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Abweichende Beschreibung der Auferstehung


Bruno-Maria Schulz

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Bruno-Maria Schulz

Thread wurde nicht von Bruno-Maria Schulz eröffnet; Titel stammt von mir. Lucia.

 

Die konkrete Nennung der (angeblichen) "Widersprüche" im Neuen Testament habe ich nicht gefunden. Hat jemand einen einzigen Woiderspruch gefunden und ihn irgendwo gepostet?

bearbeitet von Lucia Hünermann
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wie ist es mit den auferstehungsgeschichten? die werden doch in den einzelnen evangelien völlig unterschiedlich dargestellt

gruss

kreuz

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Die konkrete Nennung der (angeblichen) "Widersprüche" im Neuen Testament habe ich nicht gefunden. Hat jemand einen einzigen Woiderspruch gefunden und ihn irgendwo gepostet?

Ja, ich habe das getan, mit Verweis auf die Oster-Herausforderung von Dan Barker.

 

Folgende Quellen wären ebenfalls noch zu nennen:

 

The Skeptic's Annotated Bible

 

Biblical Errancy

 

A List of Biblical Contradictions

 

The Septical Review

 

Ich kann Dir gerne noch mehr nennen ...

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Karsten Bürgener:

 

Die Auferstehung Jesu Christi von den Toten -Eine Osterharmonie ist möglich

 

168 Seiten / EUR 10,- plus Versandkosten

 

Wer versucht, aus den verschiedenen Auferstehungsberichten des neuen Testaments ein einheitliches Gesamtbild der damaligen Ereignisse zu gewinnen, stößt auf vielfältige Probleme und Schwierigkeiten. Das ist der Grund, warum viele Theologen die biblischen Osterberichte für unhistorisch halten - für bloße Glaubenszeugnisse im Gewand der Legende.

 

Wenn man allerdings darauf aufmerksam geworden ist, daß bestimmte Probleme in immer wieder gleicher Weise vorkommen und wenn man darin einfach nur die Eigenheiten antik-orientalischer Schriftstellerei erkennt, ergibt sich ein anderes Bild. Es ist tatsächlich möglich, einen vollkommen widerspruchslosen Verlauf der damaligen Ereignisse zu rekonstruieren, so daß das biblische Osterzeugnis klar, glaubhaft und überzeugend vor uns liegt.

 

Das Buch ist ein Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion und zugleich ein verständlich geschriebenes und glaubensstärkendes Werk für den interessierten Christen.

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Ich kenne ungefähr ein Dutzend Lösungsversuche. Die meisten bestehen darin, explizit von Barker genannte Regeln zu brechen. So wird z. B. von verschiedenen Personen berichtet, die zum Grab gehen. Bei Johannes wird z. B. nur Maria Magdalena genannt, bei Lukas sind es Maria Magdalene, Joanna, Maria (Mutter von James) und andere Frauen. Die "Lösung": Das Johannes nur Magdalena erwähnt, heißt nicht, dass nicht auch noch andere Personen anwesend waren - es hätten also gut auch noch Erich, der Papst und Al Bundy mit dabei gewesen sein können.

 

Auch sonst wird da meist mit einer Freiheit interpretiert, die seinesgleichen sucht.

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Lieber Volker,

 

Ich kenne ungefähr ein Dutzend Lösungsversuche. Die meisten bestehen darin, explizit von Barker genannte Regeln zu brechen.

Genau in den von Barker genannten Regeln - genauer gesagt, schon in seiner Aufgabenstellung - liegt das Problem.

 

My challenge is simply this: tell me what happened on Easter. I am not asking for proof. My straightforward request is merely that Christians tell me exactly what happened on the day that their most important doctrine was born.

Der Fehler liegt im "tell me exactly what happened".

 

Wenn man diesen Anspruch erhebt, sind Zeugenaussagen niemals verwendbar. Jeder, der auch nur einmal den völlig trivialen Prozeß über einen Verkehrsunfall miterlebt hat, weiß, daß schon die Zeugenaussagen, die unmittelbar nach dem Unfall von der Polizei aufgenommen wurden, sich voneinander in vielfacher Weise unterscheiden - und zwar auch die von völlig unbeteiligten Zeugen, so daß das nichts mit dem willentlichen Verdrehen der Wahrheit zu tun hat, die man bei Unfallbeteiligten ja erwarten kann. Wenige Monate nach dem Unfall (also, wenn es zum Prozeß kommt) sind die Unterschiede noch um einiges angewachsen.

 

Trotzdem sind Zeugenaussagen aller Erfahrung nach durchaus verwendbar - und zwar gerade, weil sich daraus, inwiefern sie sich unterscheiden und inwiefern sie übereinstimmen, Schlüsse auf das tatsächliche Geschehen ableiten lassen.

 

Dieses Unterschiede haben auch ganz einfache Gründe. Wenn ich mit meiner Frau Zeuge eines Unfalls geworden bin und ich selbst weiß, daß ich dort um diese Uhrzeit nur entlanggefahren sein kann, wenn ich sie gerade von der Arbeit abgeholt habe, kann ich sehr genau sagen, daß meine Frau ebenfalls dabei war. Dritten kann aber überhaupt nicht aufgefallen sein, daß meine Frau dabei war. Denn die hatten in dem Moment anderes zu tun, als gerade zu kontrollieren, wer noch dabeisteht. Und selbst wen es ihnen aufgefallen war, heißt das nicht, daß sie es in einem Unfallbericht oder einer Zeugenaussage erwähnen, denn es kann durchaus sein, daß ihnen das schlicht nicht wichtig vorkommt.

 

Tatsächlich gilt es vor Gericht ausdrücklich als Zeichen für die Unglaubwürdigkeit von Zeugenaussagen, wenn diese sehr exakt mit anderen übereinstimmen. Denn es ist schlicht unmöglich, daß Zeugen dasselbe wahrnehmen - und doppelt unmöglich, daß sie sich an dasselbe erinnern. Die von Barker geforderte Exaktheit wäre nur möglich, wenn die Zeugen sich nachträglich abgesprochen und auf eine Geschichte festgelegt hätten - damit ist ihre Aussage in ihrem Beweiswert schwer erschüttert.

 

Glaubwürdig ist eine Zeugenaussage dann, wenn sie

 

1. sich mit anderen Zeugenaussagen (und ggf. anderen Beweismitteln, sofern solche zur Verfügung stehen) in den streitrelevanten Punkten zu einem stimmigen Gesamtbild zusamenführen lassen. Das heißt, sie dürfen sich in den entscheidenden Punkten nicht widersprechen. Es muß aber auch nicht jede Zeugenaussage jedes Detail der entscheidenden Fragen erwähnen. Sogar ausdrückliche Widersprüche in Detail stören nicht, wenn diese sich durch die Wahrnehmungssituation der Zeugen erklären lassen - entweder durch deren Perspektive oder dadurch, daß diese Detail einfach nicht mit der gleichen Aufmerksamkeit beobachtet und erinnert wurden.

 

2. jede für sich die jeweils persönliche Perspektive der Zeugen erkennen lassen. Das heißt, sie dürfen gerade nicht übereinstimmen. Da jeder ein Geschehen leicht unterschiedlich wahrnimmt und erinnert, unterschiedliche Details sieht oder als wichtig (und somit erinnerns- und berichtenswert) ansieht, ist es nahezu unmöglich, daß Zeugenberichte auch nur inhaltlich deckungsgleich sind.

 

Ich habe auch schon Richter erlebt - meist unerfahrene Amtsrichter -, die die gleichen Kriterien wie Barker anlegen. Ich kann nur sagen: Pech, wer einen solchen richer hat.

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Lieber Volker,

 

Ich kenne ungefähr ein Dutzend Lösungsversuche. Die meisten bestehen darin, explizit von Barker genannte Regeln zu brechen.

Genau in den von Barker genannten Regeln - genauer gesagt, schon in seiner Aufgabenstellung - liegt das Problem.

 

My challenge is simply this: tell me what happened on Easter. I am not asking for proof. My straightforward request is merely that Christians tell me exactly what happened on the day that their most important doctrine was born.

Der Fehler liegt im "tell me exactly what happened".

 

Wenn man diesen Anspruch erhebt, sind Zeugenaussagen niemals verwendbar. Jeder, der auch nur einmal den völlig trivialen Prozeß über einen Verkehrsunfall miterlebt hat, weiß, daß schon die Zeugenaussagen, die unmittelbar nach dem Unfall von der Polizei aufgenommen wurden, sich voneinander in vielfacher Weise unterscheiden - und zwar auch die von völlig unbeteiligten Zeugen, so daß das nichts mit dem willentlichen Verdrehen der Wahrheit zu tun hat, die man bei Unfallbeteiligten ja erwarten kann. Wenige Monate nach dem Unfall (also, wenn es zum Prozeß kommt) sind die Unterschiede noch um einiges angewachsen.

Lieber Sven,

 

die Argumente mit den Zeugenaussagen kenne ich. Es ist mir bekannt, dass Zeugenaussagen sich meist nur dann nicht widersprechen, wenn sie abgesprochen sind - weil Menschen sich irren, sich täuschen (lassen), weil neue Wahrnehmungen alte Erinnerungen beeinflussen können (ein Design-Fehler unseres Gehirns) und weil Menschen bewusst die Unwahrheit sagen. Du sagst, dass wenige Monate nachher die Unterschiede bereits anwachsen. Ja.

 

Trotzdem ändert das überhaupt nichts an der Feststellung, dass bei widersprüchlichen Zeugenaussagen etwas nicht stimmen kann. Das ist auch der Grund, warum Gerichte beispielsweise bei Mordprozessen oft mehr Wert auf Indizien legen als auf Zeugenaussagen. Denn ob die Rekonstruktion der Geschehnisse aus Richtersicht korrekt ist, kann keiner so genau sagen, die Unsicherheit ist erheblich.

 

Wenn man nun, wie die Bibelfundamentalisten, von einer wortwörtlich wahren Bibel ausgeht - deren Exaktheit überall gerühmt wird - so kann man mit der Osterherausforderung durchaus im strikten Sinne beweisen, dass sich die Biblizisten darin irren. Ich denke sogar, darüber können wir uns einigen. Wenn Gott die Bibel wörtlich inspiriert hätte, dann hätte es keinen einzigen Widerspruch geben dürfen. Gott kann sich nicht irren, sich täuschen, und er soll auch nicht lügen (können?). Genau hierin unterscheidet er sich von Menschen. Man kann es drehen und wenden wie man will: Es kommt dabei heraus, dass bei der Abfassung der Evangelien typische menschliche Schwächen mit im Spiel waren.

 

Es ist mir bekannt, dass die Idee der (kompletten) Verbalinspiration der Bibel unter katholischen Theologen mittlerweile nur noch von einer Minderheit vertreten wird. Ich muss allerdings eines sagen: Wenn Gott sich tatsächlich einmal offenbaren sollte, so würde ich in jedem Fall erwarten, dass die Offenbarung frei von menschlichen Schwächen ist. Eine göttliche Offenbarung muss "übermenschlichen" Charakter haben, d. h. Informationen enthalten, die ein Mensch nicht wissen kann oder sich nicht ausdenken kann, andernfalls ist eine göttliche Offenbarung nicht von menschlicher Erfindung unterscheidbar. Wenn es für uns und nach unseren beschränkten Fähigkeiten nicht möglich ist, eine Unterscheidung zwischen "Offenbarung" und "menschlicher Erfindung" zu machen, dann ist die Offenbarung für uns wertlos. Hierin muss ich den Bibelfundamentalisten einfach zustimmen.

 

An dieser Stelle nützt uns auch kein Glauben - Glauben an die Wahrheit der Offenbarung können andere Religionen für ihre heiligen Schriften auch bieten, sei es für den Koran oder die Veden. Darin unterscheiden sich die diversen heiligen Schriften nicht. Wenn der Glauben für die Wahrheit einer heiligen Schrift spräche, dann wäre dieses Argument für sich widersprechende Schriften gleichermaßen gültig, aber ein Argument, welches für A und Nicht-A gleichzeitig spricht, kann nicht gültig sein, gleichgültig, wie sehr es uns auch einleuchten mag. Eine Schrift kann auch nichts über ihre eigene Wahrheit aussagen - denn auch dies tun alle heiligen Schriften auf fast schon stereotypische Art und Weise (Gott würde wissen, dass so etwas unsinnig ist, und es unterlassen - Menschen können dem aber nicht widerstehen, weil andere Menschen nur allzu bereit sind, auf derartige Manöver"hereinzufallen" ).

 

In den Widersprüchen in der Ostergeschichte spiegelt sich noch etwas wieder - es handelt sich nicht einmal um Zeugenaussagen. Es handelt sich um die Zusammenfassung mündlich überlieferter Erzählungen über einen Zeitraum von 40-90 Jahren (bei den Evangelien, 20 Jahre bei Paulus). Kurz, es sind Geschichten nach dem Hörensagen.

 

Ursprünglich ging es in diesem Thread darum, ob es Widersprüche in der Bibel gibt. Die Antwort auf diese Frage lautet: Eindeutig JA. Über die Ursachen kann man spekulieren, aber eine wörtliche Verbalinspiration der Bibel kann man damit positiv ausschließen. Über die Folgerungen können wir uns ein andermal unterhalten.

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Lieber Volker,

 

Es ist mir bekannt, dass Zeugenaussagen sich meist nur dann nicht widersprechen, wenn sie abgesprochen sind - weil Menschen sich irren, sich täuschen (lassen), weil neue Wahrnehmungen alte Erinnerungen beeinflussen können (ein Design-Fehler unseres Gehirns) und weil Menschen bewusst die Unwahrheit sagen.

Du übersiehst noch etwas: es gibt noch eine dritte Möglichkeit - und das ist die häufigste -, weshalb verschiedenen Zeugenaussagen sich unterscheiden: nämlich, indem sie unterschiedliches erwähnen, anderes weglassen. Dann aber widersprechen sie sich nicht einmal, sondern ergänzen einander bloß.

 

Trotzdem ändert das überhaupt nichts an der Feststellung, dass bei widersprüchlichen Zeugenaussagen etwas nicht stimmen kann.

Das gilt nur dann, wenn sie einander wirklich widersprechen, nicht aber, wenn jede für sich unvollständig ist und sie einander ergänzen.

 

Die Evangelien können (wie jede beliebige Zeugenaussage) nicht für sich beanspruchen - und wollen das auch gar nicht -, auch nur alle halbwegs verwertbaren Details aufzulisten. Tatsächlich kann das kein Text, so inspiriert er auch sein mag. Das liegt nicht an Mängeln der Inspiration, sondern an den Grenzen der Möglichkeiten, die ein Text bietet.

 

Insofern wäre zunächst erst einmal zu prüfen, ob die Evangelien einander wirklich widersprechen oder nur unterschiedliches erwähnen. Das durchzufieseln, erspare ich mir allerdings schon deshalb, weil ich das nicht für die interessante Fragestellung halte. Schon der gesamten Form nach gehe ich nicht davon aus, daß es sich bei den Evangelien überhaupt um nüchterne Ablaufprotokolle handelt. Sie sind offensichtlich auch dichterisch gestaltet (wie gesagt: ich spreche hier lediglich von der Form); insofern wäre es durchaus kein „Stilbruch“ und auch kein methodischer Fehler des Autors, falls Details ergänzt oder dichterisch ausgestaltet wären.

 

Soweit tatsächlich Widersprüche vorliegen, gilt auch hier das gleiche wie bei Zeugenaussagen. In Details widersprechen Zeugenaussagen einander oft, eher schon regelmäßig. Das hindert aber keinen Richter daran, solche Zeugenaussagen trotzdem einer Entscheidung zugrundezulegen.

 

Das hindert übrigens auch keinen Wissenschaftler daran, Zeugenberichte zur Grundlage für eine Arbeit zu machen. Gerade bei der Beobachtung von seltenen Naturphänomenen, die nicht im Labor nachgestellt werden können (oder deren Laborsimulation auf Korrektheit überprüft werden soll), ist oft gerade nicht möglich, sich auf Messungen zu stützen, weil ein Meßgerät dann eben gerade nicht zur Hand ist. Jeder, der sich damit befaßt, muß sich dann auf Augenzeugenberichte stützen und die verschiedenen Perspektiven der Zeugen berücksichtigen.

 

Das ist auch der Grund, warum Gerichte beispielsweise bei Mordprozessen oft mehr Wert auf Indizien legen als auf Zeugenaussagen. Denn ob die Rekonstruktion der Geschehnisse aus Richtersicht korrekt ist, kann keiner so genau sagen, die Unsicherheit ist erheblich.

So einfach ist es nicht. Indizien - ich denke, Du meinst jetzt vor allem wissenschaftlich nachprüfbare Beweiszeichen wie Fingerabdrücke, DNA-Tests etc. - haben selbstverständlich einen gewaltigen Vorteil: sie sind unbestechlich. Sie sind aber auch nicht unfehlbar - weder in der Feststellung noch in der Auswertung.

 

Sie haben vor allem aber aber den Nachteil, daß sie nur eine sehr beschränkte „Aussage“ machen. Ein Fingerabdruck auf der Mordwaffe sagt eben nur, daß ein Fingerabdruck auf der Mordwaffe ist. Nun können Fingerabdrücke auch künstlich appliziert werden (was aber sehr aufwendig, also meist [!] unwahrscheinlich ist). Aber selbst wenn man das ausschließt, sagt auch das nur, daß der „Inhaber“ des Fingers, zu dem der Abdruck gehört, die Waffe berührt hat. Erst im Zusammenhang mit anderen Indizien ergibt sich mehr. Schmauchspuren an der Hand dessen zeigen, daß dessen Hand in unmittelbarer Nähe war, als eine Pulverladung gezündet wurde, wie sie auch in Schußwaffen verwendet werden; eine bestimmte Form der Schmauchspuren zeigt, daß er die Hand am Kolben irgendeiner Waffe gehabt haben muß.

 

Kein Indiz macht aber die einfache Aussage „X hat auf Y geschossen“. Indizien führen nur in der Kombination mit anderen Beweismitteln zu irgendwelchen verwertbaren Schlüssen. Wie Du selbst aber immer wieder sagst: die Kombination mehrerer Argumente (etwa Indizien) führt nicht immer zu mehr Sicherheit, sondern kann auch die Fehlerwahrscheinlichkeit erhöhen.

 

Indizien sind gute Beweismittel, aber sie ersetzen Zeugenaussagen nicht. Reine Indizienprozesse sind den meisten Richtern (zumindest solchen, die ein bißchen Erfahrung haben) noch viel unangenehmer als reine Zeugenprozesse. Denn die Wissenschaftlichkeit eines Indizes hat eine sehr verführerische Wirkung: daß das, was es aussagt, so sicher ist, verleitet dazu, ihm auch Beweiskraft über das hinaus zuzuschreiben, was es in Wahrheit sagt.

 

Vor allem aber: Indizien müssen überhaupt zur Verfügung stehen, damit sie verwendet werden können. Das Fehlen von Indizien führt aber an sich nicht zum Stillstand der Rechtspflege.

 

Wenn man nun, wie die Bibelfundamentalisten, von einer wortwörtlich wahren Bibel ausgeht - deren Exaktheit überall gerühmt wird - so kann man mit der Osterherausforderung durchaus im strikten Sinne beweisen, dass sich die Biblizisten darin irren.

Falls da tatsächlich Widersprüche drin sind, mag das sein. Da ich eine solche Lesart der Bibel aber schon aus anderen Gründen für Tinnef halte, stellt sich mir die Frage nicht. Ich spare mir daher den Aufwand, zu prüfen, ob Deine Behauptung stimmt oder nicht.

 

Wenn Gott die Bibel wörtlich inspiriert hätte, dann hätte es keinen einzigen Widerspruch geben dürfen. Gott kann sich nicht irren, sich täuschen, und er soll auch nicht lügen (können?). Genau hierin unterscheidet er sich von Menschen. Man kann es drehen und wenden wie man will: Es kommt dabei heraus, dass bei der Abfassung der Evangelien typische menschliche Schwächen mit im Spiel waren.

Das wiederum ist falsch. Die Frage, die du übersiehst, ist nämlich, als was Gott die Bibel inspiriert hat - selbst wenn die Übermittlung in der Art eines wörtlichen Diktates erfolgt ist.

 

Wenn ich forensischer Pathologe bin und einen Obduktionsbericht diktiere, ist klar: fehlerfrei ist das ganze nur dann, wenn das Schreibbüro auch einen Obduktionsbericht mit allen Maßangaben, Analysen und Beschreibungen in vollem Detailreichtum abliefert. Bin ich dagegen Journalist und diktiere eine Reportage, wäre es ausdrücklich falsch, wenn die Sekretärin meinen Bericht in eine Sammlung von Tabellen, Namenslisten und Schemata „eindampft“. Meine Reportage wird Fakten enthalten, aber eben auch Eindrücke, Stimmungen etc - und etliche Fakten werde ich auch einfach weglassen, wenn sie für das, was ich schildere, ohne Belang sind.

 

Selbst wenn wir von einer wörtlichen Inspiration ausgehen, heißt das nicht, daß Gott so etwas wie ein polizeiliches Protokoll haben wollte, in dem alle Anwesenden mit Name und Wohnort, die genauen Zeitabläufe auf die Minute und am besten noch eine Skizze der Örtlichkeit enthalten sind. Es kann nämlich durchaus sein, daß es Gott darauf schlicht nicht ankam. Sprich: er wollte uns nichts sagen, wofür die Kenntnis dessen von irgendeiner Bedeutung wäre.

 

Wenn Gott sich tatsächlich einmal offenbaren sollte, so würde ich in jedem Fall erwarten, dass die Offenbarung frei von menschlichen Schwächen ist. Eine göttliche Offenbarung muss "übermenschlichen" Charakter haben, d. h. Informationen enthalten, die ein Mensch nicht wissen kann oder sich nicht ausdenken kann, andernfalls ist eine göttliche Offenbarung nicht von menschlicher Erfindung unterscheidbar.

Das ist in zweifacher Hinsicht Unfug.

 

Eine göttliche Offenbarung muß für den Menschen verstehbar sein, sonst könnte Gott sich das ganze schenken. Das wiederum bedeutet, sie muß sich einer Sprache bedienen (verbal oder nonverbal), die der Mensch verwenden kann. Wenn der Mensch sie verwenden kann, kann er in dieser Sprache auch lügen, können Äußerungen in dieser Sprache auch mißverstanden werden, etc. Eine „übermenschliche“ Offenbarung ist keine Offenbarung.

 

Das bedeutet aber nicht, daß eine göttliche Offenbarung nicht von menschlicher Erfindung unterschieden werden könnte. Diese Unterscheidung ist nur nicht mit unanzweifelbarer Sicherheit möglich.

 

Das zu verlangen, wäre aber auch absurd, denn diese Sicherheit haben wir niemals, und diese Forderung wird auch von niemandem in irgendeinem anderen Zusammenhang erhoben.

 

Wenn einer angeklagt ist, einen Mord verübt zu haben, und es ein Überwachungsvideo gibt, auf dem der Mord zu sehen ist, er ein Motiv hatte, er noch mit dem „rauchenden Colt“ gestellt wird, und so weiter und so weiter... Steht seine Schuld dann unbezweifelbar fest? Das Video kann manipuliert sein, die Polizisten, die ihn gestellt haben, können bestochen sein, die Fingerabdrücke und die Schmauchspuren an seiner Hand können manipuliert (oder von einem korrupten Kriminaltechniker erfunden) sein, das Motiv gestellt (oder auch unerheblich - Mordmotive hat jeder, wenn man nur genug darüber nachdenkt), etc. pp. Und das fiese ist: solche Manipulation n hat es gegeben (wenn auch nur einzeln und nicht so gehäuft) - und diese Verteidigungstakik war (in den USA, hier m.E. nicht) auch schon erfolgreich.

 

Wenn es für uns und nach unseren beschränkten Fähigkeiten nicht möglich ist, eine Unterscheidung zwischen "Offenbarung" und "menschlicher Erfindung" zu machen, dann ist die Offenbarung für uns wertlos. Hierin muss ich den Bibelfundamentalisten einfach zustimmen.

Und hierin fällst Du auf den fundamentalistischen Bockmist schlicht herein.

 

An dieser Stelle nützt uns auch kein Glauben - Glauben an die Wahrheit der Offenbarung können andere Religionen für ihre heiligen Schriften auch bieten, sei es für den Koran oder die Veden. Darin unterscheiden sich die diversen heiligen Schriften nicht. Wenn der Glauben für die Wahrheit einer heiligen Schrift spräche, dann wäre dieses Argument für sich widersprechende Schriften gleichermaßen gültig, aber ein Argument, welches für A und Nicht-A gleichzeitig spricht, kann nicht gültig sein, gleichgültig, wie sehr es uns auch einleuchten mag. Eine Schrift kann auch nichts über ihre eigene Wahrheit aussagen - denn auch dies tun alle heiligen Schriften auf fast schon stereotypische Art und Weise (Gott würde wissen, dass so etwas unsinnig ist, und es unterlassen - Menschen können dem aber nicht widerstehen, weil andere Menschen nur allzu bereit sind, auf derartige Manöver"hereinzufallen" ).

Damit hast Du völlig recht - wenn Du unter Glauben das einfache „für wahr halten“ verstehst.

 

Etwas einfach nur für wahr zu halten, ändert an der Wahrheit dessen kein bißchen. Die entscheidende Frage ist, warum ich was für wahr halte.

 

Wenn ich die Wahrheit dessen, was ein Text aussagt, diskutiere, kommt es aber zuallererst darauf an, was dieser Text denn aussagen soll. Als nächstes kommt es darauf an, ob das mit dem, was ich weiß, in Einklang steht. Aber auch dabei darf ich mich nicht dazu verleiten lassen, mein Wissen so selbstverständlich als unbezweifelbar gesichert und vor allem relevant zu nehmen. Auch was ich „weiß“, besteht ja in Wahrheit nur aus Deutungszusammenhängen: ich weiß, was ich vor dem Hintergrund einer bestimmten Fragestellung in einen Gesamtzusammenhang meiner Wahrnehmungen und Erfahrungen einfügen kann. Das bedeutet: ich muß mir auch bei meinem Wissen erst einmal darüber klar werden, worauf es sich bezieht, „was es sagen soll“. Wenn der Text eine völlig andere Fragestellung betrifft, wird das schon problematisch.

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Lieber Sven,

 

bei den meisten Dingen sehe ich keine unüberbrückbaren Differenzen - wir halten beide die Bibel nicht für wortwörtlich wahr wie die Bibelfundamentalisten, auch wenn wir auf verschiedenen Wegen zu dieser Ansicht gelangt sind (was aber eher noch eine Bestätigung wäre).

 

Aber in einer Hinsicht haben wir einen Dissenz:

 

Eine göttliche Offenbarung muß für den Menschen verstehbar sein, sonst könnte Gott sich das ganze schenken. Das wiederum bedeutet, sie muß sich einer Sprache bedienen (verbal oder nonverbal), die der Mensch verwenden kann. Wenn der Mensch sie verwenden kann, kann er in dieser Sprache auch lügen, können Äußerungen in dieser Sprache auch mißverstanden werden, etc. Eine „übermenschliche“ Offenbarung ist keine Offenbarung.

 

Bis auf den letzten Satz stimme ich Dir zu. Ich würde diesen so formulieren, dass eine vollständig "übermenschliche" Offenbarung für uns vermutlich nicht verstehbar wäre und damit wertlos, also keine wirkliche (im Sinne von "wirksame" ) Offenbarung.

 

Das bedeutet aber nicht, daß eine göttliche Offenbarung nicht von menschlicher Erfindung unterschieden werden könnte. Diese Unterscheidung ist nur nicht mit unanzweifelbarer Sicherheit möglich.

 

Das zu verlangen, wäre aber auch absurd, denn diese Sicherheit haben wir niemals, und diese Forderung wird auch von niemandem in irgendeinem anderen Zusammenhang erhoben.

 

Den ersten Absatz halte ich aber für komplett falsch. Beim letzten Absatz bin ich mir nicht sicher, ob diese Forderung nicht schon erhoben wurde, aber das ist nicht weiter wichtig.

 

Es gäbe nämlich eine einfache und verblüffende Möglichkeit für Gott, eine Offenbarung mit einem "Echtheitssiegel" zu versehen, mit einer Art Unterschrift. Auch das wäre keine vollkommene Sicherheit, aber wir Menschen haben gelernt, auch mit unvollkommener Sicherheit zu leben (das liegt in unserer Natur). Es wäre keine vollkommene, aber eine ausreichende Sicherheit - d. h. mir beispielsweise würde sie als Sicherheit genügen.

 

Gott müsste in seiner Offenbarung nur einfach Ereignisse vorhersagen, auf die kein Mensch einen Einfluss nehmen kann oder könnte. Sagen wir mal - die Vorhersage von drei Supernova-Explosionen mit Angabe von Tag, Stunde und Minute. Oder den exakten Einschlagsort von fünf Meteoriten mit Tag, Stunde und Minute. Oder andere kosmische (nicht von Menschen beeinflussbare) Ereignisse, die wir zwar beobachten, aber nicht vorhersagen können.

 

Wir hätten damit keine letztgültige, aber eine ausreichende Sicherheit. Ich würde in dem Fall meinen Atheismus sofort als Irrtum zurückziehen.

 

Aber ohne Ereignisse, die für uns nachprüfbar sind, die sich nicht wiederum auf die Bibel oder den Glauben stützen, ist die Bibel faktisch für uns nicht von einer rein menschlichen Erfindung unterscheidbar. Oder wo sollte das Unterscheidungskriterium liegen?

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Lieber Volker!

 

Gott müsste in seiner Offenbarung nur einfach Ereignisse vorhersagen, auf die kein Mensch einen Einfluss nehmen kann oder könnte. Sagen wir mal - die Vorhersage von drei Supernova-Explosionen mit Angabe von Tag, Stunde und Minute. Oder den exakten Einschlagsort von fünf Meteoriten mit Tag, Stunde und Minute. Oder andere kosmische (nicht von Menschen beeinflussbare) Ereignisse, die wir zwar beobachten, aber nicht vorhersagen können.

 

Abgesehen davon, dass diese Ereignisse eventuell doch durch Beobachtungen und Berechnungen prognostiziert werden könnten, stellt sich wiederum die Frage, wie denn ein existierender Gott selbige ankündigen sollte. Doch wohl wieder mit einer "Offenbarung", wobei wir wieder vorne wären.

 

Wir hätten damit keine letztgültige, aber eine ausreichende Sicherheit. Ich würde in dem Fall meinen Atheismus sofort als Irrtum zurückziehen.

Diese Aussage wird um so verblüffender, als man sie noch erweitern müsste um:

"Dieser Fall würde das Ende des Glaubens bedeuten und wohl auch das Ende des Christentums."

 

ubiveritas

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Abgesehen davon, dass diese Ereignisse eventuell doch durch Beobachtungen und Berechnungen prognostiziert werden könnten, stellt sich wiederum die Frage, wie denn ein existierender Gott selbige ankündigen sollte. Doch wohl wieder mit einer "Offenbarung", wobei wir wieder vorne wären.

 

Nein, denn diesmal hätten wir etwas qualitativ Anderes: eine Offenbarung mit einer nicht zu fälschenden Unterschrift. Der Unterschied ist derselbe wie der zwischen einem mutmaßlich gefälschten (weil leicht fälschbaren) Scheck und einem Scheck mit einem nicht fälschbaren Echtheitssiegel.

 

Wichtig ist, ob zum Zeitpunkt der Offenbarung Menschen die Ereignisse nicht vorhersagen können.

 

Wir hätten damit keine letztgültige, aber eine ausreichende Sicherheit. Ich würde in dem Fall meinen Atheismus sofort als Irrtum zurückziehen.

Diese Aussage wird um so verblüffender, als man sie noch erweitern müsste um:

"Dieser Fall würde das Ende des Glaubens bedeuten und wohl auch das Ende des Christentums."

 

Das Ende des Glaubens - vielleicht (zumindest, was Gott angeht). Aber das Ende des Christentums wohl kaum. Denn seit wann lassen sich Christen durch Beweise beeindrucken?

 

Aber Scherz beiseite - Glauben selbst halte ich für ein überflüssiges Konstrukt, ich weiß auch nicht, wozu das gut sein soll. Auch eine nicht sinnvoll beantwortete Frage: Warum und wozu sollte Glauben überhaupt notwendig sein?

bearbeitet von Volker
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Lieber Volker,

 

Du verwechselst da wieder einmal zweierlei (Präzision im Denken ist gefordert!):

 

Damit wäre nicht bestätigt, daß der "Autor" der "Offenbarung" allwissend, Gott oder sonstwer wäre. Damit wäre bloß bestätigt, daß der Autor entweder

 

- ein Glücksspieler mit einem sagenhaften Schwein wäre oder

- zufällig Kenntnisse hat, die mir nicht zur Verfügung stehen.

 

Ein bestimmtes Ereignis vorhersehen zu können, macht keinem zu einem Gott, sondern bloß zu einem guten Sachverständigen für dieses ganz spezielle Ereignis. Ein halbidiotischer Viehbauer kann das Verhalten seines Rindviehs mit seiner Erfahrung vielleicht sogar recht gut vorhersagen - etwas, das für mich sogar einem reinen Wunder gleichkäme. Das würde allerdings nicht bedeuten, daß seine Ratschläge für meine Lebensgestaltung sonderlich viel Bedeutung haben könnten. Ein Astronom von heutigem Wissensstand, ein Astronom vom Wissensstand der 30. Jahrhunderts oder ein Astronom von der Betaigeuze können über die Entstehung einer Supernova sicher sehr viel mehr sagen, als ein Schafhirte aus Galiläa um das Jahr 4. Ein Fladenbrot zu backen oder ein wildes Tier mit einer Steionschleuder zu verscheuchen würde die aber wohl überfordern.

 

Wenn Du das, was du da als Maßstab genannt hast, zur Grundlage der Entscheidung über die Göttlichkeit einer Offenbarung nimmst, kann ich Dir leider nur sagen: Deine philosophische und wissenschaftstheoretische Weitsicht gleicht der eines amerikanischen Ureinwohners von 1492.

 

Es tut mir wirklich leid, aber die Vorlage nicht zu verwandeln, wäre Frevel gewesen... :unsure:

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Du verwechselst da wieder einmal zweierlei (Präzision im Denken ist gefordert!):

 

Damit wäre nicht bestätigt, daß der "Autor" der "Offenbarung" allwissend, Gott oder sonstwer wäre. Damit wäre bloß bestätigt, daß der Autor entweder

 

- ein Glücksspieler mit einem sagenhaften Schwein wäre oder

- zufällig Kenntnisse hat, die mir nicht zur Verfügung stehen.

Die Glaubwürdigkeit eines Propheten wird in dem von Volker beschriebenen Fall einer extrem unwahrscheinlichen Punktlandung drastisch steigen. Man wäre dann eher geneigt, die Wahrscheinlichkeitsbewertung seiner anderen Prophezeiungen heraufzustufen. Natürlich kann es dann immer noch sein, daß es sich um einen eindruckschindenden Zeitreisenden handelt und nicht um einen Gottesboten :unsure:

bearbeitet von Kritias
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Lieber Volker!

 

Wenn ich das richtig verstanden habe, würde nur ein in einer Offenbarung prophezeites und dann eintreffendes Ereignis Dich von der Existenz eines Gottes überzeugen.

Also eine Art pragmatischer Gottesbeweis, der darauf aufbaut, dass nur Gott in der Lage ist, in die Zukunft zu sehen, oder als zweite Möglichkeit, diese zielgerichtet kausal zu verändern (er lässt Kometen präzise regnen).

 

Wenn diese eintreffenden Prognosen, die laut Sven eigentlich nicht hinreichend geeignet sind, sie eindeutig für den Beweis eines Gottes hinzuzuziehen, nun doch Gottes Existenz zeigen könnten, würden sie den Glauben an einen Gott überflüssig machen.

 

Das Christentum baut aber elementar auf dem Glauben auf: Viele Bibelstellen beziehen sich direkt auf dieses Verhältnis zwischen Mensch und Gott (Matthäus 9,29; 21,21; Johannes 3,15 und etliche andere). Ich bleibe also bei meiner Behauptung, dass ein Gottesbeweis direkt das Christentum überflüssig machen würde.

 

 

Nach christlicher Vorstellung ist Glaube das "Vertrauen in Gott". Letztendlich läuft es wiedereinmal darauf hinaus, das "Glaube" oder "Nichtglaube" eine freie Entscheidung ist, die ihren Wert nur durch diese Freiheit erhält, so wie die Entscheidung zu einem Partner den Wert nur durch die Offenheit der Wahl bekommt. Einem gegenüber zu verordnen: "Ich befehle Dir, mein Freund zu sein und mir zu vertrauen!", macht wenig Sinn.

 

ubiveritas

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Du verwechselst da wieder einmal zweierlei (Präzision im Denken ist gefordert!):

 

Damit wäre nicht bestätigt, daß der "Autor" der "Offenbarung" allwissend, Gott oder sonstwer wäre. Damit wäre bloß bestätigt, daß der Autor entweder

 

- ein Glücksspieler mit einem sagenhaften Schwein wäre oder

- zufällig Kenntnisse hat, die mir nicht zur Verfügung stehen.

Lieber Sven,

 

kennst Du die Umstände, unter denen David Hume es für gerechtfertigt hält, einem Wunderbericht zu glauben? Nach Hume ist es genau dann gerechtfertigt, einem Wunderbericht zu glauben, wenn die Ablehnung des Wunders viel wunderbarer wäre als das Wunder selbst. Die Wahrscheinlichkeit, drei Supernova-Explosionen exakt vorherzusagen, ist extrem gering. Eher hast Du die nächsten fünf Jahre jede Woche sechs Richtige im Lotto.

 

Ich halte die Existenz Gottes für extrem unwahrscheinlich. Aber die richtige Vorhersage wäre noch sehr viel unwahrscheinlicher. Es fällt mir leichter, dabei an Gott zu glauben als an einen Zufall.

 

Überraschenderweise untergräbst Du jetzt Deine eigene Argumentation. Du entsinnst Dich vielleicht noch - nach Bayes Theorem braucht man, um eine Hypothese X zu akzeptieren, umso bessere Beweise, je unwahrscheinlicher die Hypothese ist und/oder je mehr sie sich von unserer Erfahrung entfernt. Ich hatte damals gesagt, dass die Beweise für Gott deswegen sehr, sehr gut sein müssten, um die Hypothese, Gott existiert, anzunehmen.

 

Jetzt legst Du die Messlatte sogar noch höher! Damit kann man einen positiven Atheismus rechtfertigen - die Beweise, die für die Existenz Gottes nötig wären, übersteigen jedes menschenmögliche Maß. Aus diesem Grund gibt es keinen angemessenen Beweis - kann ihn auch nicht geben (wie Du gerade ausgeführt hast), also macht es keinen Sinn, an Gott zu glauben - aus Mangel an Beweisen. Und Du weißt, ich halte es ethisch nicht für vertretbar, an etwas ohne ausreichende Beweise zu glauben. Damit wäre ein Glauben an Gott ethisch nicht zu rechtfertigen, weil es momentan wohl keine ausreichenden Beweise für Gott gibt. Und nach Deiner Messlatte wohl auch nie geben wird (man sollte nie nie sagen - sagen wir mal, es wäre astronomisch unwahrscheinlich).

 

Anders gesagt, Du argumentierst, dass wir kaum jemals eine falsche von einer richtigen Offenbarung werden unterscheiden können, weil gleichgültig, wie unwahrscheinlich auch eine solche Vorhersage wäre, wir immer einwenden könnten, es sei alles ein extremer Zufall. Wenn Du recht hättest - und ich sympathisiere mit dieser Auffassung - wäre ein Glauben an die Offenbarung der Bibel niemals zu rechtfertigen.

 

Denn wenn Deine Argumentation für ziemlich starke Beweise gilt, gilt sie für schwache Annahmen oder fehlende Beweise erst recht.

 

Ich denke, Du hast Dir gerade den Boden unter den Füßen weggezogen.

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Ein bestimmtes Ereignis vorhersehen zu können, macht keinem zu einem Gott, sondern bloß zu einem guten Sachverständigen für dieses ganz spezielle Ereignis.

Nun zu Deinem zweiten Argument. Ich nehme wieder (wie im ersten Fall) an, dass Du Recht hast. In diesem Fall kann man aus der Bibel nur schließen, dass da Spezialisten einen Roman geschrieben haben (sie waren Sachverständige für das Schreiben einer Bibel). Jesus war nicht Gottes Sohn, sondern ein Experte in den Disziplinen "über das Wasser laufen" und "von den Toten auferstehen". Ein Anzeichen oder Indiz für Gott kann man aber nicht daraus ablesen.

 

Ja. Das Argument halte ich für gültig. In meinem Beitrag über Wunder versus Supernaturalismus I hatte ich exakt so argumentiert.

 

Bist Du neuerdings positiver Atheist?

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Nach christlicher Vorstellung ist Glaube das "Vertrauen in Gott". Letztendlich läuft es wiedereinmal darauf hinaus, das "Glaube" oder "Nichtglaube" eine freie Entscheidung ist, die ihren Wert nur durch diese Freiheit erhält, so wie die Entscheidung zu einem Partner den Wert nur durch die Offenheit der Wahl bekommt. Einem gegenüber zu verordnen: "Ich befehle Dir, mein Freund zu sein und mir zu vertrauen!", macht wenig Sinn.

Ich denke, auf etwas Ähnliches möchte Sven hinaus. Leider handelt man sich mit dieser Auffassung mehr Probleme ein, als man möchte.

 

Ich hatte bereits erwähnt, dass man auf diese Weise sogar einen positiven Atheismus logisch rechtfertigen kann. Du benutzt Argumente, um die Angemessenheit von Beweisen für Gott anzuzweifeln. Mit diesen Argumenten kann man schwache Indizien oder schwache Argumente für die Existenz Gottes noch sehr viel besser attackieren.

 

Nun zu den Fehlern in der Argumentation:

 

Glaube oder Nichtglaube ist in den seltensten Fällen Resultat einer freien Entscheidung. Denn in mehr als 95% aller Fälle übernehmen die Menschen ohne Wenn und Aber den Glauben ihrer Vorfahren und/oder ihrer kulturellen Umgebung (woher sollte der Glauben auch sonst kommen?). Eine Entscheidung setzt ein Minimum an zwei vergleichbaren Alternativen und ihre Prüfung voraus. Andernfalls ist die Bezeichnung "Entscheidung" sinnfrei. Bei nur einer mehr oder weniger geprüften Alternative kann man nicht von Entscheidung (geschweige denn freien Willen) reden. Es gibt keine "offene Wahl" für die Mehrheit der Gläubigen - und zwar für die weitaus überwiegende Mehrheit.

 

Es gibt davon Ausnahmen - zufällig ist Sven eine Ausnahme und ich bin eine Ausnahme. Solche Ausnahmen sind auf kath.de sogar überrepräsentiert, was in der Natur der Sache liegt.

 

Worin liegt der Wert dieser Freiheit, wenn die Mehrheit doch nur übernimmt, was ihre Vorfahren ihnen hinterlassen haben? Wo ist da der Wert für Gott oder für den Menschen? Diese Freiheit ist für mehr als 95% der Menschen bloß eine Illusion, mehr nicht.

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Lieber Volker,

 

leider ist es mit der Präzision im Denken immer noch nicht besser geworden...

 

Die Wahrscheinlichkeit, drei Supernova-Explosionen exakt vorherzusagen, ist extrem gering. Eher hast Du die nächsten fünf Jahre jede Woche sechs Richtige im Lotto.

Absoluter Unfug. Wenn ich genug über Supernovae weiß - wo soll da das Problem sein?

 

An der Prognose dreier Supernovae ist nicht das geringste wunderbar. Es erscheint uns wunderbar, weil es unsere Fähigkeiten bei weitem überschreitet. Ebenso wäre die alltägliche Fähigkeit eines durchschnittlichen (nicht einmal besonders fähigen) heutigen Arztes, mit ein paar Antibiotika-Einheiten eine potentiell tödliche Krankheit binnen weniger Tage zu heilen, aus der Sicht eines früheren Menschen (noch vor 100 Jahren) „wunderbar“. Die Prognose von Supernovae braucht keine Göttlichkeit, nur etwas mehr Kenntnisse in Astrophysik, als wir zur Zeit haben. Dazu kann ich nur sagen: nebbich.

 

Volker, Dein Kriterium für Wunder ist einfach Tinnef, schlichter Kokolores. Deshalb wäre ein solches „Wunder“ auch keine Möglichkeit, Göttlichkeit zu beglaubigen.

 

Ich halte die Existenz Gottes für extrem unwahrscheinlich. Aber die richtige Vorhersage wäre noch sehr viel unwahrscheinlicher. Es fällt mir leichter, dabei an Gott zu glauben als an einen Zufall.

Und schon wieder verwendest Du völlig undurchdacht und geradezu kriminell fahrlässig das Wort „wahrscheinlich“. Wie „wahrscheinlich“ ist es, eine tödliche Krankheit so mal eben mit ein paar Tabletten zu heilen?

 

Du verwendest ein völlig untaugliches Kriterium, um dann zu sagen, daß wenn das einträte, Du glauben würdest. Weil das aber nicht eingetreten sei, sei es vernünftiger, nicht zu glauben. Das ist aber ebenso sinnvoll, wie zu glauben oder nicht zu glauben, weil ich Linkshänder bin oder es nachts kälter als draußen ist.

 

Nach Deiner Argumentation hatten die amerikanischen Ureinwohner Recht gehabt, als sie die ersten Spanier als Götter verehrt haben. Nicht nur, daß das verständlich sei, nein: Du sagst ja selbst, daß es für Dich ein gültiges Kriterium für Göttlichkeit sei, wenn man etwas so überraschendes („unwahrscheinliches“) kann wie auf einem Pferd reiten oder eine Supernova vorhersagen.

 

Volker, wenn sich hier einer verheddert, dann Du: Du bringst gerade eines der klassischen Argumente dafür, wo die Tücken des Aberglaubens liegen, als Kriterium dafür, wann Du glauben würdest. Absurd!

 

Überraschenderweise untergräbst Du jetzt Deine eigene Argumentation. Du entsinnst Dich vielleicht noch - nach Bayes Theorem braucht man, um eine Hypothese X zu akzeptieren, umso bessere Beweise, je unwahrscheinlicher die Hypothese ist und/oder je mehr sie sich von unserer Erfahrung entfernt.

Überhaupt nicht überraschenderweise ist das falsch - und zwar wieder einmal in mehrerer Hinsicht.

 

1. Bayes Theorem ist überhaupt nur anwendbar, wenn sich die Ereignisse, über die Theorien gebildet werden sollen, in Wahrscheinlichkeitsbegriffen betrachten lassen. Das ist immer dann nicht der Fall, wenn ein Ereignis gerade nicht durch eine Theorie erklärt werden soll, sondern ein singuläres Ereignis sein soll. Für singuläre Ereingnisse ist - trivialerweise - der Begriff der Wahrscheinlichkeit schon seiner mathematischen Definition nach nicht anwendbar.

 

2. Meine Argumentation stützt sich deshalb auch nicht auf die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Ereignisses in einem gegebenen System, sondern auf die Plausibilität einer Weltdeutung. Sicher, das hat schon etwas sehr „unwägbares“. Nur dummerweise hast Du auch nichts besseres zur Hand.

 

3. Umgekehrt wirfst Du wiederum Deine eigenen Kriterien über Bord, indem Du überhaupt von „Beweisen“ sprichst. Denn keine einzige Feststellung, Annahme oder Behauptung, auf die Du Dich stützt, ist beweisbar - und ebensowenig ist es irgendeine, auf die ich mich stütze. Wenn Dir das genehm ist, führst Du dieses Argument auch gerne an. Nur triumphierst Du immer wieder, wenn Du feststellst, daß meine Thesen nicht „beweisbar“ seien - wobei ich das bereits von Anfang an selbst behauptet, nie bestritten und umgekehrt, Dir vor einer Weile überhaupt erst dargelegt habe, weshalb das so sein muß.

 

Siehe das folgende:

 

Ich hatte damals gesagt, dass die Beweise für Gott deswegen sehr, sehr gut sein müssten, um die Hypothese, Gott existiert, anzunehmen.

 

Jetzt legst Du die Messlatte sogar noch höher! Damit kann man einen positiven Atheismus rechtfertigen - die Beweise, die für die Existenz Gottes nötig wären, übersteigen jedes menschenmögliche Maß. Aus diesem Grund gibt es keinen angemessenen Beweis  - kann ihn auch nicht geben (wie Du gerade ausgeführt hast), also macht es keinen Sinn, an Gott zu glauben - aus Mangel an Beweisen. Und Du weißt, ich halte es ethisch nicht für vertretbar, an etwas ohne ausreichende Beweise zu glauben.

Du jonglierst hier mit den Begriff „Beweis“, das es einem davon schlecht werden könnte. Mann, denk doch wenigstens einmal einen Gedanken zu Ende, bevor du ihn mit anderen verknäuelst!

 

Anders gesagt, Du argumentierst, dass wir kaum jemals eine falsche von einer richtigen Offenbarung werden unterscheiden können, weil gleichgültig, wie unwahrscheinlich auch eine solche Vorhersage wäre, wir immer einwenden könnten, es sei alles ein extremer Zufall. Wenn Du recht hättest - und ich sympathisiere mit dieser Auffassung - wäre ein Glauben an die Offenbarung der Bibel niemals zu rechtfertigen.

Das ist wiederum schlicht falsch.

 

Weder habe ich das behauptet - lies noch einmal nach, im letzten Beitrag habe ich sogar ausdrücklich das Gegenteil gesagt -, noch ist die Frage von „Zufall“ oder „Wahrscheinlichkeit“ dafür in irgendeiner Weise von Interesse.

 

In diesem Fall kann man aus der Bibel nur schließen, dass da Spezialisten einen Roman geschrieben haben (sie waren Sachverständige für das Schreiben einer Bibel). Jesus war nicht Gottes Sohn, sondern ein Experte in den Disziplinen "über das Wasser laufen" und "von den Toten auferstehen". Ein Anzeichen oder Indiz für Gott kann man aber nicht daraus ablesen.

Wenn es bei der ganzen Geschichte darum ginge, daß er über das Wasser laufen oder Tote auferwecken konnte, hättest Du recht. Würde ich das gleiche tun, oder Du, oder irgendein anderer, würde ich das genau so sehen.

 

Bei der Geschichte geht es aber um etwas anderes. Und bei Wundern geht es insgesamt um etwas anderes. Die „Außergewöhnlichkeit“ der äußeren Handlung ist ein Aspekt, der in die Betrachtung eingeht, für sich genommen aber völlig uninteressant. Ich glaube nicht deshalb an Gott, an Jesus Christus, weil dieser Mensch Jesus angeblich über das Wasser laufen konnte. Solche Berichte gibt es en masse auch von anderen Leuten, und das kratzt mich auch nicht weiter.

 

Wäre ich Robert, würde ich vielleicht sagen, daß diese Leute wahrscheinlich von Dämonen übers Wasser getragen wurden. Ich sage es etwas anders: die Wundergeschichten haben ihre Bedeutung nur im Kontext der gesamten Bibel - also auch der Prophezeihungen, Gleichnisse und Lehrreden des AT und NT - und vor allem im Kontext der Weltdeutung, die aufgrund meiner eigenen Wahrnehmung und meines eigenen Erlebens erstelle. Daß Jesus über das Wasser gelaufen ist, ist nicht so sehr bedeutsam, weil da irgendeiner etwas getan hat, das ich nicht kann. Es ist interessant, weil Jesus über das Wasser gelaufen ist. Und daran würde sich so viel gar nicht ändern, wenn er nur über Steine unter der Wasseroberfläche gelaufen wäre.

 

Das war den Leuten zu biblischen Zeiten offenbar auch ziemlich klar. Wenn Du nachliest, wirst Du feststellen, daß die Überraschung „Uff - der könnte ja der Sohn Gottes sein“ gerade nicht in Zusammenhang mit den Wundern auftritt. Die Wunder haben gerade in der Bibel gerade nicht vorrangig den Zweck, Jesu Göttlichkeit zu approbieren. Denn hätten sie nie erfüllen können. Wundertäter gab es damals nämlich alle Nase lang, darüber hat sich kein Mensch „gewundert“. Auch von den Feinden Jesu wurde ja nicht angezweifelt, daß er Wunder tut - etwa, daß er Dämonen austreibt. Ihm wurde bloß vorgeworfen, das mit der Hilfe Beelzebubs, also des Bösen zu tun.

 

Du machst hier einen kapitalen Denkfehler - den Fehler eines schlechten Anwaltes: Du nimmst ein Argument, das Deine Gegenseite gar nicht bringt, um es dann mit Getöse zu zerlegen. Nur ist das eben nicht mehr als Getöse ohne Wirkung.

 

Nach christlicher Vorstellung ist Glaube das "Vertrauen in Gott". Letztendlich läuft es wiedereinmal darauf hinaus, das "Glaube" oder "Nichtglaube" eine freie Entscheidung ist, die ihren Wert nur durch diese Freiheit erhält, so wie die Entscheidung zu einem Partner den Wert nur durch die Offenheit der Wahl bekommt. Einem gegenüber zu verordnen: "Ich befehle Dir, mein Freund zu sein und mir zu vertrauen!", macht wenig Sinn.

Ich denke, auf etwas Ähnliches möchte Sven hinaus.

Nein, darauf will ich nicht hinaus.

 

Das Argument ist richtig, wäre allerdings in meiner Argumentation fehl am Platz. Dieses Argument begründet, weshalb Gott uns keine „übermenschlichen Beweise“ geben kann, ohne unsere Freiheit zu vernichten. Das ist ein interessantes Thema, aber nicht das, über das ich im Moment spreche.

 

Eine andere, auch interessante Sache ist das Problem, daß uns solche „übernatürlichen“ Beweise auch nicht viel nützen würden. Aber auch davon rede ich hier nicht.

 

Hier spreche ich nur darüber, was es bedeutet, daß wir nur „natürliche“ Gründe haben, an Gott zu glauben oder das nicht zu tun. Es bedeutet gerade nicht, daß wir deshalb nicht an Gott glauben könnten oder daß es von vornherein plausibler wäre, nicht an ihn zu glauben. Denn wir gehen tagein, tagaus, von der Richtigkeit von Dingen aus, für deren Richtigkeit wir auch keine besseren Argumente haben.

 

Ich hatte bereits erwähnt, dass man auf diese Weise sogar einen positiven Atheismus logisch rechtfertigen kann.

Richtig. Rechtfertigen kann man ihn damit - nicht vollständig, aber man kann dazu ansetzen. Man kann ihn aber nicht begründen. Mit diesem Argument kann man lediglich konstatieren, daß es weder für den Atheismus noch für den Glauben zwingende Argumente geben kann, so daß beide gerechtfertigt sein können. Ob eines von beiden gerechtfertigt ist, kommt auf die Qualität der übrigen Gründe an.

 

Glaube oder Nichtglaube ist in den seltensten Fällen Resultat einer freien Entscheidung. Denn in mehr als 95% aller Fälle übernehmen die Menschen ohne Wenn und Aber den Glauben ihrer Vorfahren und/oder ihrer kulturellen Umgebung (woher sollte der Glauben auch sonst kommen?). Eine Entscheidung setzt ein Minimum an zwei vergleichbaren Alternativen und ihre Prüfung voraus. Andernfalls ist die Bezeichnung "Entscheidung" sinnfrei. Bei nur einer mehr oder weniger geprüften Alternative kann man nicht von Entscheidung (geschweige denn freien Willen) reden. Es gibt keine "offene Wahl" für die Mehrheit der Gläubigen - und zwar für die weitaus überwiegende Mehrheit.

Das ist wahr - und trivial.

 

Das gilt allerdings auch für die - rein weltlich diskutierbare - Frage nach der besseren Staatsform oder die Wahl der Bank, bei der man sein Konto hat. 90% der Leute gehen einfach zur nächstverfügbaren Bank und bleiben da bis zum Lebensende, oder bis sie gezwungen werden, daran etwas zu ändern (etwa, weil die Bank ihre Filiale schließt).

 

Daß 90% der Leute ihr Großhirn nur als Humus für die Haarwurzeln nutzen, ist kein wirkliches Argument dafür, daß die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Denken nur Luxus wäre.

 

Worin liegt der Wert dieser Freiheit, wenn die Mehrheit doch nur übernimmt, was ihre Vorfahren ihnen hinterlassen haben? Wo ist da der Wert für Gott oder für den Menschen? Diese Freiheit ist für mehr als 95% der Menschen bloß eine Illusion, mehr nicht.

Nein, Volker. Freiheit ist eine Möglichkeit. Wenn viele Leute sie nicht nutzen, entwertet sie das nicht - das macht höchstens die zu Verschwendern.

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Worin liegt der Wert dieser Freiheit, wenn die Mehrheit doch nur übernimmt, was ihre Vorfahren ihnen hinterlassen haben? Wo ist da der Wert für Gott oder für den Menschen? Diese Freiheit ist für mehr als 95% der Menschen bloß eine Illusion, mehr nicht.

Lieber Volker!

 

Im Laufe des Lebens wird sich jedem Gläubigen die Frage stellen, ob er sich irrt (das sind schonmal 100%). Das nennt man dann wohl Zweifel. Er wird sich mit diesen Zweifeln auseinandersetzen, oder sie verdrängen (was in gewisser Weise ja auch eine Auseinandersetzung darstellt).

 

In jedem Fall wird er für sich eine Entscheidung treffen: Glaube ich das wirklich, oder glaube ich das nicht (was er nach aussen zeigt, muss nicht damit übereinstimmen). Hier liegt die Entscheidung, die völlig frei ist und die müssen 100% der Gläubigen treffen.

 

Nun mag den meisten Menschen vor uns in den dunklen Zeiten der Informationsarmut nur der Glaube der Vorfahren zur Verfügung gestanden haben: Ihn zu übernehmen, oder nicht, ist eine freie Willensentscheidung und nicht die Illusion einer solchen.

Ausgenommen ist hier natürlich eine Minderheit: All jene, die selbst eine Gotteserfahrung hatten, oder die glaubten, Gott habe sich ihnen direkt offenbart.

 

Damit sei Deine hervorgehobene Behauptung

 

Glaube oder Nichtglaube ist in den seltensten Fällen Resultat einer freien Entscheidung.

genau umgekehrt.

 

Wo ist da der Wert für Gott oder für den Menschen?

Wie oben erwähnt, ist der Prozess des "Übernehmens" nicht ganz so trivial und unreflektiert, wie es hingestellt wurde. Die Tatsache, dass Glaube übernommen wird, bedeutet nicht automatisch, dass dieser deshalb wertloser oder irriger wird, da

 

1) immernoch eine persönliche freie Entscheidung getroffen wird

2) nur ein Entwurf angeboten wird, bei dem es sich nach Meinung derer die ihn weitergeben um etwas gutes/wahres/sinnvolles handelt.

 

Die Idee der Menschenrechte beispielsweise wird (hoffentlich) auch weitergegeben, ohne deswegen an Wert zu verlieren oder falscher zu werden (Herleitug ist ohnehin nicht drin). Ob derjenige, der sie kennt auch in die Tat umsetzt, ist dann seine freie Entscheidung. Und wie kommt es nun, dass wir alle, die eigentlich wissen, was "gut" ist, dieses nicht immer tun? Weil hier eben auch Entscheidungen anfallen.

 

 

ubiveritas

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Ich meine, der Satz sei von Montaigne:

 

Erwachsen ist mann dann, wenn man etwas tut, obwohl die Eltern es einem gesagt haben.
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Ich meine, der Satz sei von Montaigne:

 

Erwachsen ist mann dann, wenn man etwas tut, obwohl die Eltern es einem gesagt haben.

... was aber nicht zu Deiner Zustimmung zu Volkers Behauptung, Glaube oder Nichtglaube sei in den seltensten Fällen Resultat einer freien Entscheidung, passt.

 

ubiveritas

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Ich meine, der Satz sei von Montaigne:

 

Erwachsen ist mann dann, wenn man etwas tut, obwohl die Eltern es einem gesagt haben.

... was aber nicht zu Deiner Zustimmung zu Volkers Behauptung, Glaube oder Nichtglaube sei in den seltensten Fällen Resultat einer freien Entscheidung, passt.

 

ubiveritas

Lieber ubi,

 

beachte: ich habe nicht diesem Satz, sondern dem ganzen Absatz zugestimmt. Und darin beschreibt Volker, was er mit einer "freien Entscheidung" meint: daß jemand die Freiheit, sich zu entscheiden, auch zu einer autonomen Entscheidung nutzt. Daß diese Begriffsverwendung nicht meine ist, habe ich im Anschluß klargestellt.

 

Daß tatsächlich eine Menge Leute in diesem Sinne keine freie Entscheidung fällen, sondern (Atheisten wie Gläubige, wie Bankkunden, wie ...) einfach den "Trott" fortsetzen, den sie einmal mehr oder weniger zufällig eingeschlagen haben, halte ich allerdings für zutreffend (übrigens in manchen Dingen sicher auch in Bezug auf mich). Um es einmal mit großen Worten zu sagen: Der Mensch ist eben noch nicht damit fertig, aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit auszugehen (und wird es wohl auch nie sein).

 

Dein Einwand, daß die Eigenständigkeit sich aber nicht darin zeigt, etwas gerade anders zu machen als die Vorfahren, ist allerdings völlig richtig. Mir war das auch schon durch den Kopf geschossen; ich wollte das Posting nur nicht noch weiter aufblähen. Deshalb nur das - Deine Position ausdrücklich bestätigende - Zitat.

 

Der Witz ist, daß gerade Volkers oder meine Änderung unserer Haltung (er vom Glauben weg, ich zum Glauben hin) nur von außen betrachtet gleichermaßen unreif, unaufgeklärt oder auch neurotisch sein könnten wie das rein "gewohnheitsmäßige" Verharren in einer überkommenen Religion oder Weltanschauung. Umgekehrt kann es eben eine völlig freie, autonome Entscheidung sein, gerade bei dem zu bleiben, was man übernommen, und nach eingehender Prüfung als richtig erkannt hat.

 

Es ist eben unreif, etwas zu tun, weil die Eltern es einem sagen.

Es ist ebenso unreif, etwas nicht zu tun, weil die Eltern es einem sagen.

Reif ist es, etwas zu tun, weil man es für richtig hält, und das Urteil der Eltern (als Erziehungsberechtigte) dabei einfach nicht zu berücksichtigen (ihre Empfehlung als erfahrene Menschen dagegen durchaus).

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