernd so mächtig und weise wie Gott selbst, und da es das Licht  der (Selbst-)Erkenntnis brachte, und Gott sich in ihm erschauen konnte, heisst es Luzifer - Lichtbringer.

 

Man könnte nun fragen, ob Luzifer vielleicht ein zweiter Gott gewesen sei, denn er war Gott ja in allem ähnlich - und das wäre zweifellos ein Widerspruch zum christlichen Glaubensverständnis, dass es nur

einen Gott gibt und geben kann. Tatsächlich war Luzifer Gott in allem ähnlich, aber eben nicht gleich - denn Luzifer war zwar unendlich mächtig und unendlich weise, aber diese Macht und diese Weisheit waren

ihm nur von Gott verliehen; sie kamen also eigentlich von Gott, auch wenn Luzifer darüber verfügen durfte. Luzifer erschuf ein unüberschaubares Heer von Seelen und geistigen Wesen, die sich wiederum in ihm erschauten, und durch ihn auch Gott erschauten. Angesichts seiner ungeheuren Machtfülle entzündete sich Luzifer in der Begierede, selbst ganz Gott zu sein,

und verfing sich so in dem Irrtum, sich die göttliche Machtfülle ganz zu eigen machen zu können. Er rebellierte gegen Gott und seine Gebote, und die durch ihn geschaffenen zahllose Wesen folgten ihm *zu einem grossen Teil* (aber keineswegs alle). So wurde er von Gott gewarnt, aber er tat  nicht danach, sondern erhob sich gegen Gott, und in diesem Augenblick fiel

er mitsamt aller Geisterwesen, die ihm folgten, von der göttlichen Liebe  und der göttlichen Macht ab. Luzifer und die durch ihn geschaffenen Wesen  waren wie tot ohne die belebende göttliche Liebe, und ohne die ihnen von  Gott verliehene Macht.

 

Aha, so löst man also die Theodizee-Frage. Naja, mich erinnert das eher an Fantasy, aber wer drauf steht, kann das ja ruhig glauben.

 

Der grosspurigen Threadüberschrift "Theodizee gelöst" wird das jedenfalls nicht gerecht.

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>es ist lösbar und längst gelöst!<

 

nein.

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Also für mich ist das Theodizee-Problem gelöst, allerdings geht das nicht mehr ganz innerhalb des traditionell-christlichen Gottesbegriffes:

 

Ich glaube, dass wir im Grunde eins mit Gott sind (was wir jedoch permanent verleugnen = Sünde), Gott aber mit dieser Welt ´(unserem "Außen") nichts zu tun hat, die ist ganz alleine unser Ding, man könnte auch sagen "unser Traum", aber ich sage lieber "unsere Wirklichkeit". Es gilt, wie Jesus aufzuwachen aus dieser "Wirklichkeit" und die wahre ewige Wirklichkeit Gottes zu erkennen, was durch das Wirken des Heiligen Geistes in uns geschieht, wenn wir offen dafür sind.

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"aber dies widerspricht dem göttlichen Gebot, dass etwas einmal geschaffenes für die Ewigkeit bestehen muss" (Gastovski)

 

Dieses Gebot is' mir neu. Habe ich da nicht aufgepasst?

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Zitat von Lichtlein am 23:05 - 22.November.2002

Bei wem hast Du eigentlich diese Luziferologie abgeschrieben? Oder ist der Unsinn selbstgestrickt?

 

Für mich klingt das stark nach Tolkiens "Silmarillion".

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Jedenfalls können wir alle - insbesondere Gastovski - dankbar sein, daß wir nicht mehr im 17. Jahrhundert leben. Denn sonst würde sicher schon fleißig am Aufschichten von Holz gearbeitet werden - und zwar ganz unabhängig davon, ob man sich nun in einem lutherischen oder einem papsttreuen Teil des Landes aufhält...

 

Mein lieber Herr Gesangverein - Theologie 6, aber Kreativität 1!

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Irgendwie löst die Luziferologie auch das Problem nicht. Warum ändert Gott nicht sein göttliches Gebot und beseitigt Luzifer trotzdem?

 

Off topic

Gastovskys göttliches Gebot, dass etwas einmal Geschaffenes ewig bleibt hat was. Alles was ist, bleibt IN GEWISSER WEISE. Zumindest als Fakt der Vergangenheit.

Da kommt mir ein sehr eigenwilliger Gedanke hoch.

Angenommen dass sich die Welt irgendwann wieder zusammenzieht und alles den Hitzetod stirbt: Dann kann es sein, dass keinerlei Information von der Vergangenheit bleibt. Versetzen wir uns gedanklich in diesen Zustand, dann stellt sich die Frage: In wie fern kann man dann sagen, dass es tatsächlich in der Vergangenheit uns gegeben hat?

Um die Vergangenheit zu "retten" müsste man sich auf ein überweltliches (oder zumindest prinzipiell übermaterielles) Gedächtnis berufen.

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Zitat von Ute am 22:45 - 22.November.2002

>es ist lösbar und längst gelöst!<

 

nein.


Nein, liebe Ute,

 

wenn es Gott gibt, dann ist das Problem nicht gelöst. Wenn es aber ihn nicht gibt, dann ist gibt es das Theodizee-Problem nicht mehr, von daher wäre es dann gelöst.

 

Carlos

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Wenn ich ein Zwischenfazit ziehen müsste, würde ich sagen: Gastovski hat die Theodizze-Frage auch nicht aus Sicht der anderen Christen gelöst. Liege ich da richtig?

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Verzeiht bitte meine Unkenntnis -

aber was bitte ist ein Theodizeeproblem ?

Klingt wie eine asiatische Kampfsportart

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Und Hopp:

 

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THEODIZEE

von Christian Wessely

 

 

Inhalt

1.  Wortbedeutung und Begriff

2.  Voraussetzungen

3.  Lösungsansätze

3.1 Die Deutungen im Horizont des Alten Testamentes

3.2 Frühkirchliche und scholastische Tradition

3.3 Reformation

3.4 Die Privationslehre

3.5 Der Idealismus

3.6 Der Pessimismus

3.7 Auschwitz und die Folgen

 

 

Das "Theodizeeproblem", auch "Theodizeefrage", ist eine der brennendsten Grundfragen der Theologie. Ohne ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem ist ernsthafte theologische Forschung heute undenkbar, obwohl das Problem selbst nach wie vor nicht tatsächlich lösbar scheint.

Allerdings ist - der Dichte der Problems entsprechend - die Zahl derer, die es zu lösen oder zumindest darzustellen versuchten, sehr groß. Sowohl in der Aufarbeitung der Fragestellung als auch in den Hinweisen auf weiterführende Literatur wird daher nur eine relativ kleine Auswahl von Positionen bzw. Werken präsentiert, wenn auch versucht wurde, die repräsentativsten und folgenreichsten aufzugreifen.

 

 

1. Wortbedeutung und Begriff

 

Der Begriff "Theodizee", geprägt vom deutschen Philosophen G.W.Leibniz im Jahre 1697, leitet sich von der Kombination der griechischen Substantive "theós" und "diké", Gott (theós) und Gerechtigkeit (diké) ab. Wie aus diesem Wortursprung schon ersichtlich ist, geht es um die Frage der "Gerechtigkeit Gottes", und zwar angesichts der Tatsache, daß es Übel in der Welt gibt, wobei als Übel das ungerechtfertigte Leid angesehen wird, das einem Menschen zustößt. Als gerechtfertigtes Leid wird im allgemeinen jenes Leid angesehen, das zum Erreichen eines ungleich größeren Gutes unumgänglich nötig ist, wie etwa Schmerzen bei einer Operation, die ein Leben rettet (eine Position, die allerdings nicht unumstritten ist, da die Begriffe "Leid" und vor allem "ungleich größeres Gut" je neu formuliert werden müssen und daher mißbraucht werden können).

Konkret formuliert: Wie kann angesichts der in der Welt existierenden negativen Realität aller Art - Hunger, Krankheit, Krieg und Not, physisches und psychisches Elend - davon ausgegangen werden, daß es den Gott des christlichen Glaubens wirklich gibt?

Seit Augustinus wird das Übel in zwei Kategorien eingeteilt: das malum physicum und das malum morale, das natürliche Übel (nicht menschenbedingt, z.B. Naturkatastrophen) und das moralische Übel (menschenbedingt, z.B. Gewalt, Grausamkeit oder Haß).

 

 

2. Voraussetzungen

 

Die Anwesenheit von Übel in der Welt kann nur in einem religiösen System zum Problem werden, das von der Existenz eines einzigen, persönlichen, allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gottes ausgeht, weil der Kern der Theodizeefrage auf genau dieses Gottesbild ausgerichtet ist.

Wenn nicht nur ein Gott, sondern mehrere angenommen werden, dann ist das Übel in der Welt als Folge ihrer Konkurrenz untereinander erklärbar.

Wenn Gott zwar ein einziger ist, aber unpersönlich gedacht wird, dann ist es nicht konsequent, ihm persönliche Eigenschaften wie Mitleid, Barmherzigkeit oder Güte zuzuschreiben.

Wenn Gott zwar ein einziger und persönlicher, aber kein allmächtiger ist, dann kann er gegen das Übel in der Welt - auch wenn sein Wille dahin geht - nur eingeschränkt etwas tun.

Wenn Gott zwar ein einziger, persönlicher und allmächtiger ist, aber nicht allwissend, dann weiß er möglicherweise nichts von zumindest einem Teil der Übel in der Welt bzw. kann diese in seiner Göttlichkeit nicht nachvollziehen.

Wenn Gott schließlich zwar einzig, persönlich, allmächtig und allwissend, aber nicht gütig ist, dann kann das Übel in der Welt auf sein persönliches Desinteresse am Schicksal der Menschheit oder sogar auf seine Bosheit zurückzuführen sein.

So gesehen ist die Theodizeefrage eine direkt an die großen monotheistischen Weltreligionen, Judentum, Christentum und Islam, gerichtete; sie ist allerdings  für das Christentum am problematischsten, da die Botschaft Jesu Christi das Bild eines allmächtigen, allgütigen, langmütigen und mildtätigen Gottes zeichnet und im Brief des Paulus an die Römer eindeutig gesagt wird, daß alles, was ist, von ihm kommt, durch ihn existiert und auf ihn bezogen ist (Röm 11,36). Daher wird in diesem Beitrag definitiv nur auf das Christentum Bezug genommen.

 

 

3. Lösungsansätze

 

Von Kritikern der christlichen Vorstellung schon früh als Ansatzpunkt verwendet, wurde das Theodizeeproblem vor allem im 18. und 19. Jahrhundert zur großen Herausforderung für das Christentums. Der Argumentationsgang der Kritiker sah etwa so aus: Wenn der christliche Gott existiert, dann weiß er von der Existenz des Übels in der Welt (Allwissenheit), kann es verhindern oder ungeschehen machen (Allmacht) und will dies auch (Güte). Nun gibt es aber nachweisbar zahlreiche Übel in der Welt. Also kann Gott - zumindest dem christlichen Gottesbild entsprechend - nicht existieren. Der Umgang mit dieser Kritik erfuhr im Laufe der Jahrhunderte wiederholt umfangreiche Veränderungen.

 

 

3.1 Die Deutungen im Horizont des Alten Testamentes

 

In der theologischen Reflexion spielt das Problem schon lange vor Leibniz eine Rolle. Schon in den Schriftwerken des Alten Testamentes, die für Judentum und später das Christentum eine Grundlage ihres Glaubens bilden, wird nach der Ursache der Existenz des Bösen in der Welt gefragt.

Das aus diesem Kanon bekannteste Beispiel des Nachdenkens über die offensichtliche Divergenz zwischen religiöser Theorie und alltäglicher Praxis ist das Buch Ijob, in dem die Theodizeefrage allerdings als schlechthin vom Menschen nicht beantwortbare und ihr Aushalten als Grundvollzug des Glaubens dargestellt wird. An anderer Stelle des Alten Testamentes wird von Gott als einem leidenschaftlichen, zornigen, ja rächenden Gott gesprochen, also eine der Voraussetzungen (die Güte) für die Theodizeeproblematik als nur bedingt vorhanden beschrieben. Wenn dem Volk Israel als "auserwähltem Volk" Übel widerfährt, dann hat es sich gegen den Bund mit Jahwe vergangen und hat die Folgen zu tragen. Wer persönlich unter einem Übel leidet, der hat das Mißfallen Gottes erregt und wird von ihm für eine eigene Missetat oder eine Verfehlung seiner Vorfahren bestraft.

Jesus Christus weist diese Deutung nachdrücklich zurück. Als er von den Pharisäern angesichts eines Blinden gefragt wird, ob dieser oder seine Eltern gesündigt hätten, antwortet er: "Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden." (Joh 9,3) Er steht damit eher in der Tradition des Ijob (das Übel als Herausforderung an den Glauben) als in der des zu seiner Zeit gängigen fast mechanischen Schuld-Strafe-Zusammenhanges, wobei nicht das Aushalten des Leidens im Glauben im Vordergrund der Botschaft Christi steht, sondern die Ankündigung des kommenden Gottesreiches. Gottes Gerechtigkeit erweist sich für Jesus Christus in zwei Dimensionen: dem Paradies als konkreter und unmittelbarer Jenseitshoffnung (Lk 23,43) und dem Anbruch des Gottesreiches als mittelbarer und zeitlich nicht festgelegter Vorstellung (Mk 13,32). Gottes Liebe ist dessen letztes Wort in der Frage nach dem "Warum" des Leidens; wo sich tätige Liebe erweist, kann "Reich Gottes" schon hier und jetzt - freilich nur punktuell - Wirklichkeit werden. Die Theodizeefrage verliert in diesem Horizont viel von ihrer Problematik, da Gottes Gerechtigkeit sich auch über das Leben hinaus erweisen kann: Dem ungetröstet Leidenden wird im Paradies Gerechtigkeit widerfahren.

 

 

3.2 Frühkirchliche und scholastische Tradition

 

In der Frühzeit der Kirche waren es vor allem Origenes und Augustinus, die sich im Disput mit der heidnischen Welt und ihrer Philosophie mit dem Theodizeeproblem auseinandersetzen mußten. Die Tradition des Origenes bezeichnet das Übel als Folge der menschlichen Freiheit und der in dieser Freiheit begangenen Sünde; präzisiert wird dieser Ansatz, indem er konkret auf die Freiheit des Willens, die dem Menschen bedingungslos gegeben sei, bezogen wird. Dieser freie Wille sei durch nichts mehr relativierbar. Der Mensch trage aber durch ihn auch die volle und uneingeschränkte Verantwortung für seine Handlungen und ihre Folgen. Er kann sich zwischen Eigenliebe und Gottesliebe entscheiden kann; mit der Entscheidung zur Eigenliebe allerdings legt er den Grundstein zur Existenz des Übels. Augustinus schließt sich dieser Argumentation zunächst an, entdeckt aber bald ihre Schwächen: Durch die Bindung an die Körperlichkeit, die dem Menschen eigen ist, ist er auch der ständigen Divergenz von Willen und Begierde unterworfen (dem Willen, nicht zu sündigen und der Begierde, es doch zu tun). Er löst dies später durch den Entwurf einer Theorie der Erbschuld auf, indem er die Verfehlung Adams (das Essen vom Baum der Erkenntnis gegen Gottes Willen) als schuldhafte Handlung in Freiheit als geschichtlich uneingeschränkt für die ganze Menschheit wirksam beschreibt: Durch die erste, in einem Akt freien Willens begangene Sünde, sei die Menschheit ihrer Natur nach schuldhaft geworden und nun de facto nicht mehr frei, nicht zu sündigen. Dem Postulat der absoluten menschlichen Freiheit und der in ihr von einzelnen verursachten Übel stellt Augustinus also die - durch Beobachtung begründete - Feststellung gegenüber, daß offenbar niemand von Übel gänzlich verschont bleibe.

Diese Interpretation hält sich bis in die Scholastik; auch in dieser herrscht die Ansicht, daß das Übel - im Gesamtzusammenhang der Welt betrachtet - durchaus sinnvoll sei und der Existenz Gottes nicht widerspreche.

Daß der vollkommene Gott jedoch den Menschen nicht ebenso vollkommen erschaffen habe, liege in der Logik der Schöpfung: Vollkommenheit sei ein Attribut Gottes. Das Geschaffene sei daher immer weniger vollkommen als der Schöpfer, das Abbild unvollkommener als sein Vorbild. Anselm von Canterbury allerdings änderte um 1100 die Lehre vom prinzipiellen Unheilszustand des Menschen, der der Erlösung durch Christus bedurfte, um eine - folgenschwere - Kleinigkeit: Der Zustand der Erbschuld sei in Wahrheit ein Mangel, nämlich ein Mangel an Urgnade.

In den folgenden Jahrhunderten bildete sich auf dieser Basis die Meinung heraus, daß dieser Mangel aus eigener Kraft behebbar wäre: Sakraments- und Frömmigkeitspraxis seien Möglichkeiten, die jedem Einzelnen zur Entschuldung und damit zur Behebung der Ursache des Übels in der Welt offenstünden. Die sich in der mittelalterlichen Kirche daraus entwickelnde Praxis des erkaufbaren Ablasses ("sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt&quot wurde zum Anlaß für die

 

 

3.3 Reformation

 

M.Luther - fest verankert in der mittelalterlichen Tradition personaler Sicht des Übels (Glaube an einen persönlichen Satan, Interpretation des Übels als dessen Werke) - entwarf eine auf der Lehre des späten Augustinus fußende Lehre von allgemeiner Schuldhaftigkeit. Der Mensch könne - auf sich selbst gestellt - die Gebote Gottes nicht halten, weil er nur das ihm nächstliegende suche. Wer also außerhalb der Gnade steht, sündige ununterbrochen, sogar der scheinbar Gerechte könne sich dem nicht entziehen. Durch sakramentale Praxis, persönliche Frömmigkeit oder materielle Spenden ist eine Erlangung der Gnade Gottes nicht möglich: Gott ist nicht bestechlich. Er spendet Gnade, wo er es für richtig hält und ist in diesem Akt nicht beeinflußbar. Lediglich in der Rücküberantwortung der eigenen, persönlichen Freiheit an Gott selbst als Bedingung eben dieser Freiheit - also im Akt des Glaubens - ist eine gewisse "Mitwirkung" denkbar; in diesem Glaubensakt - und nicht aus der Möglichkeit der Rechtfertigung! - ist auch die Anforderung der "christlichen Lebensführung" begründet.

Gegen Luthers Ansatz gibt es zumindest zwei wohlfundierte Argumente:

° Zunächst bringt die von ihm verfochtene Gnadenlehre und die absolute Unverfügbarkeit des Heiles die Annahme einer Prädestinationslehre (alles sei von Gott vorherbestimmt) in den Bereich des Möglichen: Wenn ohnehin alles auf der Gnade Gottes beruht, warum soll ich dann die Mühe auf mich nehmen, das Rechte zu tun?

° Weiters geht Luther von einem System aus, das dualistische Anklänge in sich birgt. Die Annahme eines personalen Bösen (des Satans), der Gott zwar untergeordnet sei, aber den Menschen zum Übel zu lenken versuche, ist zwar eine Erklärung für die Anwesenheit des Übels in der Welt, entschärft aber das Theodizeeproblem durch Relativierung der Voraussetzung des einzigen obersten Prinzipes in Gott.

 

 

3.4 Die Privationslehre

 

Mit dem Rationalismus und seiner Philosophie änderte sich zwar der Argumentationsgang, nicht aber die Argumentationsbasis wesentlich. Wie schon zum Teil Augustinus, Plotin oder Thomas von Aquin versuchte Leibniz (der Begriffspräger), die Welt als die bestmögliche aller denkbaren Welten aufzuweisen. Leibniz zufolge gibt es nichts an sich böses, alles Seiende sei in Wahrheit gut und existiere in prästabilisierter Harmonie (vgl.: Monadenlehre). Doch dieses Gute sei an verschiedenen Stellen nicht ausreichend vorhanden, es herrsche ein punktueller Mangel an Gutem (privatio boni, von daher heißt dieser Ansatz auch "Privationslehre&quot. Das Übel habe daher keine eigentliche Substanz bzw. existiert nicht eigentlich, sondern sei eine Eigenschaft eines an sich Guten. Dieses optimistische Modell wurde bis ins 20. Jahrhundert vertreten, obwohl es vielerlei und teilweise treffender Kritik unterworfen war. Die wichtigsten Kritikpunkte sind:

° Zunächst ist die Aussage an sich dem Vorwurf der logischen Inkonsistenz ausgesetzt. Sie basiert auf einem Zirkelschluß: Wenn alles Seiende gut, da von einem guten Gott geschaffen ist, dann wird das eigentlich zu Begründende des Theodizeeproblems (Gott ist gut) als bereits begründet vorausgesetzt. Die Antwort der Privationslehre geht somit an der Frage vorbei.

° Weiters ist Leid in seinem Er-leiden etwas subjektiv absolut reales. Wer hungert, empfindet seinen Hunger und nicht die Abwesenheit von Sättigung. Die existierenden Übel sind auch weitgehend genau identifizierbar, und wenn auch viele durch die privatio boni erklärt werden könnten (Stichwort Hunger in der Welt), so gibt es zumindest ebensoviele nicht erklärbare (Stichwort Todkrankheit von Kindern).

° Genau genommen ist die Privationslehre nicht neutestamentlich belegbar. Jesus bringt seine Heilsbotschaft definitiv in eine unheile Welt und verweist auf das kommende Gottesreich als Ort der Erlösung und des Glückes. Sie ist vielmehr - wie angedeutet - platonischen Ursprunges; eine philosophische Tradition, in der Jesus Christus gewiß und Paulus mit einiger Sicherheit nicht angesiedelt waren.

° Weiters wäre zu fragen, warum es Übel nicht nur punktuell, sondern weit verbreitet gibt, ja sogar das Leben insgesamt aus mehr Übel als Gutem bestehe, wie der Einwand Schopenhauers gegen die Privationslehre vereinfacht sagt. Dieser geht davon aus, daß der an sich "gute" Zustand der Schmerzlosigkeit und der Abwesenheit von Langeweile als Normalzustand des Menschen erst bewußt gemacht werden müßte, während Schmerz und Leid unmittelbar erfahren würden. Daß also die Welt an sich gut sei und Gutes nur vereinzelt abwesend, ist ihm nicht nachvollziehbar. Der Umkehrschluß liegt nahe: Die Welt an sich sei schlecht, und Gutes nur die punktuelle Abwesenheit des Übels.

 

 

3.5 Der Idealismus

 

I.Kant lehnt - wohl aus dem Bewußtsein der letztlich nicht durchhaltbaren Rechtfertigungsversuche auf der Basis der Privationslehre - diese (jedenfalls nach der Verfassung seines Hauptwerkes, der "Kritiken&quot weitgehend ab und betrachtet es als Vermessenheit, mit Hilfe der beschränkten menschlichen Vernunft die Handlungsweise des schlechthin das menschliche Begreifen übersteigenden Gottes rechtfertigen zu wollen. Er stellt sich allerdings sehr wohl der Frage, warum der Mensch Böses tue und dem inneren moralischen Gesetz, das er postuliert, zuwiderhandelt: Selbstliebe habe sich dem moralischen Gesetz übergeordnet. Dies sei als Bedingung der Möglichkeit des Bösen überhaupt aufzufassen und kann vom Menschen selbst nicht widerrufen werden. Er regrediert damit auf Ausgustinus, freilich ohne den Sündenfall Adams als Wirkursache dieser Gegebenheit aufzufassen; die Schuldhaftigkeit des Menschen sei dessen natürliche Situation, und zwar eine Radikalsituation (Grundverfassung). Eine Theodizee kann also nur auf der Basis einer "Gesamtzweckmäßigkeit" der Welt argumentieren; denn im Rahmen dieser wird das Übel zwar nicht erklärbar, aber als möglicherweise sinnvoll auf dem Weg zu einem Endzweck (ewiger Frieden und Gerechtigkeit) angesehen.

G.F.W.Hegel liefert zunächst eine umfassende Begründung der Anwesenheit des Bösen in der Welt, das er als nicht vollzogene Versöhnung der entzweiten Faktoren "Bewußtsein" und "Erkanntes" (Divergenz zwischen Subjekt und Objekt) interpretiert. Er geht weiter von der Notwendigkeit aus, alle Einzelereignisse im Rahmen ihrer je eigenen Geschichtlichkeit zu interpretieren. Das Übel ist daher nicht in seinem momentanen konkreten Geschehen zu beurteilen, sondern nur im Entwicklungsgang der Weltgeschichte eingeordnet als Teil des Ganzen zu betrachten, der in diesem Rahmen durchaus Sinn ergeben könne, was aber dem an den Moment gebundenen Geist des Leidenden und dessen Betrachtungsweise nicht einsichtig sei. Da die Weltgeschichte insgesamt als Entwicklung des Bewußtseins und der Freiheit gedeutet wird und das Leiden eine Triebfeder dieser Weiterentwicklung ist, werde nach Hegel auch das in der Geschichte real-anwesende Übel letztlich zu einem je größeren Guten führen; Leiden sei daher als "gerechtfertigtes Leiden" aufzufassen. Die Frage, die dieser Standpunkt allerdings unbeantwortet läßt, ist die Frage nach der Würde des Individuums: Ist die Tatsache, daß durch sein individuelles Leid die Weltgeschichte vorangetrieben werde, dem leidenden Einzelnen Trost? Wohl nicht. Und ist ein Gott denkbar, der zugleich gütig ist und das Leid des Einzelnen übergeht?

 

 

3.6 Der Pessimismus

 

A.Schopenhauer ist als prominentester Vertreter dieser Richtung zu nennen, die keine Theodizee im eigentlichen Sinne mehr kannte. Im Gegensatz zu Leibniz´ Ansatz der "besten aller möglichen Welten" formulierte Schopenhauer seine These von unserer Welt als der "schlechtesten aller möglichen Welten", da sie so beschaffen sei, daß sie gerade eben noch existiere - wäre sie noch ein klein wenig schlechter, sie könnte nicht mehr sein. Alles Leben sei primär Leiden und auf Schmerz und Langeweile statt auf Lust und Freude als Normalzustand orientiert; Gutes eher die punktuelle Abwesenheit von Übel. Er kehrt die Privationslehre also tatsächlich in ihr Gegenteil um. Daher wird für Schopenhauer die Annahme eines Gottes im Sinne der o.a. Voraussetzungen unhaltbar; denn die Zuweisung der Schuld am Übel in der Welt an den Urheber der Welt hält er für unumgänglich. Für Schopenhauer ist der Ursprung der Welt ein Willensakt des Menschen selbst, das Übel damit uneingeschränkt ebenso Werk des Menschen selbst. Eine Theodizee ist daher unnötig; zumal der Mensch kein unverschuldetes Übel erleide: Er hat es durch die Bejahung des Willens zum Leben selbst verursacht und muß das Leiden - quasi als Strafe dafür - in Kauf nehmen. Die Welt ist so selbst das Weltgericht, sie ist zugleich Bedingung, Aktualisierung und Tilgung ihrer eigenen Schuld.

F.Nietzsche negiert den Grundbegriff der Schuld  - der im Sinne des "unverschuldeten" Leidens auch Grundbegriff der Theodizeeproblematik ist - mit seiner Zurückweisung der Begriffe "gut" und "böse" in ihrer klassischen Bedeutung. Auch von Freiheit und Gerechtigkeit kann nicht mehr eigentlich gesprochen werden: Die Welt als Produkt von Chaos und Notwendigkeit ist all diesem gegenüber neutral und bringt bloß zufällig einmal das eine oder andere davon hervor. Religiosität ist Schwäche und Zeichen der Lebensuntüchtigkeit, Zeichen der Unfähigkeit, die Tatsache auszuhalten, daß nur der Wille zur Macht die Triebfeder allen Handelns und die Ursache allen Geschehens sei. Aber nicht nur das christliche Gottesbild, sondern jeder Glaube ist notwendig falsch, da bedingt durch die subjektive Perspektive des Einzelnen, Wahrheit gar nicht existieren könne.

Für beide ist eine Lösung des Theodizeeproblems nicht nötig, da es kein Problem gibt: Die o.a. Voraussetzungen treffen nicht auf diese Positionen zu.

 

 

3.7 Auschwitz und die Folgen

 

Von der Mitte des 19. bis in die zwanziger Jahre des 20. Jhdts. wurden den genannten Ansätzen keine wesentlichen hinzugefügt.

Im Angesicht der unvorstellbaren Ausmaße der Grausamkeit im Zweiten Weltkrieg, insbesondere der systematischen Vernichtung der Angehörigen der mosaischen Religion und ethnischer Minderheiten im Dritten Reich, aber auch angesichts der in anderen Staaten geschehenden Unmenschlichkeiten waren jedoch die klassischen theoretischen Konzepte des Idealismus und der Privationslehre sowie ihrer Derivate nicht mehr haltbar. Angesichts der Unbegreiflichkeiten, die sogar den Opfern vor deren Tötung die letzten Reste menschlicher Würde raubte und ihnen die nachträgliche Rechtfertigung verweigerte, würde - will man am Gedanken einer Theodizee durchaus festhalten - eine Deutung zulässig sein: Der die Welt schaffende Gott bindet mit seiner Schöpfung sich selbst in diese ein und unterwirft sich dem Leiden.

Dieser Ansatz findet sich bereits in der unmittelbar nachchristlichen Gnosis, ist aber im Rahmen des christlichen Gottesbildes nicht zuletzt wegen der dann offen bleibenden Fragen der Prädestination und des krassen Leib/Seele - Dualismus und deren eindeutiger Wertung (Leib: schlecht; Seele: gut) nicht haltbar.

Der zweite wurde 1984 vom jüdischen Philosophen Hans Jonas, der selbst den Vernichtungslagern des Dritten Reiches nur knapp entrann, in seinem Büchlein "Der Gottesbegriff nach Auschwitz" vorgestellt. Jonas meint, daß die Beibehaltung des Gottesbegriffes nur um den Preis der Aufgabe einer der drei Eigenschaften "Verstehbarkeit", "Güte" und "Allmacht" möglich sei; da aber die ersten beiden für das jüdische Verständnis unverzichtbar sind, schränkt er den Allmachtsbegriff radikal ein, indem er davon ausgeht, daß die Gottheit - ursprünglich mit allen o.a. Prädikaten versehen - sich im Moment der Schöpfung radikal zurücknahm und sich der Endlichkeit - unter Gefährdung ihrer eigenen Existenz - überantwortete. Aus dem statischen, unveränderlichen Gott wird so ein "Gott im Werden", ein dynamischer Gott. Ihm verdankt die Endlichkeit alles, nämlich ihre Existenz; nun schuldet sie ihm alles, nämlich die seine. Und sein Selbstverzicht ist so radikal, daß er in das einmal in Gang gesetzte Schöpfungswerk nicht mehr eingreifen kann, selbst wenn er es wollte; ja, seine eigene Weiterexistenz ist an seine Schöpfung gebunden.

Letztlich ist also auch der Ansatz Jonas´ keine echte Antwort auf die Theodizeefrage, wenn er auch die Voraussetzung der Allmacht Gottes nicht durchbricht, sondern sie auf eine nicht nachvollziehbare "vorschöpferische" Ebene verlagert.

 

Doch das Problem ist - wie schon eingangs gesagt - nicht lösbar. Nicht nur die absolute Infragestellung aller je existierenden Theodizeen durch Nietzsches Einwand der Subjektivität allen Übels (so kann ein subjektiv erlebtes Übel für einen anderen ein Glück (der Tod eines vom einen geliebten, von einem anderen beerbten Menschen), zumindest aber gleichgültig sein (daß Kleinkinder in Kenia an AIDS sterben, kann jemanden, der dies aus den Nachrichten erfährt, theoretisch unberührt lassen)), sondern auch und vor allem Auschwitz haben die Beschränktheit aller menschlichen Redeversuche im Angesicht der existentiellen Erfahrung des Leides aufgezeigt, erst recht, wenn diese eingeschränkte Begrifflichkeit vom schlechthin anderen - von Gott - zu reden versucht.

Was aktuell zu tun bleibt, ist bis zum eventuellen Auftauchen eines neuen Gesichtspunktes in der Diskussion - und der ist im Moment nicht in Sicht - die Pflicht, das Übel als Übel zu identifizieren und zu benennen, ohne den Menschen, der das Übel eventuell verschuldet, der (wieder Übel schaffenden) Radikalität des eigenen Hasses zu unterwerfen.

Aus christlicher Sicht dürfte wohl, wenn denn eine "Interpretation" des Übels in der Welt als notwendig empfunden wird, die der "Herausforderung", und zwar nicht nur an den je eigenen Glauben, sondern an das Mensch-Sein an sich, die derzeit sinnvollste sein - in der Tradition des Ijob, aber auch ganz im Geiste Jesu Christi.

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Oh, war wohl etwas brutal.

 

Ich müsste auch so eine schöne Seite haben wie Volker, auf die ich verlinken könnte. Aber es kommt noch mehr.

 

(Besonders lustig finde ich die unbeabsichtigten Smileys. Mein Favorit ist der an der Fegefeuerstelle.)

 

(Geändert von Echo Romeo um 12:03 - 23.November.2002)

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Danke Peter. Da ich danach gefragt hatte hab ich jetzt auch alles brav gelesen.

Gut daß ich dieses Problem nicht lösen muß. Ich würde vermutlich die Gerechtigkeit aus dem Komplex herauslösen und vermuten daß Gott sich von Planet Earth ganz gut unterhalten fühlt, so wie er ist. Und mehr hat er vermutlich nie gewollt.

 

Daß Gastovski dieses Problem gelöst hat ist schön für ihn. Leider wird er niemanden finden der ihm das glaubt.

 

 

Gruß Frank

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OK, Luzifer hört sich wirklich nach Fantasy an.

 

Den Schluß fand ich aber ganz OK (dass eine Lösung des Problems durch einen göttlichen "Gewaltakt" die Erledigung des freien Willens zur Folge hätte.)

 

Außerdem, ich frage mich wieso die Theodizee-Frage so oft ihren Aufhänger nur am Außmaß der Grausamkeit (Auschwitz) nimmt, und nicht an der Grausamkeit selbst. Mit der Grausamkeit vor Auschwitz konnte man anscheinend noch leben.  Damit wird die Thematik wohl zu einem Wahrnehmungsproblem.

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Zitat von Squire am 22:11 - 24.November.2002

 

Außerdem, ich frage mich wieso die Theodizee-Frage so oft ihren Aufhänger nur am Außmaß der Grausamkeit (Auschwitz) nimmt, und nicht an der Grausamkeit selbst. Mit der Grausamkeit vor Auschwitz konnte man anscheinend noch leben.  Damit wird die Thematik wohl zu einem Wahrnehmungsproblem.

DAS ist wirklich eine der schlaueren Fragen in diesem Zusammenhang...

 

(das war nicht ironisch gemeint!)

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Lieber Gastovski,

 

Deine Argumente haben einiges für sich. Wenn man sich die Übel der Welt so ansieht, dann erscheint es mir als sehr plausibel, dass eine böse Macht mit bösen Absichten dahinter steckt. Oft leiden die Guten, während es den Bösen gut geht (und, um eine Anmerkung von Bertrand Russels hinzuzufügen, man weiß nicht, was ärgerlicher ist).

 

Aber zu Deinem Beitrag:

 

Es gibt keine Evidenz pro oder contra Gott. Eine Evidenz wäre rational und logisch eindeutig, und quasi verpflichtend in dem Sinne, dass ein Mensch daran glauben *muss*, wenn er nicht seine eigene Ratio verleugnen will. Ein solcher Beweis (egal in welche Richtung) ist undenkbar.

 

Auch Evidenzen sind nicht so absolut verpflichtend - das kann wegen des Trilemmas nicht funktionieren. Es ist nur so, dass Vernunft darin besteht, die vorhandenen Evidenzen gegeneinander abzuwägen und dann, bei Übergewicht der Evidenzen in eine Richtung, seine Entscheidung darauf zu basieren. Ich gebe Dir aber recht, dass man die Nicht-Existenz Gottes nicht beweisen kann, aber nur, weil das generell nicht funktionieren kann. Niemand kann beweisen, dass unsichtbare rosa Einhörner nicht existieren. Aus der Nicht-Beweisbarkeit der Nicht-Existenz folgt aber, dass man unbedingt eine positive Evidenz braucht, dass etwas existiert. Deswegen liegt die Beweislast auch ausschließlich bei den Theisten. Man darf, kann und sollte aber auch die Existenz von etwas nicht annehmen, wenn es keine Evidenzen gibt - niemand kann dazu verpflichtet werden, aus der Nicht-Widerlegbarkeit der Existenzbehauptung von unsichtbaren rosa Einhörnern irgendeine Konsequenz zu ziehen.

 

Und es wäre daher auch zutiefst ungerecht, wenn Gott jemanden dafür bestraft, weil er nicht an ihn glaubt. Ohne Evidenzen sind Existenzbehauptungen sinnfrei.

 

Das erste und grundlegende Problem der Theologie besteht also darin, Evidenzen für die Existenz Gottes zu finden.

 

Das Theodizee-Problem beschreibt den Widerspruch zwischen der Aussage "es gibt einen allmächtigen, allgütigen und liebevollen Gott", und dem offenbaren Elend in unserer Welt, das sich nicht nur durch Leid, Tod und Schmerz zeigt, sondern auch durch die überall offensichtliche Vergänglichkeit alles Materiellen, sowohl auf der Erde wie auch sonstwo im Kosmos.

 

Das ist nur ein Teil des Theodizeeproblems. Selbstverständlich sind Allmacht und Allgüte miteinander unvereinbar, wenn es Leid gibt. Einem vernünftigen Menschen sollte dies selbst evident sein. Aber das Theodizeeproblem reicht weiter, denn die Frage lautet:

 

Kann man trotz der Übel der Welt behaupten, der Schöpfer dieser Welt sei gütig oder gerecht?

 

Ich rede nicht von "Allgüte", sondern nur von Güte. Sind die Übel der Welt nicht vielmehr eine Evidenz für einen (all)bösen Schöpfer? Dies gilt vor allem für monotheistische Vorstellungen, im Polytheismus stellt sich dieses Problem so nicht (s. u.).

 

Wenn Gott nicht gütig wäre, wäre das Christentum nämlich nichts weiter als Dämonenverehrung, und moralische Gesetze könnte und dürfte man nicht von Gott ableiten, im Gegenteil, gerade bei göttlichen Geboten müsste man sehr vorsichtig sein, weil sie stets unter Verdacht stehen, die Übel in der Welt zu mehren statt sie zu vermindern. Eine Anbetung oder Verehrung eines solchen Dämonen wäre ungerechtfertigt, sie wäre geradezu verwerflich. Können die Theisten also keine Evidenzen für die Güte Gottes finden, dann machten sie sich der Dämonenverherrlichung schuldig. Christen wären dann nichts weiter als Götzendiener.

 

Zur Allmacht Gottes kann man zahlreiche paradoxe Aussagen machen, wie etwa "Wenn Gott allmächtig wäre, dann könnte er einen Stein erschaffen, der so schwer wäre, dass er ihn nicht  tragen könnte. Dann aber wäre er nicht mehr allmächtig".

 

Eine solche Aussage kann man logischerweise auch ohne Bezug zu Gott treffen - sie gilt immer.

 

Eben, deswegen wird Allmacht auch meistens so definiert, dass ein Allmächtiger alles tun kann, was sich nicht selbst widerspricht. Deswegen sehe ich im Begriff der Allmacht selbst keinen Widerspruch.

 

Gott erschuf zu Anbeginn der Schöpfung ein unendlich mächtiges Wesen (Luzifer=Satan), welches ihm selbst in allem entsprach. In diesem Wesen  konnte Gott seine eigene Wesenheit spiegeln und sich in ihm selbst erkennen, ebenso wie das Wesen sich in Gott spiegelte und erkannte, und so entzündete sich die Selbsterkenntnis. Dieses Wesen (Luzifer) war annähernd so mächtig und weise wie Gott selbst, und da es das Licht  der (Selbst-)Erkenntnis brachte, und Gott sich in ihm erschauen konnte, heisst es Luzifer - Lichtbringer.

 

Damit verlassen wir dann aber den Monotheismus, was den Widerspruch der meisten Christen erklärt. Die Gnostiker waren z. B. der Ansicht, dass Luzifer die Welt erschaffen hat, als Gott gerade mal nicht hinsah. Das würde vieles erklären. Das wirft aber einige neue Probleme auf:

 

Hat Gott das Wirken Luzifers nicht vorhergesehen? Und ist Gott nicht mächtig genug, Luzifer in seine Schranken zu verweisen? Und wieso sollte Gott Adam und Eva (und alle Generationen danach) mit der Vertreibung aus dem Paradies bestrafen, wo sie doch gut und böse nicht auseinander halten konnten und deswegen vorhersehbar den Einflüsterungen Luzifers erliegen mussten? Diese Fragen werfen ein negatives Licht auf Gottes Allmacht, sein Allwissen und auf seine Allgüte. Man müsste also alle Attribute Gottes anzweifeln.

 

Und: Ein mächtiger und gütiger (liebender) Schöpfer müsste die Konsequenzen seiner Handlung (= die Schaffung Luzifers) bedacht haben. Wäre er dazu fähig, dann wäre er auch verantwortlich für die Konsequenzen seiner Schöpfung, und damit wäre er auch letztlich verantwortlich für alle Übel der Welt. Man müsste also mindestens an seiner Güte zweifeln. Konnte er es nicht wissen, dann muss man an seinem Allwissen und seiner Allmacht zweifeln.

 

Es stellt sich an diesem Punkt die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Gott Luzifer einfach vernichtet und einen neuen geschaffen hätte, aber dies widerspricht dem göttlichen Gebot, dass etwas einmal geschaffenes für die Ewigkeit bestehen muss, und im übrigen wäre mit einer Vernichtung Luzifers zwar der Urheber der Sünde aus der Schöpfung geschafft worden, aber nicht die Sünde selbst. Die Sünde, also der Verstoss gegen göttliches Gebot und die Auflehnung gegen die göttliche Ordnung, waren so aber nuneinmal in die Schöpfung eingebracht worden, und sie hätte auch nach der Vernichtung Luzifers in den mit ihm gefallenen Wesen weitergelebt.

 

Das hätte Gott vorher wissen müssen. Und vor allem dürfte er dann - weil es eine Konsequenz seiner Handlungen war - auch die Menschen nicht für ihre Sünden bestrafen, wiel sie auf sein Versagen zurückzuführen wären. Eine Strafe für Sünden wäre demnach höchst ungerecht und man müsste wiederum an der Güte Gottes zweifeln.

 

Außerdem bleibt die generelle Unlogik bestehen, dass Gott wegen seines eigenen Fehlers die Menschen verantwortlich macht, sich selbst auf die Erde begibt (nicht sofort, sondern später), um sich von den Menschen umbringen zu lassen und ihnen so seine eigene Untat zu vergeben. Ungerecht ist dies vor allem auch den Menschen gegenüber, die vor Christus gelebt haben, und so nicht an dieser Erlösung teilhaftig werden konnten - und wenn doch, warum hat er dann nicht allen Menschen einfach so vergeben, statt einen unlogischen Plan zu verfolgen? Und wieso sollten dann nur die Menschen erlöst werden, die bereits sind, ihre Vernunft über Bord zu werfen, um an diesen unlogischen Plan zu glauben? Und ist dieser ganze Plan nicht höchst überflüssig, wenn Menschen, die vorher gelebt haben oder nie von Christus erfahren haben, trotzdem erlöst werden können? Das ist entweder widersinnig gehandelt oder ungerecht. Einen Menschen lieben bedeutet auch, sich ihm verständlich zu machen, abgesehen davon ist es nicht sehr liebevoll, seine Liebe an Glauben ohne jede Evidenz zu koppeln, vor allem, wenn man sich so versteckt wie Gott es tut.

 

Und warum sollte Gott etwas Geschaffenes nicht vernichten können oder wollen? Das klingt sehr nach einer ad hoc Begründung. Außerdem müsste er Luzifer nicht vernichten, er könnte ihm auch die Handlungsmöglichkeiten nehmen - falls er mächtig genug dazu ist. Oder er könnte eingreifen und Luzifers Handlungen in die Welt neutralisieren oder aufheben. Wenn Gott nicht in den Ablauf der Welt eingreift, dann kann er weniger als wir, denn wir können in den Ablauf eingreifen. Außerdem wären dann alle Wunderberichte in der Bibel erfundene Lügenmärchen. Oder aber Gott wäre zutiefst ungerecht und ohne Güte: Er verwandelt zwar Wasser in Wein auf einer Hochzeit, verhindert aber nicht, dass bei einem Vulkanausbruch tausende von Menschen qualvoll ersticken oder verbrennen. Angesichts der Übel der Welt müsste man also annehmen, dass Luzifer mächtiger ist als Gott. Dann wäre Luzifer sicher auch mächtig genug, uns Gott vorzugaukeln und eine Kirche zu schaffen, die Kreuzzüge macht und Hexen verbrennt. Dann aber könntest Du von keiner Offenbarung sagen, ob sie von Gott oder von Luzifer stammt.

 

Vielleicht sind die Christen also Teufelsanbeter?

 

Gott geht daher den mühevollen Weg, die Sünde Stück für Stück wieder aus der Schöpfung herauszuschaffen, und dies dadurch, dass jedes Wesen sie *von sich aus* und aus eigener Kraft und eigenem Willen überwinden muss.

 

Warum? Warum sollte Gott einen so verkorksten Plan benutzen? Wir sind nicht für die Übel dieser Welt verantwortlich (sondern Luzifer), aber wir sollen uns aus eigener Kraft helfen? Ruft man einem Ertrinkenden zu, er solle sich gefälligst aus eigener Kraft helfen? Und woher sollen Kraft und Willen eines kleinen Kindes kommen, welches qualvoll verhungert? Da bleiben mehr Fragen offen, als durch Deine Lösung geschlossen werden.

 

Gott lässt jedem Menschen allzeit den völlig freien Willen. Er stellt ihn auf eine kurze Zeit auf diese Erde, wo er aufs bitterste erfährt, welches Leid die Sünde und der Verstoss gegen das göttliche Liebesgebot hervorbringt. In der durch den Sündenfall überhaupt erst entstandenen materiellen Schöpfung herrscht das Gesetz Luzifers, und er - der Fürst der Welt - hat darin seine eigene, dem göttlichen Gebot aufs ärgste widersprechende Schöpfung, in die aber jede gefallene Seele auf eine gewisse Zeit gestellt wird, um am eigenen Leib die Wirkungen der Sünde und das damit einhergehende Leid zu erfahren.

 

Aha. Und ein vierjähriges Kind, welches vom Auto überfahren wird, hat an seinem Leib die Sünde anderer erfahren? Was soll es daraus lernen? Und was lernt der Mafiaboss, außer der Tatsache, dass sich Verbrechen lohnt, wenn man sich nur gerissen und skrupellos genug verhält? Wenn jeder Mensch, der leidet, eine gefallene Seele besitzt, dann hat Gott im Himmel aber mächtig viel Seelen fallen gelassen. Diesem Gott soll man vertrauen? Wo er doch millionenfach versagt?

 

"Nach dem Sündenfall wurde das Leiden zum Hilfsinstrument der Schöpfung; es ist der mächtigste Hebel zur Wiederaufrichtung der Welt; es ist der rechte Arm der Liebe, die unsere Wieder herstellung erreichen will" (Pater Pio).

 

Prima! Dann sollten wir, um die Welt schneller wieder aufrichten zu können, sofort alle Feuerwehren und Krankenhäuser, überhaupt alle Hilfsorganisationen, wieder abschaffen, weil wir damit das "Hilfsinstrument der Schöpfung" behindern, wenn wir irgendwo Leiden abschaffen. Dann hat also Hitler mehr zur Heilung der Welt beigetragen als wir alle zusammen. Das ist eine Rechtfertigung für Kreuzzüge und Inquisition, aber eine Verneinung eines gütigen Gottes. Wenn der das Leid benutzt, um die Welt schneller wieder aufrichten zu können, dann verehren die Christen tatsächlich einen üblen Dämon, einen Unheilbringer, einen Leidensbringer. Ich glaube, kein einziger Christ (und A&As sowieso nicht) könnte so einem Wesen etwas anderes als tiefe Verachtung entgegen bringen - und wenn nicht, wäre er besser Satanist geworden.

 

Es besteht daher kein Widerspruch zwischen der göttlichen Zulassung des Leids auf dieser Erde - das aber wohlgemerkt zum allergrössten (!) Teil von Menschenhand gemacht ist, und somit in den Verantwortungsbereich von uns Menschen selbst fällt - und der göttlichen Liebe, die die in die finstersten Untiefen der Sünde gefallenen Schöpfung wieder erlösen will, ohne den freien Willen und damit die Individualität der gefallenen Wesen zu zerstören.

 

Was aber ist mit dem großen Teil der Übel, die erkennbar nicht von Menschenhand gemacht worden sind?

 

Zum freien Willen erzähle ich ein andernmal etwas, und zwar im Ockham-Thread. Auch der freie Willen taugt nicht zur Lösung des Theodizeeproblems, dazu ein andernmal mehr, für heute ist es mir zu spät (bzw. zu früh).

 

Die Lösung Deines Theodizeeproblems verwirft den Monotheismus und verlagert zusätzlich noch das Übel auf Luzifer, einem Geschöpf Gottes, der bei seinem Wissen die Probleme hätte vorhersehen müssen. Dies entlastet Gott nicht, sondern belastet ihn noch stärker und macht die Heilspläne noch abstruser und unübersichtlicher. Außerdem hast Du damit den Boden des Christentums verlassen - das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. Eine dualistische Gottesvorstellung kann zwar das Theodizeeproblem lösen, aber nicht, wenn der eine Gott für die Schaffung des anderen gottähnlichen Wesens mit allen Konsequenzen verantwortlich wäre.

 

Damit, denke ich, hast Du das Problem nicht gelöst, sondern es nur noch viel komplizierter gemacht. Mit Ockhams Rasiermesser wäre das nicht passiert, nicht wahr, Sven?

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Zitat von Squire am 22:11 - 24.November.2002

Außerdem, ich frage mich wieso die Theodizee-Frage so oft ihren Aufhänger nur am Außmaß der Grausamkeit (Auschwitz) nimmt, und nicht an der Grausamkeit selbst. Mit der Grausamkeit vor Auschwitz konnte man anscheinend noch leben.  Damit wird die Thematik wohl zu einem Wahrnehmungsproblem.


 

Ausschwitz ist nur ein Symbol, ein Beispiel von vielen, aber da es relativ neu (zeitnah) ist, wird gerne darauf verwiesen.  Wir können auch die Religionskriege nehmen oder Aids oder den Hunger in der Welt oder das Erdbeben vom letzten Jahr in Indien (150.000 Tote) oder die zivilen Todesopfer des Afghanistan-Krieges oder die Pestepedemien des Mittelalters oder oder oder.

 

Auswahl an Übeln gibt es mehr als genug. Meist reicht aber ein Beispiel, man muss (und kann) nicht alles aufzählen.

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Re: offtopic

Mecky: >>Um die Vergangenheit zu "retten" müsste man sich auf ein überweltliches (oder zumindest prinzipiell übermaterielles) Gedächtnis berufen.<<

 

Hallo Mecky,

 

1) warum sollte die "Vergangenheit" gerettet werden?

2) ... da kommt dann die ewige Wiederkehr ...

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@ volker: ich bin bisher nicht gearde ein fan deiner meinung, aber deine ausführungen in diesem thread beeindrucken mich. ich komme mir vor wie ein schachspieler, der einem kontrahenten mit ein paar 100 elopunkten mehr gegenübersitzt: wo soll das enden? aber schach liebe ich trotzdem, ebenso wie gott und das leben.

 

 

greetings, jes

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