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Philosophisches im täglichen Leben


sabine

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Hallo,Ihr Lieben

 

Mir gehen seit einiger Zeit immer wieder folgende Fragen und Gedanken durch den Kopf:

Was ist zuerst da :  Die GEDANKEN oder die GEFÜHLE ?

Konkret: sagt mir mein Hirn zuerst: << Das was mir mein Gegenüber gerade gesagt hat,verletzt mich , ich finde das nicht fair....... .Es macht mich traurig >> und dann kommen die Gefühle und ich fange an zu weinen.

Oder ist es umgekehrt:Ich höre etwas und spüre (nehme wahr):

<<Stich im Herz....endlose Trauer und Enttäuschung>> und erkenne dann erst:dieses Gefühl ist entstanden , weil das Gesagte für mich bedeutet....."er hat mich nicht lieb..."usw.

 

Mir ist klar , dass es bei der körperlichen Schmerzwahrnehmung so ist , dass erst die Nerven dem Hirn senden müssen :Schmerz im Finger ,da auf heisser Herdplatte und dann zieh ich ihn erst davon weg.Aber ist das bei seelischen Schmerzen auch so?

 

Nun bin ich gespannt auf Eure GANZ SUBJEKTIVEN  Antworten....

 

Liebe Grüsse

Sabine

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Im Regelfall wird wohl zunächst gefühlt - und dann erst gedacht.

 

Wenn jemand zu mir sagt, "Du A****loch", dann bin ich im ersten Moment empört und verletzt. Wenn ich dann darüber nachdenke, stelle ich fest: Der Mann (oder die Frau) hat ja recht.

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Ich sehe das eher ganzheitlich. Warum sollte man es zu trennen versuchen?

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Zitat von sabine am 11:28 - 8.September.2001

Was ist zuerst da :  Die GEDANKEN oder die GEFÜHLE ?

 

Liebe Sabine,

 

die Gedanken "formst" du durch deine Erinnerungsfähigkeit. Deine (innere) Reaktion auf diese "Denkergebnisse" sind deine Gefühle.

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Das sehe ich ähnlich, Ute. Wenn man denkt, <Das hat mich verletzt.> dann ist das die innere Verbalisierung des Gefühls verletzt zu sein. Ich sehe die Gedankensprache in diesem Fall eher als eine weitere Dimension um Gefühle auszudrücken an.

 

André

 

(Geändert von Phoenix um 12:09 - 8.September.2001)

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Hallo allerseits,

 

ich denke auch, daß man nicht immer so klar zeitlich-chronologisch oder kausal trennen kann. Wir haben zu fast jedem Zeitpunkt irgendwelche Gedanken, und auch zugleich irgendwelche Gefühle.

 

Natürlich können bestimmte Gedanken andere Gefühle hervorrufen, und andererseits können auch Gefühle bestimmte Gedanken hervorrufen. Manchmal habe ich auch eine Schwierigkeit damit, zu sagen "das ist nun ein Gefühl" oder "das ist nun ein Gedanke", manchmal liegt es auch irgendwie dazwischen.

 

viele Grüße

 

Olli

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Es geht aber auch anders herum:

 

Ich kann mit Gedanken Gefühle erzeugen, ohne dass eine äußere Grundlage dafür vorhanden ist.

 

Z. B. wenn ich davon ausgehe, mein Gegenüber hätte nichts anders vor, als um jeden Preis der Welt mich zu verletzen. Dann kann ich mich in solche Gedanken derart hineinsteigern, dass ich mich verletzt fühle, ohne dass der Gegenüber auch nur einen leisen Versuch in diese Richtung unternommen hätte.

 

---------

 

Ich tendiere immer mehr dazu, anzunehmen, dass die Gedanken für die Gefühle verantwortlich sind. Dass es anschließend wieder zu einer inneren Verbalisierung der so erzeugten Gefühle kommt, wiederspricht dem nicht. Gedanken können - manchmal auch parallel und sogar widersprüchlich - auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden.

 

Viele Grüße

Heidi

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>> Ich sehe das eher ganzheitlich. Warum sollte man es zu trennen versuchen? << (Ute)

 

 

Weil es hier um die Frage von Ursache und Wirkung geht. Unstreitig ist der Mensch das Produkt seiner Gedanken und Gefühle. Insofern ist eine ganzheitliche Betrachtung sicher nicht abwegig. Im Zweifel dominiert jedoch das Gefühl, was möglicherweise schon entwicklungsgeschichtlich bedingt ist.

 

Wenn ein Mensch auf die Welt kommt, denkt er nicht. Der Säugling befindet sich entweder in einem gefühlsmäßigen Neutralzustand, oder er empfindet Lust- oder Unlustgefühle. Das Denken setzt erst in einem späteren Entwicklungsstadium ein. Zu diesem Zeitpunkt haben aufgrund der Umwelteinflüsse jedoch bereits gefühlsmäßige (Vor)prägungen stattgefunden.

 

Die Dominanz des Gefühls begegnet einem immer wieder. Wenn ich z.B. einen Menschen zum ersten Mal sehe, kann es sein, daß er mir auf Anhieb unsympathisch ist. Rationale Gründe für diese Empfindung gibt es nicht (wenn der Betreffende die Nase nicht gerade unter dem linken Ohr sitzen hat). Andere sind einem allein aufgrund der Stimme sympathisch (und erweisen sich bei näherem Kennenlernen möglicherweise als unerträgliche Zeitgenossen).

 

Auch wenn man schon denken kann, ist man gegen Schmeicheleien nicht gefeit. Der Schmeichler bereitet Lustgefühle, und man neigt gerne dazu, die rationale Erkenntnis, daß es sich eben nur um Schmeichelei handelt, zurückzudrängen. Auch der religiöse Glaube läuft nicht auf der gedanklichen, sondern auf der emotionalen Schiene. Die frommen Vorstellungen und Verheißungen schmeicheln dem Menschen und  verschaffen Lustgefühle. Die der Lust zuwiderlaufende rationale Analyse wird deshalb gerne unterdrückt oder verdrängt.

 

Ausländerfeindlichkeit, Judenhaß, Diskriminierung von Minderheiten, Frauenverachtung  -  all dies resultiert nicht aus nüchternem Denken, sondern ist das Ergebnis unreflektierter und oft nur dumpfer Gefühle.

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Hi cano,

 

"Auch der religiöse Glaube läuft nicht auf der gedanklichen, sondern auf der emotionalen Schiene. Die frommen Vorstellungen und Verheißungen schmeicheln dem Menschen und  verschaffen Lustgefühle. Die der Lust zuwiderlaufende rationale Analyse wird deshalb gerne unterdrückt oder verdrängt. "

 

Sehe ich nicht ganz so, daß der Glaube auf der rein emotionalen Schiene verläuft. Und ich könnte nicht sagen, daß mir "fomme Vorstellungen" mir "schmeicheln" würden - ganz im Gegenteil, mir wird stärker bewußt, welche Fehler ich gemacht habe, und das ganz rational.

 

Ich sehe nicht, warum z. B. die 10 Gebote einem Menschen "schmeicheln" sollten, man kann sein eigenes Handeln daran überprüfen. Mit Emotion hat diese Überprüfung zunächst einmal nichts zu tun.

 

Es wird immer wieder gerne behauptet, der Glaube sei "emotional", aber das ist nicht ganz richtig.

 

viele Grüße

 

Olli

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Zitat von Cano am 12:44 - 8.September.2001

 

Wenn ein Mensch auf die Welt kommt, denkt er nicht.


 

Lieber Cano,

 

das ist ja der Unterschied zwischen einem Neugeborenen und dir. Der Säugling schreit, wenn er Hunger hat und du sagt es eben deiner Frau (vorausgesetzt, sie ist für die Essenszubereitung zuständig).

 

 

(Geändert von pedrino um 13:00 - 8.September.2001)

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Cano, natürlich ist es sinnvoll rationales Denken und Gefühl getrennt zu betrachten. Aber glaubst du nicht auch die von sabine genannten Beispiele für Gedanken

 

<< Das was mir mein Gegenüber gerade gesagt hat,verletzt mich , ich finde das nicht fair....... .Es macht mich traurig >>

 

sind eher eine Ausdrucksform denn eine Rationalisierung des Gefühls? (Und damit nicht so eindeutig zu trennen.)

 

André

 

(Geändert von Phoenix um 13:05 - 8.September.2001)

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Zitat von Olli am 12:54 - 8.September.2001

Hi cano,

 

"Auch der religiöse Glaube läuft nicht auf der gedanklichen, sondern auf der emotionalen Schiene. Die frommen Vorstellungen und Verheißungen schmeicheln dem Menschen und  verschaffen Lustgefühle. Die der Lust zuwiderlaufende rationale Analyse wird deshalb gerne unterdrückt oder verdrängt. "

 

Sehe ich nicht ganz so, daß der Glaube auf der rein emotionalen Schiene verläuft. Und ich könnte nicht sagen, daß mir "fomme Vorstellungen" mir "schmeicheln" würden - ganz im Gegenteil, mir wird stärker bewußt, welche Fehler ich gemacht habe, und das ganz rational.

 

Ich sehe nicht, warum z. B. die 10 Gebote einem Menschen "schmeicheln" sollten, man kann sein eigenes Handeln daran überprüfen. Mit Emotion hat diese Überprüfung zunächst einmal nichts zu tun.

 

Es wird immer wieder gerne behauptet, der Glaube sei "emotional", aber das ist nicht ganz richtig.

 

viele Grüße

 

Olli


 

Lieber Olli,

 

Du lieferst hier ein Musterbeispiel für rationale Verdrängung.

 

Selbstverständlich schmeicheln Dir nicht die Zehn Gebote. Dir schmeichelt jedoch ein Gott, der nichts besseres zu tun hat, als Dich zu lieben, sich in Gestalt seines Sohnes zur Vergebung Deiner Sünden kreuzigen zu lassen und dem nichts mehr am Herzen liegt, als Dich in sein Reich aufzunehmen und Dich dort der ewigen Glückseligkeit teilhaftig werden zu lassen.

 

Ohne Fleiß kein Preis. Es versteht sich daher von selbst, daß man schon etwas tun muß, um den Preis des ewigen Lebens zu gewinnen. Ein Gott, der einem den Zucker in den A**** bläst, wäre absolut unglaubwürdig. Im übrigen könnte ein solcher Gott nicht für die von den Religionsführern verfolgten Zwecke instrumentalisiert werden.

 

Da der Mensch nicht nur fühlt, sondern auch denkt, muß der Glaube, um glaubwürdig zu erscheinen, rationalisiert werden. Wie dies und mit welchem Aufwand dies geschehen ist, läßt sich anhand der Unmenge christlicher Literatur hervorragend verfolgen.

 

Die Religionen befriedigen emotionale Bedürfnisse. Die Unbeständigkeit und Flüchtigkeit von Gefühlen ist allgemein bekannt. Insofern bedürfen die Religionen der rationalen Stabilisierung. Dies geschieht primär dadurch, daß die Glaubensinhalte scheinrational begründet, Begründungsdefizite durch göttliche Offenbarung ersetzt werden und daß das Ganze dann nicht als das Produkt blühender Phantasie, sondern als DIE Wahrheit ausgegeben wird.

 

Man braucht jetzt nur noch genügend Leute, die diese Wahrheit im Brustton der Überzeugung verkünden - und schon finden sich welche, die das Verkündete als Tatsache ansehen und nicht früh genug damit anfangen können, diese Tatsachen ihrer Nachkommenschaft zu vermitteln. Im Grunde handelt es sich beim Glauben um eine Art Massenpsychose. Dem Dilemma, zugeben zu müssen, daß man Opfer einer Psychose geworden ist, entgeht man am besten dadurch, daß man die Psychose zum Normalzustand macht. Um dies zu erreichen, war es nur konsequent, die Andersgläubigen auf Teufel komm raus zum "richtigen" Glauben zu bekehren.

 

Herzliche Grüße

Cano

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Mir leuchtet Canos Posting sehr ein.

Ich kenne auch diese intuitiven Momente, deren Eindrücke mir meine Gedanken nicht selten im Nachhinein erklären müssen ;)

 

Bei den meisten Entscheidungen handele ich intuitiv, und auch in der Überprüfug vergangener Entscheidungen arbeite ich "empathisch intuitiv", es sei denn, es handelt sich um sachliche Gleichungen.

Gedanklich kommentieren muß ich das nicht immer, ich neige aber auch nicht im geringsten zu Selbstgesprächen. Deswegen kommen mir Sätze wie "Das was mir mein Gegenüber gerade gesagt hat,verletzt mich , ich finde das nicht fair....... .Es machtmich traurig" mir erst gar nicht ins Hirn.

 

Ich kann mir aber durchaus vorstellen, daß es sehr rationale Menschen gibt, die vielleicht ihrer Intuition nicht trauen oder deren Intuition nicht so gut ausgebildet ist, wie ihre Ratio, und die ihre Entscheidungen nur sachlich treffen.

 

Liebe Grüße

 

sylle

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Hallo cano,

 

"Lieber Olli,

 

Du lieferst hier ein Musterbeispiel für rationale Verdrängung.

 

Selbstverständlich schmeicheln Dir nicht die Zehn Gebote. Dir schmeichelt jedoch ein Gott, der nichts besseres zu tun hat, als Dich zu lieben, sich in Gestalt seines Sohnes zur Vergebung Deiner Sünden kreuzigen zu lassen und dem nichts mehr am Herzen liegt, als Dich in sein Reich aufzunehmen und Dich dort der ewigen Glückseligkeit teilhaftig werden zu lassen. " (cano)

 

Ich bin mir nicht sicher, ob "schmeicheln" hier der richtige Ausdruck ist. Was verstehst Du unter "rationaler Verdrängung"?

 

"Ohne Fleiß kein Preis. Es versteht sich daher von selbst, daß man schon etwas tun muß, um den Preis des ewigen Lebens zu gewinnen. Ein Gott, der einem den Zucker in den A**** bläst, wäre absolut unglaubwürdig. Im übrigen könnte ein solcher Gott nicht für die von den Religionsführern verfolgten Zwecke instrumentalisiert werden. " (cano)

 

Mir persönlich sind "Religionsführer" (wer soll das sein? der Papst?) nicht so wichtig, daher kann ich auch mit angeblich "verfolgten Zielen" hier nicht so viel anfangen.

Wen verstehst Du unter "Religionsführer"?

 

"Da der Mensch nicht nur fühlt, sondern auch denkt, muß der Glaube, um glaubwürdig zu erscheinen, rationalisiert werden. Wie dies und mit welchem Aufwand dies geschehen ist, läßt sich anhand der Unmenge christlicher Literatur hervorragend verfolgen. "

(cano)

 

Hm, und was ist die Schlußfolgerung daraus bzgl. christlicher Literatur?

 

"Die Religionen befriedigen emotionale Bedürfnisse. Die Unbeständigkeit und Flüchtigkeit von Gefühlen ist allgemein bekannt. Insofern bedürfen die Religionen der rationalen Stabilisierung. Dies geschieht primär dadurch, daß die Glaubensinhalte scheinrational begründet, Begründungsdefizite durch göttliche Offenbarung ersetzt werden und daß das Ganze dann nicht als das Produkt blühender Phantasie, sondern als DIE Wahrheit ausgegeben wird. " (cano)

 

Also ich denke, daß man zwischen spirituellen Bedürfnissen und emotionalen Bedürfnissen unterscheiden sollte, dies sind zwei verschiedene Dinge.

 

"Man braucht jetzt nur noch genügend Leute, die diese Wahrheit im Brustton der Überzeugung verkünden - und schon finden sich welche, die das Verkündete als Tatsache ansehen und nicht früh genug damit anfangen können, diese Tatsachen ihrer Nachkommenschaft zu vermitteln. Im Grunde handelt es sich beim Glauben um eine Art Massenpsychose."

 

Gibt es irgendeinen ernstzunehmenden Psychologen, der diese Ansicht teilt?

 

" Dem Dilemma, zugeben zu müssen, daß man Opfer einer Psychose geworden ist, entgeht man am besten dadurch, daß man die Psychose zum Normalzustand macht. Um dies zu erreichen, war es nur konsequent, die Andersgläubigen auf Teufel komm raus zum "richtigen" Glauben zu bekehren. "

 

Also ich bekehre niemanden "auf Teufel komm raus", und ich hab auch kein Problem damit, wenn jemand was anderes glaubt als ich.

 

Würdest Du den "Normalzustand" des Menschen als "nicht religiös" kennzeichnen? Wenn ja, warum?

 

viele herzliche Grüße

 

Olli

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Damit es schneller geht, Olli,

 

nehme ich mir nur Deine Fragen (ohne den dazugehörigen Kontext) vor.

 

Ich bin mir nicht sicher, ob "schmeicheln" hier der richtige Ausdruck ist. Was verstehst Du unter "rationaler Verdrängung"?

 

Die rationale Verdrängung sehe ich darin, daß Du meinem Hinweis auf die übergroßen Vorzüge eines gottgefälligen Lebens mit dem banalen Einwand entgegengetreten bist, daß man zur Erlangung dieser Vorteile auch etwas tun müsse. Das ganze Leben wird vom Grundsatz des "do ut des" beherrscht. Insofern versteht es sich von selbst, daß dem von Christentum in Aussicht gestellten immerwährenden göttlichen Heil eine Leistung des Menschen gegenüberstehen muß. Gerade im Christentum ist diese Eigenleistung jedoch als eher bescheiden zu bezeichnen. Von Juden und Moslems wird mehr abverlangt.

 

Wen verstehst Du unter "Religionsführer"?

 

Unter "Religionsführern" verstehe ich die elitäre Minderheit derjenigen, die für eine religiöse Organisation denken und die diese lenken. Beim Katholizismus handelt es sich hierbei in erster Linie um den Papst und die ihn beratenden Kardinäle. Anfänglich handelte es sich um einen religiösen Eiferer namens Paulus, in dessen Fußstapfen u.a. die sog. Kirchenväter getreten sind (das Papstum, wie wir es heute kennen,  entstand erst einige Zeit nach dem angeblich ersten Papst [Petrus], und es dauerte noch länger, bis die Machtposition des Papstes wirklich gefestigt war. Generell ist anzumerken, daß das Christentum seine spätere Macht nicht Religionsführern, sondern weltlichen Potentaten verdankt.)

 

Hm, und was ist die Schlußfolgerung daraus bzgl. christlicher Literatur?

 

Daß es sich um reine Zweckliteratur handelt. Ihr Zweck bestand in der Machtfestigung des Klerus. Dabei standen nicht Wahrhaftigkeitserwägungen im Vordergrund, sondern die Frage, was machbar ist, um die Masse in eine tiefere Abhängigkeit vom Klerus zu bringen. Was den Leuten früher als wahr und über jeden Zweifel erhaben verkauft wurde (denken wir z.B. an die obskuren Dämonenlehre eines Thomas von Aquin, seines Zeichens Kirchenlehrer), wird heute mit dem Mäntelchen des Schweigens zugedeckt, weil es selbst von den Allerdümmsten nicht mehr geglaubt wird. 

 

Also ich denke, daß man zwischen spirituellen Bedürfnissen und emotionalen Bedürfnissen unterscheiden sollte, dies sind zwei verschiedene Dinge.

 

Ich sehe hier keinen wesentlichen, sondern nur einen graduellen Unterschied. Bei den spirituellen Bedürfnissen handelt es sich um emotionale Bedürfnisse mit einem spezifisch gelagerten Unterbau.

 

Gibt es irgendeinen ernstzunehmenden Psychologen, der diese Ansicht teilt?

 

Falls es einen Psychologen gibt, der diese Ansicht nicht teilt, dann ist er nicht ernst zu nehmen.

 

Würdest Du den "Normalzustand" des Menschen als "nicht religiös" kennzeichnen? Wenn ja, warum?

 

Ich würde den "Normalzustand" des Menschen weder als religiös, noch als nichtreligiös bezeichnen. Den Normalzustand des Menschen sehe ich als schwach, anfällig und hilfsbedürftig. Er sucht deshalb nach Stärkung und Hilfe. Nachdem sich schon im frühesten Stadium der Menschheit Religion und Glaube als Lebenshilfe und Kraftquelle angeboten hatten (Wissen gab es ja noch nicht), ist ein Großteil der Menschen bei diesem Hilfmittel geblieben, da es sich nicht nur als nützlich, sondern auch als relativ leicht verständlich und gut zu handhaben erwiesen hat. Der Vorteil lag bei denen, die das Hilfsmittel vertrieben, und gleichzeitig bei denen, die es in Anspruch nahmen (oft genug bestand ja auch Personalunion zwischen Vertreiber und Konsument).

 

Ob der Mensch "von Haus aus" religiös sein muß, wage ich zu bezweifeln. Die Religion ist ein aus Zweckmäßigkeitsgründen entstandenes Kulturprodukt, mithin ein gesellschaftliches Phänomen. Der Mensch wiederum ist ein Produkt der Gesellschaft, in der er aufwächst und lebt. In einer religiösen Gesellschaft ist daher die Religiosität im Zweifel der Normalzustand. Der Mensch neigt zur Konformität, weil dies den Weg des geringsten Widerstands bedeutet. Die Religiosität sagt in diesem Fall jedoch nichts über den Normalzustand des Menschen aus, sondern nur etwas über den Normalzustand der Gesellschaft, in der er lebt.

 

Herzliche Grüße

Cano

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Ich lasse mal die Religion beiseite. Im Gegensatz zu Cano und einigen anderen hier (jedenfalls habe ich die entsprechenden Äußerungen so verstanden) sehe ich keinen gewaltigen oder gar fundamentalen Unterschied zwischen Gefühlen und Gedanken. Gedanken sind nicht nur das, was verbalsiert und/oder logisch gefolgert werden kann. Gedanken sind auch das Gewahrwerden von Gefühlen, das Erkennen von Gefühlen, das Verarbeiten der Reize, die Gefühle erzeugen.

 

Das Gefühl z.B., dass mein Gegenüber mich mit seiner Rede verletzen will, kann sich erst einstellen, wenn seine Rede, seine Äußerung, samt Körpersprache etc. von mir aufgenommen und erkannt ist. Dass nach dem Einstellen des entsprechenden Gefühls dieses dann wieder durchdacht, gewogen und rational bewertet wird, spricht dem nicht entgegen.

 

Ich bleibe dabei, dass zwischen Gefühl und Gedanken keine Gegensätze bestehen, sondern dass sie einander zwingend bedingen.

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Hätt ich fast wortwörtlich genauso geschrieben, Ute.

 

Allerdings:  Wir nehmen die wenigsten  rationalen Erkenntnisse völlig emotionslos auf. Umgekehrt passiert es leider allzu oft, daß rein emotionale Haltungen überhaupt nicht reflektiert werden.

 

Das liegt aber vermutlich daran, daß zwar ausnahmslos jeder Mensch ein mit Gefühl versehenes Lebewesen ist, was allerdings die Segnung mit Verstand betrifft, bin ich mir nicht ganz so sicher.

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Hallo Ihr Lieben,

Hier ist ja schon eine ganze Menge diskutiert worden.

Ich bin weiterhin in dem Dilemma, dass ich mich nicht entscheiden kann , was denn nun zuerst da ist:Gefühl oder Gedanke .

Ich kann es einfach nicht trennen und muss es wohl auch gar nicht....

Allerdings und das ist mein Problem bei der Sache, bin ich mir halt manchmal unsicher .Unsicher inwieweit ich meinen Gefühlen trauen kann , oder inwieweit sie nicht einfach "nur" durch meine Gedanken entstanden sind.

 

@ Cano und Olli

Es wäre schön wenn Ihr etwas vom Thema Glauben absehen könntet.Irgendwie seid Ihr mir da zu festgefahren.(Wenn ich mir das überhaupt wünschen darf). Eure Meinung interessiert

mich drum auch im Bezug auf Euer Erleben...

 

Danke

Liebe Grüsse

Sabine

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In dieser Sache denke ich auch wie Ute - oh Wunder ;)- dass Gedanken und Gefühle nicht klar zu trennen sind.

Sie bewirken sich wohl gegenseitig und das eine geht schlecht ohne das andere.

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Meint ihr nicht, wir sollten in bewusste und unbewusste Gedanken unterscheiden?

 

Mir ist das gleiche Problem, wie Sabine es hier schildert, im Angst-Thread klar geworden.

 

Damals habe ich behauptet, durch ein bewusstes Betrachten der Angst würde diese verschwinden. Das ist also ein rationaler Vorgang, mit dem ich ganz klar meine Gefühle lenke. (In ähnlicher Weise sprach Lissie davon sich unter bestimmten Bedingungen entlieben zu können. Das halte ich auch für einen rational gesteuerten Prozess.)

Ähnlich habe ich mir überlegt, kann man natürlich auch alle anderen Gefühle steuern. Je nachdem welche Gedanken ich mir zu einem Objekt mache, kann ich es als bedrohlich, schön, kitschig, häßlich empfinden.

 

Als Problem erscheint mir diese Manipulation der Gefühle deswegen, weil ich eben nicht nur Angst „wegdenken“ kann (was ich als sinnvoll empfinde). Sondern ich könnte mich auch entscheiden Liebe, Hoffnung oder Freude „wegzudenken“. Und dann stände ich auf einmal ziemlich doof da.

 

Da ich normalerweise annehme, dass Gefühle über unbewusste Gedanken die Taten steuern, fehlt mir dieses Steuerungselement in dem Moment, wenn ich bewusst auf die Gefühle Einfluss nehme.

 

 

Meine These ist also, dass zunächst unbewusst die Gefühle auf die Gedanken Einfluss nehmen und damit das menschliche Verhalten steuern, dass es jedoch möglich ist bewusst gegenzusteuern und damit Gefühle zu erzeugen, die dann natürlich auch wieder weitergehend Einfluss auf das Verhalten haben.

 

Grüße

Heidi

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Ich sehe das ähnlich wie Ute: ganzheitlich.  Die Frage, die sich mir dabei stellt ist, gibt es sowas wie ein "geistiger Erkenntnisakt"? Wenn ich glaube, meine Frau zu "kennen", dann sage ich nicht, ich "kann" nur ihr "Gesicht" sehen. Ich "empfinde" sie als etwas "Kostbares", was ich niemals vermissen möchte. Gleichzeitig empfinde ich sie als zutiefst "kostbar", weil ich "glaube" sie zu kennen.

 

Nun aber, würde ich versuchen eine Person durch und durch zu analysieren, die Verhaltensweisen, die diese Person hat, in ein psychologisches Muster von Verhaltensweisen derart, daß ich alles über sie wüßte und ich in etwa im voraus wissen könnte, wie sie auf dieses oder jenes reagieren wird, dann hätte ich sie zu einem bloßen "Sachverhalt" herabgewürdigt. Wenn ich sie zu durchleuchten versuchte, was ihr Inneres alles ausmacht, dann würde sie für mich nicht nur "durchsichtig" werden, sondern ich würde durch sie hindurch sehen, womit ich sie wiederum nicht sehe.

 

Tue ich das anders herum, nicht zu ergreifen zu versuchen, dann würde ich merken, daß ich mich als "Angerufener" erkenne. Ich hier und jetzt soll auf das eine Antwort geben, was ich erfahre. Ihr "Antlitz" oder ihre Person, besser gesagt, das wovon ich im tiefsten nicht weiß, was es im Kern ausmacht, "trifft" mich und ich erfahre mich als der, der "glaubt", sie erkannt zu haben.

 

Erkenntnis müßte demnach eigentlich mit einem Schritt nach hinten beginnen, im Zurückschrecken vor dem, was mein Verstand gewissermaßen übersteigt. "Staunen" und "zurückschrecken" deshalb, weil der göttliche Charakter, der in diesem schlichten und einfachen Dasein mich trifft und ich meine Begrenztheit spüre. Der Geburt der Philosophie ist demnach eigentlich die Demut, und der Spekulation die Schwärmerei.

 

Zugegeben, es ist nicht einfach, zu zeigen, daß wenn es eine Erkenntnis des "Herzens" gibt, mit Worten auszudrücken, was man damit meint. Ich glaube, Scheler hat so einen Versuch unternommen, zu zeigen, daß die Erkenntnis des Herzens "mehr" ist als bloße "Gefühle". Hm, furchbar schwierig...

 

Nun aber bin ich der, der hier in Fleisch und Knochen vor den anderen tritt. Gibt es auch gibt es körperliche Erkenntnisvollzüge, die zugleich geistig sind, wie etwa "Zärtlichkeit"?

 

Obwohl ich also im Erkennen Verstand und "Gefühle" oder auch "Herz" also beides einander bedingen, so kann ich dennoch beides voneinander unterscheiden. Ich kann mich ja doch als der erfahren, der falsche "Empfindungen" haben kann. Das Wissen, daß man ein Kind nicht mißhandeln darf ist zunächst ein "Wissen", denn ich kann ja doch für etwas anderes "Mitleid" empfinden. Dennoch meine ich, daß die Gefühle eine wichtige Rolle dabei spielen. Es sind u.a. die Gefühle, die es mir im Herzen nahebringen, daß kein Unrecht geschehen darf. Sie dienen meiner Meinung nach als "Katalysator" für die Erkenntnis der Vernunft oder auch des Herzens.

 

;)

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>(In ähnlicher Weise sprach Lissie davon sich unter bestimmten Bedingungen entlieben zu können. Das halte ich auch für einen rational gesteuerten Prozess.) <

 

Nein Heidi, so war das nicht gemeint, im Gegenteil! Ich wollte darauf hinaus, daß gewisse (bei weitem nicht alle) rationale Erkenntnisse über einen Menschen so intensive Auswirkungen auf mein Gefühlsleben haben können, daß selbst bei vorangehender Verliebtheit diese nicht mehr greifen würde. Es wäre aber immer noch ein zutiefst emotionaler Prozeß. (Enttäuschung, Ekel, vielleicht auch Trauer, etc.)

 

Als rational gesteuerten "Entliebungsprozess" würde ich hingegen Gründe wie "der ist nicht reich genug", " die Liebe zu dem tut mir oder meiner Karriere nicht gut",  o.ähnl. bezeichnen. Das ist mir bislang leider noch nie gelungen, aber ich kenne durchaus auch Menschen, die ihre Verliebtheitsantennen sehr "praktisch" (das ist jetzt euphemistisch) auszurichten in der Lage sind.

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Zitat von Heidi am 17:28 - 8.September.2001

Meine These ist also, dass zunächst unbewusst die Gefühle auf die Gedanken Einfluss nehmen und damit das menschliche Verhalten steuern, dass es jedoch möglich ist bewusst gegenzusteuern und damit Gefühle zu erzeugen, die dann natürlich auch wieder weitergehend Einfluss auf das Verhalten haben.


 

Liebe Heidi,

 

umgekehrt ist es wohl richtiger.

 

Sieht man einmal von instinktmäßigen Reaktionen ab, läuft vor dem empfundenen Gefühl erst ein Denkprozeß ab, der eine Beziehung zu einer Erinnerung herstellt, auf die mit einer Gemütsbewegung reagiert wird.

 

Das nicht instinktive Verhalten des Menschen wird und kann nur aus der Erinnerung heraus erfolgen. Nur durch die Erinnerung wird das Gefühl geprägt.

 

Der Denkprozeß läuft schneller (und unbewußt) als das empfundene Gefühl ab. Deshalb wohl der falsche Eindruck.

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Hallo sabine,

 

"@ Cano und Olli

Es wäre schön wenn Ihr etwas vom Thema Glauben absehen könntet.Irgendwie seid Ihr mir da zu festgefahren.(Wenn ich mir das überhaupt wünschen darf). Eure Meinung interessiert

mich drum auch im Bezug auf Euer Erleben... "

 

Ok, dem Vorschlag komme ich gerne nach.

 

Ich hatte ja schon weiter oben geschrieben, daß für mich Gedanke und Gefühl auch nebeneinander, nicht notwendigerweise nacheinander oder kausal aneinander gebunden existieren können.

 

Zur Zeit bin ich mir nicht ganz sicher, was damit gewonnen wäre, wenn wir immer wüßten, ob nun ein Gedanke oder ein Gefühl am Anfang steht.

 

Überhaupt habe ich manchmal auch Schwierigkeiten, zu trennen, "das ist ein Gefühl" oder "das ist ein Gedanke". Können nicht Gedanken in Gefühle übergehen und umgekehrt? Ist die Grenze scharf oder nicht doch eher fließend?

 

viele Grüße

 

Olli

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