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Was glaubt ein Agnostiker? (Teil 2)


Werner agnosticus

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>Ja, sollen wir ja eigentlich auch nicht...

Es heißt ja, man solle sich kein Bild von Gott machen. <

 

Ok, dann aber bitte konsequent! Dann darf es überhaupt keine Aussagen mehr über Gott geben....

 

 

Ich bin ein paar Tage weg und komme vermutlich erst späater zu einer längeren Antwort, lieber Olli!

 

 

Alles Liebe

 

 

Lissie

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"es sei denn, dass der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz als "unrichtiges Recht" der Gerechtigkeit zu weichen hat."

 

>Dabei bitte die Frage nicht vergessen, inwieweit es in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat dazu kommen könnte, diese Ausnahme feststellen zu müssen.<

 

Wenn wir sie mal festgestellt haben, an welchem Punkt werden wir uns dann befinden?

 

Was denken die Gläubigen und an was glauben die, die sonst an nichts glauben?

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>Wenn wir sie mal festgestellt haben, an welchem Punkt werden wir uns dann befinden?<

 

An einem äußerst bedenklichen.

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Zitat von Olli am 12:22 - 5.Mai.2001

 

Also, damit Du siehst, daß ich den Gedankengang verstanden habe: es gibt Leid auf der Welt, Gott greift nicht

ein, somit kann er entweder nicht allmächtig sein oder nicht liebend. Soweit kann ich das nachvollziehen. Aber: dieser Gedankengang beruht auf unseren menschlichen Vorstellungen darüber, was nötig ist.

Gott ist souverän in seinen Entscheidungen, nicht unsere (fehlerhaften) menschlichen Definitionen entscheiden darüber, wo ein Eingreifen nötig ist und wo nicht. Wir Menschen müssen da, wo es in unsrer Macht steht, die Not unserer Mitmenschen lindern. Das, was nicht unserer Macht steht, kann Gott ändern, und darum dürfen wir ihn bitten (das heißt nicht, daß Gott per definitionem eingreifen muß).


Lieber Olli,

 

sonst bin ich ja fast immer deiner Meinung, aber zur Theodizee-Frage machst du dir Erklärung meines Erachtens zu leicht.

 

Zunächst geht es nicht darum, Gott irgendetwas vorzuschreiben, das können wir nicht und das kann auch nicht Thema der Diskussion sein. Es geht viel naheliegender um unser persönliches Gottesbild. Wenn wir diesem Gottesbild gleichzeitig einen Superlativ im Bezug auf Liebe, Wissen und Macht zuordnen, dann ist dieses Gottesbild in menschlicher Logik nicht mit dem Leid in der Welt vereinbar. Der Hinweis darauf, dass die göttliche Logik eine andere ist, verdrängt jedoch nur das Problem, dass an dieser Stelle unser Gottesbild aufweist.

 

Etwas Widersprüchliches zu glauben, wird uns heute von Kind auf abgewöhnt, und das zu recht, denn es löst keine Probleme, sondern schafft nur welche. Die Verdrängung holt uns spätestens in der Glaubensausübung wieder ein.

Wie soll ich einen Gott lieben, dessen Liebe aufgrund des Leids in Zweifel ziehe?

Wie soll ich Ehrfurcht vor einem Gott haben, dessen vermeintliche Machtlosigkeit angesichts von Leid immer wieder deutlich wird?

Wie soll ich annehmen, dass Gott um alle meine Fehler weiß, wenn er offensichtlich viel schlimmeres auf dieser Welt übersieht?

Wie soll ich an die biblischen Wunder als direkt von Gott gewirkte Taten glauben, wenn er solche Wunder, z.B. in Auschwitz nicht für nötig gehalten hat?

 

Die Konsequenzen, die ich daraus für mein persönliches Gottesbild gezogen habe, sind die von mir schon mehrfach angedeuteten folgenden Punkte:

 

Gott wirkt als Schöpfer durch seine Naturgesetze. Dass diese Wahl äußerst abgestimmt sein mußte, damit Leben entstehen konnte, bewerte ich für mich als Indiz für die gewollte Entstehung von religionsbefähigten Wesen.

 

Die demnach von Gott geschenkte Befähigung zur Religion enthält u.a. die Selbst- und die Schöpfererkenntnis, Glaube, Hoffnung und Liebe und die Unterscheidung von Gut und Böse. In unserem Innern kann dadurch das Bild eines Gottes lebendig werden, dass sich auf unser persönliches Handeln auswirkt. Wir haben jeder persönlich die Freiheit, Gott auf diese Weise in unser Herz einzuladen oder ihn auszusperren. Ich bin davon überzeugt, dass dieses auch mit einem anderen als dem christlichen Gott möglich ist. Jeder muß selbst herausfinden ob ein Gott, den er in seinem Leben kennenlernt zu ihm paßt, ihm Heil und Heilung gewährt.

Dieser auf diese Weise in die Herzen der Mensch einkehrende Gott ist natürlich nicht Tod, sondern so lebendig wir man ihn sich nur irgendwie vorstellen kann. Nicht das Heil des Körpers, sondern das Heil der Seele steht im Vordergrund fast aller Religionen, insbesondere der christlichen Religion. Was dadurch in dieser Welt bewirkt wird, ist das äußere Abbild dieses in den Menschen lebendigen Gottes.

 

Unheil ist demnach nicht körperliches, sondern vor allem seelisches Leid. Das entscheidende Leid in Ausschwitz war deshalb nicht körperliches Leid und Tod, sondern die Menschenverachtung, die das alles möglich gemacht hat. In den Herzen der Schlächter hat Gott gefehlt, war Unheil, konnte Gott nicht wirken. Weil er uns die Freiheit gegeben hat, sich für oder gegen ihn zu entscheiden, ist auch solche Gottferne wie in Auschwitz oder auf Golgatha möglich, aber sie ist nicht das letzte Wort.

 

Mit freundlichen Grüssen vom Zwilling

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Lieber Zwilling,

 

"sonst bin ich ja fast immer deiner Meinung, aber zur Theodizee-Frage machst du dir Erklärung meines Erachtens zu leicht. Zunächst geht es nicht darum, Gott irgendetwas vorzuschreiben, das können wir nicht und das kann auch nicht Thema der Diskussion sein."

 

Das ist ja das, was ich unter anderem auszudrücken versuchte... Meine Antwort mußt du in Bezug zu dem vorhergehenden Posting (Lissie glaub ich) sehen...

 

" Es geht viel naheliegender um unser persönliches Gottesbild."

 

Eigentlich hatte ich versucht, mit Lissie ein allgemeines Gottesbild zu diskutieren.

 

" Wenn wir diesem Gottesbild gleichzeitig einen Superlativ im Bezug auf Liebe, Wissen und Macht zuordnen, dann ist dieses Gottesbild in menschlicher Logik nicht mit dem Leid in der Welt vereinbar. "

 

Eben darum sagte ich ja, daß diese Superlative keine sehr gute Beschreibung sind, wenn wir diese Superlative aus unserer menschlichen Sicht sehen.

 

"Der Hinweis darauf, dass die göttliche Logik eine andere ist, verdrängt jedoch nur das Problem, dass an dieser Stelle unser Gottesbild aufweist. "

 

Eigentlich ist dies sogar sehr biblisch: "139,17 Aber (a) wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken! Wie ist ihre Summe so groß! 139,18 Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand: Am Ende bin ich noch immer bei dir. " Psalm 139

 

Warum sagt der Psalmist, daß die Gedanken Gottes so schwer sind?

 

"Wie soll ich einen Gott lieben, dessen Liebe ich aufgrund des Leids in Zweifel ziehe? "

 

Ich ziehe die Liebe Gottes nicht aufgrund des Leides in Zweifel. Ich denke das Problem liegt in unseren fehlerhaften Definitionen. Wir haben unsere Definitionen von Allmacht und Güte, dann wenden wir sie an, und sehen, daß da etwas nicht paßt. Die einen lehnen darum Gott ab, die anderen erkennen, daß die Definitionen überarbeitungsbedürftig sind.

 

Der Atheist mag sich fragen: wie würde ich handeln, wenn ich allmächtig und allgütig wäre? Dann gäbe es keine Kriege, keinen Hunger, usw. Ok, dann aber: es gibt Kriege, es gibt Hunger.. Da paßt etwas nicht.

 

Dies kann aber nur bedeuten, daß unsere menschliche Sicht von Allmacht und Allgüte nicht ganz richtig sein kann, wenn wir bei Gott bleiben wollen.

 

viele Grüße

 

Olli

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Zitat von Erich am 7:49 - 3.Mai.2001

Lieber Zwilling,

>> das ist natürlich ein Widerspruch zu jedem vernünftigen Transzendenzbegriff. <<

dann bitte ich Dich recht herzlich mir doch mal einen „vernünftigen Transzendenzbegriff“ hier zu bringen! Danke!


Lieber Erich,

 

mir war bisher noch keine geeignete Darstellung des Transzenzdenzbegriffs eingefallen. Im Wahrheits-Thread habe ich jedoch bei Mecky seine folgende Darstellung seines Wahrheitsbegriffs gelesen, die meiner Vorstellung von Transzendenz nahekommt.

>>Deswegen meine ich: Wahrheit ist ein Suchbegriff, ein Horizont, den wir nie einholen können. Die Suche ist nicht abschließbar. Wer sie für sich doch abschließt, ist auf dem Holzweg - meist unter sehr unerfreulichen Begleiterscheinungen.<<(Mecky)

Eine entsprechende Definition würde ich für transzendente Begriffe, wie Glaube, Hoffnung, Liebe, Gott usw. geben.

Dieses nicht Abgeschlossene, ähnlich wie es bei einer transzendenten Zahl bekannt ist, bei der immer noch weitere unvorhersehbare Stellen kommen, symbolisiert dieses nicht Erreichbare.

 

Das Wort Suchen mag für manche nicht zielstrebig genug klingen. Es macht aber klar, dass ich nie sicher sein kann, auf dem richtige Weg zu sein. Dass ich mich immer wieder neu orientieren muss. Nur wenn ich suche, habe ich ein Ziel im Auge und im Herzen, dass mir schon auf der Suche Kraft und Wärme verleiht.

 

Könnte ich dieses Ziel auf Erden erreichen, wäre es nicht mehr transzendent, würde es seine anziehende Kraft verlieren. Eine Zeitreise von der ich exklusiv die Zukunft erfahren habe, macht mir nach der Rückkehr in die Jetztzeit jede Hoffnung kaputt. Sie verliert ihre Transzendenz.

 


>>Genausowenig haben aber auch die Evangelisten gelogen, als sie von der Jungfrauengeburt sprachen und gar kein biologisches Wunder gemeint haben<<

 

und was die Evangelisten
„gemeint“
haben, daß war 1900 Jahre verborgen und nun, erst nach 2000 Jahren ist das klar geworden.

Ganz im Gegenteil, vieles war lange Zeit den Menschen eingängig, weil sie diese Bildersprache, in der die Bibel zum großen Teil geschrieben ist, selbst im täglichen Leben benutzt haben. Sie wußten nichts von naturwissenschaftlichem Wahrheitsanspruch, Physik, Chemie und Biologie wurden auch in ihren Denkkategorien erst in den letzten 200 Jahren geschaffen.

Wenn ich nun sage, dass die Evangelisten diese Art von Wahrheit gar nicht gemeint haben, ganz einfach weil sie diese Vorstellungswelt gar nicht kannten und niemanden hätten vermitteln können, dann ist das für Menschen gedacht, die die Bildersprache der Bibel nicht mehr benutzen, in ihrem Denken von der Naturwissenschaft umgeformt wurden und die Bibel daher mißverstehen.

 

Das begann mit den Affenprozessen in den USA, wo Fundamentalisten die Schöpfungsgeschichte mit Hilfe der Naturwissenschaft neu schreiben wollten, so dass Evolution angeblich nicht als Weg des Schöpfers möglich gewesen sein kann. Solange man Evolution nicht kannte, war sie als Denkmöglichkeit immer enthalten, auch wenn manches sich vermeintlich anders anhört.

 

Das geht heute weiter mit Fundamentalisten, die unbedingt an Naturwundern festhalten wollen und zwar mit einem neuen durch die Naturwissenschaft vorgegebenen Wahrheitsanspruch. Den konnten die Evangelisten nicht haben, weil es den damals von Sprache und Vorstellung nicht gab, auch wenn die Bibel noch so sehr von der wahren (All)Macht Gottes bzw. von Jesus über die Natur sprachen.

 

Heute können wir das dadurch verstehen, dass man annimmt, dass diese Menschen mit diesen Wundern verdeutlichen wollten, dass der Schöpfergott, der Macht über die Natur und ihre Gesetze hat, sich in Jesus Christus in erster Linie für das Heil von uns Menschen interessiert und die Liebe zwischen den Menschen als das höchste über allen Errungenschaften der Natur stehendes Machtphänomen darstellt. Das bleibt weiterhin gültig, auch wenn man Naturwunder nur als Zeichen dieser Macht wertet und ihrer naturwissenschaftlichen Sicht keine Rolle beimißt.

 

Also wenn man die Naturwunder naturwissenschaftlich versteht, dann interpretiert man sie neu (so wie man sie zumindest 1800 Jahr nicht verstehen konnte) aber nicht, wenn man eine solche Interpretation ablehnt.

 

Mit freundlichen Grüßen vom Zwilling

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Hallo Mecky, Hallo Zwilling,

 

ich habe gerade den Abschnitt von Mecky über die Transzendenz gelesen:

"Wahrheit ist ein Suchbegriff, ein Horizont, den wir nie einholen können. Die Suche ist nicht abschließbar. Wer sie für sich doch abschließt, ist auf dem Holzweg "

 

Ich schlage eine weitere Position vor:

Warum nicht einfach Ruhe und Spannung koinzidieren lassen?

Cusanus schreibt:

Nicht wird die Vernunft durch das einsichtig zu Vernehmende gesättigt: Nicht ist ihr Ziel, was sie einsieht. Aber auch das bereitet ihr kein Genüge, was sie durchaus nicht versteht, sondern das, was sie in einem Nichtverstehen versteht.

Es sättigt sie also nicht das Einsehbare, das sie erkennt, noch das, was sie ganz und gar nicht erkennt; sondern allein jenes Einzusehende kann sie sättigen, das sie als so einsehbar erkennt, daß es nie eingesehen werden kann". (de vis. dei)

 

In einfacheren Worten ausgedrückt:

Die Pradoxie des Cusanischen Denkens beruht darauf, daß die Unendlichkeit durch ihre Anziehungskraft die Sehnsucht schafft. Der Sehnsucht zu folgen, bringt uns in die Gegenwart des Unendlichen. Sehnsucht und Ruhe koinzidieren.

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Werner agnosticus

Lieber Olli,

 

Deine Antworten an mich und Lissie laufen im Kern darauf hinaus, daß Du den allgemein angenommenen Sinngehalt der Worte "allmächtig" und "alliebend" über Bord wirfst:

 

Ich hatte ja bereits an (mehr als) einer Stelle ausgeführt, daß ich die konventionelle Auffassung von Alliebe und Allmächtigkeit nicht teile. Sondern Gottes Liebe ist größer als es unsere unvollkommene Auffassung von Liebe jemals sein könnte.

 

Wie gesagt, "Allmacht" und "Allgüte" halte ich eben für trügerische Begriffe, wenn wir sie aus unserer menschlichen Perspektive (und nur über die verfügen wir) sehen, d. h. was würde ich machen, wenn ich Gott wäre? Dann gäbs keine Kriege, keinen Hunger, usw.

Aber ich bin es nun einmal nicht. Dies sind nur unsere menschlichen Vorstellungen darüber, was Allmacht und Liebe ausmachen in unseren Augen.

 

Eben darum sagte ich ja, daß diese Superlative keine sehr gute Beschreibung sind, wenn wir diese Superlative aus unserer menschlichen Sicht sehen.

 

Damit kann man natürlich das Problem der Kombination beider Begriffe lösen, indem man ihnen ihren Bedeutungsgehalt in wesentlichen Punkten nimmt.

Theodizee-Problem gelöst, der Christ kann aufatmen.

 

Das wäre allerdings zu einfach. Denn es tauchen zwangsläufig einige sehr unbequeme Fragen auf:

1) Warum werden hier Worte stillschweigend ihres landläufigen Bedeutungsgehaltes beraubt und in einer neuen Bedeutung (oder fast ohne Bedeutung) verwendet?

2) Warum scgaft man für im traditionellen Sprachgebrauch nicht adäquat repräsentierte Bedeutungen nicht einfach ein neues Wort, um Mißverständnisse zu vermeiden?

3) Welchen Sinn haben zwischen Menschen Worte, denen ein prinzipiell außerhalb der menschlichen Perspektive angesiedelter Bedeutungsgehalt zugeschrieben wird?

 

1) Warum verwendet eine Glaubensgemeinschaft Worte, die für fast alle Menschen bereits eine Bedeutung haben, und eliminiert dabei aus dem Sinngehalt ausgerechnet das, was den gemeinsamen Nenner all dieser individuellen Begriffsinhalte darstellt und was ja auch der wortwörtlichen Bedeutung entspricht (z.B. "allmächtig" => alle Macht haben, Macht über alles haben, "Toyooooota" ; in dem Augenblick, wo ich für das Handeln eines Allmächtigen irgendwo auf ein "muß" zurückgreife oder eine Einschränkung bei etwas uns durchaus als möglich Denkbarem postuliere, habe ich den gemeinsamen Nenner im Verstandnis von "allmächtig" verlassen)? Warum schafft sie für etwas von allen vorliegenden Definitionen Abweichendes nicht ein neues Wort (sie ist ja sonst beim Erfinden von Fachtermini nicht schüchtern)? Sie verbiegt nicht nur ein vorhandenes Wort gegen seine bisherigen Bedeutungen, sondern verschweigt diesen Umstand i.a. auch, lehnt einen Verzicht auf dies Wort (das niemals war, was die Kirche aus ihm machen will) kathegorisch ab und fordert darüber hinaus sogar bedingungslose Zustimmung zu ihren unter Verwendung des umgewidmeten Wortes formulierten Dogmen (so findet sich z.B. "allmächtig" in praktisch jedem Credo; und auch wer die Alliebe Gottes leugnet, wird als ausgeschlossen betrachtet)?

Offenbar hat die Kirche ein großes Interesse daran, diese Worte unbedingt als Attribute ihres Gottes zu beanspruchen. Zugleich hat sie ebenso offensichtlich kein sonderliches Interesse daran, den Menschen klar zu machen, daß der ihnen vertraute Bedeutungsgehalt dieser Worte in kirchlichen Aussagen gar nicht mehr vorhanden ist. Das heißt doch: Es geht der Kirche bei der Beanspruchung dieser Worte gerade nicht um die Verknüpfung ihrer neuerfundenen Bedeutungen mit ihrem Gott, sondern um die Verknüpfung der traditionellen Bedeutungsinhalte dieser Worte mit ihrem Gott. Hier wird versucht, emotional positiv gefüllte Begriffe so zu okkupieren, daß man die positive emotionale Besetzung in vollem Umfang erhält und nutzt ohne die zugrundeliegenden inhaltlichen Gehalte zu übernehmen (bzw. sie nur solange zu übernehmen, wie daraus keine unlösbaren Probleme wie das der Theodizee erwachsen). Der Gläubige darf, ja er soll gerdezu mit "Alliebe" die traditionelle Wortbedeutung verbinden (dies gibt ihm ein positives Empfinden und macht ihm Gott sympathisch), aber gegenüber dem argumentativ bohrenden und in Zweifel ziehenden Philosophen wird die traditionelle Wortbedeutung negiert (dies nimmt ihm den Ansatzpunkt für kritische Analysen und gewährt den Schutz einer Nebelwand).

Einen Hinweis darauf, daß der sinnentstellende Gebrauch sonst allgemein gebräuchlicher Worte vor allem der Aneignung ihrer emotionalen Wertigkeit dient, hatte ich letzthin in der "Pathos-Analyse" aufgezeigt; ein weiteres Beispiel findet sich hier in Deinem Zitat:

Ich hatte ja bereits an (mehr als) einer Stelle ausgeführt, daß ich die konventionelle Auffassung von Alliebe und Allmächtigkeit nicht teile. Sondern Gottes Liebe ist größer als es unsere unvollkommene Auffassung von Liebe jemals sein könnte.

Erinnern wir uns: Deine Aufgabe der traditionellen Vorstellung von "Alliebe" diente der Lösung des Problems, daß wir weniger Positives vorfinden, als wir aufgrund der traditionellen Begriffsbedeutung von einem alliebenden Gott erwarten müßten. Der von Dir angeführte, alle Konkretisierung vermeidende Begriffsinhalt verspricht also weniger Positives als der traditionelle Begriffsinhalt - trotzdem beurteilst Du ihn kurzerhand als "größer als es unsere unvollkommene Auffassung von Liebe". Diese "größere" Liebe leistet nicht einmal das, was eine "unserer unvollkommenen Auffassung" entsprechende Liebe leisten würde, trotzdem wird sie kurzerhand "größer" genannt. Damit das begründbar wird, muß wohl auch die hier gemeinte Bedeutung von "größer" erheblich von dem allgemein gebräuchlichen Begriffsverständnis abweichen ! Es ist geradezu eine fromme Sucht, alles an diesem Gott mit positiv klingenden und möglichst superlativischen Worten zu bezeichnen, egal wie negativ und mangelhaft es bei genauer Betrachtung für uns ist. Wenn man die Kirche mal als Wirtschaftsunternehmen betrachtet (das sie ja unter anderem auch ist), dann könnte man die ständige Verwendung emotional positiv besetzter Worte unter Verzicht auf ihren herkömmlichen Bedeutungsgehalt als eine Art Werbestrategie beschreiben, deren Ziel die Schaffung einer positiven Identifikation des Zuhörers mit dem Produkt "Gott" ist. Dies ist allerdings nur ein Aspekt, analoge Funktionen lassen sich auch im Hinblick auf die Kirche als Machtapparat oder im Hinblick auf den einzelnen Gläubigen als einem sich nach Sicherheitsgefühl und Zielvorgabe sehnendem Menschen formulieren.

 

2) Dogmenformulierung wendet sich immer an menschliche Zuhörer. Also kann man sie nur in menschlichen Denkkathegorien sinnvoll formulieren. Es ist Unfug, zu Menschen von "Liebe" (Allmacht, Allwissenheit, Güte, Freiheit, Gerechtigkeit etc.) zu reden, aber etwas anderes zu meinen, als was Menschen unter Liebe (Allmacht, Allwissenheit, Güte, Freiheit, Gerechtigkeit etc.) verstehen. Was für uns nicht Liebe ist, wird auch durch die rein verbale Zuschreibung und vielleicht noch die aufblasende Hinzufügung "größere" (wahre, wirkliche, eigentliche, wahrhaftige, echte, höhere, transzendente, göttliche, etc.) nicht zu Liebe. Es bleibt etwas anderes, das aber doch als Liebe ausgegeben werden soll.

Dahinter steht eine (beim "kleinen Gläubigen" und vielleicht auch bei den "größeren Gläubigen" sicher meist unbewußte) Absicht. Denn eine sachliche Notwendigkeit für diesen Sprachmißbrauch gibt es nicht. Wenn "göttliche Liebe" etwas anderes ist als "menschliche Liebe", dann nennt sie doch anders. Nennt sie meinetwegen "Kuwula" (oder was die Tastatur sonst gerade hergibt) und erklärt einmal, was damit gemeint ist, dann hättet Ihr mit größter Leichtigkeit eine Quelle ständiger Mißverständnisse beseitigt und eine klare Sprachregelung gefunden. Aber daran hat die Kirche aus verständlichen Gründen kein Interesse: Das Wort "Kuwula" würde auf (un)absehbare Zeit nichts von dem hohen emotionalen Gehalt und Identifikationswert des Wortes "Liebe" besitzen. Das wäre sachlich angemessen, schließlich handelt es sich ja um etwas anderes. Aber es ist aus kirchlicher Sicht sehr unerwünscht, denn gerade dieser emotionale Gehalt und Identifikationswert macht dies Wort ja so wertvoll, daß man es um keinen Preis aufgeben will. Offenbar besteht auch wenig Vertrauen darauf, daß der Bedeutungsgehalt von "Kuwula" ausreichen würde, um diesem neuen Wort ein ähnliches "magisches Flair" wie dem Wort "Liebe" zu verschaffen.

Letztlich heißt das: Es gibt wahrscheinlich deshalb kein kirchliches Interesse an einer weniger mißverständlichen Sprachregelung, weil die Kirche gerade aus dieser Unklarheit und den Mißverständnissen Nutzen zieht.

 

3) Schließlich muß man nach dem Sinn von Begriffen fragen, die aus menschlicher Perspektive unpassend oder unrichtig sind, aber angeblich aus göttlicher Perspektive richtig sind. Wir sind alle Menschen. Daher haben wir alle nur die menschliche Perspektive. Wie etwas aus einer mutmaßlichen nicht-menschlichen Perspektive aussieht, ist nicht nur spekulativ, sondern für uns herzlich irrelevant. Für mich ist es belanglos, ob ein Gott sich nach seinem Sprachgebrauch und aus seiner Perspektive für "liebend" hält - wenn dies aus meiner Perspektive nicht liebend, sondern z.B. sadistisch ist, ist mir die Selbsteinschätzung dieses Gottes sch***egal und seine Selbstbezeichnung ist nicht als eine leere Buchstabenfolge. Die Verwendung von von Menschen geschaffenen Worten durch Menschen gegenüber Menschen kann sinnvollerweise nur die menschliche Perspektive ausdrücken. Wenn irgendein Gott meint, sich dieser Worte bedienen zu müssen, um etwas damit auszudrücken, für dessen Wiedergabe diese Worte nie gemacht worden sind (weil es in der Perspektive der Worterfinder und Wortverwender nicht vorkommt), dann ist das schon ziemlich befremdlich, um nicht zu sagen unsinnig. Wenn er dies dann auch noch in einer Weise tut, die - wie man ja sieht - grundlegende Mißverständnisse geradezu vorprogrammiert, dann verhält er sich ausgesprochen dusselig. Bei einem Gott mit einer derart unzweckmäßigen Sprachverwendung bleiben von dem Wort "Gott" auch nur noch die orthographische und phonetische Gestalt übrig, nicht aber eine herkömmliche Bedeutung des Wortes.

 

Liebe Grüße

Werner

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Liber werner agnosticus,

 

"Damit kann man natürlich das Problem der Kombination beider Begriffe lösen, indem man ihnen ihren Bedeutungsgehalt in wesentlichen Punkten nimmt.

Theodizee-Problem gelöst, der Christ kann aufatmen.

Das wäre allerdings zu einfach. Denn es tauchen zwangsläufig einige sehr unbequeme Fragen auf:

1) Warum werden hier Worte stillschweigend ihres landläufigen Bedeutungsgehaltes beraubt und in einer neuen Bedeutung (oder fast ohne Bedeutung) verwendet?" (w. a.)

 

 

ich wollte nicht den Worten den Bedeutungsgehalt nehmen, sondern dazu anregen, darüber nachzudenken, ob unsere Definitionen von Macht und Liebe (das All- jeweils vornedran) so sinnvoll sind oder nicht.

 

 

"2) Warum scgaft man für im traditionellen Sprachgebrauch nicht adäquat repräsentierte Bedeutungen nicht einfach ein neues Wort, um Mißverständnisse zu vermeiden?" (w. a.)

 

 

Ja, das ist eine gute Idee im Prinzip.

 

 

"3) Welchen Sinn haben zwischen Menschen Worte, denen ein prinzipiell außerhalb der menschlichen Perspektive angesiedelter Bedeutungsgehalt zugeschrieben wird?" (w. a.)

 

 

Eine gute Frage.. welche Worte meinst Du jetzt konkret?

 

 

"1) Warum verwendet eine Glaubensgemeinschaft Worte, die für fast alle Menschen bereits eine Bedeutung haben, und eliminiert dabei aus dem Sinngehalt ausgerechnet das, was den gemeinsamen Nenner all dieser individuellen Begriffsinhalte darstellt und was ja auch der wortwörtlichen Bedeutung entspricht (z.B. "allmächtig" => alle Macht haben, Macht über alles haben, "Toyooooota" ; " (w. a.)

 

 

Moment, ich bin Olli, nicht der Sprecher einer Glaubensgemeinschaft. Wahrscheinlich würden nicht wenige Christen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie lesen, was ich hier so verzapfe. (Daher sagte ich ja im anderen Thread: Zwilling hat mir auch widersprochen) Ich kann hier nur für mich sprechen, nicht für die gesamte Christenheit...

 

 

"in dem Augenblick, wo ich für das Handeln eines Allmächtigen irgendwo auf ein "muß" zurückgreife oder eine Einschränkung bei etwas uns durchaus als möglich Denkbarem postuliere, habe ich den gemeinsamen Nenner im Verstandnis von "allmächtig" verlassen)?"

(w. a.)

 

 

Hmm.. in meiner ganz persönlichen Sicht war es das, auf was ich hinauswollte. Inwieweit andere Christen da mit mir einer Meinung sind, weiß ich jedoch nicht im Moment. Eine Verständnisfrage habe ich noch: was meinst Du hier mit "Einschränkung"?

 

 

" Warum schafft sie für etwas von allen vorliegenden Definitionen Abweichendes nicht ein neues Wort (sie ist ja sonst beim Erfinden von Fachtermini nicht schüchtern)?" (w. a.)

 

 

Ich weiß ja noch nicht einmal, inwieweit ich hier einen Konsens mit anderen Christen habe. Da müßte ich mir schon ganz private Termini für meine Thesen ausdenken.

 

 

"Sie verbiegt nicht nur ein vorhandenes Wort gegen seine bisherigen Bedeutungen, sondern verschweigt diesen Umstand i.a. auch, lehnt einen Verzicht auf dies Wort (das niemals war, was die Kirche aus ihm machen will) kathegorisch ab und fordert darüber hinaus sogar bedingungslose Zustimmung zu ihren unter Verwendung des umgewidmeten Wortes formulierten Dogmen (so findet sich z.B. "allmächtig" in praktisch jedem Credo; und auch wer die Alliebe Gottes leugnet, wird als ausgeschlossen betrachtet)?" (w. a.)

 

 

Hier scheint es so zu sein, daß Du meine Ansicht für deckungsgleich mit der allgemeinen Lehrmeinung hälst. Ob da wirklich Deckungsgleichhiet gegeben ist oder nicht, kann ich zur Zeit nicht beurteilen. Natürlich steht in jedem Credo "allmächtig", und daß Gott die Liebe ist, ist unzweifelhaft biblisch. Daran zweifle ich ja nicht, nur sage ich, daß diese Begriffe sehr vielschichtig sind, und durchaus verschieden interpretiert werden können. "Allmacht" ist ein Begriff, dem man durchaus verschiedenartige Definitionen zugrundelegen kann, ebenso ist "Liebe" zwar ebenso ein alltäglicher Begriff, dennoch würden 100 Leute diesen Begriff mit sehr verschiedenen Worten definieren. Ich kenne jemanden, der "Liebe" für nicht erstrebenswert hält. Der wird "Liebe" anders definieren als die meisten anderen Menschen, die "Liebe" für erstrebenswert halten. Ein Atheist würde "Gott" mit "Wunschdenken" und ähnlichen Begriffen korrelieren, ein Christ würde andere Begriffe finden (zum Beispiel "Liebe&quot.

 

 

"Offenbar hat die Kirche ein großes Interesse daran, diese Worte unbedingt als Attribute ihres Gottes zu beanspruchen. Zugleich hat sie ebenso offensichtlich kein sonderliches Interesse daran, den Menschen klar zu machen, daß der ihnen vertraute Bedeutungsgehalt dieser Worte in kirchlichen Aussagen gar nicht mehr vorhanden ist." (w. a.)

 

 

Also zum einen bin ich nicht die Kirche (die würde mir mit gewisser Wahrscheinlichkeit widersprechen), zum anderen geht es mir darum, meine persönliche Sicht darzulegen.

 

 

" Das heißt doch: Es geht der Kirche bei der Beanspruchung dieser Worte gerade nicht um die Verknüpfung ihrer neuerfundenen Bedeutungen mit ihrem Gott, sondern um die Verknüpfung der traditionellen Bedeutungsinhalte dieser Worte mit ihrem Gott. Hier wird versucht, emotional positiv gefüllte Begriffe so zu okkupieren, daß man die positive emotionale Besetzung in vollem Umfang erhält und nutzt ohne die zugrundeliegenden inhaltlichen Gehalte zu übernehmen (bzw. sie nur solange zu übernehmen, wie daraus keine unlösbaren Probleme wie das der Theodizee erwachsen). " (w. a.)

 

 

Ich kann nur sagen, daß Gott für mich positiv emotional besetzt sein muß. Wenn ich sage, Gott ist die Liebe (dies ist biblisch), dann verbinde ich natürlich positive Emotionen damit. Aber nicht nur, das wäre zu kurz gegriffen: Gott muß auch Korrektiv sein dürfen, d. h. ermahnen und lenken dürfen. Da muß ich auch zulassen, daß Gottes Gebote eben nicht nur dafür da sind, mein persönliches Wohlbefinden zu sichern, sondern auch das der anderen.

 

 

"Der Gläubige darf, ja er soll gerdezu mit "Alliebe" die traditionelle Wortbedeutung verbinden (dies gibt ihm ein positives Empfinden und macht ihm Gott sympathisch), aber gegenüber dem argumentativ bohrenden und in Zweifel ziehenden Philosophen wird die traditionelle Wortbedeutung negiert (dies nimmt ihm den Ansatzpunkt für kritische Analysen und gewährt den Schutz einer Nebelwand)." (w. a.)

 

 

Die traditionelle Wortbedeutung der Liebe Gottes hat ja noch nie dazu geführt, daß jemand gesagt hätte "ein Christ wird keine Probleme haben, kein Leid erfahren, usw." Ganz im Gegenteil wird oft darauf hingewiesen, daß der Glaube eben nicht immer vor Leid schützen kann (z. B. Hiob). Oder wie siehst Du die tradionelle Bedeutung der Liebe Gottes?

 

 

"Einen Hinweis darauf, daß der sinnentstellende Gebrauch sonst allgemein gebräuchlicher Worte vor allem der Aneignung ihrer emotionalen Wertigkeit dient, hatte ich letzthin in der "Pathos-Analyse" aufgezeigt; ein weiteres Beispiel findet sich hier in Deinem Zitat:

Ich hatte ja bereits an (mehr als) einer Stelle ausgeführt, daß ich die konventionelle Auffassung von Alliebe und Allmächtigkeit nicht teile. Sondern Gottes Liebe ist größer als es unsere unvollkommene Auffassung von Liebe jemals sein könnte." (w. a.)

 

 

Ja, das hab ich gesagt..

 

 

"Erinnern wir uns: Deine Aufgabe der traditionellen Vorstellung von "Alliebe" diente der Lösung des Problems, daß wir weniger Positives vorfinden, als wir aufgrund der traditionellen Begriffsbedeutung von einem alliebenden Gott erwarten müßten." (w. a.)

 

 

Was ist denn jetzt die "tradionelle Vorstellung von Liebe"? Darüber müßten wir uns erst mal einigen..

Ich gebe zu, daß ich bereits zu Beginn der Debatte von der "konventionellen Sicht" gesprochen habe, ohne die aber genau zu definieren. Diese Nachlässigkeit muß ich zugeben. Da müßte man noch mal ansetzen.

 

 

" Der von Dir angeführte, alle Konkretisierung vermeidende Begriffsinhalt verspricht also weniger Positives als der traditionelle Begriffsinhalt - trotzdem beurteilst Du ihn kurzerhand als "größer als es unsere unvollkommene Auffassung von Liebe". Diese "größere" Liebe leistet nicht einmal das, was eine "unserer unvollkommenen Auffassung" entsprechende Liebe leisten würde, trotzdem wird sie kurzerhand "größer" genannt. Damit das begründbar wird, muß wohl auch die hier gemeinte Bedeutung von "größer" erheblich von dem allgemein gebräuchlichen Begriffsverständnis abweichen !" (w.a.)

 

 

Ok, das gebe ich zu...

 

 

" Es ist geradezu eine fromme Sucht, alles an diesem Gott mit positiv klingenden und möglichst superlativischen Worten zu bezeichnen, egal wie negativ und mangelhaft es bei genauer Betrachtung für uns ist. Wenn man die Kirche mal als Wirtschaftsunternehmen betrachtet (das sie ja unter anderem auch ist), dann könnte man die ständige Verwendung emotional positiv besetzter Worte unter Verzicht auf ihren herkömmlichen Bedeutungsgehalt als eine Art Werbestrategie beschreiben, deren Ziel die Schaffung einer positiven Identifikation des Zuhörers mit dem Produkt "Gott" ist. Dies ist allerdings nur ein Aspekt, analoge Funktionen lassen sich auch im Hinblick auf die Kirche als Machtapparat oder im Hinblick auf den einzelnen Gläubigen als einem sich nach Sicherheitsgefühl und Zielvorgabe sehnendem Menschen formulieren." (w. a.)

 

 

Die Frage stellt sich mir: wie stellt man das Bedürfnis nach Sicherheit und Zielvorgabe alternativ sicher?

Auf die Punkte 2 und 3 kann ich im Moment infolge Zeitmangels noch nicht weiter eingehen.

 

 

viele herzliche Grüße

 

Olli

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Lieber Zwilling,

 

war ein paar Tage off-line, deswegen erst heute meine Antwort:

 

>>Eine entsprechende Definition würde ich für transzendente Begriffe, wie Glaube, Hoffnung, Liebe, Gott usw. geben. <<

 

also ich hab einen ganz andere Vorstellung von Transzendenz.  Im Glaubensbekenntnis sagen wir u.a.

"....Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge"

Die „unsichtbaren Dinge“ sind für mich die Transzendenz. Glaube, Hoffnung und Liebe fallen da nicht drunter, weil sie für mich schon hier und jetzt „sichtbar“ sind.

 

 

>>Sie wußten nichts von naturwissenschaftlichem Wahrheitsanspruch, Physik, Chemie und Biologie <<

 

und hier knalls wohl am kräftigsten zwischen unseren Weltanschauungen. Also für mich ist die Naturwissenschaft die Lehre vom momentan gültigen Irrtum und hat keinesfalls die Aufgabe die Wahrheit zu finden oder zu definieren. Als Naturwissenschaftler versuche ich lediglich die Realität zu beschreiben – als Physiker mit der Sprache der Mathematik. Für die Wahrheit sind die Philosophen und Theologen zuständig, aber nicht die Naturwissenschaftler!!

 

 

>>Wenn ich nun sage, dass die Evangelisten diese Art von Wahrheit gar nicht gemeint haben,<<

 

dann ist das eine unheimliche Anmaßung. Du schaffst es doch immer wieder mich zu missverstehen (und ich Dich ebenso) und da willst Du mir weiß machen, Du (und andere) würdest die Evangelisten besser verstehen als Du Deine Zeitgenossen? Real existierender Wahnsinn kann ich da nur scherzhaft sagen!!

 

 

>>... ganz einfach weil sie diese Vorstellungswelt gar nicht kannten und niemanden hätten vermitteln können, dann ist das für Menschen gedacht, die die Bildersprache der Bibel nicht mehr benutzen<<

 

das ist auch so ein Vorurteil, das nicht stimmt. Josef wusste z.B. ganz genau, wie die kleinen Babies gemacht wurden und wunderte sich, wieso Maria ohne ihn schwanger war. Dazu brauchte er keine „Bildsprache“ vom Storch oder Bienchen.

 

 

>>Solange man Evolution nicht kannte, war sie als Denkmöglichkeit immer enthalten, auch wenn manches sich vermeintlich anders anhört. <<

 

wie schreibt Athanasius:“... Denn wenn ihnenzufolge alle Dinge von selbst ohne Vorsehung entstanden sind dann hätten alle Dinge einfach entstehen müssen, und sie müssten gleich sein und nicht unterschiedlich...... Aber die so beschaffene Ordnung gibt zu erkennen, dass alle Dinge nicht von selbst entstanden sind, sondern zeigt, dass ihnen eine Ursache vorangeht: aus dieser Ordnung kann man den ordnenden Gott, der alle Dinge erschaffen hat, erkennen“

Also über eine „Evolution“ haben sich schon die alten Kirchenväter Gedanken geamacht, nur nannten sie es anders.

 

 

>>.. mit einem neuen durch die Naturwissenschaft vorgegebenen Wahrheitsanspruch.<<

 

das ist halt ein völlig unsinniger Anspruch, der da den Naturwissenschaften aufgebürdet wird!!

 

 

Alles Gute

Erich

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Lieber Erich, lieber Zwilling,

 

ich glaube Euer Diskussionsproblem liegt darin, daß ihr unterschiedliche Sinngehalte von "Wahrheit" verwendet. Daher mein Vorschlag: jeder von Euch schreibt erst mal seine eigene Definition von "Wahrheit" auf, dann seht ihr weiter.

 

Das ist ja der Punkt, den ich auch werner agnosticus näher bringen wollte: wir verwenden oft Begriffe wie "Wahrheit" (oder "Liebe&quot, ohne daß wir uns im klaren sind, daß der andere unter "Wahrheit" oft was ganz anderes versteht als man selber.

 

Ich hatte zu Beginn der Debatte mit werner agnosticus

von der "konventionellen Sicht der Alliebe Gottes" gesprochen, ohne diese näher zu definieren.

Ohne klare Definitionen der verwendeten Begriffe aber redet man leicht aneinander vorbei.

 

viele Grüße

 

Olli

 

PS.. nun muß ich ja obigen Begriff "konventionelle..." noch definieren, wird noch nachgeholt..  etwas Bedenkzeit bitte

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Werner agnosticus

Lieber Olli,

 

"Damit kann man natürlich das Problem der Kombination beider Begriffe lösen, indem man ihnen ihren Bedeutungsgehalt in wesentlichen Punkten nimmt.

Theodizee-Problem gelöst, der Christ kann aufatmen.  

Das wäre allerdings zu einfach. Denn es tauchen zwangsläufig einige sehr unbequeme Fragen auf:

1) Warum werden hier Worte stillschweigend ihres landläufigen Bedeutungsgehaltes beraubt und in einer neuen Bedeutung (oder fast ohne Bedeutung) verwendet?" (w. a.)

ich wollte nicht den Worten den Bedeutungsgehalt nehmen, sondern dazu anregen, darüber nachzudenken, ob unsere Definitionen von Macht und Liebe (das All- jeweils vornedran) so sinnvoll sind oder nicht.

Viel hast Du aber von den Bedeutungsgehalten nicht übrig gelassen. Im wesentlichen beschränkst Du Dich darauf, zu sagen, sie bedeuteten etwas anderes als nach herkömmlichen Verständnis.

 

"2) Warum scgaft man für im traditionellen Sprachgebrauch nicht adäquat repräsentierte Bedeutungen nicht einfach ein neues Wort, um Mißverständnisse zu vermeiden?" (w. a.)

Ja, das ist eine gute Idee im Prinzip.

Warum nur "im Prinzip"? So richtig gut fände ich erst die praktische Umsetzung dieser Idee.

 

"3) Welchen Sinn haben zwischen Menschen Worte, denen ein prinzipiell außerhalb der menschlichen Perspektive angesiedelter Bedeutungsgehalt zugeschrieben wird?" (w. a.)

Eine gute Frage.. welche Worte meinst Du jetzt konkret?

Ich meine alle die Worte, von denen Du sagst, sie müßten aus der Perspektive Gottes verstanden werden und nicht gemäß dem üblichen, auf menschlicher Sichtweise gründenden Bedeutung.

 

"1) Warum verwendet eine Glaubensgemeinschaft Worte, die für fast alle Menschen bereits eine Bedeutung haben, und eliminiert dabei aus dem Sinngehalt ausgerechnet das, was den gemeinsamen Nenner all dieser individuellen Begriffsinhalte darstellt und was ja auch der wortwörtlichen Bedeutung entspricht (z.B. "allmächtig" => alle Macht haben, Macht über alles haben, "Toyooooota" ; " (w. a.)

Moment, ich bin Olli, nicht der Sprecher einer Glaubensgemeinschaft. Wahrscheinlich würden nicht wenige Christen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie lesen, was ich hier so verzapfe. (Daher sagte ich ja im anderen Thread: Zwilling hat mir auch widersprochen) Ich kann hier nur für mich sprechen, nicht für die gesamte Christenheit...

Natürlich bist Du nicht der Sprecher dieser Glaubensgemeinschaft. Es ging aber hier um die Kritik einer in dieser Glaubensgemeinschaft fast allgemein üblichen Sprachregelung, zu deren Rettung Dein Versuch der Begriffsneudefinition diente. Wenn Dein Rettungsversuch gegen das Theodizee-Problem helfen soll, dann muß diese Glaubensgemeinschaft schon Deinem Vorschlag folgen. Wo sie es nicht tut, führt sich ihr auf den traditionellen Wortbedeutungen beharrendes Dogmengebäude z.B. aufgrund des Theodizee-Problems selbst ad absurdum.

Du bist also nicht der Sprecher dieser Glaubensgemeinschaft, aber Du hast den einzigen denkbaren Weg zur Rettung der Wahrheits-Chance (= die theoretische Möglichkeit, eine korrekte Wirklichkeitsausschnittsabbildung zu sein) der christlichen Lehre vorgeschlagen. Also bleiben zwei Möglichkeiten:

1) diese Glaubensgemeinschaft verwendet die Begriffe "Allmacht" und "Alliebe" im traditionellem Sinn. Dann geht die Dogmatik wegen logischer Widersprüche auf den Müll.

2) diese Glaubensgemeinschaft verwendet die Begriffe "Allmacht" und "Alliebe" nicht im traditionellem Sinn. Dann kann ich auf meine Frage, warum sie das tut, auch eine Antwort erwarten.

 

"in dem Augenblick, wo ich für das Handeln eines Allmächtigen irgendwo auf ein "muß" zurückgreife oder eine Einschränkung bei etwas uns durchaus als möglich Denkbarem postuliere, habe ich den gemeinsamen Nenner im Verstandnis von "allmächtig" verlassen)?" (w. a.)

Hmm.. in meiner ganz persönlichen Sicht war es das, auf was ich hinauswollte. Inwieweit andere Christen da mit mir einer Meinung sind, weiß ich jedoch nicht im Moment. Eine Verständnisfrage habe ich noch: was meinst Du hier mit "Einschränkung"?

Diese Einschränkungen sind häufig von Christen sehr unkonkret, es wird einfach postuliert, daß irgendetwas nicht ginge, z.B. daß alles Leiden in der Welt trotz göttlicher Allmacht erforderlich sei (für die Ermöglichung von Freiheit, Liebe, Persönlichkeit usw.). Dabei ist es für mich problemlos möglich, mir die Verringerung des Leidens in der Welt vorzustellen, ohne daß dadurch die Freiheit, die Liebesfähigkeit oder die Persönlichkeitsentwicklung usw. auch nur für einen einzigen Menschen eingeschränkt würde: hier und da mal die Einsparung eines Erdbebens, einer Alzheimer-Erkrankung oder der schmerzvollen Begleitumstände eines Krebstodes - es gäbe reichlich Möglichkeiten für einen allmächtigen Gott, seine Alliebe durch Leidensverringerung ohne negative Begleiterscheinungen wirksam werden zu lassen.

 

" Warum schafft sie für etwas von allen vorliegenden Definitionen Abweichendes nicht ein neues Wort (sie ist ja sonst beim Erfinden von Fachtermini nicht schüchtern)?" (w. a.)

Ich weiß ja noch nicht einmal, inwieweit ich hier einen Konsens mit anderen Christen habe. Da müßte ich mir schon ganz private Termini für meine Thesen ausdenken.

Dies beantwortet aber nicht, warum die Kirche dies nicht tut.

 

Hier scheint es so zu sein, daß Du meine Ansicht für deckungsgleich mit der allgemeinen Lehrmeinung hälst. Ob da wirklich Deckungsgleichhiet gegeben ist oder nicht, kann ich zur Zeit nicht beurteilen. Natürlich steht in jedem Credo "allmächtig", und daß Gott die Liebe ist, ist unzweifelhaft biblisch. Daran zweifle ich ja nicht, nur sage ich, daß diese Begriffe sehr vielschichtig sind, und durchaus verschieden interpretiert werden können.

Nein, ich halte Deine Meinung nicht für deckungsgleich mit der allgemeinen Lehrmeinung. Sonst würde ich die Theodizee-Argumentation ja nicht so führen, wie ich sie führe. Ich denke, daß die Kirche (Lehramt) "allmächtig" und "alliebend" (genaugenommen lautet der kirchliche Terminus natürlich nicht "alliebend", sondern "DIE Liebe" ) in einem durchaus traditionellen Sinne meint (dafür sprechen auch die biblischen Umschreibungen, z.B. Mt.19,26 + Parallelen) und diese Bedeutungsgehalte auch nicht preiszugeben bereit ist, dies aber einigen liberalen oder progressiven Mitgliedern in der Grenzzone zur Häresie gestattet - sei es beim "kleinen Gemeindeglied" wie Dir oder Mecky, weil hier jede repressive Handhabung nur zu Mitgliederschwund und Unzufriedenheit an der basis beitrüge, sei es bei wenigen(!) mehr im Rampenlicht stehenden Figuren wie Küng, weil diese einen vortrefflichen Aufprallschutz und ein gutes Alibi gegen konsequent rationale Kritik darstellen.

 

"Allmacht" ist ein Begriff, dem man durchaus verschiedenartige Definitionen zugrundelegen kann, ebenso ist "Liebe" zwar ebenso ein alltäglicher Begriff, dennoch würden 100 Leute diesen Begriff mit sehr verschiedenen Worten definieren.

Darum sprach ich von dem Minimum des gemeinsamen Nenners und habe dies am Beispiel "allmächtig" erläutert. Und bei diesem Begriff ist dieser minimale gemeinsame Nenner bereits alles, was in die Theodizee-Debatte einfließt, so daß die "Rettung Gottes" hier nur um den Preis des Abweichens von eben diesem fast allen Menschen gemeinsamen Bedeutungsanteil des Wortes "allmächtig" möglich ist.

 

Ich kann nur sagen, daß Gott für mich positiv emotional besetzt sein muß. Wenn ich sage, Gott ist die Liebe (dies ist biblisch), dann verbinde ich natürlich positive Emotionen damit. Aber nicht nur, das wäre zu kurz gegriffen: Gott muß auch Korrektiv sein dürfen, d. h. ermahnen und lenken dürfen. Da muß ich auch zulassen, daß Gottes Gebote eben nicht nur dafür da sind, mein persönliches Wohlbefinden zu sichern, sondern auch das der anderen.

Das lenkt ab. Zwischen der Nicht-Sicherung Deines persönlichen Wohlbefindens (z.B. aus pädagogischen Gründen) und den hier zur Debatte stehenden Erscheinungsformen offenbar überflüssigen schwersten Leidens besteht doch ein riesiger Unterschied. Es ist immer der gleiche fromme Ausweichreflex zu beobachten: Wenn man auf die Unmenge unnötigen (unnötig, wenn es einen allmächtigen liebenden Gott gäbe) Leidens hinweist, kommt früher oder später der fromme Hinweis, daß doch dies oder jenes Leiden nötig und sinnvoll sei. Das ist etwa so sinnvoll, wie auf die Aussage, es gebe jede Menge ungerade Zahlen mit dem Hinweis entkräften zu wollen, 4 und 10 seien doch gerade Zahlen.

 

"Der Gläubige darf, ja er soll gerdezu mit "Alliebe" die traditionelle Wortbedeutung verbinden (dies gibt ihm ein positives Empfinden und macht ihm Gott sympathisch), aber gegenüber dem argumentativ bohrenden und in Zweifel ziehenden Philosophen wird die traditionelle Wortbedeutung negiert (dies nimmt ihm den Ansatzpunkt für kritische Analysen und gewährt den Schutz einer Nebelwand)." (w. a.)

Die traditionelle Wortbedeutung der Liebe Gottes hat ja noch nie dazu geführt, daß jemand gesagt hätte "ein Christ wird keine Probleme haben, kein Leid erfahren, usw." Ganz im Gegenteil wird oft darauf hingewiesen, daß der Glaube eben nicht immer vor Leid schützen kann (z. B. Hiob). Oder wie siehst Du die tradionelle Bedeutung der Liebe Gottes?

Ist das immer noch nicht klar geworden? Zur traditionellen Bedeutung des Wortes Liebe gehört überall (außer da, wo "Liebe" nur noch in sarkastisch verbitterter Weise von jemand benutzt wird, der jedes Vertrauen auf positives Miteinander aufgegeben hat) als Minimalbestandteil (wieder der minimale gemeinsame Nenner), daß Liebe jedes Zufügen oder Zulassen von sinnlosem und vermeidbarem Leiden nach Kräften zu vermeiden versucht. Das ist noch keine vollständige Begriffsdefinition, aber bereits dieser Minimalbedeutungsgehalt genügt bereits für die Theodizee-Problematik.

Hier zeigst Du übrigens schon wieder diesen ablenkenden Reflex: Man weist auf die Unmenge unnötigen Leidens hin, prompt weicht der fromme Reflex darauf hin, daß man doch kein völlig leidfreies Schlaraffenland erwarten könne.

 

Was ist denn jetzt die "tradionelle Vorstellung von Liebe"? Darüber müßten wir uns erst mal einigen..

Ich gebe zu, daß ich bereits zu Beginn der Debatte von der "konventionellen Sicht" gesprochen habe, ohne die aber genau zu definieren. Diese Nachlässigkeit muß ich zugeben. Da müßte man noch mal ansetzen.

Eine für unsere Theodizee-Diskussion ausreichende Minimalanforderung an den Begriff Liebe und somit einen Teil der "tradionellen Vorstellung von Liebe" habe ich oben dargelegt.

 

"Es ist geradezu eine fromme Sucht, alles an diesem Gott mit positiv klingenden und möglichst superlativischen Worten zu bezeichnen, egal wie negativ und mangelhaft es bei genauer Betrachtung für uns ist. ... Dies ist allerdings nur ein Aspekt, analoge Funktionen lassen sich auch im Hinblick auf die Kirche als Machtapparat oder im Hinblick auf den einzelnen Gläubigen als einem sich nach Sicherheitsgefühl und Zielvorgabe sehnendem Menschen formulieren." (w. a.)

Die Frage stellt sich mir: wie stellt man das Bedürfnis nach Sicherheit und Zielvorgabe alternativ sicher?

Das ist eine Frage, die ganz auf das Zielkriterium "pragmatische Lebenshilfe" abzielt und nicht auf das Zielkriterium "Wirklichkeitsabbildung". Weniger abstrakt formuliert: Es geht dabei nicht um die philosophische Frage "Wie ist es wirklich?", sondern um die Alltagsfrage "Wie komme ich am besten durch?"

Für diesen Zweck kann der sachlich unbegründete und vielleicht sogar objektiv falsche Gebrauch positiver und superlativischer Worte durchaus eine wirksame und erfolgversprechende Methode sein. Es ist dann so eine Art autogenes Training auf religiösem Terrain. Hab ich überhaupt nichts dagegen, solange es nicht auf Kosten anderer geht (z.B. hat das autosuggestive Einhämmern der "unvergleichlichen Größe und Majestät Gottes" schon oft den inneren Zwang geschaffen, gegen jede vermeindliche Mißachtung dieses Gottes auch mit Gewalt vorzugehen - zumal diese Mißachtung Gottes ja auch oft unbewußt als Infragestellung des eigenen weltanschaulichen Kartenhauses existentiell bedrohend empfunden wird), solange es nicht anderen inhaltlich oder in praktischen Konsequenzen aufgezwungen wird (z.B. Kindertaufe, kritisch sind sicher auch viele andere Formen religiöser Indoktrination im Kindesalter) und solange es nicht eine Autorität für sich beansprucht, die ihm nicht zukommt (z.B. den Anspruch, Wirklichkeit korrekter abzubilden als alternative und oft weniger realitätsignorierende Weltbilder ). Wem's hilft, der mag es gerne benutzen.

Für mich sehe ich allerdings keinerlei Bedarf, da ich Sicherheit im strengen Sinne für eine pure Illusion halte, Sicherheit im Sinne eines für die Lebenspraxis erforderlichen Maßes an Sicherheitsgefühls dagegen auch ohne diese Illusion und ohne fiktiven transzendenten Sicherheitgaranten ohne weiteres möglich ist. Und eine externe Zielvorgabe meines Lebens kann ich nicht als notwendig oder als "sinnstiftend" ansehen (was hätte ich davon?), dagegen ist die eigene Zielsetzung unter Respektierung der natürlichen Begrenztheit und die eigene Sinnfeststellung ein sehr tragfähiges Element meiner Lebensgestaltung.

Und schließlich ist für mich die Frage "Wie komme ich am besten durch?" nicht einfach von der Frage "Wie ist es wirklich?" zu trennen. Wo eine eindeutige (weil logisch zwingende) Erkenntnis über einen Ausschnitt der Wirklichkeit vorliegt, da können für mich alle diese Erkenntnis negierenden Konzepte keine brauchbare Antwort auf die Frage "Wie komme ich am besten durch?" mehr sein.

 

Liebe Grüße

Werner

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Zitat von Erich am 8:58 - 9.Mai.2001

 

also ich hab einen ganz andere Vorstellung von Transzendenz.  Im Glaubensbekenntnis sagen wir u.a.

"....Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge"

Die „unsichtbaren Dinge“ sind für mich die Transzendenz. Glaube, Hoffnung und Liebe fallen da nicht drunter, weil sie für mich schon hier und jetzt „sichtbar“ sind.

Lieber Erich,

Glaube, Hoffnung und Liebe bezeichnen Phänomene, die ähnlich wie der Begriff Gott transzendente Ausrichtung haben, also zu einem Überschreiten führen.

Genauere Ausführungen dazu kannst du z.B. dem folgenden Artikel entnehmen: http://private.addcom.de/righthere/religio...ndenz.htm#trans.

Vor allem in den Einführungskapiteln dürfte es sich um theologisches Allgemeingut handeln, unabhängig von der später beschriebenen speziellen Theologie von Dorothee Sölle. Deine Sicht die sogenannten"unsichtbaren Dinge" als transzendent zu bezeichnen, ist zwar nicht ganz falsch, enthält aber gerade nicht den entscheidenden Aspekt des Überschreitens in die Richtung dieses Unsichtbaren oder besser gesagt in unserer Welt nicht-Greifbaren.

 


>>Sie wußten nichts von naturwissenschaftlichem Wahrheitsanspruch, Physik, Chemie und Biologie <<

 

und hier knalls wohl am kräftigsten zwischen unseren Weltanschauungen. Also für mich ist die Naturwissenschaft die Lehre vom momentan gültigen Irrtum und hat
keinesfalls
die Aufgabe die Wahrheit zu finden oder zu definieren. Als Naturwissenschaftler versuche ich lediglich die Realität zu beschreiben – als Physiker mit der Sprache der Mathematik. Für die Wahrheit sind die Philosophen und Theologen zuständig, aber nicht die Naturwissenschaftler!!

Hier erstaunst du mich, weil du es ja gerade bist, der immer wieder versucht Wahrheit in der Bibel in naturwissenschaftlicher Weise zu begründen.

z.B. auch in diesem Posting:

>>das ist auch so ein Vorurteil, das nicht stimmt. Josef wusste z.B. ganz genau, wie die kleinen Babies gemacht wurden und wunderte sich, wieso Maria ohne ihn schwanger war. Dazu brauchte er keine „Bildsprache“ vom Storch oder Bienchen.<<

 

Eine solche Begründung für das angebliche Naturwunder der sogenannten "Jungfrauengeburt" ist im Sinne unserer modernen Naturwissenschaft und die gab es damals einfach nicht. Was ein Josef auf welchem Wissenshintergrund gedacht hat, können wir nur vermuten. Als Grundlage für die Verifizierung eines Naturwunders würde ich nicht einmal einen Biologen aus dem 19. Jahrhundert zulassen.

 

Daneben gibt es ganz andere Gründe, die ich schon mehrfach ausgeführt habe, warum ich solche Wunder anders interpretiere.

 

Mit freundlichen Grüßen vom Zwilling

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Lieber werner agnosticus,

 

"Viel hast Du aber von den Bedeutungsgehalten nicht übrig gelassen. Im wesentlichen beschränkst Du Dich darauf, zu sagen, sie bedeuteten etwas anderes als nach herkömmlichen Verständnis. " (w. a.)

 

Ich denke, daß ich nun wohl das "herkömmliche Verständnis" der Liebe erläutern muß. Allein dabei habe ich ein gewisses Problem, denn ich kenne keine "offizielle Definition" von Liebe nach dem Lehramt. Ich kann nur versuchen, meine Interpretation dessen geben, was für mich die "herkömmliche Sicht" ausmacht.

 

Ich beziehe mich nun auf Punkte in der Bibel, die mir in diesem Kontext wichtig erscheinen, sie sind zwar keine "Definitionen" von Liebe, sondern sie spiegeln die unterschiedlichen Sichtweisen in diesem Kontext wider.

 

Alttestamentliche Sicht I : - "145,20 Der HERR behütet alle, die ihn lieben, und wird vertilgen alle Gottlosen." (Psalm 145) Das ist der Tun-Ergehen-Zusammenhang, nach dem Motto "liebe Gott, und er wird Dich behüten."

 

Diese Sicht wird aber schon im AT kritisiert, im Buch Hiob, das nenne ich mal Alttestamentliche Sicht II:

Hiob leidet ohne daß er Gott verleugnet hätte oder eine Übertretung begangen hätte. Hier wird erkannt: auch Gottesfurcht schützt nicht vor Leid.

 

Neutestamentliche Sicht: Gott ist "die Liebe". (1 Johannes 4,8). Damit untrennbar verknüpft ist aber der folgende Satz: "4,9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, daß Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat"

 

Für den Christen besteht die Liebe Gottes nicht darin, daß er vor jedem Leid bewahrt, sondern in erster Linie in der Sendung von Jesus Christus (der ja auch gelitten hat).

 

Nun wieder zu dem Theodizee-Problem: klar, ich kann mir auch vorstellen, daß ich, wenn ich allmächtig wäre, die Liebe so handhaben würde (hypothetisch, denn ich bin ja nicht allmächtig), daß es erst gar kein Leiden gäbe, keinen Hunger, keine Kriege, usw. Käme das Deinem Verständnis von Liebe näher?

 

Wenn ich von dieser Sichtweise ausginge, muß ich dann natürlich gemäß dieser Definition von "Liebe" einschränken, denn es gibt ja bekanntermaßen Hunger, Kriege usw. Diese Einschränkung wurde aber dadurch nötig, daß ich mich auf den Gedanken eingelassen habe: wie würde ich Liebe praktizieren, wenn ich allmächtig wäre?

 

Andere neutestamentliche Stellen sind folgende: "1,6 Und das ist die Liebe, daß wir leben nach seinen Geboten" (2 Johannes);

"Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit." (Kolosser)

 

Es ist auch im NT ein sehr vielschichtiger Begriff, den ich wirklich kaum in eine enge Definition pressen kann. Wahrscheinlich könnte man ein ganzes Buch darüber schreiben, welche Ausprägung das Wort "Liebe" in den verschiedenen Teilen der Bibel erhält.

 

"Wenn Dein Rettungsversuch gegen das Theodizee-Problem helfen soll, dann muß diese Glaubensgemeinschaft schon Deinem Vorschlag folgen. "

(w. a.)

 

Ich sehe das Theodizee-Problem eher so: ich denke, jeder hat so seine eigene "Theodizee", da muß man gar nicht unbedingt immer auf die Krisengebiete verweisen, um "Theodizee" zu erleben. Es hat jeder schon mal erlebt, daß ihm etwas zugestoßen ist, und er sich gefragt hat: "womit hab ich das verdient?" oder ähnliches.

 

Ich meine, wir reden hier von einem global aufgefaßten Thema, von dem wir uns innerlich insoweit distanzieren, daß wir sagen, "dort gibt es einen Krieg, dort gibt es Hunger, warum läßt Gott das zu, wo er doch die "Liebe" ist ?". Die bequeme Lösung ist nun, "es gibt keinen Gott", dann habe ich eine logische Zufriedenheit erreicht (dann "stimmt" für mich alles), die aber nicht wesensgleich ist mit der unbequemen Unzufriedenheit des Christen, der sich aufgefordert fühlen muß, dort zu helfen wo er kann. "Theodizee" ist für den Atheisten ein theoretisches Problem, für den Christen jedoch Aufforderung zum Handeln, dort wo es nötig ist.

 

Nun gebe ich zu, daß ich auch nicht in Afrika vor Ort war, diesen Vorwurf muß ich mir schon gefallen lassen, aber ich wollte verdeutlichen, daß "Theodizee" eben nicht mit logischen Argumenten gelöst werden kann, sondern nur durch stets neuen Einsatz.

 

Viele Glaubenssätze sind nicht reine Feststellungen, sondern sind zugleich Aufforderung, ihren Gehalt durch Tat zu verwirklichen. Wir sind dazu aufgefordert, die Liebe zu praktizieren, dann wird auch der Sinn dessen, was geschrieben wurde klarer, nicht durch die logische Betrachtung allein.

 

"Dabei ist es für mich problemlos möglich, mir die Verringerung des Leidens in der Welt vorzustellen, ohne daß dadurch die Freiheit, die Liebesfähigkeit oder die Persönlichkeitsentwicklung usw. auch nur für einen einzigen Menschen eingeschränkt würde:" (w. a.)

 

Ja, das kann ich mir auch vorstellen (siehe oben): nur sieht der Christ dies als Aufforderung an sich selbst, dies zu verwirklichen, der Atheist begnügt sich damit, die logische Schlußfolgerung "es gibt keinen Gott" zu haben und sich damit dem Aufforderungsgehalt der Botschaft zu entziehen.

 

Nicht daß Du mich falsch verstehst: auch Atheisten helfen überall in der Welt daran, Freiheit, Liebesfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern, nur haben sie ihre Quelle für ihr Handeln etwas anders gelagert. Dies verbinde ich jetzt ausdrücklich nicht mit einer Wertung.

 

Ich sage nur, der Atheist tendiert dazu, die Bibel auf logische Konsistenz zu prüfen (insofern hat sie mit seinem Leben nichts zu tun, da er sie für unlogisch hält), der Christ versucht dies in seinem Leben anzuwenden, und sieht dann später die Kraft, die es ihm gebracht hat.

 

viele liebe Grüße

 

Olli

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Lieber Olli!

 

Danke für Deinen Beitrag! Ich fand ihn wirklich gut und spannend.

 

Zwei ergänzende Fragen an die "Atheisten":

Kann es angesichts der Freiheit des Menschen, (gehen wir einmal davon aus, wir haben sie) sein, daß es kein Leid gibt. Oder würde nicht vielmehr die Leidlosigkeit der Welt den Atheisten die Freiheit rauben, sich gegen Gott zu entscheiden?

 

Wenn wir Fragen, woher kommt das Böse, wenn Gott ist, dann frage ich, woher kommt das Gute, wenn es Gott NICHT gibt? Der Mensch ist ein relativ böses Wesen, er bringt das Gute sicher nicht hervor. Das kann nur eine Macht, die in sich gut ist, die von Grund auf LIEBE ist.

 

Liebe Grüße

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Lieber Zwilling,

 

>>Glaube, Hoffnung und Liebe bezeichnen Phänomene, die ähnlich wie der Begriff Gott transzendente Ausrichtung haben, also zu einem Überschreiten führen.<<

 

also für mich hat Gott keine „transzendente Ausrichtung“ sondern er ist Transzendenz pur.

 

 

>>Genauere Ausführungen dazu kannst du z.B. dem folgenden Artikel entnehmen:<<

 

kann dazu nur sagen: viel Lärm um nichts.

 

>>Deine Sicht die sogenannten"unsichtbaren Dinge" als transzendent zu bezeichnen, ist zwar nicht ganz falsch, enthält aber gerade nicht den entscheidenden Aspekt des Überschreitens in die Richtung dieses Unsichtbaren oder besser gesagt in unserer Welt nicht-Greifbaren. <<

 

also das kapier ich überhaupt nicht: Ich sage Tranzendenz ist für mich Gott + die Summe aller unsichtbaren Dinge, die er geschaffen hat und Du meinst irgend was unverständliches von „den entscheidenden Aspekt des Überschreitens in die Richtung dieses Unsichtbaren“. Wenn was unsichtbar ist, was soll denn da noch in Richtung Unsichtbar überschritten werden?? Grübel, grübel grübel.

 

>>Hier erstaunst du mich, weil du es ja gerade bist, der immer wieder versucht Wahrheit in der Bibel in naturwissenschaftlicher Weise zu begründen.<<

 

Ich sehe, daß in der Bibel von einer Jungfrauengeburt berichtet wird – dagegen steht die biologische Regel, daß bei Säugetieren eine Jungfrauengeburt bisher nicht beobachtet wurde.

Nun geh ich hin und sag: na und, wenn bisher etwas nicht beobachtet wurde heißt das noch lange nicht, das es das nicht in Ausnahmefällen/Wundern passieren kann – oder kannst Du das etwa definitiv ausschließen??

Bei Reptilien sind Jungfrauengeburten beobachtet worden – also warum soll das nicht auch bei Säugetieren möglich sein   Das ist m.M. nach also keine „naturwissenschaftliche Begründung“ sondern ein Zulassen/Für-Möglich-Halten von bisher nicht beobachteten Ereignissen in der Natur. Über biologische Details hab ich nix gesagt – kann ich auch nicht.

 

 

>>. Was ein Josef auf welchem Wissenshintergrund gedacht hat, können wir nur vermuten.<<

 

na hör mal, wie die kleinen Babies gemacht werden ist ab der Pubertät Allgemeinwissen. Hier zu spekulieren fände ich einfach dumm. Auch zu biblischen Zeiten war die Frage: Mein Kind oder nicht mein Kind bei Männern schon ein Thema!

 

Alles Gute

Erich

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Werner agnosticus

Lieber Stefan,

 

Zwei ergänzende Fragen an die "Atheisten":

ich bin zwar kein Atheist sondern Agnostiker (Is there any god? - I don't know!), will Dir aber gern antworten, zumal ich ja einigen Anlaß zu Deinen Fragen gegeben habe, da ich die Theodizee-Frage angesprochen habe (Is there an allmighty and all loving god? - Certainly not!).

 

Kann es angesichts der Freiheit des Menschen, (gehen wir einmal davon aus, wir haben sie) sein, daß es kein Leid gibt. Oder würde nicht vielmehr die Leidlosigkeit der Welt den Atheisten die Freiheit rauben, sich gegen Gott zu entscheiden?

Die Frage geht natürlich am Theodizee-Problem vorbei. Es geht ja nicht darum, ob manches Leid vielleicht der unumgängliche Preis der Freiheit ist, sondern darum, daß die Welt voll von Leid ist, das mit der Freiheit des Menschen nicht das geringste zu tun hat. Also auch wenn Freiheit ohne Leid nicht möglich wäre (was keineswegs trivial ist), würde dies dem Theodizee-Problem nichts von seiner Schärfe nehmen und einen allmächtig-alliebenden Gott kein bißchen möglicher machen.

Ob die Existenz von Leid eine conditio sine qua non der menschlichen Freiheit ist, kann ich so allgemein nicht beantworten. Viel hängt davon ab, was wir mit "Freiheit" bezeichnen. Ist Freiheit die Möglichkeit, innerhalb einer gewissen Bandbreite zwischen verschiedenen Einstellungen, Entscheidungen und Handlungen wählen zu können, so sehe ich keine zwingende Verknüpfung mit dem Leid. Versteht man unter Freiheit dagegen eine fast unbeschränkte Wahlmöglichkeit, so ist das nicht mehr so eindeutig.

Interessant ist die Überlegung, ob Leidensfähigkeit überhaupt eine Voraussetzung für die möglichkeit von Freiheit ist. Oder ist nicht durchaus ein frei entscheidungs- und handlungsfähiges Wesen denkbar, das überhaupt kein körperliches und psychisches Schmerzempfinden kennt? Das wäre natürlich als Produkt eines konkurrenzgesteurten Evolutionsprozesses nicht möglich, da Schmerzfähigkeit einen großen Selektionsvorteil erbringt - aber darauf wäre ein Allmächtiger ja auch nicht angewiesen.

 

Wenn wir Fragen, woher kommt das Böse, wenn Gott ist, dann frage ich, woher kommt das Gute, wenn es Gott NICHT gibt? Der Mensch ist ein relativ böses Wesen, er bringt das Gute sicher nicht hervor. Das kann nur eine Macht, die in sich gut ist, die von Grund auf LIEBE ist.

Diese Umkehrung der Frage ist stimmig, da beide Fragen völlig andere Voraussetzungen annehmen:

Mit dem Postulat "Gott" (im monotheistischen sinn) wird eine prima causa alles in der Welt existierenden definiert (genau genommen wird die Frage nach der prima causa natürlich nicht beantwortet, sondern lediglich "um eine Instanz" weiter verschoben). Damit ist Gott zwangsläufig auch die prima causa des Bösen (wenn ich behaupte, das es "Böses" gibt - hier besteht erst einmal Definitionsbedarf). Wenn ich zugleich behaupte, daß in Gott nichts Böses ist und aus ihm nichts Böses kommt, dann habe ich ein logisch widersprüchliches Postulat aufgestellt, das als sicher keine richtige Wirklichkeitsbeschreibung sein kann.

Mit der Annahme "kein Gott" bleibt die Frage nach einer prima causa offen. Was existiert, existiert eben. Es ist damit kein Postulat verbunden, daß man für "Gutes" oder "Böses" eine prima causa benennen können muß oder daß es eine derartige überhaupt geben muß. Das ganze bleibt logisch widerspruchsfrei, wenn auch unvollständig in dem Sinne, daß nicht alle denkbaren Fragen auch wirklich beantwortbar wären.

Gegenüber dieser Unvollständigkeit, die die Frage nach der prima causa offen läßt, stellt der Hypothese "Gott" keinen Erklärungsvorteil dar, denn sie löst die Frage ja nicht, sondern suggeriert nur das Gefühl, eine Antwort zu haben. Denn jede "Antwort" auf die Frage nach einer prima causa generiert automatisch die Frage "Und woher kam die?". Es ist eben kein bißchen plausibler, daß etwas so unglaublich Kompliziertes wie ein zur Weltschöpfung befähigter Gott einfach so da ist oder von allein entsteht, als daß etwas immer noch sehr (aber doch etwas weniger) Kompliziertes wie unser materielles Universum einfach so da ist oder von allein entsteht.

 

Doch schauen wir nochmal nach "gut und böse". Dies sind wie alle wertenden Begriffe von Menschen subjektiv gesetzte Kathegorien und nicht irgendwelche absolut vorgegebenen Größen. Daher unterscheiden sich ja auch die Vorstellungen davon, was mit diesen Worten gemeint ist, zwischen verschiedenen Menschen oft grundlegend.

"Gut" ist, was ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen "gut" finden. Das kann extrem gegensätzlich sein - so erklären z.B. manche Kulturen Sexualkontakte bei bestimmten Verwandschaftsgraden als geradezu unüberbietbar böse, während andere Kulturen Ehen beim gleichen Verwandschaftsgrad ausdrücklich gut heißen oder sogar als im Sinne des Guten zwingend geboten betrachten. Es gibt aber auch einen gewissen Grundstock von Vorgängen/Empfindungen, die von fast allen Menschen einhellig als "gut" oder "böse" bewertet werden. Dabei handelt es sich i.a. um Dinge, auf die wir aufgrund unserer gemeinsamen biologischen Grundausstattung in ähnlicher Weise mit Anziehung oder Abstoßung reagieren (nach 24 Stunden ohne Getränke findet jeder Mensch die Bereitstellung von klarem Wasser "gut", ähnlich einhellig fällt die Negativreaktion auf den Versuch aus, jemandem ohne Narkose einen Arm abzuschneiden). In diesem Grundbestand sind "gut" oder "böse" nichts anderes als die Einordnung von Vorgängen nach einem Empfindungsschema, das als Detektor für das Aufsuchen überlebens- und fortpflanzungsförderlicher und das Vermeiden überlebens- und fortpflanzungsgefährdender Situationen im Laufe der Evolution entstanden ist. Dies Empfindungsschema stellte nie eine Erfolgsgarantie im Einzelfall dar, sondern war und ist immer nur eine statitisch erfolgreiche Anpassung. Es ist nicht einmal abwegig, daß dieses Instrument mit dem Beginn einer immer schneller werdenden technisch-kulturellen Evolution vielleicht immer unzuverlässiger wird, da die ihm zugrundeliegende genetische Evolution viel langsamer abläuft und daher mit den extrem beschleunigten Veränderungen der Umweltbedingungen nicht immer Schritt halten kann. Ein Stück Anpassung kann man aber darin sehen, daß zu den eher starren genetisch festgelegten Bewertungsschemata (Schmerz=schlecht usw.) auch noch durch Prägung und Lernen erworbene Bewertungsschemata hinzukommen, die dann deutliche kulturelle Einflüsse erkennen lassen.

 

Wahrscheinlich sträubt sich in Dir vieles gegen eine Sicht, die "gut" oder "böse" letztlich als Ausdruck einer Kathegorisierung im Interesse des Selektionsvorteils der Spezies Homo sapiens versteht ("gut" oder "böse" sozusagen als Namen für die beiden Skalenenden eines Selektionsvorteils-Detektors) - also als etwas ganz Natürliches, das keinerlei besonderen, übernatürlichen Erklärung bedarf, wie Du sie mit Deiner Aussage als erforderlich postulierst:

Der Mensch ist ein relativ böses Wesen, er bringt das Gute sicher nicht hervor. Das kann nur eine Macht, die in sich gut ist, die von Grund auf LIEBE ist.

Dies ist auch nur die unterkühlt-sachliche (gleichwohl sehr hilfreiche) Betrachtungsmöglichkeit. Daneben steht Dir auch eine sehr viel emotionalere Betrachtungsweise offen, ja diese ist jedem Menschen eigen. Es ist ja gerade das Wesen des Selektionsvorteils-Detektors, daß er seine Signale in Form emotionaler Reaktionen mitteilt (Wohlgefühl, Entspannung, Zuneigung, Zufriedenheit usw. tendieren zur Kathegorie "gut", Schmerz, Angst, Haß, Unzufriedenheit usw. zur Kathegorie "böse" ). Diese Reaktionen sind in beiden Richtungen zum Teil so heftig, daß es den allermeisten Menschen sehr schwer fällt, neben einem sehr emotionalen Umgang mit den Begriffen "gut" oder "böse" auch einmal eine emotionslos-analytische Betrachtung des Zustandekommens dieser Kathegorien vorzunehmen.

 

Liebe Grüße

Werner

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Werner agnosticus

Lieber Olli,

 

Ich denke, daß ich nun wohl das "herkömmliche Verständnis" der Liebe erläutern muß. Allein dabei habe ich ein gewisses Problem, denn ich kenne keine "offizielle Definition" von Liebe nach dem Lehramt.

Dies würde sich mit meinem Verdacht decken, daß "dem Lehramt" mehr an der Vereinnahmung des Wortes "Liebe" und seiner positiven emotionalen Assoziationen als Attribut dieses Gottes liegt als an der inhaltlichen Füllung des Begriffs.

 

Ich kann nur versuchen, meine Interpretation dessen geben, was für mich die "herkömmliche Sicht" ausmacht.

 

Ich beziehe mich nun auf Punkte in der Bibel, die mir in diesem Kontext wichtig erscheinen, sie sind zwar keine "Definitionen" von Liebe, sondern sie spiegeln die unterschiedlichen Sichtweisen in diesem Kontext wider.

 

Alttestamentliche Sicht I : - "145,20 Der HERR behütet alle, die ihn lieben, und wird vertilgen alle Gottlosen." (Psalm 145) Das ist der Tun-Ergehen-Zusammenhang, nach dem Motto "liebe Gott, und er wird Dich behüten."

Das ist eine sehr nüchterne Sicht: Liebe ist Bestandteil eines Deals. So ähnlich wie die mittelalterliche Lehenformel von "Schutz und Treue".

 

Diese Sicht wird aber schon im AT kritisiert, im Buch Hiob, das nenne ich mal Alttestamentliche Sicht II:

Hiob leidet ohne daß er Gott verleugnet hätte oder eine Übertretung begangen hätte. Hier wird erkannt: auch Gottesfurcht schützt nicht vor Leid.

Salopp heißt das: Bei dem oben skizzierten Deal ist auf Gott kein Verlaß, er erfüllt oft nicht seinen Teil des Handels (auch nicht unähnlich zu Verhalten mittelalterlicher Lehnsherren).

 

Neutestamentliche Sicht: Gott ist "die Liebe". (1 Johannes 4,8).

Das ist natürlich keine sinnvolle Definition, denn Liebe soll ja nicht eine Person, sondern eine Einstellung, Empfindungs- oder Verhaltensweise bezeichnen. Man könnte 1Joh4,8 allenfalls als Umschreibung für "Gott praktiziert Liebe in unübertrefflicher Weise" verstehen, was aber nichts zur Definition von Liebe beiträgt.

 

Damit untrennbar verknüpft ist aber der folgende Satz: "4,9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, daß Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat"

 

Für den Christen besteht die Liebe Gottes nicht darin, daß er vor jedem Leid bewahrt, sondern in erster Linie in der Sendung von Jesus Christus (der ja auch gelitten hat).

Dies läßt völlig offen, was an dieser Liebe denn nun das Tolle sein soll. Irgendwo jemanden hinzuschicken, ist ja nicht per se schon was Liebevolles. Was haben die davon, zu denen da jemand geschickt wird.

Und auch der Klammersatz drückt für sich allein noch nichts Besonderes aus: Die Notwendigkeit, irgendetwas nur durch eigenes Leiden erreichen zu können, ist für einen Allmächtigen eine absurde Annahme. Wenn es aber keine solche Notwendigkeit gibt, dann ist das ganze sein Privatvergnügen (wirkt dann ziemlich masochistisch).

 

Nun wieder zu dem Theodizee-Problem: klar, ich kann mir auch vorstellen, daß ich, wenn ich allmächtig wäre, die Liebe so handhaben würde (hypothetisch, denn ich bin ja nicht allmächtig), daß es erst gar kein Leiden gäbe, keinen Hunger, keine Kriege, usw. Käme das Deinem Verständnis von Liebe näher?

Im Grundsatz gehört der Wunsch, den Geliebten möglichst vor Leiden zu bewahren, zu meinen Minimalanforderungen für den Bedeutungsgehalt von "Liebe" - so gesehen kommt das in der Tat meinem Verständnis näher. Die Wahl Deiner Beispiele für Leiden ist allerdings bereits irreführend, da es sich nur um solche Beispiele handelt, bei denen man den Menschen häufig einen Mitverursachung anlasten kann und die man daher als notwendiges Begleitrisiko menschlicher Freiheit zu deklarieren versuchen könnte (was wahrscheinlich auch nicht stimmig wäre, aber zumindest immer gern versucht wird). Also sollten wir die Liste auch um Erdbeben, die Existenz von Krankheitserregern usw. erweitern.

 

Wenn ich von dieser Sichtweise ausginge, muß ich dann natürlich gemäß dieser Definition von "Liebe" einschränken, denn es gibt ja bekanntermaßen Hunger, Kriege usw. Diese Einschränkung wurde aber dadurch nötig, daß ich mich auf den Gedanken eingelassen habe: wie würde ich Liebe praktizieren, wenn ich allmächtig wäre?

Mir ist nicht klar, was Du hier sagen willst.

 

Andere neutestamentliche Stellen sind folgende: "1,6 Und das ist die Liebe, daß wir leben nach seinen Geboten" (2 Johannes);

Hier ist sogar eine Verschlechterung gegenüber dem AT-lichen Deal eingetreten: Liebe = Gehorsam. Alle Verpflichtungen liegen auf der seite des Menschen, Gott befiehlt nur. Hier kann höchstens dem Menschen Liebe zugespochen werden, von Liebe auf Seiten Gottes enthält dieses Zitat nichts.

 

"Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit." (Kolosser)

Und hier wird ein unklarer Begriff durch einen nicht weniger Unklaren umschrieben. Wenn Vollkommenheit wirklich so superlativisch gemeint ist, wie es klingt, dann ist mit der Zuschreibung von "Liebe" an einen Schöpfergott bereits hier Ende. Denn die Welt, in die er die Menschen gesetzt hat, ist alles andere als vollkommen.

 

Es ist auch im NT ein sehr vielschichtiger Begriff, den ich wirklich kaum in eine enge Definition pressen kann. Wahrscheinlich könnte man ein ganzes Buch darüber schreiben, welche Ausprägung das Wort "Liebe" in den verschiedenen Teilen der Bibel erhält.

Das bisher dargestellte mach aber auf mich eher einen dürftigen Eindruck. Die Kolosserstelle betont das Theodizee-Problem eher als daß sie es entschärfen könnte, und alle anderen Stellen bleiben weit hinter den Mindesterwartungen an "Liebe" zurück. Natürlich kann man solche sparsamen Definitionen von Liebe wählen - aber dann ist Liebe nichts mehr, was sonderlich erstrebenswert ist.

 

"Wenn Dein Rettungsversuch gegen das Theodizee-Problem helfen soll, dann muß diese Glaubensgemeinschaft schon Deinem Vorschlag folgen. " (w. a.)

Ich sehe das Theodizee-Problem eher so: ich denke, jeder hat so seine eigene "Theodizee", da muß man gar nicht unbedingt immer auf die Krisengebiete verweisen, um "Theodizee" zu erleben. Es hat jeder schon mal erlebt, daß ihm etwas zugestoßen ist, und er sich gefragt hat: "womit hab ich das verdient?" oder ähnliches.

Damit verkennst Du das Theodizee-Problem in der von mir thematisierten Form. Dies ist kein privates oder individuelles Problem und auch keines, daß Ausdruck persönlicher Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben oder Erleiden wäre. Es ist ein grundlegendes philosophisch-logisches Problem, seine Zielsetzung ist primär Realitätserkenntnis. Dies ist im Kern sowenig subjektiv individualisierbar wie eine mathematische Fragestellung. Die Frage "Kann angesichts der Existenz allen Leidens in der Welt ein allmächtig-alliebender Gott existieren?" ist von der gleichen Art wie die Frage "Kann es eine rationale Zahl geben, die den Umfang des Einheitskreises exakt beschreibt?". Beide Fragen bedürfen der hinreichenden Definition der verwendeten Begriffe und sind dann mit den Mittel der Logik zu prüfen und wenn möglich zu beantworten - unabhängig von allen individuellen Interessen und Vorlieben. Und wenn die Beantwortung möglich ist, dann kann ich an dem ergebnis nichts ändern. Daß ich vielleicht rationale Zahlen viel vertrauenerweckender und angenehmer finde als "transzendente", mag ja sein, aber es nützt nichts, es gibt keinen Einheitskreis mit rationalem Umfang. Und genauso ist es mit der Theodizee: Wenn herauskommt, daß es einen allmächtig-alliebenden Gott nicht geben kann, dann ist es belanglos, ob ich eine Welt mit solch einem Gott viel lieber hätte und viel tröstlicher fände - es gibt ihn dann nicht.

 

Ich meine, wir reden hier von einem global aufgefaßten Thema, von dem wir uns innerlich insoweit distanzieren, daß wir sagen, "dort gibt es einen Krieg, dort gibt es Hunger, warum läßt Gott das zu, wo er doch die "Liebe" ist ?". Die bequeme Lösung ist nun, "es gibt keinen Gott", dann habe ich eine logische Zufriedenheit erreicht (dann "stimmt" für mich alles), die aber nicht wesensgleich ist mit der unbequemen Unzufriedenheit des Christen, der sich aufgefordert fühlen muß, dort zu helfen wo er kann. "Theodizee" ist für den Atheisten ein theoretisches Problem, für den Christen jedoch Aufforderung zum Handeln, dort wo es nötig ist.

Wie gesagt, ich rede hier nicht von einer Frage, die mit individueller Zufriedenheit oder Unzufriedenheit zu tun hat, sondern mit nackter Wirklichkeitserkenntnis. Zufriedenheit oder Unzufriedenheit können sich sekundär als Folge der Erkenntnis einstellen (je nach dem, ob mir das Gefundene gefällt), das Ergebnis der logischen Untersuchung hängt davon aber genausowenig ab wie bei der Bearbeitung der Frage nach dem Umfang des Einheitskreises.

Deine Ausführungen enthalten hier etliche implizite Wertungen oder Motivationsunterstellungen, die wahrscheinlich auf Dein Mißverstehen meiner Theodizee-Frage zurückzuführen sind:

wir sagen, "dort gibt es einen Krieg, dort gibt es Hunger, warum läßt Gott das zu, wo er doch die "Liebe" ist ?" --- Hier wird schon das Mißverstehen deutlich. Meine Frage lautet nicht "Warum läßt Gott das zu?" (diese Formulierung wirst Du in meinen Beiträgen wohl kaum finden), denn dies ist eine schon aus erkenntnistheoretischen Gründen nicht logisch zwingend beantwortbare Frage, da sie nach Kausalzusammenhängen oder Motivationen fragt. Das "Warum" ist eine emotionale Frage, die Beurteilung der Antwort erfolgt nach dem Kriterium der "gefühlsmäßigen Zufriedenstellung". Meine Frage heißt "Kann ein Gott mit dieser Eigenschaftskombination prizipell existieren?". Diese Frage ist eine auf Wirklichkeitserkenntnis zielende, nicht emotionale. Die die Beurteilung der Antwort erfolgt nach dem Kriterium der logischen Beweiskraft.

Die bequeme Lösung ist nun, "es gibt keinen Gott" --- wie gesagt, es geht nicht um Bequenlichkeit, sondern um zwingende folgerichtigkeit. Und deshalb ist meine Antwort nicht ein angeblich bequemes (wieso soll das eigentlich bequemer sein, als "es gibt einen Gott"???) "es gibt keinen Gott", sondern ein logisch unumgängliches "es gibt keinen allmächtig-alliebenden Gott".

dann habe ich eine logische Zufriedenheit erreicht (dann "stimmt" für mich alles) --- "logische Zufriedenheit" ist eine unsinnige Wortkombination. Zufriedenheit (etwas stets Subjektives) ist keine Kathegorie der Logik. Es wird logische Schlüssigkeit oder Stimmigkeit erreicht - und die kann man sich nicht aussuchen, sondern die ist genauso zwingend vorgegeben wie das Resultat von 1+1. Daher wäre auch Deine Formulierung dann "stimmt" für mich alles unsinnig ohne die Anführungszeichen, die "stimmt" wohl als Bezeichnung für "gefühlsmäßigen Zufriedenstellung" kennzeichnen und von "stimmt" als Bezeichnung für "sachlich richtig" abgrenzen sollen. Mein Erkentnisinteresse zielt aber gerade auf das Stimmen im Sinne sachlicher Richtigkeit. Und da gibt es dann kein stimmt für mich, sondern nur noch ein stimmt, denn Resultate logischer Schlüsse sind nicht Ansichtssache.

... die aber nicht wesensgleich ist mit der unbequemen Unzufriedenheit des Christen, der sich aufgefordert fühlen muß, dort zu helfen wo er kann. "Theodizee" ist für den Atheisten ein theoretisches Problem, für den Christen jedoch Aufforderung zum Handeln, dort wo es nötig ist. --- Dies drückt etwas Richtiges aber wohl auch etwas falsches aus. In der Tat ist, wie ich ja auch gerade dargestellt habe, Theodizee für den Philosophen, für den Erkenntnissuchenden (was nicht deckungsgleich in das Schema Atheist - Christ paßt) ein "theoretisches" Problem - theoretisch in dem Sinne, daß es durch nur reines Denken und nicht durch Empirie oder praktisches Handeln entscheidbar ist. Es ist aber auch genauso praktisch wie viele mathematische Fragen, die zwar nur durch reines Denken entscheidbar sind, deren Ergebnis aber weitreichende praktische Konsequenzen haben kann. Und "Christen" (zumindest Du) verstehen "Theodizee" als "Aufforderung zum Handeln" (was sich natürlich überhaupt nicht mit der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Theodizee deckt). Soweit ist Deine Aussage richtig.

Für falsch halte ich aber die Gegenüberstellung "Atheisten - Christen" und den durch das "jedoch" implizierten Gegensatz zwischen zwei Vorgehensweisen. Wie gesagt ist die theoretische, auf nackte Erkenntnis abzielende Frage kein Charakteristikum von Atheisten, sondern eher von philosophisch denkenden Menschen beliebiger Weltanschauung. Ebenso ist die mehr auf praktische Resultate zielende Beschäftigung mit der "Warum"-Frage kein Charakteristikum der Christen (auch wenn es dort vielleicht statistisch überwiegt), denn auch ein kämpferischer Atheist, der diese Frage als Instrument zur Bekämpfung kirchlicher Institutionen verwendet, fragt nicht nach Erkenntnis sondern nach praktischer Nutzbarmachung. Dein "jedoch" klingt so, als müßten sich die beiden Umgehensweisen mit der 'Theodizee' (hier kann ich mich zwischen den Schreibweisen mit und ohne anführungszeichen nicht entscheiden, da beide gemeint sind) ausschließen. Dies ist keineswegs der Fall, denn schließlich handelt es sich um zwei ganz verschiedene Fragen: Bei der Theodizee geht es um kann ... existieren, bei der "Theodizee" dagegen um Warum läßt ... das zu? oder in Deiner Konsequenz sogar um Was kann ich dagegen tun?. Deshalb kann der philosophisch Denkende durchaus sowohl die theoretische Frage bearbeiten und klären (und die praktischen Konsequenzen daraus ziehen) als auch sich der Handlungsaufforderung des Was kann ich dagegen tun? stellen. Das bedeutet aber auch, daß die "Theodizee" (Handlungsanfrage) die Theodizee (Erkenntnisfrage) nicht ersetzen oder ausschließen kann. Auch durch wackeres Engagemant gegen das Leiden in der Welt löst sich die Theodizee und ihr zwingendes logisches Ergebnis nicht einfach auf. Man kann der Frage natürlich ausweichen, aber davon wird der alliebend-allmächtige Gott auch nicht möglicher.

Man muß sich schon mal klar machen, daß die faktische Antwort auf eine logisch beantwortbare Frage nicht davon abhängt, ob man sich mit dieser Frage beschäftigt oder nicht. Die Frage hat bereits ihre Antwort, ich kann sie zwar ignorieren oder sogar leugnen, aber davon wird ihre Gültigkeit nicht beeinträchtigt.

 

Viele Glaubenssätze sind nicht reine Feststellungen, sondern sind zugleich Aufforderung, ihren Gehalt durch Tat zu verwirklichen. Wir sind dazu aufgefordert, die Liebe zu praktizieren, dann wird auch der Sinn dessen, was geschrieben wurde klarer, nicht durch die logische Betrachtung allein.

Hier wird wieder mal sprachliche "Schlamperei" zum Nebel, hinter dem viele Gläubige die Widersprüche ihres Glaubenssystems vor anderen und (wohl noch wichtiger) vor sich selbst verbergen. Es gibt keinerlei Notwendigkeit, die reinen Feststellungen und die Handlungsanweisungen in der Formulierung von Glaubenssätzen ständig zu verquicken. Die Glaubensinhalte, die reine Feststellungen sind, kann man unabhängig von Handlungsanweisungen formulieren und sie dann auch einer logischen Prüfung unterziehen. Und was sich dabei als inkonsistent erweist, muß aufgegeben werden, wenn das Glaubensgebäude den Anspruch erheben will, die Wirklichkeit korrekt (was nichts mit "vollständig" zu tun hat) zu beschreiben.

Konkret heißt das z.B.:

"Gott ist allmächtig-alliebend" = reine Feststellung (richtiger: Behauptung, Glaubenssatz im engeren Sinne), die sich der logischen Analyse stellen muß (und dabei durchfällt)

"Gebt euch Mühe, das Leid in der Welt nach Kräften zu verringern" - Handlungsanweisung, für die die Suche nach einem logischen Wahrheitswert ein unsinniges Unterfangen wäre.

Eine Verquickung beider Anteile des christlichen Glaubensgebäudes ist überflüssig und dient nur der Verwirrung und dem "Schutz" der unhaltbaren Behauptung.

 

"Dabei ist es für mich problemlos möglich, mir die Verringerung des Leidens in der Welt vorzustellen, ohne daß dadurch die Freiheit, die Liebesfähigkeit oder die Persönlichkeitsentwicklung usw. auch nur für einen einzigen Menschen eingeschränkt würde:" (w. a.)

Ja, das kann ich mir auch vorstellen (siehe oben): nur sieht der Christ dies als Aufforderung an sich selbst, dies zu verwirklichen, der Atheist begnügt sich damit, die logische Schlußfolgerung "es gibt keinen Gott" zu haben und sich damit dem Aufforderungsgehalt der Botschaft zu entziehen.

Hier erklärst Du eigentlich selbst den Tod des alliebenden Gottes. Denn unterlassene Hilfeleistung (Gott beseitigt das unnötige Leiden nicht) oder sogar Leidverursachung (Gott macht Erdbebenopfer erst zu Leidenden) mit dem Ziel, andere (zumal noch bekanntermaßen von der Aufgabe rettungslos Überforderte) zur Hilfeleistung aufzufordern, hat mit Liebe wirklich gar nichts mehr zu tun. Das ist das Verhalten eines Vaters, der drei seiner Kinder (leider alle 3 Nichtschwimmer) in einen See wirft und dies als Aufforderung an seine anderen drei Kinder (leider auch 2 davon Nichtschwimmer) versteht, diesen doch nach Kräften zu helfen. Es liegt in der Natur der Sache, daß dabei einige der Kinder elend ersaufen - aber der Vater ist ja "so liebevoll". Also bei allem Wohlwollen, aber so läßt sich kein alliebender Gott definieren.

 

Ich sage nur, der Atheist tendiert dazu, die Bibel auf logische Konsistenz zu prüfen (insofern hat sie mit seinem Leben nichts zu tun, da er sie für unlogisch hält), der Christ versucht dies in seinem Leben anzuwenden, und sieht dann später die Kraft, die es ihm gebracht hat.

Einspruch! Atheisten und Agnostiker prüfen oft die Bibel (und zwar ihre Behauptungen, nicht ihre Handlungsanweisungen) streng logisch. Das hindert sie aber nicht daran, ihre brauchbaren (die unbrauchbaren müssen sie genauso wie die Christen aussortieren) Handlungsanweisungen in seinem praktischen Leben anzuwenden. Letzteres tut der christ auch, aber er weicht der logischen Prüfung der Behauptungsinhalte der Bibel (oder auch seines Dogmengebäudes) aus. Das beschreibt den Unterschied wohl zureffender.

 

Viele liebe Grüße

Werner

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Zitat von Werner agnosticus am 20:10 - 11.Mai.2001

 

Diese Sicht wird aber schon im AT kritisiert, im Buch Hiob, das nenne ich mal Alttestamentliche Sicht II:

Hiob leidet ohne daß er Gott verleugnet hätte oder eine Übertretung begangen hätte. Hier wird erkannt: auch Gottesfurcht schützt nicht vor Leid.

Salopp heißt das: Bei dem oben skizzierten Deal ist auf Gott kein Verlaß, er erfüllt oft nicht seinen Teil des Handels (auch nicht unähnlich zu Verhalten mittelalterlicher Lehnsherren).


 

Man darf bei all dem Leid des Hiob nicht vergessen, dass Gott - nachdem sich Hiob ihm unterworfen hatte - "die spätere Lebenszeit Iobs mehr (segnete) als seine frühere" (Ijob 42,12).

Also Unterwerfung = Gottesliebe?

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Hi Werner,

 

>>Für den Christen besteht die Liebe Gottes nicht darin, daß er vor jedem Leid bewahrt, sondern in erster Linie in der Sendung von Jesus Christus (der ja auch gelitten hat).

Dies läßt völlig offen, was an dieser Liebe denn nun das Tolle sein soll. Irgendwo jemanden hinzuschicken, ist ja nicht per se schon was Liebevolles. Was haben die davon, zu denen da jemand geschickt wird. <<

 

vergleich in diesem Zusammenhang mal Gott mit einem Vater, der seinen geliebten Sohn in ein brennendes Haus schickt, um dort Menschen, die er liebt, zu retten. Der Vater tut dies, obwohl der weiß, daß sein Sohn bei dieser Rettungsaktion schwer verletzt werden wird.

 

Gruß

Erich

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Zitat von Erich am 21:11 - 11.Mai.2001

vergleich in diesem Zusammenhang mal Gott mit einem Vater, der seinen geliebten Sohn in ein brennendes Haus schickt, um dort Menschen, die er liebt, zu retten. Der Vater tut dies, obwohl der weiß, daß sein Sohn bei dieser Rettungsaktion schwer verletzt werden wird.


 

Na lieber Erich,

 

wieder so ein Treppenwitz.

 

Ein verantwortungsvoller Vater schickt seinen Sohn/Tochter nie in ein brennendes Haus, wenn, dann geht er schon selbst.

 

Ich muß dir aber schreiben, bevor ich in ein brennendes Haus gehe, beurteile ich die Lage und wenn ich sehe, das die Situation hoffnungslos ist, dann gehe ich nicht in dieses brennnende Haus.

 

Sein Kind bei so einer hoffnungslosen Lage in ein "brennendes Haus" zu "treiben", das bezeichne ich als Mord.

 

Hierfür fehlt mir jegliches Verständnis.

 

Unverständliche Grüße

 

Pedrino

 

 

(Geändert von pedrino um 22:13 - 11.Mai.2001)

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Hi Pedrino,

 

>>Hierfür fehlt mir jegliches Verständnis. <<

 

nicht nur dafür, lieber Pedrio, nicht nur dafür.

 

Gruß

Erich

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Zitat von Erich am 22:17 - 11.Mai.2001


 

Lieber Erich,

 

dann wollen wir doch die Angelegenheit einmal sachlich betrachten.

 

Du als Gott siehst, dass sich die Menschen auf deiner Erde nicht gerade so verhalten, wie du dir das vorstellst. Du überlegst dir, wie du das ändern könntest.

 

Da du ja als  "Himmelswesen" allmächtig und allwissend  bist (sonst würdest du ja auch nicht erkennen, das die Menschen "böse" sind), schickst deinen Sohn, wohlwissend, dass er machtlos gegen die Schlechtigkeit der Menschen ist, auf die Erde, um sie von dem Bösen zu erlösen.

 

Als allwissender und allmächtiger Gott bist du natürlich über das Treiber der Menschen auf deiner Erde bestens informiert.

 

Die siehst die Greueltaten, die einige Wenige an vielen Menschen begehen aber, obwohl "das Fass" durch die Kreuzigung deines Sohnes mehr als überläuft, greifst du doch nicht ein.

 

Warum?

 

Warum schickst du deinen Sohn, obwohl du ganz genau wusstest, dass dein Sohn ans Kreuz genagelt wird?

 

Warum schickt du deinen Sohn für die Erlösung der Menschen, wenn nach 2000 Jahren die Erlösung (Beendigung des Bösen) immer noch nicht erfolgt ist?

 

Und die wichtigste Frage: Warum bist du nicht selbst auf die Erde "hinabgestiegen"?

 

Fragende Grüße

 

Pedrino

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Lieber werner agnosticus,

 

ich fand übrigens Deine Antwort so beachtenswert, daß ich sie mir ausgedruckt habe (mache ich sonst nie). Nachdem ich einige Stellen aus der Bibel zur Thematik der "Liebe" herausgestellt habe, wollte ich noch etwas bemerken: die Bibel macht freilich keinen Versuch, "Liebe" zu definieren, sondern sie verwendet oft diesen Begriff. Es ist nun einmal so, daß, wenn ich einen Begriff definieren will, zum Beispiel "Gott", ich auf andere Begriffe wie z. B."Liebe" zurückgreifen muß. Wenn dann der erläuternde Begriff ebenfalls unklar ist, hat man freilich ein Problem.

 

Wenn ich zum Beispiel die Quadratwurzel von x so definiere, daß das Ergebnis, wenn es quadriert wird wiederum x ergibt, kann ich mit der Definition nur dann was anfangen, wenn ich auch was mit "quadrieren"

anfangen kann. Wenn ich keine Ahnung habe, was "quadrieren" ist, nützt mir die Quadratwurzeldefinition in der obigen Form auch nichts.

 

"Neutestamentliche Sicht: Gott ist "die Liebe". (1 Johannes 4,8). Das ist natürlich keine sinnvolle Definition, denn Liebe soll ja nicht eine Person, sondern eine Einstellung, Empfindungs- oder Verhaltensweise bezeichnen. Man könnte 1Joh4,8 allenfalls als Umschreibung für "Gott praktiziert Liebe in unübertrefflicher Weise" verstehen, was aber nichts zur Definition von Liebe beiträgt. " (w. a.)

 

Man kann nicht zwei Dinge im selben Satz definieren (s. o.), entweder wir gehen vom bekannten Begriff "Liebe" aus, dann können wir Gott verstehen, oder wir gehen vom Begriff "Gott" aus, dann können wir "Liebe " definieren. Wenn man nun aber nun beide Begriffe für unklar hält, hat man relativ wenig von dieser Gleichung, zugegeben.

 

Gott ist freilich personal, insofern ist Dein Einwand schon ganz interessant. Aber ich denke, man kann Gott auch so etwas wie eine Empfindung zuschreiben. Daß er die Eigenschaft "personal" hat, schließt ja nicht aus, da wir nun, wenn wir von "Gott" sprechen, im transzendenten Bereich operieren, daß man ihm aber auch eine "Empfindungseigenschaft" zuschreiben kann.

 

Es kam die Frage auf, was nun das Tolle daran sein soll, daß Gott Jesus Christus auf die Welt geschickt hat: die Vergebung der Sünden, die durch das Opfer von Christus ermöglicht wurde (eine neue Brücke zu Gott).

 

Ja, da habe ich früher auch gedacht: hey, was soll denn das?  Wenn Gott allmächtig ist, hätte er ja das einfacher haben können, ohne "Menschenopfer". Gebe ich zu, daß ich so gedacht habe.

 

Jetzt fragst Du dich wahrscheinlich, warum ich nicht immer noch so denke. Klar wäre das irgendwie einfacher gewesen, einfach "schwups", und die Vergebung ist da. Übrigens stimmt feilich auch, daß - wenn ich allmächtig wäre-, es auch keine Krankheiten und ihre Erreger gäbe (um auf Dein Beispiel einzugehen). Nachvollziehen kann ich das alles.

 

"Wenn ich von dieser Sichtweise ausginge, muß ich dann natürlich gemäß dieser Definition von "Liebe" einschränken, denn es gibt ja bekanntermaßen Hunger, Kriege usw. Diese Einschränkung wurde aber dadurch nötig, daß ich mich auf den Gedanken eingelassen habe: wie würde ich Liebe praktizieren, wenn ich allmächtig wäre? (Olli)"

 

"Mir ist nicht klar, was Du hier sagen willst. (w. a.) "

 

Wenn ich von der simplen Definition "Gott" = "Liebe" ausgehe, brauche ich da nichts einzuschränken. Wenn ich jetzt davon ausgehe, was ich machen würde (an seiner Stelle) wäre das ja irgendwie "mehr" als das,

was nun vorliegt (denn es gibt eben das Leid). Also muß ich dann die Definition von "Liebe" einschränken. Hm, vielleicht drücke ich mich etwas kompliziert aus.

 

Das "Leben nach den Geboten": wieso ist dies eine Verschlechterung? Wenn alle nach den Geboten leben würden, gäbe es z. B. kein Morden mehr, wenn ich mal so simpel denken darf. Die Welt ist nicht vollkommen. Die christliche Sicht ist nun aber: die Vollkommenheit wird durch die Liebe erreicht. Daß bestimmte Bibelstellen das Theodizee-Problem betonen, mag durchaus sein. Die "Mindestanforderungen" an die Liebe

gehen an die Menschen: daß sie die Gebote halten sollen. Und dies sollen sie ja nicht aus dem Grund tun, damit sie eingeschränkt werden, sondern damit sie die Freiheit haben, das zu tun, was nützt, ohne dem anderen zu schaden. Zum Beispiel das Verbot, einen anderen Menschen zu töten, soll ja keine Einschränkung der Freiheit sein, sondern ermöglicht erst die Freiheit zum Handeln ohne die Angst vor seinem Mitmenschen.

Da, wo jeder dem anderen an den Kragen will, gibt es keine rechte Freiheit.

 

Wenn Du die "Theodizee" als globales Problem siehst, und nicht als individuelles, ok. Ich kann Dir keine Lösung für die Theodizee als "philosophisch-logisches Problem" anbieten. Darum müssen sich die Philosophen kümmern. Daß man die Begriffe exakt definieren muß, ist richtig, aber eine Definition ist nichts anderes als die Umschreibung eines unbekannten Begriffs durch andere Begriffe, deren Bekanntheit man voraussetzt.

 

Es mag sein, daß es keinen Gott gibt, der exakt auf Deine persönlichen Vorstellungen von Allmacht und Allgüte paßt. Aber das Einlassen auf Gott beinhaltet immer auch eine Neustrukturierung der eigenen Vorstellungen. Wenn sich mein Leben nicht durch meinen Glauben an Gott ändert, dann hat die Übung wenig Sinn. Ich muß die Veränderung meiner Vorstellungen und Definitionen durch Gott zulassen.

 

Der "nackten Wirklichkeitserkenntnis" des Menschen sind Grenzen gesetzt. Und die individuelle Zufriedenheit meinte ich hier in Bezug auf das Ergebnis der logischen Schlüssigkeit der Untersuchungen. Du sagtest, das Ergebnis hängt nicht von der Zufriedenheit ab, das stimmt. Ich denke nur, wenn wir akzeptieren, daß der Wirklichkeitserkennung Grenzen gesetzt sind, müssen wir uns auch manchmal mit "nicht-Ergebnissen", mit Unklarheiten abfinden.

 

"Kann ein Gott mit dieser Eigenschaftskombination existieren?".. in dieser Frage bringst Du ja Deine persönlichen Vorstellung dieser Eigenschaften ein, richtig? Die "zwingende Folgerichtigkeit" der Gedanken

ist schon ein erstrebenswertes Ziel, aber die Folgerichtigkeit des erwähntes Gedankens "Allmacht und Alliebe in Bezug auf Gott" hängt eben sehr stark von den verwendeten Definitionen ab. (das war ja einer der Hauptpunkte meiner früheren Postings)

"Logische Zufriedenheit" ist unsinnig, das gebe ich zu.

 

Nun hast Du gesagt "es gibt da kein "stimmen für mich" sondern nur ein "stimmen" ". Die Resultate logischer Schlüsse sind nicht Ansichtssache, richtig. Aber der logische Schluß hängt von den Randbedingungen ab, die ich vorausgesetzt habe. Wenn ich die mir passenden Randbedingungen heraussuche, werde ich auch den logischen Schluß erhalten, den ich von vorneherein will.

 

"Wie gesagt ist die theoretische, auf nackte Erkenntnis abzielende Frage kein Charakteristikum von Atheisten, sondern eher von philosophisch denkenden Menschen beliebiger Weltanschauung. " (w. a.)

 

Das ist richtig.

 

Nur kann man das Christentum nicht mit einer Philosophie vergleichen. Und der christliche Glaube arbeitet nicht mit philosophischen Begriffen wie "Erkenntnis". Die Gegenüberstellung "Atheisten-Christen" war sicherlich in etwas stilisierter Weise von mir vorgenommen und deckt nicht alle Facetten in diesem Spannungsfeld ab.

 

"Dies ist keineswegs der Fall, denn schließlich handelt es sich um zwei ganz verschiedene Fragen: Bei der Theodizee geht es um kann ... existieren, bei der "Theodizee" dagegen um Warum läßt ... das zu? oder in Deiner Konsequenz sogar um Was kann ich dagegen tun?. " (w. a.)

 

Ja, das stimmt. So gesehen haben wir es gewissermaßen mit zwei verschiedenen "Theodizee-Fragen" zu tun, einerseits die erkenntnistheoretische Frage, andererseits die Frage des eigenen Handelns im Angesicht der nicht erkenntnistheoretisch hinterfragten Theodizee. (huh, geiler Satz, gell ?!)

 

Gewissermaßen formen die unterschiedlichen Fragen schon eine bestimmte Form der Antwort vor:

 

a) die erkenntnistheoretische Theodizee-Frage formt eine erkenntnistheoretische Antwort vor

 

B) die nicht-erkenntnistheoretische Theodizee-Frage formt eine Antwort in Bezug auf das eigene Handeln im Angesicht der erkenntnistheoretisch "unaufgelöst" akzeptierten Theodizee-Problematik vor

 

Somit scheint mir, Du hast eine Frage vom Typ a) gestellt, und ich mit einer Antwort vom Typ B) beantwortet. Der Dialog spitzt sich somit auf unterschiedliche Formen der Fragestellung und der Antwort zu. (auf den Rest gehe ich ein andermal ein, ist schon recht viel geworden)

 

viele herzliche Grüße

 

Olli

 

(Geändert von Olli um 23:11 - 11.Mai.2001)

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