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Verliert man durch Selbstmord sein Heil?


Eifellady

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Auch wenn ich wieder gelöscht werde (ein komisches GG übrigens) möchte ich erwähnen daß ihr offenbar die Situation eines Menschen der sich das Leben nimmt besser kennt als er selbst. Das ist lächerlich und unverschämt überheblich.

 

Allein der Begriff "Selbstmord" ist vollständiger Schwachsinn, Freitod trifft es hingegen. Das Gefasel von Sünde ist menschenverachtend und arrogant.

Ein stück weit hast du recht, Thorfrock. Was die Sünde angeht, ist das so ne sache: wenn man das Gebot "Du sollst nicht töten streng" auslegt, Heißt das auch du sollst dich nicht toten.

Bei Levinas wird übrigens aus dem "du sollst nicht töten" ein "du kannst nicht töten" - aber das ist ein anderes Thema.

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Auch wenn ich wieder gelöscht werde (ein komisches GG übrigens) möchte ich erwähnen daß ihr offenbar die Situation eines Menschen der sich das Leben nimmt besser kennt als er selbst. Das ist lächerlich und unverschämt überheblich.

 

Allein der Begriff "Selbstmord" ist vollständiger Schwachsinn, Freitod trifft es hingegen. Das Gefasel von Sünde ist menschenverachtend und arrogant.

Ein stück weit hast du recht, Thorfrock. Was die Sünde angeht, ist das so ne sache: wenn man das Gebot "Du sollst nicht töten streng" auslegt, Heißt das auch du sollst dich nicht toten.

Bei Levinas wird übrigens aus dem "du sollst nicht töten" ein "du kannst nicht töten" - aber das ist ein anderes Thema.

Du kannst nicht töten?

 

Jürgen gibt es dazu eine Erklärung, oder war das ein Beitrag ins blaue?

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@ zorn0

 

Auch wenn ich wieder gelöscht werde (ein komisches GG übrigens) möchte ich erwähnen daß ihr offenbar die Situation eines Menschen der sich das Leben nimmt besser kennt als er selbst. Das ist lächerlich und unverschämt überheblich.

 

Allein der Begriff "Selbstmord" ist vollständiger Schwachsinn, Freitod trifft es hingegen. Das Gefasel von Sünde ist menschenverachtend und arrogant.

Ein stück weit hast du recht, Thorfrock. Was die Sünde angeht, ist das so ne sache: wenn man das Gebot "Du sollst nicht töten streng" auslegt, Heißt das auch du sollst dich nicht toten.

Bei Levinas wird übrigens aus dem "du sollst nicht töten" ein "du kannst nicht töten" - aber das ist ein anderes Thema.

Du kannst nicht töten?

 

Jürgen gibt es dazu eine Erklärung, oder war das ein Beitrag ins blaue?

Diese Aussage geht IMHO in die Richtung, daß die Seele des Menschen unsterblich ist. Damit könnte der Selbstmörder höchstens sein körperliches Leben beenden!

 

GsJC

Raphael

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Es hat mit diesem Thema weniger zu tun, da die Interpretation von Levinas sich nicht auf Selbstmord bezieht.

Unter Umkehrung der Prämisse von Levinas wäre allerdings diese Aussage möglicherweise auch auf Selbstmord anwendbar - allerdings mir einigen (erheblichen) Schwierigkeiten.

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Allerdings ist der Talmud noch nicht kanonisiert.

Wenn im übrigen der Name Chouchani auftaucht,

dann begebe ich mich Wiesel-flink ad illum locu-

lum, sc. evomitandi causa.

bearbeitet von Ketelhohn
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Hallo, Ihr Lieben - ich denke, man sollte der Klarheit wegen nochmal auf die Begriffe schauen.

 

In früheren Zeiten glaubte man meines Wissens deshalb, daß mit dem S. das Heil immer verloren ist, weil der Selbstmord die einzige schwere Sünde ist, die man nicht bereuen kann. Das sieht man heute weniger mechanistisch, aber dennoch ist Selbstmord - immer noch - eine schwere Sünde, und zwar (Sven hat es schön dargelegt) sehr zu Recht.

 

Allerdings ist nicht jede Sebsttötung ein Selbstmord. Es ist vielmehr zu unterscheiden zwischen der Verzweiflungstat eines psychisch kranken oder von fürchterlichen Schmerzen, Ängsten oder materiellen/seelischen Nöten geplagten Menschen, der keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich das leben zu nehmen, und andererseits dem wirklich freiwilligen, bewußten Selbst-Mord, dem demonstrativen Nein zum göttlichen Geschenk des Lebens. Ein Beispiel für Letzteres ist z.B. Kirilow in Dostojewskis "Dämonen", der seinen Selbstmord langfristig unter der Prämisse plant, daß die Selbsttötung die einzige wirklich freie Handlung eines Menschen ist...

 

Die meisten Selbstötungen sind keine Selbstmorde in diesen Sinne, sie sind oft nicht einmal wirklich freiwillig, sondern das Ergebnis einer - wenn auch oftmals irrtümlich angenommenen - subjektiv empfunden Zwangslage. Über derartige Zwangslagen sollte man wirklich nicht urteilen, sondern für den Verstorbenen beten...

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Allerdings ist nicht jede Sebsttötung ein Selbstmord. Es ist vielmehr zu unterscheiden zwischen der Verzweiflungstat eines psychisch kranken oder von fürchterlichen Schmerzen, Ängsten oder materiellen/seelischen Nöten geplagten Menschen, der keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich das leben zu nehmen, und andererseits dem wirklich freiwilligen, bewußten Selbst-Mord, dem demonstrativen Nein zum göttlichen Geschenk des Lebens. Ein Beispiel für Letzteres ist z.B. Kirilow in Dostojewskis "Dämonen", der seinen Selbstmord langfristig unter der Prämisse plant, daß die Selbsttötung die einzige wirklich freie Handlung eines Menschen ist...

 

Die meisten Selbstötungen sind keine Selbstmorde in diesen Sinne, sie sind oft nicht einmal wirklich freiwillig, sondern das Ergebnis einer - wenn auch oftmals irrtümlich angenommenen - subjektiv empfunden Zwangslage. Über derartige Zwangslagen sollte man wirklich nicht urteilen, sondern für den Verstorbenen beten...

Lieber Thomas,

 

auch für einen "Kirilow" gilt nichts anderes - auch für den muß man beten, auch dem muß man vergeben, auch bei dem kann es keine Vorwürfe, sondern nur Traurigkeit geben.

 

Fast jeder Selbstmord ist [auch] freiwillig. Die wenigsten, die sich aus Verzweiflung umbringen, aus Schmerzen oder ähnlichem, sind dadurch so psychisch deformiert, daß sie überhaupt keinen freien Willen mehr hätten. Es sind seltene Sonderfälle, in denen die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit durch Schmerzen oder auch Depressionen völlig ausgeschaltet ist.

 

Umgekehrt sollte man sich auch hüten, einem "Kirilov" die ganz freie und unbeeinflußte Ablehnung Gottes und des Lebens zu unterstellen. Sein Wahn, daß nur der Selbstmord der Ausdruck von Freiheit sein kann, ist ganz offensichtlich irrig. Er wird dadurch zwar nicht überwältigt, aber getäuscht. Und das vermindert die Verantwortung dafür, was er tut, massiv.

 

Entscheidend aber ist etwas anderes:

 

Wir sollten immer klar sagen, daß der Selbstmord falsch ist. Falsch ist er sowohl bei dem, der sich aus Schmerzen oder Verzweiflung tötet, als auch bei "Kirilov". Wir sollten uns aber niemals anmaßen, über denjenigen zu urteilen, der sich so oder so verhält - nur weil wir des einen Not, Sorgen oder Irrtümer besser verstehen, des anderen weniger.

 

Selbstmord ist kein Anlaß für Vorwürfe, und auch keiner für Verurteilungen. Er ist lediglich - das allerdings bei jedermann, ganz gleich, welche Gründe er hat - für Traurigkeit.

 

Überlege Dir einmal, wie grau und schrecklich das Leben eines "Kirilov" gewesen sein muß, wenn er diese destruktive Idee der Freiheit für die Essenz seines Daseins gehalten hat. Alle Freude, alles gute in seinem Leben ist für ihn nichts wert, ist schal und verlogen; sein Leben verwirklicht sich erst in der Selbstvernichtung. Wenn man sich das vor Augen führt, stellt sich eine Traurigkeit ein, jede Energie dafür raubt, ihm Vorwürfe zu machen.

bearbeitet von sstemmildt
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Ich denke, wir liegen hier nicht weit auseinander, lieber Sven. Schließlich wollte ich auch den guten (?) Kirilow nicht in die Hölle schicken, sondern habe ihn zur Abgrenzung der Begriffe benutzt, den armen Kerl.

 

Kein Wunder, daß ausgerechnet Du die "Entlastungsmomente" ins Spiel bringst. :blink:

 

Natürlich dürfen wir keinen verurteilen - aber darüber nachsinnen, wie schwer eine Sünde ist, wie wesentlich die Trennung von Gott ist, die sie hervorruft, das können und sollen wir schon. Und da schneidet Kirilow schon deutlich schlechter ab als, sagen wir, der Krebskranke mit fürchterlichen Schmerzen oder oder die Frau, die gerade ihren Mann und ihre Kinder bei einem Unfall verlor. Daß alle unser Gebet und und nicht unsere Selbstgefälligkeit verdient haben, versteht sich.

 

Die Frage, ob es die Hauptsünde "freiwilliger Selbstmord" überhaupt geben kann, ist natürlich nicht leicht zu beantworten. Kirilow, um bei dem Beispiel zu bleiben, unterliegt einem bemitleidenswerten Irrtum. Andererseits ist es seine eigene Hybris, die ihm die den Blick auf die Wahrheit, nämlich die Schönheit und das Freiheitspotential des Lebens, verstellt. Andererseits - die These kann man gerade in diesem Fall auch vertreten - kann der Selbstmord hier auch verstanden werden als Ausdruck einer geradzu panischen Angst vor dem Tod: die Erkenntnis, das Sterben nicht selbst bestimmen zu können, führt zu abstrusen Idee, der Angst davor zu entrinnen, indem man es selbst herbeiführt und damit das Unausweichliche, dem man ausgeliefert ist, wenigstens kontrolliert. Wir Christen brauchen diese Angst dagegen gar nicht erst zu haben - wir sind schon ein privilegierter Menschenschlag...

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Fast jeder Selbstmord ist [auch] freiwillig. Die wenigsten, die sich aus Verzweiflung umbringen, aus Schmerzen oder ähnlichem, sind dadurch so psychisch deformiert, daß sie überhaupt keinen freien Willen mehr hätten. Es sind seltene Sonderfälle, in denen die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit durch Schmerzen oder auch Depressionen völlig ausgeschaltet ist.

 

Einspruch! Die wenigsten Selbstmorde sind Freiwillig. Ich zitiere wieder meinen Ethikunterricht:

 

Das  Präsuicidale Syndrom oder Ein Mensch verliert die Kontrolle über sich selbst und wird in den Tod getrieben

3 Bausteine (nach Erwin Ringel)

 

a; Die Einengung

 

situative Einengung (Schiksalsschlag und folgende Panikreaktion, traumatische Vorerfahrung, systematische Herbeiführung durch eigenes Verhalten, Schwarzseherei)

 

Einengung der Wertewelt (Reduktion des Selbstwertgefühls; Immer mehr wird gleichgültig)

 

dynamische Einengung (nur noch Gefühle der Hofnungslosigkeit & Verzweiflung, anderes wird nicht mehr gefühlt)

 

Einengung der Zwischenmenschlichen Beziehung (einsamkeit und innere Isolation, Uverstanden-Sein, keine verläßliche Hilfe vorhanden)

 

 

b; die gehemmte und gegensich selber gerichtete Aggression

 

Zusammenballung einer aggressiven Kraft (ungeheure, seit langem angestaute Frustration und Enttäuschung, nicht abreagierte Aggression, zwischenmenschliche Entfremdung)

Ohnmächtige Wut

Implosion (Explosion nach innen, umkehr der agression, Anklage und Rache an anderen, der Gesellschaft, Gott...?)

 

c; die zunehmenden Suicidphantasien

 

ich möchte tot sein (Flucht in eine Phantasiewelt, Todesphantasien)

ich könnte es versuchen (Scheinlösung drängt sich immer mehr auf)

wie werde ich es durchführen? (Konkretisierung und Umsetzung)

 

Wie Erwin Ringel darlegt, hat der Suizidgefährdete sein Leben nicht mehr selbst in der Hand. Die steuerung wird vom Suizid in die Hand genommen. Was anderes sind die Selbstmordattentäter, aber davon spricht Riegel nicht.

bearbeitet von Frank
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Bringt sind ein Selbstmörder gar nicht selbst um, sondern wird umgebracht?

Hallo Martin,

 

wenn man nach Ringel geht, in gewissem Sinne, Ja! Vor dem Suizid kommt immer eine Einengung die Durch ein Verlusterlebnis ausgelöst wird.

 

Man kann (ist ein bischen vage, ich weiß) auch sagen, das es das Verlusterlebnis ist das den Selbstmörder umbringt. Nur wird dieses Verlusterlebnis wiederum von Irgendjemandem (meist in seinem Umfeld) ausgelöst.

 

Gruß!

Frank

 

Ps: abschreiben muß man auch können (ich übe daran) der typ heißt Ringel und nicht Riegel

bearbeitet von Frank
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Lieber Frank,

 

das Problem bei solchen Erklärungsansätzen wie denen nach Ringel ist: sie erklären Selbstmorde, keine unterlassenen Selbstmorde.

 

Um das klarzustellen: ich leugne durchaus nicht, daß es sehr starke Einflüsse und Automatismen gibt, die einen Suizid herbeiführen können. Ebenso gibt es sehr starke Beweggründe, die einen Mord, ein bestimmtes Kaufverhalten oder irgendeine andere Art von Reaktion herbeiführen können.

 

Können - nicht aber zwangsläufig müssen.

 

Die erste Frage ist, ob der einzelne die Gelegenheit hat, an irgendeiner Stelle aus dem Teufelskreis auszusteigen - aus eigenem Antrieb oder veranlaßt. Dafür spricht eine Behandlungsmethode, die bei der Vermeidung von Suiziden bei Depressiven, so trivial sie ist, unter bestimmten Umständen gute Erfolge hat. Dabei schließt der Therapeut (oder ein anderer) mit dem Depressiven einen „Vertrag“: „Du darfst Dich töten, wenn Du es willst - aber nicht bei Nacht!“ (Vorsicht: das ist kein Allheilmittel - das ist riskant!)

 

Der Erfolg dabei beruht auf der Erfahrung, daß die meisten Selbstmorde nachts geschehen - und zwar einfach deshalb, weil sich aus ganz trivialen hormonellen Gründen Depressionen in der Nacht verstärken. Schafft man es, den Patienten über die Nacht zu bringen, mildern sich die Depressionen und der Suizidwunsch tritt zurück, der Patient ist wieder zugänglich.

 

Der Suizid in der Nacht wäre tatsächlich - ganz in Deinem Sinne - nicht freiwillig gewesen, denn er wäre auf die hormonelle Umstellung in der Nacht und damit eben nicht auf einen freien Willensentschluß zurückzuführen. Nun kann der Patient aber - unter Aufbringung einiger Willenskraft allerdings - so vorgehen, daß er sagt: „Ich habe das versprochen, also warte ich noch eine Stunde, und dann noch eine Stunde, und dann noch eine - und erst, wenn die Sonne aufgeht, bringe ich mich um.“ Das ist eine freie Entscheidung - nämlich die, seinem dem Therapeuten gegebenen Versprechen treu zu bleiben.

 

Wie aber sieht es nun damit aus, wenn der Patient die Entscheidung trifft, nicht zu warten und sich doch umbringt? Die Frage, ob eine Entscheidung frei ist, kann ja nicht davon abhängen, wie sie ausgeht - daß sie „frei“ ist, bedeutet ja gerade, daß sie in jede mögliche Richtung ausfallen kann. Daß eine Entscheidung in die Richtung ausgeht, in die sie von starken äußeren Einflüssen gedrängt wird, bedeutet eben nicht, daß sie unfrei ist. Sie ist von einer unfreien nur nicht zu unterscheiden, denn ich kann das Zustandekommen dieser Entscheidung auch erklären, ohne darauf zu rekurrieren, daß er sich auch noch - zusätzlich zu den drängenden Einflüssen - frei dafür entschieden hat.

 

Ein triviales Beispiel: Der Sohn eines Müllers wird von seinem Vater unter Druck gesetzt, ebenfalls Müller zu werden, wirtschaftliche Zwänge erschweren eine andere Berufswahl, seine Freundin möchte die Frau eines Müllers werden, was auch immer. Dann wird er Müller. Hat er eine freie Entscheidung getroffen? Kann sein, daß er nur Müller geworden ist, weil er den genannten Zwängen ausgesetzt war. Wenn er damit im Nachhinein zufrieden ist, kann es auch sein, daß er sich damit nur abgefunden hat. Aber es kann eben auch sein, daß er auch ohne diese Zwänge Müller geworden wäre, einfach weil er es wollte. Daß er gezwungen wurde, sagt nichts darüber aus, ob seine Entscheidung, Müller zu werden, auch eine freie Entscheidung war.

 

Die von mir oben beschriebene Behandlung von suizidgefährdeten Depressiven gibt jedenfalls Anlaß, es für möglich zu halten, daß man sich auch frei gegen einen Suizid entschließen kann - zumindest dagegen, jetzt Suizid zu begehen. Entscheidungen aber fallen immer jetzt - in dem einen Moment, in dem sie eben fallen. Wenn ich mich dagegen entscheiden kann, Suizid zu begehen, wäre aber in diesem Moment die Entscheidung für den Suizid im gleichen Maße frei.

 

Das läßt sich übrigens auch in die Vorgeschichte zurückführen. Teufelskreise haben Vorstufen, in denen die wirkenden Zwänge nicht so übermächtig sind. Umso leichter fällt es, in einer solchen Vorstufe aus ihnen auszubrechen. Das Problem liegt allerdings darin, daß umgekehrt die Gefahr des Teufelskreises noch nicht so offensichtlich ist.

 

„Wieso soll ich zum Psychiater gehen, mir geht es doch gut; ich habe nur eine schlechte Phase.“ Daraus wird: „Ich habe jetzt wirklich keine Zeit, eine Therapie zu machen - ich habe ganz andere Probleme“ und schließlich: „Was soll denn so ein Laberheini überhaupt nutzen - es ist doch eh alles sinnlos.“

 

Die von Ringel geschilderten Abläufe sind richtig - er beschäftigt sich mit einem allerdings nicht: damit, daß der Patient unzählige Gelegenheiten hatte, aus dem Teufelskreis auszusteigen. Nicht jeder Schicksalsschlag führt zur Schwarzseherei, Todesphantasien führen nicht zwangsläufig dazu, daß deren Umsetzung geplant wird.

 

Ringel geht es darum, wie man dem Patienten von außen helfen kann. Eben, indem man in den Teufelskreis einbricht und dem Patienten dort heraushilft. Das ist auch völlig richtig - Ringels Perspektive ist die des Therapeuten. Deshalb redet er über das, was andere - Therapeuten, Eltern, Freunde, Kollegen tun können bzw. was sie falsch machen können.

 

Das bedeutet aber eben nicht, daß der Suizidgefährdete selbst keine Möglichkeit hätte, daran teilzunehmen - er ist eben nicht bloß ein getriebenes Blatt im Wind. Seine Möglichkeiten werden im Verlauf seiner Depression oder depressiven Verstimmung immer geringer, das ist wahr. Aber sie sind - bis auf wenige Ausnahmen - nicht gleich null. Und genau in diesem Ausmaß bleibt ihm auch die eigene, allein von ihm zu tragende Verantwortung - und Schuld.

 

Es ist nicht das Verlusterlebnis, das den Selbstmörder umbringt. Das Verlusterlebnis ist ja sogar nach Ringel nur ein Aspekt unter vielen. Ein weiterer solcher Aspekt ist aber auch die Entscheidung - nein: sind die vielen Entscheidungen des Selbstmörders, seinen Verlust - und sei es mit der Hilfe anderer, um die er bitten müßte - nicht zu bewältigen. Dafür ist und bleibt er verantwortlich - und diese Verantwortung kann und darf man nicht auf andere abwälzen; die haben an ihrer Verantwortung genug zu tun.

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Lieber Sven,

 

 

sstemmildt Erstellt am 1 Sep 2003, 23:21

Ringel geht es darum, wie man dem Patienten von außen helfen kann. Eben, indem man in den Teufelskreis einbricht und dem Patienten dort heraushilft. Das ist auch völlig richtig - Ringels Perspektive ist die des Therapeuten. Deshalb redet er über das, was andere - Therapeuten, Eltern, Freunde, Kollegen tun können bzw. was sie falsch machen können.

 

Hier hast du natürlich recht, dieser Ethikunterricht findet im rahmen meiner Berufsausbildung statt und soll uns wahrscheinlich dazubefähigen, Suizidgefährdete Senioren von ihrem Suizid abzubringen.

 

Über den Rest mus ich noch näher nachdenken.

 

Gruß!

Frank

bearbeitet von Frank
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Lieber Sven,

 

du hast natürlich recht wenn du sagst, das es in der Verantwortung des Betroffenen liegt Hilfe von außen anzunehmen oder nicht. Auch wenn meine Mutter (selber Betroffene) jetzt einwenden würde, das man diese Hilfe auch annehmen können muss, so darf man ihn aus diese Verantwortung nicht entlassen. Auch darf man von Schuld sprechen, denn der Betroffnen hätte zu Beginn des Teufelskreises mehrfach die Möglichkeit gehabt, aus ihm aus zubrechen. So wie du es darlegst. Beim Baustein a, nach Ringel besteht die Möglichkeit für den Betroffenen sein Verlusterlebnis anders aufzuarbeiten als durch Suizid.

 

Trotzdem bezweifele ich die Freiheit einer (vollzogenen) Suizidentscheidung. Um bei deinem Beispiel vom Müller zu bleiben: Wenn alle auf den Müllersohn einreden Müller zu werden, obwohl er lieber Altenpfleger werden möchte ist die Entscheidung dann noch frei? Der Vater droht keinen Sohn mehr zuhaben, wenn dieser Pfleger wird. Der Steuerberater droht das die Familie Pleite geht, wenn das Geschäft nicht weitergeführt wird. Die Freundin droht ihn zu verlassen, wenn er Pfleger wird. Ist die Berufswahl dann noch wirklich frei? Entscheidet er sich, für den Beruf den er erlernen will, verliert er alles was ihm wichtig ist. Entscheidet er sich, für die Familie, verliert er seinen Traumberuf. Wo ist da die Entscheidungsfreiheit?

Wenn die psychischen Zwänge zu groß sind, ist die Freiheit zu leben für den Betroffenen zu gering. Es ist nicht nur - auch, aber nicht nur- der Haushalt von Mellantonin und Serotonin im Blut, das den Betroffenen steuert.

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Lieber Frank,

 

ich denke, wir sind uns weitgehend einig. Ich will mich jetzt nicht in Abgrenzungsfragen verlieren, wie frei diese oder jene Entscheidung ist. Unstreitig dürfte sein: Keine Entscheidung ist völlig frei in dem Sinne, daß sie von äußeren Einflüssen, von körperlichen Zuständen, von Prägungen etc. mit beeinflußt würde. Umgekehrt ist das Verhalten eines Menschen aber meistens doch insoweit frei, als es zumindest einen Rest an eigener, nicht "verursachter" Entscheidung enthält, das der Mensch bewußt steuern kann.

 

Im Fall des Selbstmordes spielen sehr starke Einflüsse eine Rolle. Die Fähigkeit des Menschen, den Selbstmord zu unterlassen, kann daher massiv eingeschränkt sein - fast bis zur objektiven Unfähigkeit, da noch selbst irgendeinen Einfluß zu nehmen. Deshalb ist es dringend notwendig, dem Selbstmordgefährdeten jede Hilfe zukommen zu lassen, die möglich ist. Aber umgekehrt ist er damit auch nicht aus der Verantwortung entlassen: Sobald und soweit er die Möglichkeit hat, selbst etwas zu unternehmen, um sich aus seiner fatalen Spirale zu lösen, muß er es auch selbst versuchen.

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Lieber Sven,

 

Unsere Entscheidungen sind nie völlig Frei Und nie völlig Unfrei, es spielen immer externe Faktoren eine Rolle. wie groß diese Faktoren und wie groß diese Restfreiheit ist, hängt immer vom einzellfall ab und ist in der Tat müßig zu debattieren.

 

Die Verantwortung des Selbstmörders ist es externe Hilfen, so sie denn zur Verfügung stehen, anzunehmen. Aus dieser Verantwortung kann und darf man ihn nicht entlassen.

So gesehen sind wir eigentlich garnicht soweit auseinander.

 

Gruß!

Frank

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