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Der Gekreuzigte


Jocke

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Hab den Beitrag gelesen, doch die Vorstellung einer Erlösung (Ablösen oder Auflösen von Schuld?) durch Büßen/Leiden/Wiedergutmachung eines Unschuldigen bleibt unverständlich.

Mir auch - aber ich denke Meckys Erlösungsgedanken gehen links aussen vorbei am Schuldausgleichsdenken :unsure:

 

Ja.

 

Dieser Schuldausgleichsgedanke ist das Problem.

 

Schuld auszugleichen durch Leid/Opfer im Sinne von sich Schmerzen zufügen um der Schmerzen willen, ist für mich eine kranke Denke.

 

Das Schmerzen-erleiden an sich gleicht nix aus, außer man denkt:

Auge um Auge, Zahn um Zahn.

 

Eine Waage, wo jeder Schmerz mit gleichwertigem Schmerz ausgeglichen werden muss. <_<

 

 

Ich denke die ursprüngliche Erfahrung der Christinnen und Christen war: Wir Menchen tun einander dauernd Unrecht. Gewalt, Rache Terror, Ungerechtigkeit, Leid das wieder Leid provoziert usw. Irgendwie ist die Welt nicht so wie sie sein sollte. Da kommt plötzlich einer, der in seinem ganzen Handeln und Reden zeigt, dass es auch anders geht. Das Gott es anders habe möchte und auch anders macht, wo wir so zu handeln beginnen wie dieser (jetzt kann man ja sagen wer es ist) Jesus von Nazareth. Dann geschieht das Schreckliche: Der, bei dem die Menschen wirklich geglaubt haben, dass er ihnen einen Ausweg aus ihrem leidvollen Alltag zeigt, geht selbst leidedend am Kreuz zu Grunde. Keine Rede mehr von Erlösung. Das soll ein Ausweg sein? Hat wohl nicht viel gebracht ....

 

Doch nach einer gewissen Zeit machen die Anhängerinnen und Anhänger dieses Jesus von Nazareth eine neue Erfahrung. Wie Jesus es ihnen gesagt hatte, sind Keuz und Tod nicht gleichbedeutend mit dem Ende. Sie kommen zu der Überzeugung: Gott hat Jesus auferweckt und ins Recht gesetzt. Er hat den Weg den Jesus als Ausweg aufgezeigt hat damit endgültig bestätigt. So entstand die Überzeugung, dass Jesus so sehr für die anderen da war (das Fachwort ist Proexistenz), dass er sogar bereit war für uns zu sterben. Wenn wir diesem Jesus nachfolgen kann das Unrecht an dem wir alle leiden durchbrochen werden, vielleicht nicht immer und sofort, aber wie Gott an Jesus gehandelt hat so will er auch an allen Menschen handeln.*

 

Die Funktion, angesichts der eigenen Schuld voreinander und vor Gott weiter bestehen zu können, das Unrecht zu durchbrechen, hat bei den Juden ursprünglich ein Ritual im Tempel gehabt. Das Sühneopfer. Bei den Nachfolern und Nachfolgerinnen Jesu Christi entsteht dann bald die Idee, dass - wenn Jesus Christus für uns zum Weg geworden ist, wie man diesen Kreislauf von Gewalt und Unrecht durchrbricht - und daher dieses Opfer eigentlich nicht mehr nötig ist. Weil Jesus Christus bereits für uns Sühne geleistet hat. Hierzu etwas ausführlicher

 

Ein paar Jahre später (wir sind jetzt am Beginn des 2 Jahrhunderts) rückt die Frage in den Vordergrund, was das eigentlich ist, dass das Unheil erzeugt an dem wir leiden, von dem wir erlöst werden wollen. Die Antwort ist, unsere Sünden die die gute Ordnung stören (das ist sicherlich auch ein von der Stoa beeinflusster Gedanken). Vor diesem Hintergrund wird auch das Handeln Jesu neu durchdacht. Seine Möglichkeit uns zum Heil zu führen, muss also ganz ursächlich mit unseren Sünden zusammenhängen, diese irgendwie beseitigen. Dazu gibt es einige Erklärungsansätze. Für Tertullian (+ nach 220) ist das Handeln Christi die Wiederherstellung (restitutio) der durch die Sünde gestörten Ordnung. Da spielt vielleicht, das schon bei Irenäus von Lyon (+ um 202) genannte Motiv herein, dass Jesus als neuer Adam gleichsam dessen Handeln umkehrt. Was der eine durch Ungehorsam kaputt gemacht hat, macht der andere durch Gehorsam wieder heil.

 

Noch einmal 800 Jahre später erkärt Anselm diesen Zusammenhang wirkmächtig. Er bringt dabei auch Gott, sozusagen nicht nur als Erlöser (der der die Schuld zahlt) sondern auch als Gläubiger der Menschen (an dem diese schuldig geworden sind) ins Spiel. Ein Ansatz der heute vielleicht teilweise tatsächlich schwer verstanden wird ....

 

Aber, halt, hier stock ich schon ... ich schwafle. Ich wollte nur einen kurzen Einblick in die Entwicklung der Soteriologie geben. Deren Entwicklung ist nämlich ziemlich komplex und nicht so einheitlich wie man heute vielleicht meinen könnte. Das hat den Vorteil, dass sich ganz unterschiedliche Ansätze ergänzen können. Oder auch neue Ansätze vor unseren heutigen Fragen gefunden werden können (dazu vielleicht ein andermal mehr)

 

 

 

 

 

* Hier hat auch die Überzeugung ihren Platz, dass es sich bei Jesus nicht einfach um einen schlauen Mann handelte, der all die guten Ideen aus seinem Hut zauberte, sondern dass Gott selbst durch ihn spricht und handelt. Und zwar nicht einfach, wie durch einen Mittler oder ein Sprachrohr, sondern dass man zwichen Gott und dem was er durch Jesus mitteilt nicht mehr unterscheiden kann. Das Jesus Christus ganz Gott ist.

bearbeitet von Justin Cognito
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Ich denke die ursprüngliche Erfahrung der Christinnen und Christen war: Wir Menchen tun einander dauernd Unrecht. Gewalt, Rache Terror, Ungerechtigkeit, Leid das wieder Leid provoziert usw. Irgendwie ist die Welt nicht so wie sie sein sollte. Da kommt plötzlich einer, der in seinem ganzen Handeln und Reden zeigt, dass es auch anders geht. Das Gott es anders habe möchte und auch anders macht, wo wir so zu handeln beginnen wie dieser (jetzt kann man ja sagen wer es ist) Jesus von Nazareth. Dann geschieht das Schreckliche: Der, bei dem die Menschen wirklich geglaubt haben, dass er ihnen einen Ausweg aus ihrem leidvollen Alltag zeigt, geht selbst leidedend am Kreuz zu Grunde. Keine Rede mehr von Erlösung. Das soll ein Ausweg sein? Hat wohl nicht viel gebracht ....

 

Doch nach einer gewissen Zeit machen die Anhängerinnen und Anhänger dieses Jesus von Nazareth eine neue Erfahrung. Wie Jesus es ihnen gesagt hatte, sind Keuz und Tod nicht gleichbedeutend mit dem Ende. Sie kommen zu der Überzeugung: Gott hat Jesus auferweckt und ins Recht gesetzt. Er hat den Weg den Jesus als Ausweg aufgezeigt hat damit endgültig bestätigt. So entstand die Überzeugung, dass Jesus so sehr für die anderen da war (das Fachwort ist Proexistenz), dass er sogar bereit war für uns zu sterben. Wenn wir diesem Jesus nachfolgen kann das Unrecht an dem wir alle leiden durchbrochen werden, vielleicht nicht immer und sofort, aber wie Gott an Jesus gehandelt hat so will er auch an allen Menschen handeln.*

 

Die Funktion, angesichts der eigenen Schuld voreinander und vor Gott weiter bestehen zu können, das Unrecht zu durchbrechen, hat bei den Juden ursprünglich ein Ritual im Tempel gehabt. Das Sühneopfer. Bei den Nachfolern und Nachfolgerinnen Jesu Christi entsteht dann bald die Idee, dass - wenn Jesus Christus für uns zum Weg geworden ist, wie man diesen Kreislauf von Gewalt und Unrecht durchrbricht - und daher dieses Opfer eigentlich nicht mehr nötig ist. Weil Jesus Christus bereits für uns Sühne geleistet hat. Hierzu etwas ausführlicher

 

Ein paar Jahre später (wir sind jetzt am Beginn des 2 Jahrhunderts) rückt die Frage in den Vordergrund, was das eigentlich ist, dass das Unheil erzeugt an dem wir leiden, von dem wir erlöst werden wollen. Die Antwort ist, unsere Sünden die die gute Ordnung stören (das ist sicherlich auch ein von der Stoa beeinflusster Gedanken). Vor diesem Hintergrund wird auch das Handeln Jesu neu durchdacht. Seine Möglichkeit uns zum Heil zu führen, muss also ganz ursächlich mit unseren Sünden zusammenhängen, diese irgendwie beseitigen. Dazu gibt es einige Erklärungsansätze. Für Tertullian (+ nach 220) ist das Handeln Christi die Wiederherstellung (restitutio) der durch die Sünde gestörten Ordnung. Da spielt vielleicht, das schon bei Irenäus von Lyon (+ um 202) genannte Motiv herein, dass Jesus als neuer Adam gleichsam dessen Handeln umkehrt. Was der eine durch Ungehorsam kaputt gemacht hat, macht der andere durch Gehorsam wieder heil.

 

Noch einmal 800 Jahre später erkärt Anselm diesen Zusammenhang wirkmächtig. Er bringt dabei auch Gott, sozusagen nicht nur als Erlöser (der der die Schuld zahlt) sondern auch als Gläubiger der Menschen (an dem diese schuldig geworden sind) ins Spiel. Ein Ansatz der heute vielleicht teilweise tatsächlich schwer verstanden wird ....

 

Aber, halt, hier stock ich schon ... ich schwafle. Ich wollte nur einen kurzen Einblick in die Entwicklung der Soteriologie geben. Deren Entwicklung ist nämlich ziemlich komplex und nicht so einheitlich wie man heute vielleicht meinen könnte. Das hat den Vorteil, dass sich ganz unterschiedliche Ansätze ergänzen können. Oder auch neue Ansätze vor unseren heutigen Fragen gefunden werden können (dazu vielleicht ein andermal mehr)

 

 

* Hier hat auch die Überzeugung ihren Platz, dass es sich bei Jesus nicht einfach um einen schlauen Mann handelte, der all die guten Ideen aus seinem Hut zauberte, sondern dass Gott selbst durch ihn spricht und handelt. Und zwar nicht einfach, wie durch einen Mittler oder ein Sprachrohr, sondern dass man zwichen Gott und dem was er durch Jesus mitteilt nicht mehr unterscheiden kann. Das Jesus Christus ganz Gott ist.

 

Danke für diesen wirklich lesenswerten und wertvollen Beitrag. Schade, dass Du die Entwicklung der Soteriologie nicht noch weitergeführt hast.

 

Wie erklärst Du Dir, dass zu Beginn des 2. Jahrhunderts die Frage nach der Ursache für all das Unheil aufkommt. Taucht die Frage wirklich zum ersten Mal auf oder wird sie nur neu formuliert?

 

Gruß

aristoteles

bearbeitet von aristoteles
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Hallo Volker,

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nichts so wenig am Christentum verstehe, wie die Erlösung von der Sünde durch das Leiden eines Unschuldigen.
Handlungen, die man sündige nennt, sind zumeist solche, die man ausführen möchte; sie entsprechen einem angestrebten Ziel, sie sind vorsätzlich und werden als gute Ziele betrachtet. Es ist der Grund, der diese Ziele als gute ausweist, der hier kritisiert wird. Der Grund, der hier verworfen wird, ist der Egoismus. Für den Egoismus sind es gute Ziele, aber für das Allgemeine sind es böse Ziele. Der Mensch ist für sich Egoist und für sich auch das Allgemeine. Wenn er nun vom Allgemeinen aus, was er ist, sich selbst als den Egoisten kritisiert, dann muss er leiden und so können Sünden nur durch Leiden überwunden werden.

 

Jesus ist Gott und insofern ist er das Allgemeine. Wenn also Jesus leidet, dann bedeutet dies, das Allgemeine schlechthin leidet am Einzelnen. Im Menschen ist dies insofern verinnerlicht, als der Mensch sowohl Einzelnes als auch Allgemeines ist. Er ist seine vereinzelten Interessen und die allgemeinen.

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Dieser Schuldausgleichsgedanke ist das Problem.

 

Eine Waage, wo jeder Schmerz mit gleichwertigem Schmerz ausgeglichen werden muss. <_<

Das ist unsinnig für mich!

...

Wir Menchen tun einander dauernd Unrecht. Gewalt, Rache Terror, Ungerechtigkeit, Leid das wieder Leid provoziert usw. Irgendwie ist die Welt nicht so wie sie sein sollte. Da kommt plötzlich einer, der in seinem ganzen Handeln und Reden zeigt, dass es auch anders geht.

So weit, so gut.

Darin sind wir uns ja einig ... Vergebung ist aber schon die Lösung.

Warum sollte Gott zusätzlich Sühne durch Leid brauchen?

 

Das Gott es anders habe möchte und auch anders macht, wo wir so zu handeln beginnen wie dieser (jetzt kann man ja sagen wer es ist) Jesus von Nazareth. Dann geschieht das Schreckliche: Der, bei dem die Menschen wirklich geglaubt haben, dass er ihnen einen Ausweg aus ihrem leidvollen Alltag zeigt, geht selbst leidedend am Kreuz zu Grunde.

Schrecklich ist nur, dass ein Gott Sühne verlangt ... das geht zu weit.

 

Bei den Nachfolern und Nachfolgerinnen Jesu Christi entsteht dann bald die Idee, dass - wenn Jesus Christus für uns zum Weg geworden ist, wie man diesen Kreislauf von Gewalt und Unrecht durchrbricht - und daher dieses Opfer eigentlich nicht mehr nötig ist. Weil Jesus Christus bereits für uns Sühne geleistet hat.

Warum sollte das notwendig sein, wenn Gott ohne Genugtuung zu verlangen, verzeihen könnte!

 

Was der eine durch Ungehorsam kaputt gemacht hat, macht der andere durch Gehorsam wieder heil.

Seltsames Aufrechnen!

* Hier hat auch die Überzeugung ihren Platz, dass es sich bei Jesus nicht einfach um einen schlauen Mann handelte, der all die guten Ideen aus seinem Hut zauberte, sondern dass Gott selbst durch ihn spricht und handelt. Und zwar nicht einfach, wie durch einen Mittler oder ein Sprachrohr, sondern dass man zwichen Gott und dem was er durch Jesus mitteilt nicht mehr unterscheiden kann. Das Jesus Christus ganz Gott ist.

Man könnte auch sagen, dass Jesus einfach vernünftig gehandelt hat, indem er Sündenvergebung vorgelebt hat. Schuld muss nicht mehr gerächt werden.

 

Dann wäre Gott=Vernunft oder vernünftig Handeln ... erst das ergibt Sinn.

Ein Aufrechnen oder Sühneleiden nicht, mMn.

 

Ein Sühnen durch Unschuldige oder Sippenhaft wäre auch kein nachzueiferndes Beispiel.

Wie würde dann unser Strafrecht aussehen!

bearbeitet von Peggy
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Warum sollte Gott zusätzlich Sühne durch Leid brauchen?

 

Ich denke dass ursprüngliche Idee nicht war, dass Gott Sühne braucht. Wir Menschen müssen mit unserer Schuld umgehen, trotz unserem aneinander schuldig werden lebe und versuchen heil zu werden. In diesem Sinne ist das Handeln Jesu Sühne. Es hilft uns mit unserm Schuldigwerden (das zum Menschsein dazugehört) fertig zu werden. In diesem Sinne ist Sühne (= satisfactio = Befriedung) eine Existenzweise die uns Heilwerden ermöglicht, keine juridische Pflichterfüllung, gegenüber Gott.

 

Die Idee, dass Gott durch unsere Sünden an seiner Ehre beraubt wurde und wir Menschen nur durch das Sühneleiden Jesu Christi wieder mit ihm versöhnt werden können, ist ein späterer Gedanken (der als Satisfaktionsgedanken erstmals bei Anselm auftaucht). Er dient dazu, zu erklären warum Gott Mensch werden musste. Er ist nämlich so sehr um unser Heil bemüht, dass er um uns Strafe zu ersparen, in Jesus Christus selbst Sühne leistet. Der zentrale Inhalt der Aussage ist die Menschwerdung als totaler Einsatz Gottes für den Menschen. Dieses Bild des an seiner Ehre beraubten und daher auf Vergeltung angewiesenen Gottes ist mir persönlich allerdings auch fremd.* Damit ist aber noch nicht gesagt, dass es Blödsinn ist oder so. Es gibt eben auf eine bestimmte Frage, die zu einer bestimmten Zeit gestellt wurde (Cur Deus homo) , in diese Zeit hinein eine Antwort.

 

 

* Und es wurde schon ein paar Jahre später von Thomas von Aquin (+1274) auch insofern relativiert, als er fesstellt, dass Gott auch anders mit den Sünden der Menschen umgehen und "den Menschen ohne jede Genugtuung von der Sünde befreien befreien" hätte können, aus bloßer Barmherzigkeit (Sth III q.46a.2 ad 3). Im faktischen Handeln Gottes in Jesus kommt aber seine Liebe zu uns am besten zum Ausdruck.

bearbeitet von Justin Cognito
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Warum sollte Gott zusätzlich Sühne durch Leid brauchen?

 

Ich denke dass ursprüngliche Idee nicht war, dass Gott Sühne braucht.

...

...

Dieses Bild des an seiner Ehre beraubten und daher auf Vergeltung angewiesenen Gottes ist mir persönlich allerdings auch fremd.*

...

* Und es wurde schon ein paar Jahre später von Thomas von Aquin (+1274) auch insofern relativiert, als er fesstellt, dass Gott auch anders mit den Sünden der Menschen umgehen und "den Menschen ohne jede Genugtuung von der Sünde befreien befreien" hätte können, aus bloßer Barmherzigkeit (Sth III q.46a.2 ad 3).

 

Das beruhigt mich, dass nicht jedem die "Gott braucht Sühne Idee" einleuchtet oder vertraut ist.

 

Danke für die Antwort! <_<

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* Hier hat auch die Überzeugung ihren Platz, dass es sich bei Jesus nicht einfach um einen schlauen Mann handelte, der all die guten Ideen aus seinem Hut zauberte, sondern dass Gott selbst durch ihn spricht und handelt. Und zwar nicht einfach, wie durch einen Mittler oder ein Sprachrohr, sondern dass man zwichen Gott und dem was er durch Jesus mitteilt nicht mehr unterscheiden kann. Das Jesus Christus ganz Gott ist.

Man könnte auch sagen, dass Jesus einfach vernünftig gehandelt hat, indem er Sündenvergebung vorgelebt hat. Schuld muss nicht mehr gerächt werden.

 

Dann wäre Gott=Vernunft oder vernünftig Handeln ... erst das ergibt Sinn.

Ein Aufrechnen oder Sühneleiden nicht, mMn.

 

Ein Sühnen durch Unschuldige oder Sippenhaft wäre auch kein nachzueiferndes Beispiel.

Wie würde dann unser Strafrecht aussehen!

 

Das Problem ist, dass ihn das einfache, vernünftige Handeln ans Kreuz gebracht hat. Insofern war das Handeln wohl nicht so ganz vernünftig. Erst in der Auferstehung erweist sich sein Handeln als vernünftig und wahr in einem tieferen Sinn. So vernünftig und wahr, dass die Menschen glaubten (und wir Christinnen und Christen glauben es bis heute) dass Gott sich selbst in Jesu Leben, Sterben und Auferstehen offenbart hat.

 

Die Idee, dass Gott "vernünftiges Handelnt" ist, ist schon so manches mal formuliert worde. Ganz prominent wurde sie im so geannten Atheismusstreit von Fichte vorgetragen ("Gott als versinnbildtlichtes Material unserer Pflicht"). Was dabei meines Erachtens immer zu kurz kommt ist unsere Leiblichkeit (als Voraussetzung für die Glückseeligkeit). Denn wenn Gott bloßes vernünftiges Handeln ist, dann ist am Kreuz Schluss. (Der Einwand dagegen wäre: Gut, damit müssen wir leben).

 

Sippenhaftung ist, denk ich, nicht ganz ganz der richtige Begriff. Die altkirchliche Literatur und selbst Anselm denkt hier nicht in Sippen oder Verwandtschaften, sondern in Prototypen. Wenn Gott Mensch wird, hat das mit jedem Menschen zu tun, indem es seine Wesensbestimmung verändert. Und darum kann auch dieser eine Mensch für alle Menschen sühnen. Es geht um den Menschen als solchen. Dessen Wesensbestimmung steht am Spiel. Diese hat dann wiederum Wirkung auf alle jeweils besonderen Menschen, also auch auf dich und mich. Das ist aber typologisch gedacht nicht verwandtschaftlich oder in Sippen.

bearbeitet von Justin Cognito
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Man könnte auch sagen, dass Jesus einfach vernünftig gehandelt hat, indem er Sündenvergebung vorgelebt hat. Schuld muss nicht mehr gerächt werden.

 

Dann wäre Gott=Vernunft oder vernünftig Handeln ... erst das ergibt Sinn.

Ein Aufrechnen oder Sühneleiden nicht, mMn.

 

Ein Sühnen durch Unschuldige oder Sippenhaft wäre auch kein nachzueiferndes Beispiel.

Wie würde dann unser Strafrecht aussehen!

 

Das Problem ist, dass ihn das einfache, vernünftige Handeln ans Kreuz gebracht hat. Insofern war das Handeln wohl nicht so ganz vernünftig.

Das muss man nicht so sehen.

Für seine Überzeugungen sterben muss nicht immer unvernünftig sein, wenn sich dadurch Vergebung durchsetzt z.B., kann es durchaus sinnvoll sein.

Nur sich und Unschuldige für egoistische Ziele opfern ist sicher unvernünftig (Jungfrauen im Himmel bekommen z.B.).

Erst in der Auferstehung erweist sich sein Handeln als vernünftig und wahr in einem tieferen Sinn. So vernünftig und wahr, dass die Menschen glaubten (und wir Christinnen und Christen glauben es bis heute) dass Gott sich selbst in Jesu Leben, Sterben und Auferstehen offenbart hat.

Tja ... das ist so ein Problem ... ob es Auferstehung in echt gibt?

Symbolische Auferstehung (Das Gute überlebt) geht ja noch. <_<

 

Die Idee, dass Gott "vernünftiges Handeln ist", ist natürlich schon so manches mal formuliert worde. Ganz prominent wurde sie im so geannten Atheismusstreit von Fichte vorgetragen ("Gott als versinnbildtlichtes Material unserer Pflicht"). Was dabei meines Erachtens immer zu kurz kommt ist unsere Leiblichkeit (als Voraussetzung für die Glückseeligkeit). Denn wenn Gott bloßes vernünftiges Handeln ist, dann ist am Kreuz Schluss. (Der Einwand dagegen wäre: Gut, damit müssen wir leben).

Tja unser irdischer Leib überlebt doch so oder so nicht.

Ein überirdischer Leib ... naja ... was soll das noch bringen? :unsure:

 

 

Sippenhaftung ist, denk ich, nicht ganz ganz der richtige Begriff. Die altkirchliche Literatur und selbst Anselm denkt hier nicht in Sippen oder Verwandtschaften, sondern in Prototypen. Wenn Gott Mensch wird, hat das mit jeden Menschen zu tun, indem es seine Wesensbestimmung verändert. Und darum kann auch dieser eine Mensch für alle Menschen sühnen. Es geht um den Menschen als solchen. Dessen Wesensbestimmung steht am Spiel. Diese hat dann wiederum Wirkung auf alle jeweils besonderen Menschen, also auch auf dich und mich. Das ist aber typologisch gedacht nicht verwandtschaftlich oder in Sippen.

Wieder diese (dann eben prototypische) Stellvertretung durch Wesensveränderung ... und dann kann dieser Mensch/Gott für alle sühnen ... öhm ... das ist für mich zu hoch, eben keine begreifbare Erklärung.

Dass es keine Sühne braucht - das wäre eine Erklärung. :D

 

Aber danke noch mal für die vielen Informationen! :D

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Man könnte auch sagen, dass Jesus einfach vernünftig gehandelt hat, indem er Sündenvergebung vorgelebt hat. Schuld muss nicht mehr gerächt werden.

 

Dann wäre Gott=Vernunft oder vernünftig Handeln ... erst das ergibt Sinn.

Ein Aufrechnen oder Sühneleiden nicht, mMn.

 

Ein Sühnen durch Unschuldige oder Sippenhaft wäre auch kein nachzueiferndes Beispiel.

Wie würde dann unser Strafrecht aussehen!

 

Laut Wikipedia kommt Sühne von suona = Gericht, Urteil, Gerichtsverhandlung, Friedensschluss.

 

Jemand, der aufgrund einer "bösen Tat" Wiedergutmachung in Form von Leid fordert, ist für mich ein hassender Mensch. Ist da wer, der noch nie einem anderen Menschen etwas an den Hals gewünscht hat? (Muss ja nicht gleich ein biblischer Mühlenstein sein.)

Aber AFAIK sind wir mittlerweile so weit, dass wir davon diesem Wunsch so peinlich berührt sind, dass wir ihn erst garnicht aussprechen.

 

Und wenn ich einem Gott nun keine "Lust nach Leiden des anderen" unterstelle (wie ich es dem hassenden Menschen unterstelle), dann kann es eigentlich kein "Sühneleiden" geben - also kein Leiden, was irgendwas "wieder gut" macht - Leid als vergeltung.

 

 

Sühneleid erinnert mich aber auch an diesen "Exorzismus der Emily Rose"-Film. Nun litt das Mädchen fürchterlich und sowohl im Film als auch "in echt" soll das Leiden wohl als Sühneleid gesehen worden sein.

Für mich ist das nicht mehr als eine verzweifelte Sinnsuche mit fatalem Ergebnis.

 

Und außerdem finde ich auch den Begriff "Sühneleid" als äußerst Zweifelhaft in diesem Zusammenhang. Das Mädchen soll nämlich nicht für ihre eigenen Sünden gelitten haben, sondern anstelle von anderen Personen.

 

Zusammenfassend:

- Leid für Sühne zu fordern, ist barbarisch

- Leid für Sühne anzunehmen, ist im Falle Gottes bedenklich, denn er könnte das Leid abweisen, in dem er es beendet und sich trotzdem zur Sühne überreden lässt

- Es steht Gott frei, sich auch für die Sühne zu entscheiden, ohne Leid zu fordern (auch wenn es sein eigenen/das von Jesus ist)

 

Und so bleibt bei mir der Eindruck, dass Sühne als Rechfertigung/Sinngebung für Leid benutzt wird. Und dieser Tatsache ist IMHO rein menschlichen und nicht göttlichen Ursprungs.

bearbeitet von agnostiker
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Laut Wikipedia kommt Sühne von suona = Gericht, Urteil, Gerichtsverhandlung, Friedensschluss.

 

Zusammenfassend:

- Leid für Sühne zu fordern, ist barbarisch

- Leid für Sühne anzunehmen, ist im Falle Gottes bedenklich, denn er könnte das Leid abweisen, in dem er es beendet und sich trotzdem zur Sühne überreden lässt

 

Und so bleibt bei mir der Eindruck, dass Sühne als Rechfertigung/Sinngebung für Leid benutzt wird. Und dieser Tatsache ist IMHO rein menschlichen und nicht göttlichen Ursprungs.

 

Ganz meine Meinung!

 

"Richtendes/verurteiltes Leid" durch Sühne, weil Gott Genugtuung fordert, passt nur zu einem rächenden Gott.

 

Wenn Schaden oder Schuld nicht durch direkte Wiedergutmachung möglich ist, wird Gerechtigkeit durch Strafe wieder hergestellt. Schuld wird gesühnt, abgetragen. Dadurch erlebt die vom Unrecht betroffene Person Genugtuung. Sühne wünschen oft auch schuldig gewordene Personen, indem sie sich durch Sonderleistungen oder Verzichte selbst bestrafen.

http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BChne

 

Einen barbarischen Gott anzunehmen, finde ich auch so erschreckend.

Wie konnten Christen so etwas glauben, wo sie doch den sich erbarmenden verzeihenden Jesus als Beispiel haben? <_<

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... damit wird es nicht ungeschehen gemacht, aber damit erhält es einen Sinn.

Bis hierhin Zustimmung <_<

 

und jedes Übel ist, wie wir wissen, ein Beweis für die Nichtexistenz eines guten, allmächtigen Gottes.

Es sei denn das Übel dient einem Zweck, der sich nicht anders erreichen lässt.

 

Dann handelt es sich um gerechtfertigtes Leid und nicht mehr um Übel. Ich folge hier einer Definition von Streminger: Leid kann gerechtfertigt sein (für einen höheren Zweck geschehen, notwendig sein), ein Übel ist aber per definitionem Leid, für das es keine Rechtfertigung gibt. Die Existenz von Leid alleine spricht nicht gegen den "orthodoxen monotheistischen Gott" (= personal, allmächtig, gütif/liebend, u. a.), weil gerechtfertigtes Leid kein Argument gegen diesen Gott wäre. Aber so definierte Übel sind per se sinnlos.

 

Die Frage also lautet: Existieren Übel im Sinne der Definition? Wenn man zeigen kann, dass es keine Übel gibt, dann ist damit die Theodizee gelungen, denn der Rest des Leidens muss einen Sinn haben (= gerechtfertigt sein). Deine Leid-Beispiele aus dem Sport waren allesamt Beispiele für gerechtfertigtes Leid. Wobei, normalerweise, noch eine Bedingung für Leid zutreffen muss, damit es gerechtfertigt ist: Es setzt die Zustimmung des Leidenden voraus. Man kann es umgekehrt formulieren und sagen, dass jedes Leid, bei dem der Leidende zustimmt, auch gerechtfertigt ist, wobei uns die Gründe für die Zustimmung nicht zu interessieren haben. So mag ein Masochist bei SM-Praktiken zwar leiden, aber es handelt sich im Sinne der Definition nicht um ein Übel, weil er zugestimmt hat (um ein Extrembeispiel zu nennen).

 

Wir teilen also das vorhandene Leid ein in gerechtfertigtes Leid, dass der Existenz eines gütigen Gottes nicht widersprechen kann, und nicht gerechtfertigtes Leid und nennen letzteres Übel. Und nur die Übel, aber nicht das Leid an sich sind ein Widerspruch zu Gott.

 

Nun ist es ziemlich schwierig, bei einigen Formen von Leid zu sagen, ob es gerechtfertigt ist oder nicht. Bei vielen Formen kann man ganz klar sagen, dass es gerechtfertigt ist, etwa bei Deinen Sport-Beispielen. Nun kann man aber auch diese Beispiele so ändern, dass sie zu ungerechtfertigtem Leid werden: Nehmen wir an, der Sportlehrer kennt zwei Trainingsmethoden, eine, die zu Muskelkater führt, und eine, bei der das nicht der Fall ist. Beide Methoden sind ansonsten gleich gut. Nun wäre es moralisch verwerflich, wenn er seine Schüler nur auf die erste Weise trainiert - anders gesagt, es handelt sich um ein Übel.

 

Die Frage nach dem Leid berührt immer auch die Frage nach der Moral. Ich bin "negativer Utilitarist", was die Moral angeht, d. h. für mich ist alles eine moralische Frage, bei der es darum geht, ob man anderen Menschen ein Leid zufügen darf oder nicht. Sinn der Moral ist es, dass Leid der Menschen zu verhindern, zu vermindern oder mindestens zu lindern, wobei die Reihenfolge wichtig ist: Wenn man Leid verhindern kann, ist es falsch, es nur zu vermindern, wenn man es vermindern kann, ist es falsch, es nur zu lindern - aber vermindern und lindern geht natürlich auch zusammen.

 

Aber nicht jedes Leid sollte man verhindern, vermindern oder lindern: Wenn es nämlich einem höheren Zweck dient, dann kann es falsch sein, es zu verhindern. Mein Lieblingsbeispiel ist immer der Zahnarztbesuch: Natürlich verursacht der Zahnarztbesuch Schmerzen, also Leid in seiner unmittelbaren Form, aber noch schlimmer wäre es, einen vereiterten Zahn nicht zu behandeln (das kann u. U. sogar zum Tod führen!). Leid also, um noch mehr Leid zu verhindern, ist je nach Umstand nicht nur erlaubt, sondern kann sogar geboten sein.

 

Was übrig bleibt, sind die Übel, also nicht gerechtfertigtes Leid. In der Moral kann es nur darum gehen, das nicht gerechtfertigte Leid zu verhindern, zu vermindern oder wenigstens zu lindern, wenn es schon nicht anders geht. D. h., jede Moral geht, damit sie überhaupt eine Moral sein kann, davon aus, dass es möglich ist, Übel zu verhindern oder zu vermindern. Nur zu lindern alleine reicht nicht.

 

Nun nehmen wir einmal an, es gäbe keine Übel. Dann wäre die Folge dass es keine Moral geben kann bzw. dass eine jede Moral überflüssig wäre. Wir brauchen eine Moral, weil es Übel gibt, es gibt keine Moral, wenn es keine Übel gibt. Anders gesagt, aus der Behauptung, dass es keine Übel gibt, sondern dass alles Leid "irgendwie" gerechtfertigt ist, folgt für mich sofort der Nihilismus als zwangsläufige Folge. Jemand also, der behauptet, es gäbe keine Übel, ist für mich ein "amoralischer Nihilist". Wenn also Gott die Welt so eingerichtet hat, dass es keine Übel gibt, dann gibt es auch keinen Grund, sich in irgendeiner Form moralisch zu verhalten. Das bedeutet natürlich auch, dass man Gott nicht als "gut" bezeichnen kann, denn der Begriff "gut" ist dann inhaltsleer. Gott ist dann bestenfalls neutral, allerdings ist er dann nicht die Quelle aller Moral, sondern die Quelle des Nihilismus.

 

Ich kann das auch umgekehrt so ausdrücken. Wer meint, er könne moralisch gut handeln, der setzt zwangsläufig die Existenz von überflüssigem, sinnlosen und nicht gerechtfertigtem Leid voraus. Wer also meint, es gäbe eine Moral, oder Moral sei überhaupt möglich, der muss auch zugeben, dass es Übel gibt, die er mit seiner Moral bekämpfen will. Wer meint, dass es keine Übel gibt, aber meint, moralisch handeln zu können, der ist mit sich selbst im Widerspruch, er ist vom Kopf her Nihilist, vom Handeln her aber nicht (hoffentlich). Er redet anders, als er handelt. Das macht mich natürlich misstrauisch, weil es unehrlich ist - sich selbst, aber letztlich auch anderen gegenüber. Das selbst ist für mich natürlich auch schon amoralisch (Unehrlichkeit ist nicht "per se" amoralisch - wenn man durch Lügen Menschenleben retten kann, dann hat man die verdammte moralische Pflicht, zu lügen, etwa, wenn ein Killer nach dem Aufenthaltsort seines nächsten Opfers fragt).

 

Kurz: Wenn Gott allmächtig ist, und gut, dann dürfte es keine Übel geben. Allerdings gäbe es dann auch kein Paradies, weil Gott das Leiden, wie es jetzt ist, nicht verhindern oder vermindern kann. Wenn es aber keine Übel gibt, dann gibt es auch keine Moral, und "gut" ist eine Leerformel. Was bedeutet, dass es sowohl aus logischen wie auch moralischen Gründen heraus allenfalls einen moralisch neutralen Gott geben kann. Würde mich jemand davon überzeugen können, dass es einen allmächtigen und guten Gott gäbe, würde ich sofort zum Nihilismus wechseln, denn es ist ja gleichgültig, wie ich auch handle, ich kann das Leid insgesamt nicht vermehren oder vermindern.

 

Das bedeutet auch, dass das Leid des gekreuzigten Jesus mir nur etwas sagen kann, wenn es letzlich sinnlos war. Aber dann bricht die ganze Heilslehre des Christentums in sich zusammen. Deswegen bin ich - da ich strikt gegen den Nihilismus bin und eine objektive Moral verfechte - auch nicht in der Lage, die christliche Heilslehre zu verstehen oder das Leid am Kreuz. Verstehen kann das nur ein (heimlicher) Anhänger des Nihilismus, der sich dessen nicht bewusst sein mag (das entschuldigt ihn), aber ich bin mir dessen bewusst, und daher entschuldigt mich nichts. Nietzsche hat das übrigens schon erkannt, er wusste bereits, dass der moralische Kern des Christentums im Nihilismus besteht - und Nietzsche wollte den Nihilismus bekämpfen, nicht, ihn verbreiten. Aber dazu muss man zunächst verstehen, wie er entsteht.

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Dann handelt es sich um gerechtfertigtes Leid und nicht mehr um Übel. Ich folge hier einer Definition von Streminger: Leid kann gerechtfertigt sein (für einen höheren Zweck geschehen, notwendig sein), ein Übel ist aber per definitionem Leid, für das es keine Rechtfertigung gibt.(...)

 

Deine Argumentation basiert im wesentlichen auf zwei Punkten:

 

1). Übel ist ungerechtfertigtes Leid.

 

2). Moral ist ohne Übel nicht möglich.

 

Zu 1: Vom Grundgedanken her ok, allerdings sollte man lieber zwischen moralisch gerechtfertigten und unmoralischen Leid unterscheiden, zumal dann auch die Problematik deutlicher wird, auf die du hinaus willst.

Auch das gerechtfertigte Leid ist für mich ein Übel, wenn auch ein notwendiges.

 

Zu 2:

Wenn es kein Leid gäbe, welches nicht moralisch gerechtfertigt wäre, dann wäre jedes Leid moralisch gerechtfertigt und damit eigentlich auch jede Handlung und damit wäre eine Unterscheidung zwischen moralisch und unmoralisch sinnlos.

 

Allerdings liegt hier ein Denkfehler vor, der aus dem Vermischen unterschiedlicher Ebenen resultiert.

 

Aus der Sicht eines allwissenden Wesens heraus, kombiniert mit der Allmächtigkeit, läßt sich eine Welt konzipieren, die frei von Übel in deinem Sinne ist.

Dennoch kann es in dieser Welt, aus der Perspektive des Einzelnen, der ja nicht allwissend ist, zwischen moralisch gerechtfertigten und moralisch nicht gerechtfertigten Leid unterschieden werden.

Obwohl quasi auch das individuell zugefügte und erfahrene Leid letztendlich durch das Heilsziel etc. allgemein gerechtfertigt sein mag, kann eine konkrete Handlung moralisch ungerechtfertigt sein.

 

Nehmen wir an, wir spielen alle ein göttliches "Mensch ärgere dich nicht".

Dann mag es zwar sein, daß das Spiel als Ganzes und damit die Möglichkeit des Ärgerns etc. durch einen Zweck gerechtfertigt sein mag.

Dennoch gibt es für die Spieler die Möglichkeit das Spiel auch ohne Rauswurf und damit moralisch zu spielen (natürlich nur wenn kein Zwang zum Rauswurf besteht <_< ).

Das Leid im allgemeinen mag dann gerechtfertigt sein, nicht aber jedes konkrete Leid, welches vom Menschen zugefügt wird.

 

Weiter:

Selbst wenn wir Gott quasi nach unserem Tod verzeihen, weil wir vielleicht besser den Sinn dieser Welt und des Leides verstehen würden und getröstet würden, könnte es dennoch sein, daß wir sagen: "Ja, an diesem Menschen habe ich unmoralisch gehandelt" oder "dieser Mensch hat unmoralisch gehandelt".

 

Ähnliche Beispiele:

Dadurch das ein System als Ganzes nützlich ist, wird nicht jede konkrete Entscheidung, die in dem System getroffen wurde nützlich.

Selbst wenn die Demokratie die beste aller Staatsformen ist, werden nicht alle demokratischen Entscheidungen die besten Entscheidungen sein.

 

Die Sache sieht aus meiner Sicht daher so aus:

Die Welt mit der Möglichkeit des Leids, daher das "Mensch ärgere dich nicht"-Spiel ist gerechtfertigt und Gott damit aus dem Schneider. :unsure:

Daß wir aber die anderen ärgern, das ist etwas, was wir grundsätzlich auch anders machen könnten, womit also das konkrete Ärgern des Mitmenschen nicht gerechtfertigt, weil eben auch nicht notwendig ist. Damit sind wir nicht aus dem Schneider. :D

 

 

Gruß

Sam

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Man könnte auch sagen, dass Jesus einfach vernünftig gehandelt hat, indem er Sündenvergebung vorgelebt hat. Schuld muss nicht mehr gerächt werden.

 

Dann wäre Gott=Vernunft oder vernünftig Handeln ... erst das ergibt Sinn.

Ein Aufrechnen oder Sühneleiden nicht, mMn.

 

Ein Sühnen durch Unschuldige oder Sippenhaft wäre auch kein nachzueiferndes Beispiel.

Wie würde dann unser Strafrecht aussehen!

 

Laut Wikipedia kommt Sühne von suona = Gericht, Urteil, Gerichtsverhandlung, Friedensschluss.

 

Jemand, der aufgrund einer "bösen Tat" Wiedergutmachung in Form von Leid fordert, ist für mich ein hassender Mensch. Ist da wer, der noch nie einem anderen Menschen etwas an den Hals gewünscht hat? (Muss ja nicht gleich ein biblischer Mühlenstein sein.)

Aber AFAIK sind wir mittlerweile so weit, dass wir davon diesem Wunsch so peinlich berührt sind, dass wir ihn erst garnicht aussprechen.

 

Und wenn ich einem Gott nun keine "Lust nach Leiden des anderen" unterstelle (wie ich es dem hassenden Menschen unterstelle), dann kann es eigentlich kein "Sühneleiden" geben - also kein Leiden, was irgendwas "wieder gut" macht - Leid als vergeltung.

 

 

Sühneleid erinnert mich aber auch an diesen "Exorzismus der Emily Rose"-Film. Nun litt das Mädchen fürchterlich und sowohl im Film als auch "in echt" soll das Leiden wohl als Sühneleid gesehen worden sein.

Für mich ist das nicht mehr als eine verzweifelte Sinnsuche mit fatalem Ergebnis.

 

Und außerdem finde ich auch den Begriff "Sühneleid" als äußerst Zweifelhaft in diesem Zusammenhang. Das Mädchen soll nämlich nicht für ihre eigenen Sünden gelitten haben, sondern anstelle von anderen Personen.

 

Zusammenfassend:

- Leid für Sühne zu fordern, ist barbarisch

- Leid für Sühne anzunehmen, ist im Falle Gottes bedenklich, denn er könnte das Leid abweisen, in dem er es beendet und sich trotzdem zur Sühne überreden lässt

- Es steht Gott frei, sich auch für die Sühne zu entscheiden, ohne Leid zu fordern (auch wenn es sein eigenen/das von Jesus ist)

 

Und so bleibt bei mir der Eindruck, dass Sühne als Rechfertigung/Sinngebung für Leid benutzt wird. Und dieser Tatsache ist IMHO rein menschlichen und nicht göttlichen Ursprungs.

Du übersiehst leider, daß es auch Täter gibt, die für ihre Tat Sühne zu tun wünschen (was wiederum zu Läuterung und Genugtuung - auf beiden Seiten - führen kann).

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Wenn Schaden oder Schuld nicht durch direkte Wiedergutmachung möglich ist, wird Gerechtigkeit durch Strafe wieder hergestellt. Schuld wird gesühnt, abgetragen. Dadurch erlebt die vom Unrecht betroffene Person Genugtuung. Sühne wünschen oft auch schuldig gewordene Personen, indem sie sich durch Sonderleistungen oder Verzichte selbst bestrafen.

http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BChne

 

Einen barbarischen Gott anzunehmen, finde ich auch so erschreckend.

Wie konnten Christen so etwas glauben, wo sie doch den sich erbarmenden verzeihenden Jesus als Beispiel haben? <_<

Wieso "konnten"?

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Du übersiehst leider, daß es auch Täter gibt, die für ihre Tat Sühne zu tun wünschen (was wiederum zu Läuterung und Genugtuung - auf beiden Seiten - führen kann).

 

Ja, stimmt!

Dies übersehe ich deshalb, weil ich es überhaupt nicht nachvollziehen kann.

 

In meinem Denken hat diese Vorstellung, dass ich ein Übel durch selbstzugefügtem Leid abarbeiten kann, überhaupt keinen Platz.

 

Dies ist für mich total pervers, weil zusätzlicher Schmerz mE nichts aufwiegen kann, was leider nun mal geschehen ist.

 

Bsp.

Ich schneide meinem Sohn (aus versehen) in die Hand, dadurch habe ich ihm Schmerzen zugefügt. Es hilft niemandem, wenn ich mir nun auch absichtlich in die Hand schneide, um ihm zu zeigen ... schau, ich habe dir weh getan, ich bereue, also tue ich mir auch weh, um dir meine Reue zu beweisen.

Ich sage ihm, dass es ein Versehen war, ich zu ungeschickt war, nicht genug aufgepasst habe ... und tue alles, um das Unheil so gut wie möglich wieder "gut zu machen". Ich verbinde ihn, nehme ihn in den Arm, sage ihm, dass es mir leid tut, es nach Möglichkeit nicht wieder vorkommt, ich besser aufpassen werde und er als Entschädigung sich von mir etwas wünschen darf. Er bekommt also alles, was ich geben kann, was aber kein zusätzliches Leid verursacht.

 

Würde dir das nicht reichen?

bearbeitet von Peggy
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Wenn Schaden oder Schuld nicht durch direkte Wiedergutmachung möglich ist, wird Gerechtigkeit durch Strafe wieder hergestellt. Schuld wird gesühnt, abgetragen. Dadurch erlebt die vom Unrecht betroffene Person Genugtuung. Sühne wünschen oft auch schuldig gewordene Personen, indem sie sich durch Sonderleistungen oder Verzichte selbst bestrafen.

http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BChne

 

Einen barbarischen Gott anzunehmen, finde ich auch so erschreckend.

Wie konnten Christen so etwas glauben, wo sie doch den sich erbarmenden verzeihenden Jesus als Beispiel haben? <_<

Wieso "konnten"?

 

Weil ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, dass dieses Sühneleiden-Denken wirklich noch in Christenköpfen existieren kann.

 

Ich lese zwar oft solche Beiträge, die darauf hinweisen, vermute aber, dass diese Sühnegedanken von den Gläubigen nicht wirklich durchdacht sind.

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Du übersiehst leider, daß es auch Täter gibt, die für ihre Tat Sühne zu tun wünschen (was wiederum zu Läuterung und Genugtuung - auf beiden Seiten - führen kann).

 

Ja, stimmt!

Dies übersehe ich deshalb, weil ich es überhaupt nicht nachvollziehen kann.

 

In meinem Denken hat diese Vorstellung, dass ich ein Übel durch selbstzugefügtem Leid abarbeiten kann, überhaupt keinen Platz.

 

Dies ist für mich total pervers, weil zusätzlicher Schmerz mE nichts aufwiegen kann, was leider nun mal geschehen ist.

 

Bsp.

Ich schneide meinem Sohn (aus versehen) in die Hand, dadurch habe ich ihm Schmerzen zugefügt. Es hilft niemandem, wenn ich mir nun auch absichtlich in die Hand schneide, um ihm zu zeigen ... schau, ich habe dir weh getan, ich bereue, also tue ich mir auch weh, um dir meine Reue zu beweisen.

Ich sage ihm, dass es ein Versehen war, ich zu ungeschickt war, nicht genug aufgepasst habe ... und tue alles, um das Unheil so gut wie möglich wieder "gut zu machen". Ich verbinde ihn, nehme ihn in den Arm, sage ihm, dass es mir leid tut, es nach Möglichkeit nicht wieder vorkommt, ich besser aufpassen werde und er als Entschädigung sich von mir etwas wünschen darf. Er bekommt also alles, was ich geben kann, was aber kein zusätzliches Leid verursacht.

 

Würde dir das nicht reichen?

Ergänzung:

Körperliches Leid als Wiedergutmachung abzulehnen halte ich auch für den zivilisierten Weg.

Eine andere Form der Wiedergutmachung (Bonbon, 100 Euro) abzulehnen hingegen ist ein Zeichen für "ich bin nicht Versöhnungsbereit".

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Du übersiehst leider, daß es auch Täter gibt, die für ihre Tat Sühne zu tun wünschen (was wiederum zu Läuterung und Genugtuung - auf beiden Seiten - führen kann).

 

Ja, stimmt!

Dies übersehe ich deshalb, weil ich es überhaupt nicht nachvollziehen kann.

 

In meinem Denken hat diese Vorstellung, dass ich ein Übel durch selbstzugefügtem Leid abarbeiten kann, überhaupt keinen Platz.

 

Dies ist für mich total pervers, weil zusätzlicher Schmerz mE nichts aufwiegen kann, was leider nun mal geschehen ist.

 

Bsp.

Ich schneide meinem Sohn (aus versehen) in die Hand, dadurch habe ich ihm Schmerzen zugefügt. Es hilft niemandem, wenn ich mir nun auch absichtlich in die Hand schneide, um ihm zu zeigen ... schau, ich habe dir weh getan, ich bereue, also tue ich mir auch weh, um dir meine Reue zu beweisen.

Ich sage ihm, dass es ein Versehen war, ich zu ungeschickt war, nicht genug aufgepasst habe ... und tue alles, um das Unheil so gut wie möglich wieder "gut zu machen". Ich verbinde ihn, nehme ihn in den Arm, sage ihm, dass es mir leid tut, es nach Möglichkeit nicht wieder vorkommt, ich besser aufpassen werde und er als Entschädigung sich von mir etwas wünschen darf. Er bekommt also alles, was ich geben kann, was aber kein zusätzliches Leid verursacht.

 

Würde dir das nicht reichen?

 

Zusatz:

 

Und wenn ich absichtlich meinem Sohn in die Hand geschnitten hätte um ihm zu schaden, so bin ich so krank im Kopf, dass man ihn mir sofort wegnehmen muss.

Man muss also Opfer vor Tätern schützen, ganz klar! Dafür haben wir ja entsprechende Anstalten.

 

Wenn ich einsehe, dass mein Verhalten krank ist/war, werde ich bereuen und es nicht mehr tun und verhalte mich, wie oben beschrieben.

Dann brauche ich auch keine Bestrafung mehr.

Werde ich bestraft, ohne dass ich es einsehe, nützt es auch nichts, und man kann mir meinen Sohn nicht zurückgeben. Eine Bestrafung an sich bedingt nicht automatisch ein Erkennen von Schuld!

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Ergänzung:

Körperliches Leid als Wiedergutmachung abzulehnen halte ich auch für den zivilisierten Weg.

Eine andere Form der Wiedergutmachung (Bonbon, 100 Euro) abzulehnen hingegen ist ein Zeichen für "ich bin nicht Versöhnungsbereit".

 

Ja, eine Form der Wiedergutmachung kann man gerne voraussetzen, dagegen habe ich nichts.

Dies betrachte ich als selbstverständlich nach dem Bereuen der Tat.

 

Doch ohne Einsicht, dass man etwas Schädigendes getan hat, nutzt es eben nichts, die zu fordern - dies fördert noch nicht mal die Einsicht, sondern kann sie sogar behindern.

Kranke Täter denken oft: "Jetzt erst recht! Die schädigen mich, obwohl ich nix Schlimmes gemacht habe!"

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Ergänzung:

Körperliches Leid als Wiedergutmachung abzulehnen halte ich auch für den zivilisierten Weg.

Eine andere Form der Wiedergutmachung (Bonbon, 100 Euro) abzulehnen hingegen ist ein Zeichen für "ich bin nicht Versöhnungsbereit".

 

Ja, eine Form der Wiedergutmachung kann man gerne voraussetzen, dagegen habe ich nichts.

Dies betrachte ich als selbstverständlich nach dem Bereuen der Tat.

 

Doch ohne Einsicht, dass man etwas Schädigendes getan hat, nutzt es eben nichts, die zu fordern - dies fördert noch nicht mal die Einsicht, sondern kann sie sogar behindern.

Kranke Täter denken oft: "Jetzt erst recht! Die schädigen mich, obwohl ich nix Schlimmes gemacht habe!"

Okay, ich hätte noch dazu formulieren sollen:

Wenn der "Täter" Wiedergutmachung anbietet.

Ein Opfer, das auf Wiedergutmachung angewiesen ist, ist sowieso in einer Bedauernswerten Lage (weil dieses "angewiesen sein" eben bedeutet, dass der Seelenfrieden von etwas abhängig gemacht wird).

Für das Opfer ist es immer am besten, wenn es einfach so vergeben kann.

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Okay, ich hätte noch dazu formulieren sollen:

Wenn der "Täter" Wiedergutmachung anbietet.

Ein Opfer, das auf Wiedergutmachung angewiesen ist, ist sowieso in einer Bedauernswerten Lage (weil dieses "angewiesen sein" eben bedeutet, dass der Seelenfrieden von etwas abhängig gemacht wird).

Für das Opfer ist es immer am besten, wenn es einfach so vergeben kann.

 

Ja, genau! <_<

 

Darum geht es uns ja.

 

In meinem Beispiel würde ein weiser Sohn sagen: "Hey Mami, lass den Quatsch! Brauchst mir kein Entschädigungsgeschenk anzubieten, denn ich weiß doch, dass du es nicht absichtlich gemacht hast! Du willst mich doch nicht damit beleidigen, dass ich dir unterstellen könnte, du hättest mir bewußt in die Hand schneiden wollen! Ich kenne dich doch und weiß, dass du so etwas nie machen würdest!"

 

Der Sohn hat also auch ohne Entschädigung/Wiedergutmachung/Sühne mir vergeben, weil er weiß, dass mir mein Verhalten sehr leid tut und ich es nicht wiederholen will.

 

Ein allwissender und allmächtiger Gott müsste uns sowieso kennen, da erübrigt sich Sühneleiden erst recht.

Unfreiwillige Sühne ohne echte Buße bringt nichts und freiwilliges Sühneleiden erübrigt sich sowieso.

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Weiter:

Selbst wenn wir Gott quasi nach unserem Tod verzeihen, weil wir vielleicht besser den Sinn dieser Welt und des Leides verstehen würden und getröstet würden, könnte es dennoch sein, daß wir sagen: "Ja, an diesem Menschen habe ich unmoralisch gehandelt" oder "dieser Mensch hat unmoralisch gehandelt".

Sagen können wir viel, wenn der Tag lang ist. <_<

Nach der Art, wie Volker die leidfreie Welt konstruiert hat, würde das aber keinen Sinn ergeben.

 

Mir fällt auf:

Du benutzt im Prinzip hier in Deinem ganzen Beitrag letztlich das gleiche Argumentationsschema wie wenn Du versuchst, den freien Willen in einem strikten Determinismus aufrechtzuerhalten.

Die Form der Freiheit, die wir dort dann nur hätten (als Illusion gemessen an der Wirklichkeit, wo es diese nicht gäbe), entspricht der Illusion, wir würden moralisch handeln können hier in dieser Frage.

 

Klar - im praktischen Leben macht beides keinen Unterschied, da beides zu komplex wäre - ein Berechenbarkeitsproblem, oder wenn Du willst: Ein Problem der prinzipiellen Erkennbarkeit der zu Grunde liegenden Gesetzmäßigkeiten.

 

Wer hier aber nun die Ebenen durcheinanderbringt, bist Du:

 

Auf der Ebene der rein akademischen Fragestellung von Volker, was aus der Unmöglichkeit von objektiv ungerechtfertigtem Leid folgen würde, sind seine Argumente schlüssig.

(Analog: Aus objektivem Determinismus folgt die Unmöglichkeit eines objektiv freien Willens)

 

Auf der Ebene des kleinen Menschlein, das sich irgendwie mit seinem unvollkommenen Erkenntnisapparat durch die Welt schlägt, sieht natürlich die Illusion des freien Willens wie freier Wille aus und die Illusion von der Notwendigkeit, sich moralisch zu verhalten wie eben diese Notwendigkeit aus.

Darauf willst Du mit Deinem "Mensch, ärgere nicht Spiel" hinaus, wenn ich Dich recht verstehe.

 

Nun müsstest Du dann aber konsequenter Weise auch sagen:

Für uns hier in unserem kleinen Rahmen Spielende existiert dann auch ungerechtfertigtes Leid - wir haben zwar vielleicht nur die Illusion davon (wie die des freien Willens), aber da dies für uns ununterscheidbar ist, können wir gar nicht anders, als eine Moral zu entwicklen, um uns orientieren zu können.

 

Du kannst aber an dieser Stelle nicht einfach die Ebene wechseln und sagen, diese Moral sei dann doch irgendwie aus dem, was Du für die wirkliche Welt hältst, ableitbar - wenn Du gleichzeitig zugibst, daß Volker mit seiner Argumentation, was allein diese "wirklichen Welt" angeht, schon recht hätte.

Das tust Du nämlich im Falle Determinismus auch nicht.

 

 

Wenn sie aber nicht daraus ableitbar ist, dann wäre sie beliebig (=> Nihilismus), wenn es außer dieser "höheren Wahrheit", die Du aber nach Deiner eigenen Ansicht gar nicht verstehen kannst, nicht andere Kriterien gäbe, die auch für uns begrenzte Menschlein verstehbar und prüfbar wären.

(Für Atheisten und Theisten in gleichem Maße)

 

Christen meinen nun aber, sie hätten einen (nicht näher bestimmten) Zugang zu diesem Wissen und bauen ihre Moral auf diesem angeblichen Wissen über eine transzendente Gottheit auf.

 

Bzw. die redlicheren von Euch wissen, daß es sich letztlich auch dabei nur um Spekulationen handeln kann, da Gott prinzipiell nicht erkennbar ist.

 

Eine dieser Spekulationen ist, daß Gott kein ungerechtfertigtes Leid zulassen würde - daß alles am Ende einen "Sinn" macht, wir den bloß (noch) nicht verstehen.

 

Unabhängig nun davon, ob die Spekulation richtig oder falsch ist, hat Volker nun aber gezeigt, daß, wenn man sie als wahr annimmt, daß dann im Punkt "gerechtfertigtes Leid" dieser Weg nicht nur nicht mehr Autorität Eurer Weltanschauung generieren würde, sondern ein gütiger Gott im Sinne Eures eigenen Glaubensverständnisses sogar die Möglichkeit einer Moral überhaupt vollständig zerstören würde (=> wiederum Nihilismus).

 

 

 

Gruß Ralf

bearbeitet von Rinf
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Auf der Ebene des kleinen Menschlein, das sich irgendwie mit seinem unvollkommenen Erkenntnisapparat durch die Welt schlägt, sieht natürlich die Illusion des freien Willens wie freier Wille aus und die Illusion von der Notwendigkeit, sich moralisch zu verhalten wie eben diese Notwendigkeit aus.

Gruß Ralf

Von einer Notwendigkeit lese ich bei Sam nichts.

 

Wenn ein Waffenhändler einem Jugendlichen eine Pumpgun verkauft, damit dieser sich selbst verteidigen kann und anschliessend komme ich durch eben diese Waffe bei einem Amoklauf des Jugendlichen ums Leben - bin ich dann postmortal auf den Waffenhändler sauer, oder auf den Jugendlichen oder auf beide?

 

Der Waffenhändler hat Schuld am unmoralischen Leid und der Schüler hat Schuld am unmoralischen Leid.

 

Nun mag es sein, dass der Waffenhändler einen höheren Zweck verfolgt hat (übersteigt zwar meine Phantasie, aber es reicht ja die Hypothese) - dann ist das Leid aus Sicht des Waffenhändlers gerechtfertigt, aus Sicht des Jugendlichen aber nicht.

 

Rest bitte selber ausfüllen - ich muss zum Zug <_<

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Wenn Schaden oder Schuld nicht durch direkte Wiedergutmachung möglich ist, wird Gerechtigkeit durch Strafe wieder hergestellt. Schuld wird gesühnt, abgetragen. Dadurch erlebt die vom Unrecht betroffene Person Genugtuung. Sühne wünschen oft auch schuldig gewordene Personen, indem sie sich durch Sonderleistungen oder Verzichte selbst bestrafen.

http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BChne

 

Einen barbarischen Gott anzunehmen, finde ich auch so erschreckend.

Wie konnten Christen so etwas glauben, wo sie doch den sich erbarmenden verzeihenden Jesus als Beispiel haben? <_<

Wieso "konnten"?

 

Weil ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, dass dieses Sühneleiden-Denken wirklich noch in Christenköpfen existieren kann.

 

Ich lese zwar oft solche Beiträge, die darauf hinweisen, vermute aber, dass diese Sühnegedanken von den Gläubigen nicht wirklich durchdacht sind.

Es scheint eine hübsche Marotte von Euch Typen zu sein, bei allem, was nicht sofort in Eurem Schädel Platz findet, Denkfaulheit oder -unfähigkeit zu vermuten. Vielleicht überanstrengt es Dich ja wirklich, zu akzeptieren, daß Leute wie Du nicht das allgemeingültige Maß des Denkens sind. Gehab Dich wohl und werde recht glücklich mit Leuten, denen Du wenigstens mit genügend Benehmen gegenübertrittst, daß Du ihnen Denken zutraust.

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Auf der Ebene des kleinen Menschlein, das sich irgendwie mit seinem unvollkommenen Erkenntnisapparat durch die Welt schlägt, sieht natürlich die Illusion des freien Willens wie freier Wille aus und die Illusion von der Notwendigkeit, sich moralisch zu verhalten wie eben diese Notwendigkeit aus.

Gruß Ralf

Von einer Notwendigkeit lese ich bei Sam nichts.

Hast recht: Möglichkeit.

Reicht aber für meine Argumentation, denn Volker sagt, daß schon die Möglichkeit nicht mehr gegeben sei, unter seinen Prämissen eine sinnvolle Moral zu entwickeln.

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