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Ketzer


Erich

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Nichts läßt ein ungeheures, heimliches Übel der modernen Gesellschaft eigenartiger deutlich werden als der ausgefallene Gebrauch, der heutzutage von dem Wort »orthodox« gemacht wird. In früheren Zeiten legte der Häretiker seinen Stolz darein, kein Häretiker zu sein. Die Königreiche dieser Welt, die Polizei und die Richter — sie waren die Häretiker. Er war orthodox. Er nahm nicht in Anspruch, sich gegen sie aufgelehnt zu haben; sie hatten sich gegen ihn empört. Die Heere, die grausam Ruhe und Ordnung aufrechterhielten, die Könige mit ihren steinernen Gesichtern, die Repräsentanten der regulären Staatsakte, der ordentlichen Rechtsverfahren — sie alle waren auf dem Irrweg, hatten sich wie Schafe verlaufen.

 

Der Mensch war stolz darauf, rechtgläubig zu sein, war stolz darauf, im Recht zu sein. Wenn er, umringt von der heulenden Meute, als Rufer in der Wüste die Stellung hielt, war er mehr als ein bloßer Mensch: Er war eine ganze Kirche. Er war der Mittelpunkt der Welt; um ihn kreisten die Gestirne. Keine Folterqualen aus den finstersten Abgründen der Hölle hätten ihn zu dem Eingeständnis bewegen können, häretisch zu sein.

 

Ein paar moderne Phrasen aber genügen, daß er sich heute eben damit brüstet. Er sagt verlegen lachend »Ich hoffe, ich bin Ihnen nicht zu ketzerisch« und sieht sich beifallheischend um. Das Wort »Ketzerei« hat nicht nur nicht mehr die Bedeutung, daß man sich auf dem Irrweg befindet; es heißt praktisch, daß man intelligent und mutig ist. Das Wort »Rechtgläubigkeit« bedeutet nicht nur nicht mehr» daß man recht hat; es heißt praktisch, daß man im Unrecht ist.

 

Das aber kann nur eines bedeuten: daß sich die Menschen nicht mehr groß darum kümmern, ob sie der rechten Lehre anhangen, die richtige Überzeugung haben. Denn eigentlich müßte sich jemand für verrückt erklären, ehe er sich für häretisch erklärt.

 

(aus Chesterton: Ketzer )

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Das Wort »Ketzerei« hat nicht nur nicht mehr die Bedeutung, daß man sich auf dem Irrweg befindet; es heißt praktisch, daß man intelligent und mutig ist. Das Wort »Rechtgläubigkeit« bedeutet nicht nur nicht mehr» daß man recht hat; es heißt praktisch, daß man im Unrecht ist.

 

Das aber kann nur eines bedeuten: daß sich die Menschen nicht mehr groß darum kümmern, ob sie der rechten Lehre anhangen, die richtige Überzeugung haben. Denn eigentlich müßte sich jemand für verrückt erklären, ehe er sich für häretisch erklärt.

 

(aus Chesterton: Ketzer )

*Rechte* Lehre?

 

Soll das etwa heißen, dass die Christen, die nicht in allen Dingen mit der Lehre der Kirche übereinstimmen- nicht *rechtgläubig* sind- sich nicht darum bemühen den richtigen , den *rechten* Weg zu Gott zu finden?

 

Diese Aussage birgt eine unbeschreibliche Arroganz!

Wenn man dazu steht, dass man Dinge anders sieht- und sich der Tatsache bewußt ist, dass jeder irren kann ( auch die, die sich *Rechtgläubig* nennen)- dann ist das ein Eingeständnis und im Prinzip eine Wahrheit, dass man Gott nicht so erfassen kann, dass er für alle gleich wirkt.

Wenn man deswegen als Ketzer bezeichnet wird- dann sage ich ehrlich- dann stehe ich wirklich dazu- und das ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Weg der falsche ist, ist genauso groß wie jeder andere Weg auch. Selbst der, der angeblich *Rechtgläubigen*.

 

Ellen

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*Rechte* Lehre?

 

Soll das etwa heißen, dass die Christen, die nicht in allen Dingen mit der Lehre der Kirche übereinstimmen- nicht *rechtgläubig* sind-

Och glaube in der Tat, daß die Kirche die "rechte", d.h. richtige, nein wahre Lehre von Gott verkündet. Sonst wäre ich nicht darin. Ich glaube, daß die Kirche von jesus Christus gegründet wurde und von seinem Geist durch die Geschichte geführt wird - und daß die Pforten der Hölle sie nicht überwinden. Täte ich das nicht, wäre ich nicht darin. Ich weiß nicht, was arrogant daran ist, lasse mich aber gerne aufklären.

 

sich nicht darum bemühen den richtigen , den *rechten* Weg zu Gott zu finden?

 

Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Natürlich bin ich nicht berechtigt, jemandem zu attestieren, daß er sich nicht um den rechten Weg zu Gott bemüht. Darf ich ihn aber nicht darauf hinweisen, daß er meiner Ansicht nach irrt, brauche ich mit ihm nicht mehr zu reden.

 

Wenn man dazu steht, dass man Dinge anders sieht- und sich der Tatsache bewußt ist, dass jeder irren kann ( auch die, die sich *Rechtgläubig* nennen)- dann ist das ein Eingeständnis und im Prinzip eine Wahrheit, dass man Gott nicht so erfassen kann, dass er für alle gleich wirkt.

 

Wenn das wahr wäre, wäre die Offenbarung schief gegangen. Ich glaube, daß Gott in Jesus Christus Mensch wurde, um sich den Menschen zu offenbaren.

 

Wenn man deswegen als Ketzer bezeichnet wird- dann sage ich ehrlich- dann stehe ich wirklich dazu- und das ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

 

Genau dazu wollte Erich Dich ermutigen.

 

Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Weg der falsche ist, ist genauso groß wie jeder andere Weg auch. Selbst der, der angeblich *Rechtgläubigen*.

 

Also kein Geist in der Kirche? Nun ja...

 

Was ich aus Deinen Aussagen schließe, Ellen, ist folgendes: Deiner Meinung nach ist arrogant, wer demütig auf den Herrn und sein Wirken in der Kirche vertraut. *arrogantbin*

bearbeitet von ThomasBloemer
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Mein lieber *arroganter* Thomas,

 

( wars in der Bibel nicht der ungläubige? ) :blink: ...

 

es heißt nicht, dass man andere nicht darauf hinweisen darf, dass dieser sich der eigenen Ansicht nach auf dem falschen Weg befindet.

Nur die Art und Weise und das Urteilen darüber ist m.A. nach falsch.

Wer einen Weg beschreitet, wird wohl immer hoffen, dass sein Weg der richtige ist. Es geht mir darum, dass man nicht erkennen kann, welches der absolut richtige Weg ist. Oft gibt es ja auch viele Wege, die zum Ziel führen und nicht nur einer.

Und ich denke, dass es auch innerhalb der katholischen Kirche viele Wege zum Ziel gibt und nicht nur einer.

Wenn man dies äußert und dazu steht, und deswegen als Ketzer bezeichnet wird, dann stehe ich dazu. Nicht mehr und nicht weniger.

 

Ellen

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Erich und Chesterton lenken die Aufmerksamkeit zunächst auf einen veränderten Sprachgebrauch, der auf Veränderungen in der Selbstbeschreibung und damit im Selbstverständnis hinweist: Heute ist praktisch der Ketzer der Orthodoxe (Rechtgläubige), der Orthodoxe hingegen ein Häretiker, weil er dem orthodoxen Ketzertum Schranken zu setzen gedenkt.

 

Der moderne Mensch stellt sich aus dem weltanschaulichen Supermarkt seine ganz persönliche, vermeintlich individuelle Religion zusammen. Konsequente Atheisten sind so selten wie rechtgläubige Christen. Der Durchschnittsmensch glaubt irgendwie an Gott, aber bekennt sich nicht so recht zur Kirche, bedient sich nach Bedarf bei der Esoterik, aber steht zur Trauung doch vor dem Altar.

 

Chesterton diagnostiziert genau diese Beliebigkeit: Man müht sich nicht mehr um den rechten Glauben oder die richtige Überzeugung, sondern relativiert die eigene Überzeugung und erwartet den gleichen Relativismus auch von anderen.

 

Das wird bestimmt ein Spaß, wenn ein künftiger Papst ein Dogma verkündet und gleich vorausschickt, die eine, heilige, katholische (=allgemeine) und apostolische Kirche und er könnten sich da auch geirrt haben, aber man wolle das vorläufig einmal glauben...

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Das wird bestimmt ein Spaß, wenn ein künftiger Papst ein Dogma verkündet und gleich vorausschickt, die eine, heilige, katholische (=allgemeine) und apostolische Kirche und er könnten sich da auch geirrt haben, aber man wolle das vorläufig einmal glauben...

Bei Glaubensfragen kann er verkünden was immer ihm der Geist eingibt.

Ausser ein paar Theologen, die Sorge um ihre Daseinsberechtigung haben, wird das niemand diskutieren.

 

Wenn er allerdings Themen der Morallehre in ein Dogma giessen will, ist er gut beraten, wenn er das so formuliert, wie du vorschlägst, denn die Morallehre war nie absolut und wird es auch nie sein.

 

Soweit ich weiß hat es auch noch nie Ketzer gegeben, die wegen der Morallehre zu Ketzern erklärt wurden, oder weiß da jemand etwas anderes?

 

Und zum veränderten Sprachgebrauch: Die Bedeutung von Wörtern ändert sich halt, da würd ich nicht zuviel reininterpretieren. Vor ein paar Jahrhunderten war eine ehrbare junge Frau froh, wenn sie viel Freier hatte, heute haben das nur noch Professionelle, nur mal so als Beispiel.

 

Werner

bearbeitet von Werner001
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Hat jemand Zugriff auf diesen Artikel?

 

Puff, Helmut, 'Female sodomy: the trial of Katherina Hetzeldorfer (1477) ', Journal of Medieval and Early Modern Studies 30 (2000) 1, 41-61

 

Online ist die Dame nicht zu finden ... :blink:

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Das Wort »Ketzerei« hat nicht nur nicht mehr die Bedeutung, daß man sich auf dem Irrweg befindet; es heißt praktisch, daß man intelligent und mutig ist. Das Wort »Rechtgläubigkeit« bedeutet nicht nur nicht mehr» daß man recht hat; es heißt praktisch, daß man im Unrecht ist.

 

Das aber kann nur eines bedeuten: daß sich die Menschen nicht mehr groß darum kümmern, ob sie der rechten Lehre anhangen, die richtige Überzeugung haben. Denn eigentlich müßte sich jemand für verrückt erklären, ehe er sich für häretisch erklärt.

 

(aus Chesterton: Ketzer )

*Rechte* Lehre?

 

Soll das etwa heißen, dass die Christen, die nicht in allen Dingen mit der Lehre der Kirche übereinstimmen- nicht *rechtgläubig* sind- sich nicht darum bemühen den richtigen , den *rechten* Weg zu Gott zu finden?

 

Diese Aussage birgt eine unbeschreibliche Arroganz!

Wenn man dazu steht, dass man Dinge anders sieht- und sich der Tatsache bewußt ist, dass jeder irren kann ( auch die, die sich *Rechtgläubig* nennen)- dann ist das ein Eingeständnis und im Prinzip eine Wahrheit, dass man Gott nicht so erfassen kann, dass er für alle gleich wirkt.

Wenn man deswegen als Ketzer bezeichnet wird- dann sage ich ehrlich- dann stehe ich wirklich dazu- und das ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Weg der falsche ist, ist genauso groß wie jeder andere Weg auch. Selbst der, der angeblich *Rechtgläubigen*.

 

Ellen

Wieso denn arrogant? Der Orthodoxe ordnet doch all sein Denken und Streben der Lehre unter, er ist also ein demütiges Schaf der Kirche!

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Franciscus non papa

christus hat uns dazu berufen frei zu sein.

 

nicht aber den geist der knechtschaft zu haben.

 

 

die lehre mag gut und richtig sein, aber der wahre christ legt seinen verstand, sein denkvermögen nicht am weihwasserbecken ab.

 

kadavergehorsam ist jedenfalls nicht das kennzeichen des "wahren christen".

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christus hat uns dazu berufen frei zu sein.

 

nicht aber den geist der knechtschaft zu haben.

 

 

die lehre mag gut und richtig sein, aber der wahre christ legt seinen verstand, sein denkvermögen nicht am weihwasserbecken ab.

 

kadavergehorsam ist jedenfalls nicht das kennzeichen des "wahren christen".

Hm.... wenn ich der Lehre der Kirche, die die Kirche des Herrn ist, von ganzem Herzen, mit meiner ganzen Vernunft und meinem Verstand folgen will, würdest Du dann sagen: "Ja, das ist dann keine Knechtschaft, das ist Freiheit!" ?

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Nur ein Glaube, der direkt einem Artikel des Glaubens zuwiderhandelt oder der ausdrücklich festhält, was durch die Kirche zurückgewiesen wird, wird tatsächlich "Häresie" genannt,

Nur noch mal zum genauen Verständnis:

 

Was versteht man in diesem Zusammenhang unter "Glaubensartikel"?

 

Nur den Inhalt der Glaubenbekenntnisse?

 

Gehören die Dogmen auf jeden Fall dazu?

 

Alle Lehramtlichen Schriften?

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