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Welcher Christ glaubt wirklich noch im engeren Wortsinne?


Sokrates

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richtig mecky, ein total entmythologisierter christ würde in etwa folgendes glauben: wenigstens um sich für das phyllisische vernunft-zertifikat zu qualifizieren :angry2:
  • jesus war mensch und nicht gott. die gottheit ist ihm später angedichtet worden (es gibt gute hinweise dazu).
  • es gab keine jungfrauengeburt.
  • jesus ist gestorben und nicht auferstanden, oder war nach der kreuzigung scheintot (ergibt sich aus punkt 1).
  • seine lehre ist ein mischmasch aus selbst gesagtem, älterem gedankengut das er aufgegriffen haben mag, und später ihm angedichteten. als christ kann man selbstverständlich die ganze packung als ethisches grundgerüst so akzeptieren und befolgen, wie es die kirche heute lehrt.
  • wunder hat jesus keine vollbracht, es handelt sich wohl um täuschungen (ergibt sich aus punkt 1).
  • über gott und über ein leben nach dem tod kann man keine aussage machen. ebensowenig über den teufel, engel und andere merkwürdige figuren die noch so herumschwirren.
  • ein christ ist mitglied in der kirche, um einer gemeinschaft anzugehören, und weil die kirche einem halt gibt und sozial stabilisierend ist (ich selber würde „ist“ mit „sein kann“ ersetzen, aber der idee zustimmen).
  • die kirche fusst und begründet sich auf die gedanken jesu (siehe punkt 4). es gibt keinen physischen verzehr seines fleisch + blut durch die kommunion (wir sind doch keine kannibalen).
  • das alte testament ist jüdisches gedankengut und für christen irrelevant. insbesondere scheint mir das in einem punkt sehr wichtig zu sein. die mmn negativsten auswüchse des christentums, nämlich gegen homosexualität und die diskriminierung der frauen, stammen aus dem AT.
  • auch die ablehnung der künstlichen verhütung würde sich ein entmythologisierter christ nochmals durch den kopf gehen lassen. jesus hat bestimmt nix dazu gesagt. :angry2:

das problem ist dann aber mmn, ob so eine total entmythologisierte verwässerte kuschelreligion überlebensfähig ist.

Eben nicht! Aber das wollen nur wenige - wie etwa Sokrates (und der auch nur nach langem Ringen!) - wirklich wahr haben. Viele sehen gerade darin irrtümlicherweise den Erfolg versprechenden Versuch, das Christentum in die Moderne zu retten und ahnen nicht, dass sie damit zum eigentlichen Totengräber des Glaubens werden. Ich denke, phyllis hat sehr offen und anschaulich die Positionen, die aus radikaler Entmythologisierung folgen, dargestellt.

 

der logische nächste denkschritt wäre wohl der agnostizismus.
Genau!
soviel ich weiss haben vor allem religionen und sekten grossen zulauf die sich klar abgrenzen vom gesellschaftlichen mainstream. die oben dargestellte mythenfreie religion tut dies natürlich nicht. und glaubenschwund = kirchenschwund. somit ist der papst vllt wesentlich kleverer als wir denken, wenn er eine harte reaktionäre linie fährt mit piusfritzen und dergleichen. von dorther soll die mythische bereicherung kommen, denn von den kuschelchristen kommt diesbezüglich eben nix. und die kirche muss sich vom mainstream abgrenzen, wenn sie überleben will. sie muss exklusives anbieten. die kuschelchristen tun das nicht (mehr). ihre moral ist austauschbar mit dem humanismus.
Grundsätzlich richtig gedacht, bis auf die Frage, ob dieser "Anti-Mainstream" unbedingt in Gestalt der Piusse sein muss, ich denke, da sind auch ansprechendere Varianten denkbar bzw. schon vorhanden.

 

fazit: langfristig wird die kirche weiterschrumpfen und dadurch fundamentalistischer. nur wegen ihrer folkloristischen abteilung, zuständig für hochzeiten und beerdigungen, werden nach wie vor relativ viele passiv-mitglieder verbleiben. die trennung von staat und kirche wird in den meisten ländern endgültig vollzogen.
Sehr realistische Sicht, die ich durchaus teile.
bleibt zu hoffen, dass es im islam auch so läuft.
Hoffen kann man viel, man darf aber nicht übersehen, dass der Islam ein ganz anderes Grundverständnis von Politik hat als das Christentum, da der Islam von Anfang an Politik als TEil der Religion ansah, während entsprechende Gedanken im Christentum erst später und im Widerspruch zum Evangelium auftauchten.
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Ich halte die hier diskutierte Frage für die Identität des Christentums für sehr wichtig, ja ich meine sogar, dass hier zwei sehr verschiedene Gottesbilder aufeinander prallen:

 

Zum einen das Gottesbild von einem Gott, der tatsächlich physisch in den Lauf der Geschichte eingreift (Wunder, Menschwerdung, Auferstehung) und zum anderen das Bild eines Gottes, dessen Einwirken sich darauf beschränkt, durch Eingebung bzw. Entstehenlassen "motivierender Mythen" das Bewusstsein der Menschen, denen diese Mythen wichtig sind, zu prägen.

 

Es geht letzlich um die Frage, ob wir den Satz "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt (Joh 1,14)" glauben oder ablehnen.

 

Um den Unterschied mit einem Beispiel zu verdeutlichen: Man könnte etwa den "Mauerfall" vom 9. November 1989 als "Mythos" entlarven, den es in Wirklichkeit nie gegeben habe, ihm aber dadurch eine wichtige Funktion beimessen, dass dieser Mythos die Menschen motiviere, sich für das Einstürzen verschiedenster geistiger und materieller Mauern zu engagieren. Ein solcher Mythos könnte durchaus eine gewisse geschichtsmächtige Wirkkraft entfalten ähnlich den Mythen antiker Kulturen. Er wäre aber doch noch etwas anderes als die Überzeugung, dass am 9. November des Jahres 1989 tatsächlich eine reale Diktatur zum Einsturz gebracht wurde und die Menschen hautnah Freiheit erleben durften.

 

Das Christentum versteht sich allerdings von Anfang an nicht als "Mythensammlung", sondern als Erfahrungsbericht von einem geschichtlich wirkenden Gott, der allerdings literarisch gesehen durchaus mit mythologischen Elementen gewürzt ist - etwa Schöpfungsgeschichte oder Buch der Offenbarung - ohne dass diese mythologischen Stränge den eigentlichen Kern des Glaubens ausmachen. Würde man das Christentum seiner historischen Dimension berauben, würde man es in der Tat entkernen und dem Tode weihen. Die "Entmythologisierung" hat aber genau diesen gefährlichen Prozess in Gang gesetzt, den es - will man das Christentum retten - zu verhindern gilt.

bearbeitet von Udalricus
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Long John Silver

Eine Frage geht mir durch den Kopf:

 

Warum eigentlich diese Vergoetzung der Aufklaerung und der daraus erfolgende Kotau von Christen vor dem Atheismus?

 

Ich empfinde diese Haltung als sehr unangenehm, dieses Gewinsel: "Haltet uns doch bitte nicht fuer irrational, schaut her, wir sind vernuenftig!"

 

Damit kann ich nichts anfangen, egal aus welcher religioesen Ecke ich es anschaue.

 

Man muss genau hinsehen, was man aufgeben kann, weil ueberfluessig, und wo ein Aufgeben ein sinnloses Opfer auf irgendeinem Altar ist, an dem zu beten es nicht lohnt, ein Ausverkauf nach dem Motto: Weil es anderen bedeutungslos ist, wird es mir auch bedeutungslos.

 

Dazu waere ich z.B. zu egoistisch.

 

Fuer mich waere stets die Frage: Welchen Anspruechen gehorche ich da, woher und von wem kommen die ueberhaupt? Wem und welcher Auffassung raeume ich ein gewisses Recht ein, mich ueberhaupt zu befragen, warum ich dies oder jenes glaube oder nicht?

bearbeitet von Long John Silver
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allerdings ist das "davonlaufen" von menschen kein hinreichendes kriterium um den wert oder unwert, die wahrheit oder unwahrheit einer lehre festzustellen.

Prinzipiell nicht- aber wer glaubt, das Gute, die Wahrheit würde Massenzulauf erhalten verkennt die menschliche Natur ein wenig. Wer den Menschen das "Blaue" vom Himmel verspricht, den Leuten "Zucker" im Sinne von materiellem Wohlergehen verspricht (ob´s wahr ist oder nicht) der kann eher mit Zulauf rechnen als jemand der sagt: "Wer mein Jünger sein will, nehme sein Kreuz auf sich und muss mit Verfolgung rechnen".

im übrigen ist der auzug der menschen aus der kirche nicht die folge des konzils, ich bin der überzeugung, dass dieser auszug noch stärker ausgefallen wäre, wenn es das konzil nicht gegeben hätte.

Dem stimme ich zu. Allerdings wird von Konzilsgegnern daraus der Vorwurf konstruiert, das Konzil sei verfehlt oder unnötig, weil es den Auszug aus der Kirche und den Glaubensverfall nicht aufgehalten hätte.

 

die problem sind schon viel früher grundgelegt worden. die kirche hat im 19. jh. den bezug zur realen welt weitgehend verloren. die folgen zeigen sich natürlich immer erst generationen später.

Ich konstatiere eher, dass die philosophen Strömungen der letzten Jahrhunderte eine "Emanzipation von Gott" im negativen Sinne herbeiführten: Wir brauchen keinen Gott- wir machen uns das Leben selbst schön- und ein Paradies gibt´s nur auf Erden.

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dieser Kniefall wird nichts bringen aber es wird noch etwas dauern bis das allen in der kath. Kirche bewußt wird

In den Gwemeinschaften der reformation ist das anders da gab und gibt es immer einen übergroßen Flügel der sich der gerade modern en Strömung anpaßt allerdings auch einen kleinen sehr widerstandsfähigen flügel die Evangelikalen ,

dagegen ist die FSSPX ja direkt liberal

tja und die Orthodoxen sind zwar immer sehr gut mit der Staatsmacht aber sie sind Immun gegen den Geist der Aufklärung

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... tja und die Orthodoxen sind (...) Immun gegen den Geist der Aufklärung

... und zwar schon seit jeher.

Die Aufklärung beginnt meiner Meinung nach nicht erst im 17. Jahrhundert, sondern schon vorher, als die Theologen glaubten, durch "Logik", "Vernunft" und den "rechten Gebrauch des Verstandes" solch wesentliche Dinge "wissenschaftlich zu erklären" wie etwa "wie wird aus einer Oblate der Leib Christi", oder "wie hat das funktioniert, dass Maria den Sohn Gottes empfangen hat" und ähnliche "wichtige Fragen der Menschheit"

 

Das war der Beginn der Aufklärung und der Entmythologisierung des Christentum.

 

Die Orthoodoxie hat so etwas immer für Übel gehalten. Sie weigert sich nicht nur, die westlichen "Erklärungen" zu akzeptieren (Ablehnung der Dogmen), sie weigert sich schon, überhaupt nach solchen Erklärungen zu suchen, weil es sie eben nach menschlichen Maßstäben gar nicht geben kann.

 

Und wenn heute manche Kirchenmänner gegen die Aufklärung schimpfen: Der Vorwurf ist nicht an Rousseau und Kollegen zu richten, sondern fällt auf die lateinische Kirche zurück.

 

Werner

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Mit der Orthodoxie hast du recht sie war und ist gegen Veränderung imun

Die Veränderung ist ein ganz anderes Thema. Und das wäre nun umgekehrt eines, bei dem sich die Orthodoxie ein Scheibchen vom Westen abschneiden könnte. Im Osten läuft die Kirche nämlich Gefahr, über kurz oder lang zu einer völlig von Welt und Menschen losgelösten Eigenveranstaltung zu werden.

 

Hier die Welt und die Menschen - dort die Kirche und Gott, und beides hat eigentlich keine Berührungspunkte mehr, das kann auch nicht die Lösung sein.

 

Werner

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Eine Frage geht mir durch den Kopf:

 

Warum eigentlich diese Vergoetzung der Aufklaerung und der daraus erfolgende Kotau von Christen vor dem Atheismus?

 

Ich empfinde diese Haltung als sehr unangenehm, dieses Gewinsel: "Haltet uns doch bitte nicht fuer irrational, schaut her, wir sind vernuenftig!"

 

Damit kann ich nichts anfangen, egal aus welcher religioesen Ecke ich es anschaue.

 

Man muss genau hinsehen, was man aufgeben kann, weil ueberfluessig, und wo ein Aufgeben ein sinnloses Opfer auf irgendeinem Altar ist, an dem zu beten es nicht lohnt, ein Ausverkauf nach dem Motto: Weil es anderen bedeutungslos ist, wird es mir auch bedeutungslos.

 

Dazu waere ich z.B. zu egoistisch.

 

Fuer mich waere stets die Frage: Welchen Anspruechen gehorche ich da, woher und von wem kommen die ueberhaupt? Wem und welcher Auffassung raeume ich ein gewisses Recht ein, mich ueberhaupt zu befragen, warum ich dies oder jenes glaube oder nicht?

Hallo LJS, muss es denn wirklich unbedingt ein Kotau vor den Ansprüchen anderer sein?

Für mich ist es das nicht, ich habe das auch in mir, ziemlich genau so, wie du es im letzten Absatz schreibst: als Frage, die aus mir selber kommt, als Anspruch an mich selber.

Ich w i l l verstehen, auch rational - und ich weiß das inzwischen auch, dass es Wege zu denken gibt, wo auch dieses Verstehen wachsen kann ohne dass man deswegen etwas aufgeben muss, was man nicht aufgeben darf.

 

Die Welt, die Wirklichkeit ist e i n e. Und solange da überall Spalten und Klüfte sind zwischen Denken und Fühlen und Intuition und Sinneswahrnehmungen, ist unser Erkennen noch nicht fertig. Und müssen alle Fragen gestellt werden dürfen und müssen ernst genommen werden. Das bin ich mir sicher.

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Mit der Orthodoxie hast du recht sie war und ist gegen Veränderung imun

Die Veränderung ist ein ganz anderes Thema. Und das wäre nun umgekehrt eines, bei dem sich die Orthodoxie ein Scheibchen vom Westen abschneiden könnte. Im Osten läuft die Kirche nämlich Gefahr, über kurz oder lang zu einer völlig von Welt und Menschen losgelösten Eigenveranstaltung zu werden.

 

Hier die Welt und die Menschen - dort die Kirche und Gott, und beides hat eigentlich keine Berührungspunkte mehr, das kann auch nicht die Lösung sein.

 

Werner

das tun die orthosdoxen sicher nicht nach dem Trauerspiel das der westen seit 50 jahren bietet

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Justin Cognito
Inspiriert durch den Thread über "Glaubensschwund und Kirchenverdunstung" möchte ich eine Frage aufs Tapet bringen, die in einer GG-Diskussion sicher zu weit führen würde, die sich aber für mich nach Lesen jenes Threads (und meinen eigenen Erfahrungen in letzter Zeit) geradezu aufdrängt: Wer glaubt wirklich noch die Kernsätze des katholischen Glaubens, als da wären: Auferstehung von Jesus Christus von den Toten, dadurch vollzogene "Erlösung" des Menschen und die tatsächliche Existenz von Jesus Christus in der gewandelten Hostie.

 

Wer es wirklich und uneingeschränkt noch tut - und dieses Argument bekam ich selber von denen oft genug zu hören - sind diejenigen, die auch glauben, ein Reserl von Konnerreuth könne jahrelang ohne Nahrung leben, ein Pater Pio könne an zwei Orten gleichzeitig sein, oder in Medjugorje würde jede Woche Maria höchstpersönlich Anleitungen für ein besseres Leben verkünden. Das sind diejenigen Gläubigen, die, unberührt von der Neuzeit, bei einem magischen Weltbild aus voraufklärerischer Zeit stehen geblieben sind (was ihre Feindschaft gegen Aufklärung und überhaupt die Moderne hinreichend erklärt).

 

Meines Erachtens vermischt du hier zwei Aussage-Ebenen. Beim Glauben an die Auferstehung oder die Transsubstantiation geht es um Erfahrungen mit Gott, die nicht nur unsere Alltagserfahrung sprengen, sondern sich mit den Mitteln unserer Erfahrungs-Wortschatzes überhaupt nicht mehr ausdrücken lassen: wir haben keine Worte dafür, was nach dem Tod und außerhalb der Abläufe dieser Welt ist. Gott übersteigt letztlich unsere Möglichkeiten ihn zu begreifen. Wir können ihn aber bruchstückhaft erfahren und diese Erfahrung (sicherlich defizitär) in Bildsprache ausdrücken. Diese Erfahrung hat das Volk Israel gemacht, diese Erfahrung haben die Apostel gemacht und diese Erfahrung machen gläubige Menschen wohl auch heute noch immer wieder. Wir erleben die Wirklichkeit des Glaubens, können sie aber immer nur in Worten und Bildern ausdrücken.

 

Bei Bilokation, Erscheinungen oder dem Leben ohne physischer Nahrung handelt es sich hingegen um Erfahrungen, die zwar ungewöhnlich und auch unerwartet sind, die sich aber grundsätzlich mit den Mitteln unserer Alltagserfahrung beschreiben und letztlich an ihr messen lassen müssen. Hier kann man sicherlich zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen. Sie können helfen den Glauben zu vertiefen, sind Hinweise auf eine tiefere Wirklichkeit aber letztlich nicht diese Wirklichkeit selbst.

 

Bei allen anderen Katholiken gibt es naturgemäß eine mehr oder weniger ausgeprägte Entmythologisierung. Meine Frage (bzw. meine Diskussionanregung) nun: Ist eine solche Entmythologisierung überhaupt widerspruchsfrei möglich, oder landet man, wie ich selber, zwangsläufig irgendwann einmal bei der Erkenntnis, dass man sich eigentlich nur jahrelang was in die Tasche gelogen hat? Indem man ihrem Wesen nach eigentlich magische Dinge so dialektisiert hat, dass sie zwar mit der Vernunft nicht mehr im Widerspruch standen, dafür aber auch nicht mehr wirklich etwas bedeuteten. (Was dann auch eine perfekte Erklärung für die in den GG diskutierten Schwunderscheinungen wäre).

 

Oder für Gläubige konstruktiver gefragt: Wo könnte eine solche Entmythologisierung enden, ohne zu den Konsequenzen zu führen, die mir unausweichlich vorkommen?

 

Entmythologisierung bedeutet nun nicht nur, dass unsere Alltagserfahrung "aufgehellt" wird, weil manche der uns oder unseren Vorfahren unverständliche Dinge (z.B. das Entstehen von Gewittern) im Laufe der Zeit (naturwissenschaftlich) verständlich werden. Entmythologisierung bedeutet nämlich nicht nur, dass ungewöhnliche Erfahrungen unserer Alltagswirklichkeit rational erklärt werden sollen. Das hat auch seine Bedeutung, aber Entmythologisierung bedeutet mehr. Entmythologisierung betrifft im Religiösen gerade auch jenen Bereich, in dem die Sprache unserer Alltagserfahrung nicht mehr ausreicht und schweigen muss. Wo Bildsprache einsetzt. Wo die entscheidende Frage lautet: soll unsere Bildsprache vom Logos oder vom Mythos getragen sein. In der Geschichte des Christentums (und schon des Judentums) hat es immer beide Ansätze gegeben. Entmythologisierung bedeutet nun, dass sich die Bilder des Mythos in rationalen Bildern ausdrücken lassen. Darin liegt meines Erachtens tatsächlich eine Gefahr, weil damit das Unbeschreibbare rationalisiert und versachlicht wird* - aber das hat nichts damit zu tun, dass es weg-erklärt werden würde.

 

*und bei manchen christologischen Entwürfen hab ich tatsächlich das Gefühl, dass es kaum einen Unterschied macht, ob nun gerade die beiden Naturen Christi oder der Zusammenbau eines Ikea-Möbel erklärt wird.

bearbeitet von Justin Cognito
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Long John Silver
Hallo LJS, muss es denn wirklich unbedingt ein Kotau vor den Ansprüchen anderer sein?

Für mich ist es das nicht, ich habe das auch in mir, ziemlich genau so, wie du es im letzten Absatz schreibst: als Frage, die aus mir selber kommt, als Anspruch an mich selber.

Ich w i l l verstehen, auch rational - und ich weiß das inzwischen auch, dass es Wege zu denken gibt, wo auch dieses Verstehen wachsen kann ohne dass man deswegen etwas aufgeben muss, was man nicht aufgeben darf.

 

Die Welt, die Wirklichkeit ist e i n e. Und solange da überall Spalten und Klüfte sind zwischen Denken und Fühlen und Intuition und Sinneswahrnehmungen, ist unser Erkennen noch nicht fertig. Und müssen alle Fragen gestellt werden dürfen und müssen ernst genommen werden. Das bin ich mir sicher.

 

Vielleicht sollte ich zuerst naeher erlaeutern, was fuer mich rationale Vorgehensweise mit religioesen Themen sind. Z.B.das Erforschen von Zusammenhaengen in Religionen, Exegese etc., Wissen ueber die Urspruenge von Texten, ihre historische und kulturelle Entstehung etc., Erkennen von religoesen Strukturen etc. Ich selbst mache das niemals mit der Intention, (meine) Glaubensinhalte zu untermauern oder zu beweisen oder rational zu begruenden. Ich interessiere mich nicht fuer Exegese, weil ich nach Argumenten fuer Glaubensinhalte suche. Das ist mir fremd. Es handelt sich hier um ein Wissensgebiet, auf das ich neugierig bin, weil ich mich fuer Religionen und ihre Strukturen interessiere.

 

Ich schrieb weiter vorn, dass ich es absolut wichtig finde, die eigenen Glaubensinhalte zu reflektieren. Schon deshalb, wenn man sie weitergeben will. Das hilft natuerlich Wissen und seine Erarbeitung, wie ich sie eben geschildert habe, denn ich halte es fuer sehr wichtig, die Zusammenhaenge der Symbole zu kennen, auf denen meine eigene Religion ruht, und meine Religion in der Gesamtheit aller Religionen richtig einordnen zu koennen. Und ich persoenlich kann mir keine Begrenzung vorstellen, was Fragen betrifft, die ergeben sich sich eben aus der Beschaeftigung mit diesen Dingen, und das macht diese Beschaeftigung damit so spannend, dass sie eine Entwicklung beinhaltet.

 

Ich meinte aber eine andere Ebene als diese beiden:

Es ist kein Problem rational begruenden, warum man religioes ist. Problematisch wird es, wenn es um die konkreten Inhalte geht, ob man die rational begruenden kann. Da scheint mir eindeutig: fuer eine Begruendung dieser Inhalte ist die Rationalitaet, wie ich sie sonst anwende, nicht das geeignete Werkzeug. Ich werde auf diese Art scheitern. Eine Vergoetzung der Rationalitaet sehe ich dort, wo ich nicht erkenne, dass nicht die ungeeignete Verwendung dieses Werkzeugs der Grund fuer das Scheitern ist, sondern wo ich behaupte, die Inhalte seien schuld, weil sie falsch seien und deshalb nicht begruendbar und vermittelbar. Da muss ich mich nicht wundern, wenn meine religioese Einstellung ins Bedeutungslose versinkt, verdunstet, wenn ich dieses Scheitern bewusst zulasse. Denn wie bereits gesagt - diese versuchte Quadratur des Kreises klappt nicht.

 

Also, Anspruch habe ich auch, in der Richtung, mich zu bilden und immer mehr Wissen zu bekommen, ueber das, was ich fuer wichtig halte, und mich selbst dabei absolut ernst zu nehmen und an erste Stelle zu setzen.

bearbeitet von Long John Silver
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Es gibt Definitionen des Begriffes Magie in religioesen Vollzuegen, anthropologische, psychologische. Ich gehe davon aus, dass man sich im grossen und ganzen einig ist, was mit Magie gemeint ist, wenn ich gleichzeitig von der Eucharistie rede, naemlich von der Uebereinkunft einer Gruppe Menschen, dass ihr durch einen von ihr akzeptierten Vermittler Zugang zu einer goettlichen Ebene gelingt, die sie ohne diesen Mittler (Priester) nicht erreichen wuerde, und dass das Ergebnis des Vorgangs sich aus dieser Uebereinkunft speist. Und dieser Vorgang hat diesselbe Struktur, egal ob es sich hierbei um einen Schamanen handelt, der als Mittler fungiert, oder um einen katholischen Priester, und er beruht auf Macht. Und Macht ueber einen spirituellen Bereich, zu dem die "normalen" Leute keinen eigenen Zugang haben, ist ebenfalls ein Merkmal von magischen Ritualen. Sonst wuerden sie nicht funktionieren.

 

Es gibt aber einen Unterschied in der Definition von Magie im Christentum und anderen Religionen:

 

Im Christentum wird alles Übernatürliche alleine durch den Willen Gottes bewirkt. Man kann darum bitten, ohne dass etwas geschieht, und es kann etwas geschehen, ohne dass man darum bittet. Der Mensch hat also keine Macht über die Magie, weder durch Rituale noch durch sonst etwas. Magie, in anderen Zusammenhängen - sei es Esoterik, Satanismus, Buddhismus, einigen heidnischen Religionen, Harry Potter etc. - geschieht durch das Wirken von menschlichen Personen bzw. durch ihren (rituellen) Einfluss auf nichtmenschliche oder übernatürliche, personale wie nichtpersonale Mächte. Man kann bei dieser Magie durchaus davon sprechen, dass durch das Ritual, die Zauberformel etc. "etwas" dazu gezwungen wird, etwas zu bewirken. Klappt es nicht, dann hat man einen Fehler beim Ritual gemacht, die Zauberformel falsch ausgesprochen etc.

 

Es gibt dazu im Katholizismus zwei Haltungen: Die eine ist, dass die letztere Art von Magie durch den Teufel bewirkt wird und daher "falsch" ist (es wird weniger bezweifelt, dass es funktioniert), oder dass diese Magie sich gegen Gott richtet, weil sie Gott das "Monopol" auf Magie nimmt. Die andere Haltung ist die, dass diese Form der Magie schlicht Aberglauben ist und sowieso nicht funktioniert (oder nur ab und zu durch Zufall: Wenn man ein magisches Ritual begeht, damit sich eine Frau in einen verliebt, kann sie sich wirklich in einen verlieben - nur hat das nichts mit den Ritual zu tun). Man könnte dies verkürzt als "menschliche Macht versus göttlicher Macht" beschreiben. In einem Universum, in dem alles deswegen geschieht, weil es einen Gott gibt, ist kein Platz für Magie im ersteren Sinne, es sei denn, Gott verleiht jemandem diese Macht, aber ohne ihn wäre sie nicht.

 

Meckys Abwertung von Magie bezog sich vermutlich auf erstere Magie: Übernatürliche Kräfte, die durch menschliche Einwirkung hervorgebracht werden, und zu denen es nichts weiter als den Menschen bedarf (plus einiger unpersönlicher - oder ungöttliche - magische Mächte).

 

Das alte Verständnis von Magie ist aber noch da am Werk, wo man meint, dass durch ein bestimmtes (menschliches) Ritual sich eine Hostie wandelt, Gott also quasi dazu "gezwungen" wird, das zu tun (für de, die noch an Transsubstantiation glauben).

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dieser Kniefall wird nichts bringen aber es wird noch etwas dauern bis das allen in der kath. Kirche bewußt wird

In den Gwemeinschaften der reformation ist das anders da gab und gibt es immer einen übergroßen Flügel der sich der gerade modern en Strömung anpaßt allerdings auch einen kleinen sehr widerstandsfähigen flügel die Evangelikalen ,

dagegen ist die FSSPX ja direkt liberal

tja und die Orthodoxen sind zwar immer sehr gut mit der Staatsmacht aber sie sind Immun gegen den Geist der Aufklärung

Die Idee, dass die Bibel wider alle Vernunft recht habe, ist definitiv nicht auf katholischen Boden gewachsen. Nur, wie es nun mal ist, konnte die RKK kein Fettnäpfchen auslassen, zeigte sich bibeltreuer als die Protestanten und ließ Galileo abschwören.

 

Ohne Frage wird es also wieder wie in jenen guten alten Zeiten sein, wenn wir die Piusbrüder erst mal dazu gebracht haben, unser Kirchenschiff mit Schlagseite auf Vordermann zu bringen.

 

Eventuellerweise ging es aber bei der Frage, inwieweit die Christen sich mit der Brille der sogenannten Aufklärer und Neuatheisten betrachten müssen, gar nicht darum, Erlösung vom rechten Rand zu erhoffen, sondern darum, etwas selbstbewusster zu sein.

 

Tja, und leider spielen die Herren von der Piusbruderschaft hier fast in jedem thread, oft unterbewusst, mit.

 

So wie Galileo auch immer im Unterbewusstsein mit dabei ist.

 

Zwei Fettnäpfchen - eine Kirche. Man muss Humor haben, wenn man katholisch ist.

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Long John Silver
Im Christentum wird alles Übernatürliche alleine durch den Willen Gottes bewirkt.

 

Sind wir uns einig, dass es nichts Uebernatuerliches gibt und dass das ein inhaltsleerer Begriff ist?

 

(Was Mecky darueber denkt, wage ich nicht zu beurteilen).

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Long John Silver
auf Vordermann zu bringen.

 

Eventuellerweise ging es aber bei der Frage, inwieweit die Christen sich mit der Brille der sogenannten Aufklärer und Neuatheisten betrachten müssen, gar nicht darum, Erlösung vom rechten Rand zu erhoffen ...

 

Nein, darum ging es sicherlich nicht ...

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Ich halte es für verfehlt, beim Nachdenken über die Funktion von Mythen oder den Prozess einer Entmythologisierung zu Begriffen wie Magie abzuschweifen oder dabei stehen zu bleiben, dass alles was Mythos sein könnte, falsch ist.

 

Mir ist die Problematik von Mythen neulich bei einem Besuch in Frankreich aufgefallen. Dort wimmelt es nur so von mythischen Daten, Chiffren und Namen. Sie sind alle auf reale Ereignisse oder Personen zurückzuführen, sind auch überhaupt nicht übernatürlich oder gar magisch, sondern immer historisch. Sie haben sich als Mythos weitgehend von ihrem ursprünglichen Anlass losgelöst. Man braucht nur den jeweiligen Begriff zu nennen, so dass jeder weiß, dass viel mehr und teilweise etwas sehr anderes gemeint ist als ursprünglich dem Begriff anhaftete:

 

14. Juli 1989 - Sturm auf die Bastille - hat stattgefunden, auch am nämlichen Datum; trotzdem kann heute niemand mehr bestreiten, dass das Ereignis alles andere war als die Initialzündung der "großen Revolution". Es ist aber gleichwohl seit 220 Jahren das identitätsbildende Datum für ganz Frankreich.

 

Napoleon - historisch eindeutig belegte Person; niemand wird ernsthaft behaupten, dass er die revolutionäre Expansion völlig allein betrieben habe. Trotzdem bleibt unbestreitbar, dass er die Geschichte des 19. Jahrhunderts mit einer weitestgehenden Veränderung aller Lebensbereiche in ganz Europa maßgeblich beeinflusst hat.

 

Verdun - unbestreitbar ein zentraler Schauplatz im 1. Weltkrieg, an dem Millionen von Franzosen und Deutsche elend verreckt sind. Die Schlacht war aber für den Kriegsausgang nicht entscheidend. Trotzdem ein Angelpunkt für das französische Selbstverständnis im ganzen 20. Jahrundert.

 

Die Résistance - sie hat es gegeben; sie war aber im Verhältnis zur offenen oder passiven Kollaboration der französischen Mehrheit ein Minderheitenphänomen und für den Kriegsverlauf unerheblich. Trotzdem war der Mythos der Résistance eine wesentliche Voraussetzung für ein demokratisches Nachkriegsfrankreich als Alternative zu einer Militärdiktatur.

 

Was hat das alles mit der Frage nach katholischen Mythen, oder besser nach der Entmythologisierung des katholischen Glaubens zu tun?

 

Zum einen kann aus der Betrachtung derartiger säkularer Mythen- zumal im Mutterland der Aufklärung - ihre ideologische Funktion erkannt werden. Mit der Behauptung und Pflege des Mythos kann es lange Zeit gelingen, sich vor einer realistischen Betrachtung der zu Grunde liegenden Sachverhalte zu drücken. Jeder Versuch der Kritik muss sich zunächst mit dem geradezu übermächtigen Mythos auseinandersetzen und wird in aller Regel bereits daran scheitern.

 

Es kann aber im Glücksfall auch gelingen, dass die Historiker und Kritiker ihre Arbeit ordentlich machen und klären, dass die Ereignisse und Namen, um die sich der Mythos gebildet hat, doch etwas anders waren, als sie unterm mythologischen Schleier schienen. In Frankreich ist das mit allen oben genannten nationalen Mythen geschehen, zögerlich und mit Widerständen und zum Teil merkwürdig fremd wirkenden Debatten.

 

Und siehe da, was ist mit den oben genannten Mythen geschehen: sie leben weiter. Man hat erkannt, dass sie eben nicht nur falsch und in ideologischer Absicht entstanden sind, sondern dass vielmehr die jeweils denkbare Alternative die schlechtere Entwicklung hervorgebracht hätte. Die Mythen sind dann nicht mehr jeder Kritik enthoben und auch nicht frei von ganz grundsätzlichen Infragestellungen. Aber sie umfassen eben jetzt auch die kritische Gegenposition und entwickeln sich weiter.

 

Ich weiß nicht, ob die mythologischen Themen des Katholizismus - insbesondere die vom Kreuzestod, von der Mutter Maria und der Kommunion - die Kraft besitzen, die die von der manchmal sehr abwegig verlaufenden Aufklärung hervorgebrachten bislang gezeigt haben. Ich finde anders als zu den säkularen Mythen in Frankreich, die mir auch recht fremd vorkommen, jedenfalls keinen Zugang zu den katholischen Mythen.

 

Aber warum sollte das den Katholiken nicht besser gelingen? Sie müssten nur den Mut finden, zu erkennen, dass ihre Mythen Mythen sind und deshalb nicht die ganze Wahrheit. Sie könnten aber auch einen wahren Kern enthalten. Es müsste allerdings deutlich werden, dass sie für eine zukunftsfähige Entscheidung stehen und die gegenteilige Entscheidung die schlechtere wäre.

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Im Christentum wird alles Übernatürliche alleine durch den Willen Gottes bewirkt.

 

Sind wir uns einig, dass es nichts Uebernatuerliches gibt und dass das ein inhaltsleerer Begriff ist?

 

Also, wir beide sind uns da ganz sicher einig...

 

Wenn man sich den Begriff und die Zusammenhänge ansieht, in denen er verwendet wird (also reine Sprachanalyse betreibt), dann wird man feststellen, dass "übernatürlich" ein Synonym zu "unerklärlich" ist: Wann immer man "übernatürlich" sagt, kann man auch "unerklärlich" (= vom Menschen nicht nachvollziehbar) sagen. Umgekehrt gilt das nicht, aber niemand kann sagen, wo da der Unterschied liegt, so dass eine solche Diskussion meist müßig ist. Dass es in der Natur hingegen jede Menge unerklärlicher Dinge gibt, dass wird auch der hartnäckigste starke Naturalist sofort zugeben.

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Was hat das alles mit der Frage nach katholischen Mythen, oder besser nach der Entmythologisierung des katholischen Glaubens zu tun?

 

Zum einen kann aus der Betrachtung derartiger säkularer Mythen- zumal im Mutterland der Aufklärung - ihre ideologische Funktion erkannt werden. Mit der Behauptung und Pflege des Mythos kann es lange Zeit gelingen, sich vor einer realistischen Betrachtung der zu Grunde liegenden Sachverhalte zu drücken. Jeder Versuch der Kritik muss sich zunächst mit dem geradezu übermächtigen Mythos auseinandersetzen und wird in aller Regel bereits daran scheitern.

 

Es kann aber im Glücksfall auch gelingen, dass die Historiker und Kritiker ihre Arbeit ordentlich machen und klären, dass die Ereignisse und Namen, um die sich der Mythos gebildet hat, doch etwas anders waren, als sie unterm mythologischen Schleier schienen. In Frankreich ist das mit allen oben genannten nationalen Mythen geschehen, zögerlich und mit Widerständen und zum Teil merkwürdig fremd wirkenden Debatten.

 

Und siehe da, was ist mit den oben genannten Mythen geschehen: sie leben weiter. Man hat erkannt, dass sie eben nicht nur falsch und in ideologischer Absicht entstanden sind, sondern dass vielmehr die jeweils denkbare Alternative die schlechtere Entwicklung hervorgebracht hätte. Die Mythen sind dann nicht mehr jeder Kritik enthoben und auch nicht frei von ganz grundsätzlichen Infragestellungen. Aber sie umfassen eben jetzt auch die kritische Gegenposition und entwickeln sich weiter.

 

Das entspricht aber fast genau meiner (in Grund und Boden) kritisierten Definition von einem Mythos als etwas, was weithin geglaubt wird, aber falsch ist (ganz oder teilweise), und es wurde kritisiert, obwohl ich es nur auf die Orthodoxie angewandt wissen wollte.

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Das entspricht aber fast genau meiner (in Grund und Boden) kritisierten Definition von einem Mythos als etwas, was weithin geglaubt wird, aber falsch ist (ganz oder teilweise), und es wurde kritisiert, obwohl ich es nur auf die Orthodoxie angewandt wissen wollte.

 

Versteh ich nicht.

 

Meine Beispiele haben gemeinsam, dass sie alle einen anhand von Fakten überprüfbaren wahren Anlass haben. Der Anlass ist gar nicht falsch. Die Mythen beruhen also auf etwas Wahrem. Im Zuge ihrer Mythologisierung ist den tatsächlichen Ereignissen oder Personen aber ein ideologischer und damit zumindest teilweise täuschender Schleier umgehängt worden. Im Zuge ihrer Entmythologisierung ist dieser Schleier dann wieder gelüftet worden. Dennoch ist der Mythos geblieben, weil er sich im moralisch-historischen Sinne als "richtig" (wahr und falsch wären irreführende Begriffe) erwiesen hat.

 

Mein Ansatz beruht darauf, dass sich Mythen um Tatsachen bilden können, die auch ihren Tatsachenkern im Zuge einer mythologischen Verfremdung behalten; aber dass umgekehrt auch Mythen exisitieren können, wenn die Tatsachen geklärt und nicht verfälscht sind. Denn die mythische Wirkung muss nicht zwingend ideologisch verfremdend sein, sie kann im Glücksfall auch moralisch tragfähige Werte bilden.

 

Deinen Ansatz habe ich hingegen so verstanden, dass die Mythen von vornherein auf Verfälschungen von Tatsachen beruhen und ihre mythische Wirkung verlieren, wenn die Verfälschung aufgeklärt wird.

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Im Christentum wird alles Übernatürliche alleine durch den Willen Gottes bewirkt.

Sind wir uns einig, dass es nichts Uebernatuerliches gibt und dass das ein inhaltsleerer Begriff ist?

(Was Mecky darueber denkt, wage ich nicht zu beurteilen).

 

Ich habe wieder Definitionsprobleme. Was ist denn übernatürlich? Das, was mit der momentanen Physik (= Lehre von der Natur) nicht erklärbar ist? Alles, was sich grundsätzlich einer physikalischen Betrachtung entzieht?

Mir gelingt hier keine Grenzziehung zwischen natürlich und übernatürlich. Selbst mit der Bezeichnung von Wundern, Auferstehung und ewigem Leben als übernatürlich würde ich mich schwer tun. Ich halte das alles für EINES, ein Gesamtgeschehen, das wir mit höchst unbeholfenen Begriffen in Segmente unterteilen.

Meiner Meinung nach wirkt Gott in allem. (Diese Meinung ist nicht so stark wie: Gott bewirkt alles. Die Differenz zwischen den beiden Sätzen nenne ich Freiheit.)

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Mittlerweile denke ich, dass Sokrates an einer Art Inkarnationsproblem herumnagt. Er und viele Millionen andere Menschen.

 

Man hätte gerne so ein vom Himmel gefallenes Wort Gottes, in dem unhinterfragbare Wahrheit. Aber es erweist sich als Menschenwort, zeitgebunden, weltbildabhängig, von sehr weltlichen Interessen geprägt.

Man hätte gerne, dass Gott klare Aussagen macht, klare Vorschriften, Selbstaussagen. Und alles noch bewiesen durch Vorhersagen, die auch eintreffen.

Und klare Hilfswerkzeuge - dass z.B. Gebete oder Opfer wirklich was bewirken.

 

Und was ist die Realität?

Gott wurde Mensch. Und in der Kirche menschelt's bis ganz nach oben. Und Sokrates, glaube ich, fragt sich, was dann noch der ganze Aufwand mit Gebet, Wort Gottes, Kirche und Hierarchie an Mehrwert gegenüber einer rein prophanen Betrachtung einbringt.

 

So formuliert kommt man übrigens auch um die verhängnisvollen Begriffe "Magie" und "Entmythologisierung" herum.

 

Stefans Frage fällt mir in diesem Zusammenhang ein: "Warum versteckt der sich so, der Gott?"

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Dass es in der Natur hingegen jede Menge unerklärlicher Dinge gibt, dass wird auch der hartnäckigste starke Naturalist sofort zugeben.

Der Gag ist, dass dies selbst dann noch auftreten könnte, wenn Stephen Hawkins endlich seine postulierte Weltformel findet.

In diesem Moment würde man nämlich entdecken, dass die Weltformel doch nicht vollständig ist.

 

Auf die Spitze getrieben: Hätte man die Weltformel, könnte man sich nicht sicher sein, ob man sie hat. Wirklich sicher wäre nur, dass man alles Beobachtbare unter einen Hut bekommt. Daneben könnten z.B. noch haufenweise Teile in der Natur herumfliegen, die lediglich mit den uns bekannten Teilen nicht wechselwirken. Ganze Multiversen könnten auf diese Weise koexistieren. Aber keines der Multiversen ist DIE Natur. Und keines ist eine "Übernatur".

 

Erwählen wir doch das Wort "Übernatur" zum momentanen Unwort des Forums.

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Long John Silver
Mittlerweile denke ich, dass Sokrates an einer Art Inkarnationsproblem herumnagt. Er und viele Millionen andere Menschen.

 

Man hätte gerne so ein vom Himmel gefallenes Wort Gottes, in dem unhinterfragbare Wahrheit. Aber es erweist sich als Menschenwort, zeitgebunden, weltbildabhängig, von sehr weltlichen Interessen geprägt.

Man hätte gerne, dass Gott klare Aussagen macht, klare Vorschriften, Selbstaussagen. Und alles noch bewiesen durch Vorhersagen, die auch eintreffen.

Und klare Hilfswerkzeuge - dass z.B. Gebete oder Opfer wirklich was bewirken ...

 

Stefans Frage fällt mir in diesem Zusammenhang ein: "Warum versteckt der sich so, der Gott?"

 

Gott versteckt sich?

 

Jeder Mensch hat die Offenbarung Gottes durch sich selbst, die Tatsache seiner eigenen Existenz, und mehr an Offenbarung und Erkenntnis gibt es meiner Meinung nach nicht. Das ist die einzige Erkenntnis, die man ueber Gott haben kann. Die Selbstaussage Gottes ist man selbst. Mehr an Aussage gibt es nicht.

 

Wenn man diese Selbstaussage vehement abstreitet und stattdessen in der Gegend umher guckt, wo Gott sich versteckt haben koennte, kann man lange gucken, es wird nichts passieren, ausser sinnlosen Fragen.

bearbeitet von Long John Silver
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Wenn ich Stefan zitiert habe, heißt das nicht, dass ich mit Stefan einer Meinung bin.

 

Ich glaube, dass sich Gott sogar gleich mehrfach offenbart. Zum Beispiel nicht nur in der eigenen Person, sondern auch in anderen Personen.

Aber all diese Formen der Offenbarung Gottes sind eben nicht das, wonach viele Menschen suchen. Viele suchen nach etwas ganz anderem. Zum Beispiel nach vom Himmel gefallenen Büchern, absolut sicheren Voraussagen der Zukunft, Brechungen der Naturgesetze, etc. etc. pp.

 

Genau genommen beschreibst Du mit Deinem Widerspruch eine Facette der Inkarnation.

Man könnte jetzt noch weiter hinterfragen, ob Du nicht bei aller Offenbarung durch die Selbstaussage nicht auch eine Differenz zwischen der Offenbarung und Dir selbst entdeckst. Ich nehme an: Schon.

Da könnte man dann weiter suchen.

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