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Der eine Gott und die Gottesbilder


Martin

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Lieber Erich,

 

als Westfälin möchte ich mich ausdrücklich über deinen mangelhaften Geographie-Unterricht beschweren. Die Falen waren auch ein sächsischer Stamm.

 

Gleich bei mir nebenan liegt die "Sigiburg", heute Hohensyburg (Dortmunder Stadtgebiet). Hier wurden die Sachsen unter ihrem Häuptling Widukind von Karl dem Großen vernichtend geschlagen. Ob "Sachsenschlächter" den Sachverhalt zutreffend beschreibt, sei dahin gestellt. Jedenfalls endete die Jahre andauernden Kampfhandlungen zwischen den Franken und den von Widukind angeführten Sachsen erst, als Widukind zum christlichen Glauben übertrat. So habe ich es bereits in der Grundschule gelernt.

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Lieber altersünder,

 

deine Geografie-Kenntnisse sind wirklich beachtlich und überzeugend. Leider lassen deine Geschichtskenntnisse etwas zu wünschen übrig:

 

"Wesentlich schwieriger gestaltete sich die ebenfalls "in Christi Auftrag" betriebene "Befriedung" der Sachsen, die im heutigen niedersächsischen Raum siedelten und die Nordostgrenze des Reiches unsicher machten. Karl eröffnete die Feindseligkeiten 772 mit der Zerstörung der Irminsul, des sächsischen Hauptheiligtums, was die Sachsen mit der Brandschatzung von Kirchen und Klöstern beantworteten. Es kam zum Krieg. Zwar brachte die Kapitulation von Sachsenherzog Widukind, der sich 785 taufen ließ, eine gewisse Entspannung, doch erst 804 endete der Kampf mit Massendeportationen von Sachsen in andere Reichsteile. Auch die 4500 Sachsen von Verden an der Aller sind wohl nicht geköpft, sondern umgesiedelt worden, denn erst ein Abschreibfehler machte aus "delocati sunt" (wurden umgesiedelt) "decolati sund" (wurden geköpft). .........  Die Abwehrmaßnahmen standen wie die Offensiven im Zeichen der Bekämpfung der "Heiden".........Als "defensor fidei" wuchs Karl in die Rolle hinein......" usw.  Quelle: Großer Atlas zur deutschen Geschichte.

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Ich muss leider auf meinem Standpunkt beharren: Zwischen 782 und 797 stand in Sachsen durch ein Sondergesetz auf Ablehnung der Taufe die Todesstrafe. Aufgehoben wurde das Sonderrecht, nachdem es kaum noch ungetaufte Sachsen gab.

 

Zu den Sachsen gibt es eine Dokumentation von Concilium medii aevi (CMA), "Zeitschrift für Geschichte, Kunst und Kultur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit". Die komplette Dokumentation ist hier zu finden: Die Anfänge des Christentums an der mittleren Elbe - Von der Ankunft der ersten Glaubensboten bis zur Gründung des Erzbistums Magdeburg im Jahr 9681 von STEFAN PÄTZOLD, Göttingen/Magdeburg.

 

Kurzfassung für Eilige: So erließ Karl der Große in den achtziger Jahren, vielleicht 782, ein nur für Sachsen geltendes Sondergesetz, die Capitulatio de partibus Saxonie. Die Capitulatio diente dem Schutz christlicher Kirchen und Amtsträger und enthielt zahlreiche Strafbestimmungen. Für viele Vergehen war die Todesstrafe vorgesehen: für die Tötung von Geistlichen oder Kirchenschändung, darüber hinaus aber auch für die Ablehnung der Taufe, die Nichtbeachtung der vierzigtägigen Fastenzeit, die Verrichtung heidnischer Opfer, die Verbrennung von Toten oder die Verweigerung des vollen Ertragszehnten für die Kirche. Mochte dieser Strafkatalog in seiner Härte auch den Gewohnheiten des sächsischen Rechts ähneln, schien es doch alsbald geraten, das Gesetz zu mildern.  Dies geschah 797 im Capitulare Saxonicum, das bei der Festsetzung eines Strafmaßes keinen Unterschied mehr zwischen Franken und Sachsen machte. Aus kirchlicher Perspektive mußte die wesentliche Bestimmung der älteren Capitulatio der Zwang zur Taufe gewesen sein; ihr förmlicher Vollzug war das Missionsziel. Denn die Taufe unterstellte den Getauften, auch wenn sie zwangsweise vollzogen worden war, - infolge der geglaubten Unaufhebbarkeit des in der Taufe Geschehenen - grundsätzlich unentrinnbar der geistlichen Amtsgewalt der kirchlichen Hierarchie. (Hervorhebungen von mir)

 

Mehr dazu:

 

Die Eingliederung des alten Sachsens in das Reich der Karolinger wurde begleitet von Maßnahmen zur Zwangsbekehrung seiner Bewohner. Der Kaiser forderte von den Unterlegenen, den christlichen Glauben anzunehmen. Das war viel verlangt. Denn es war nicht damit getan, daß die Sachsen ihrem Pantheon lediglich eine weitere Gottheit hinzufügten (was sie vielleicht ohne allzu großes Murren getan hätten); sondern es bedeutete den Verzicht auf tiefverwurzelte religiöse Vorstellungen und damit auch auf ein wesentliches Element sächsischer Identität. Die christlichen Missionare brachten ihre Heilsbotschaft somit unter schwierigsten Bedingungen: Das Kreuz folgte den karolingischen Kriegern; die Kirche diente den neuen Herrschern zur Stabilisierung ihrer Macht. Ostfalen war das erste Gebiet Sachsens, in das - mit der Unterwerfung Hessis 775 - das Christentum Eingang fand32. Andere Sachsen leisteten erst ein Jahr danach, 776, an den Lippequellen das doppelte Versprechen, Christen zu werden und die Herrschaft Karls und der Franken anzuerkennen. In diesem Zusammenhang wird zum ersten Mal von Massentaufen berichtet. Wiederum ein Jahr später fand in Paderborn die erste fränkische Reichsversammlung auf sächsischem Boden statt33. Dort beschloß man, eine planmäßige Mission in Sachsen zu beginnen. 780 wurden auf Heeresversammlungen in Lippspringe Missionssprengel festgelegt34.

 

Die Sachsenmission war, bei aller wohlmeinenden Redlichkeit, die den Glaubensboten vielleicht zunächst einmal zu unterstellen ist, eine Missionierung mit Zwangsmitteln. Sie ist deshalb unter mehreren Gesichtspunkten zu betrachten: Während sich der König der Kirche bediente, um seine Herrschaft abzusichern, machte sich die Kirche weltliche Mittel zunutze, um die Heiden zum Eintritt in die Gemeinschaft der Gläubigen zu zwingen. So erließ Karl der Große in den achtziger Jahren, vielleicht 782, ein nur für Sachsen geltendes Sondergesetz, die Capitulatio de partibus Saxonie35. Die Capitulatio diente dem Schutz christlicher Kirchen und Amtsträger und enthielt zahlreiche Strafbestimmungen. Für viele Vergehen war die Todesstrafe vorgesehen: für die Tötung von Geistlichen oder Kirchenschändung, darüber hinaus aber auch für die Ablehnung der Taufe, die Nichtbeachtung der vierzigtägigen Fastenzeit, die Verrichtung heidnischer Opfer, die Verbrennung von Toten oder die Verweigerung des vollen Ertragszehnten für die Kirche. Mochte dieser Strafkatalog in seiner Härte auch den Gewohnheiten des sächsischen Rechts ähneln, schien es doch alsbald geraten, das Gesetz zu mildern.  Dies geschah 797 im Capitulare Saxonicum, das bei der Festsetzung eines Strafmaßes keinen Unterschied mehr zwischen Franken und Sachsen machte36. Aus kirchlicher Perspektive mußte die wesentliche Bestimmung der älteren Capitulatio der Zwang zur Taufe gewesen sein; ihr förmlicher Vollzug war das Missionsziel. Denn die Taufe unterstellte den Getauften, auch wenn sie zwangsweise vollzogen worden war, - infolge der geglaubten Unaufhebbarkeit des in der Taufe Geschehenen - grundsätzlich unentrinnbar der geistlichen Amtsgewalt der kirchlichen Hierarchie. Allein die unauflösliche Verbindung der Sachsen mit der Kirche durch die Taufe und, soweit die Kräfte reichten, die Heilsvermittlung durch den Sakramentenvollzug waren Sache der Missionare - nicht mehr. Die Verkündigung und Vertiefung der Heilslehre hingegen blieb der regulären kirchlichen Seelsorge vorbehalten37.  

 

Aus der Sicht der Sachsen dürfte sich das freilich alles anders dargestellt haben. Für sie war die Taufe ein Bestandteil der politischen Unterwerfung und Schutz vor der durch die Capitulatio angedrohten Todestrafe: Wer leben wollte, wurde Christ. Dabei folgte der einfache Sachse lediglich dem Beispiel seines adligen Herrn; denn sobald die politische Führungsschicht die neue Religion angenommen hatte, schloß sich deren Gefolgschaft an. Das war nicht mehr als ein formeller Akt. Und dabei blieb es wohl zunächst auch noch für eine ganze Weile. Christsein dürfte sich für die getauften Sachsen auf den äußerlichen Verzicht auf ihre traditionellen Kultakte und die Einhaltung gewisser kirchlicher Vorschriften beschränkt haben. Für den Totenkult hieß das etwa, daß die Verstorbenen nicht mehr mit Grabbeigaben in Hügelgräbern bestattet wurden, sondern daß man sie auf den geweihten Friedhöfen der Kirchen beisetzte38.  Es bedeutete ferner, daß man die lateinisch gefeierte Messe hörte, obgleich man die liturgische Handlung in der fremden Sprache nicht verstand. Das richtige Verstehen wurde ohnehin nicht verlangt: Wie sollten polytheistisch denkende Sachsen auch das monotheistische Christentum begreifen, wenn sich der eine Gott in dreifacher Gestalt zeigte? Schließlich fehlte es überdies noch an einem stabilen christlichen Umfeld. Pfarrkirchen mußten erst gebaut werden, Kirchengemeinden gab es nicht39.  In den Jahren 777 und 780 bemühte sich Karl der Große darum, die Bekehrung der Sachsen voranzutreiben. Zu diesem Zweck ließ er das Land in Sprengel einteilen, die er Bischöfen, Äbten oder Pfarrern zu Taufe und Predigt zuwies40. So wurden für den Süden Sachsens die Bischofskirchen von Mainz und Würzburg sowie die Klöster Fulda, Hersfeld und Amorbach und für den Westen die Bischofskirchen von Köln und Lüttich sowie die Klöster Echternach und Corbie zu den wesentlichen Trägern der Mission. Der Klerus von Utrecht war für die Christianisierung der Friesen zuständig. Für das mittlere und östliche Sachsen holte man Hilfe aus noch größerer Entfernung: Die Missionsstation Elze (an der Leine westlich des heutigen Hildesheim) wurde von Reims aus und Osterwieck (-Seligenstadt) (nordöstlich von Halberstadt) wurde von Châlons-sur-Marne aus betreut41. Dort waren um die Wende vom 8. zum 9.  Jahrhundert (vielleicht schon von 780 an) die wichtigsten Glaubensboten die Brüder Liudger (gestorben 809) und Hildegrim (gestorben 827)42. Liudger, bekannt als erster Bischof von Münster43, gründete eine Missionszelle östlich von Helmstedt44 und wohl auch noch weitere in Osterwieck und Halberstadt45. An die Spitze der Kirche in Osterwieck wurde sein Bruder Hildegrim, der spätere Bischof von Châlons (ab 802), gestellt. Den geistlichen Mittelpunkt des Missionssprengels verlegte er allerdings alsbald nach Halberstadt, wo zu Beginn des 9.  Jahrhunderts ein Bistum eingerichtet wurde46. Der Magdeburger Raum gehörte seitdem der Halberstädter Diözese an, die ihrerseits Teil der ebenfalls erst kurz zuvor eingerichteten Kirchenprovinz Mainz war47.

 

Die Anmerkungen finden sich im angegebenen PDF-Dokument.

 

@Erich: Die Darstellung katholischerseits, die Du zitiert hast, zeichnet sich vor allem durch Auslassung aus. Ob es die Bischöfe waren, die Karl den Großen nach nur 15 Jahren (!) dazu brachten, die Sondergesetze zurückzunehmen, ist fraglich und durch nichts belegt. Immerhin hat es der katholischen Kirche massiv genützt. Und, statt von hier zu zitieren hättest Du lieber auf kath.de selbst nachsehen sollen, wo die Mission der Sachsen ausdrücklich als "Schwertmission" bezeichnet wird.

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Zum Thema "ich habe in der Schule gelernt" eine kleine Episode aus einem anderen Bereich: ich lernte noch in der Schule, dass das (sehr nah liegende) Ruhrgebiet, besonders der Fluss, schmutzig, laut, schwefelhaltig etc. sei. Als ich dann vor einiger Zeit das erste Mal die Ruhr entlang radelte, dachte ich mir nur, wie sehr alte Bilder (aus noch viel älteren Lehrbüchern) in uns kleben und den Weg zur Realität verstellen können - denn sonst wär' ich schon viel eher an der Ruhr gewesen .

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Schon, aber ich hoffe doch schwer, dass auch die neueren Lehrbücher unseren westfälischen Nationalhelden Wittekind (wie er hier zärtlich genannt wird) nicht nach Dresden umsiedeln, wie ein gewisser Österreicher...

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Wenn wir schon beim österreichisch-deutschen Nahverhältnis sind: heute abend, 22:25, ORF2:

Die Pifke-Saga.

 

Längst kein Geheimtipp mehr, aber auch gut zum 'Wiederanschaun'. Was 'wir' von 'Euch' und 'uns' denken - und was 'wir' glauben, dass 'Ihr' von 'uns' denkt. Ein Blick in Freud'sche Abgründe. Eine Freud'.

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Hier geht wieder einmal manches durcheinander. Die sattsam bekannte und einschlägig vorbelastete Parole vom „Sachsenschlächter“ Karl bezieht sich auf die Hinrichtungen von Verden; die capitulatio de partibus Saxoniæ hat damit nichts zu tun, der nachgeschobene Hinweis auf sie geht darum an der Sache vorbei. Zunächst zu Verden.

 

Wohl um Karls Ansehen zu retten – oder gar seine Heiligkeit, an der die Kirche festhält? –, zieht Ute unter Berufung auf einen Geschichtsatlas die Historizität des „Verdener Blutbades“ in Zweifel, wo den annales regni Francorum zufolge viereinhalbtausend aufständische Sachsen auf Befehl Karls enthauptet wurden. Ute schlägt vor, statt „decollati“ („enthauptet“) „delocati“ („umgesiedelt“) zu lesen. Indes hält diese Lesart der Überprüfung anhand der Quellen nicht stand.

 

Die annales regni Francorum, die als offiziöse Geschichtsschreibung vom Hofe Karls selbst anzusehen sind, liegen in zwei Rezensionen vor: einer älteren, den sogenannten annales Laurissenses majores, und den jüngeren annales Einhardi. Die ältere Fassung wurde, in der Darstellung weiter zurückgreifend, um 788 begonnen, ab 795 von einem anderen Autor fortgeführt, der in den dreißiger Jahren des neunten Jahrhunderts dann selbst eine komplette Neubearbeitung des Werks schuf, eben die annales Einhardi. Sehr wahrscheinlich handelte es sich bei diesem zweiten Autor um niemand andern als Einhard, den Biographen Karls.

 

Die in Rede stehende Formulierung findet sich – zum Jahre 782 – in den annales Einhardi. Nun teilt aber die ältere Rezension mit anderen Worten denselben Tatbestand mit: Die Sachsen hätten sich Karl unterworfen und jene 4.500 Übeltäter, die den Aufstand am entschiedensten betrieben hätten, „ad occidendum“ ausgeliefert, also zur Tötung, zur Hinrichtung, zum Verderben; dies sei auch vollzogen worden. Darüber hinaus teilen auch die annales Fuldenses sinngemäß ganz dasselbe mit. Damit scheidet die Möglichkeit eines Abschreibefehlers aus. Ja mehr noch: Es ist die offiziöse Geschichtsschreibung des fränkischen Königshofes selbst, die das Ereignis der Massenhinrichtung von Verden der Nachwelt überliefert hat.

 

Kann ein König, der solches befiehlt, nicht heilig sein? – Dazu nur zwei Anmerkungen. Erstens waren alle Heiligen der Kirche Sünder. Es ist die Gnade des Herrn, nicht unsere moralische Qualität, die uns heiligt. Zweitens war Karls Urteil gerecht und entsprach dem Gesetz. Nicht Karl war eidbrüchig, wie Alfred Rosenbergs Adepten zu behaupten pflegen, sondern der Sachse Widukind – der sich freilich wie stets vor dem Erscheinen der Franken feige davon gemacht hatte, alles andre als der Held, als den ihn mancher heute noch sehen will – und seine Genossen. Karl hatte schon mehrfach die sächsischen Rebellen begnadigt. Diesmal ließ er das Urteil vollstrecken. Er tat, was seines königlichen Amtes war.

 

Daß der sächsische Adel selbst es war – nach Widukinds Flucht und im Angesicht des mit Macht heranrückenden Frankenkönigs –, der die viereinhalbtausend Aufrührer aus den eigenen Reihen gefangensetzte und ausdrücklich zur Hinrichtung den Franken auslieferte, wird merkwürdigerweise kaum beachtet, wirft aber ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Situation.

 

Und wie hält es die sächsische Historiographie mit Karl? – Sie verschweigt das Ereignis von Verden. Aber sie verschweigt durchaus nicht Karls Kriege gegen die Sachsen. Die Haltung der sächsischen Großen anderthalb bis zwei Jahrhunderte nach Verden, also zur Zeit der sächsischen Kaiser, lassen die res gestæ Saxonicæ Widukinds von Corvey erkennen, der möglicherweise selber ein Nachfahre des alten Rebellen Widukind war. Die Franken vor Karl werden als treulos gekennzeichnet, die Sachsen als dem väterlichen Irrglauben verhaftet. Karl aber als tapferster und weisester aller Könige habe die Sachsen nicht im leeren Irrglauben verharren lassen wollen, sondern sie teils durch sanfte Überredung, teils durch Krieg auf den rechten Weg geführt; so seien nun Franken und Sachsen gleichsam ein Volk aus dem christlichen Glauben geworden („quasi una gens ex christiana fide“, res gestæ Saxonicæ I,15).

 

Mit andern Worten, der sächsische Stamm hat nach seiner Bekehrung Karl den Großen gleichsam „adoptiert“, ihn zu einer Grundlage der eigenen Identität gemacht. Die deutsch-nationale, von den Nationalsozialisten aufgegriffene Verleumdung vom Sachsenschlächter Karl hätte der Sachse des zehnten Jahrhunderts mit Empörung zurückgewiesen. Die Christianisierung der Sachsen war innerhalb weniger Generationen zum wesentlichen Teil des völkischen Selbstverständnisses geworden.

 

Können nun aber solche Methoden, wie sie die berüchtigte capitulatio de partibus Saxoniæ beschreibt, mit diesem Resultat im nachhinein gerechtfertigt werden? – Stellen wir zunächst klar, worum es in diesem Dokument geht. In der Tat wird eine Reihe von Delikten mit der Todesstrafe bedroht. Vor allem geht es dabei um die Bekämpfung heidnischer Greuel wie der Menschenopfer und des rituellen Kannibalismus sowie um den Schutz der Kirchen – auch und gerade als Asylstätten –, um den Schutz von Leib und Leben der Bischöfe, Priester und Diakone sowie um die Wahrung der königlichen Rechte und Hoheitsgewalt.

 

Richtig ist freilich auch, daß dies Gesetz den mit dem Tode bedrohte, der sich verbarg, um so die Taufe zu vermeiden, oder der während des Großen Fastens Fleisch aß. Für diesen wurde jedoch eingeschränkt, daß von der Bestrafung abzusehen sei, wenn ein Priester bezeugte, die Tat sei nur aus Not heraus begangen worden. Grundsätzlich galt für alle Tatbestände, daß nicht bestraft wurde, wer nach dem Zeugnis eines Priesters wegen der mit Strafe bedrohten Tat zur Beichte gekommen sei und eine Buße auf sich genommen habe. Verweigerung des Zehnten war entgegen obiger Behauptung nicht mit dem Tode bedroht.

 

Die capitulatio de partibus Saxoniæ beruht auf Übereinkunft der fränkischen Seite mit den Vertretern des sächsischen Adels, der Karl die Treue gelobt hatte. Dies erklärt die sonst im fränkischen Bereich ganz ungekannte Härte des Sondergesetzes für Sachsen: Es war sächsischer Brauch und sächsische Kapitaljustiz, welche die Vorlage für die neuen Bestimmungen abgegeben hatte. Freilich hatten sie nicht lange Bestand: Zehn, spätestens fünfzehn Jahre später wurden durch ein neues Gesetz die schon damals den christlichen Missionaren ganz unmöglich erscheinenden Strafbestimmungen gemildert oder aufgehoben.

 

Ob sie bis dahin jemals angewandt worden waren, ob also Todesurteile etwa wegen Taufverweigerung tatsächlich vollstreckt worden sind, darüber ist, soweit ich sehe, nichts überliefert. Von massenhafter Anwendung oder gar „Schlächterei“ kann mit Sicherheit nicht die Rede sein. Aber auch wenn das Gesetz nicht wirklich angewandt worden ist, so ist doch unbestreitbar, daß ein obrigkeitlicher Druck ausgeübt wurde – durch fränkische Grafen ebenso wie durch einheimische Herren –, das Christentum anzunehmen. Man sollte sich jedoch vor übertriebenen Vorstellungen hüten: Das Christentum in Sachsen fing nicht mit Karl dem Großen an. Christliche Mission und christliche Gemeinden hatte längst vorher schon gegeben – freilich in steter Unsicherheit und unter Bedrohung lebend.

 

Die fränkische Vorherrschaft kehrte die Verhältnisse um, und sie tat dies auch unter Anwendung von Druck oder Zwang. Die Gründe sind politischer Art. Die Kirche befürwortet diese Methoden nicht – und hat es auch damals nicht getan –, sofern es nicht um staatliche Bekämpfung schwerer Verirrungen geht. Solche Verirrungen waren im Falle Sachsens zum Beispiel Menschenopfer und Kannibalismus, aber auch die Verfolgung der einheimischen Christen und ausländischen Missionare. Dagegen soll heute wie damals die Staatsgewalt einschreiten. Zum Glauben zwingen soll sie nicht. Darum wurde die capitulatio de partibus Saxoniæ schleunig revidiert.

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> Ute schlägt vor, statt „decollati“ („enthauptet“) „delocati“ („umgesiedelt“) zu lesen. <

 

Ute schlägt gar nix vor. Ute hat ausschließlich zitiert.

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Werner agnosticus

Wenn einem Schlachtermeister 4500 Rinder zur Schlachtung übergeben werden und er diese schlachtet, so ist er wohl ein Rinderschlächter.

 

Was also ist Karl?

 

Und zu dem Eidbruchi Widukinds (den ich so wenig schätze wie andere militärische "Helden" ): Welche Funktion hatten derartige Eide im Mittelalter? Und welche Wahl hatte Widukind bei der Leistung etwaig später gebrochener Eide? Auch nach heutigem Recht ist ein unter Gewaltandrohung erpresster Eid ungültig, man kann ihn gar nicht brechen.

 

Und um auf das Zitat des AS zurückzukommen: "Während Karl auf einem Feldzug in Italien weilte, fielen die Sachsen über fränkische Siedlungen und Kirchen in Hessen her. Widukind (= Waldkind), ein sächsischer Adeliger wurde zum grössten Gegner König Karls. Dieser kluge Anführer vermied den offenen Kampf und führte einen erfolgreichen und grausamen Versteckkrieg in den dichten sächsischen Wäldern." - Ohne vorangegangene Aggression Karls hätte sich Widukind bei dem Versuch, in den sächsischen Wäldern Krieg gegen Karls Franken zu führen, allenfalls zu Tode gelangweilt.

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Zitat von Ketelhohn am 23:07 - 14.September.2002

Hier geht wieder einmal manches durcheinander .....

 

 

..... und du ordnest es nach DEINEM christlichen Verständnis.

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Zitat von Ketelhohn am 17:57 - 16.September.2002

Genau. Christliches Verständnis bringt Ordnung.

 

(Ich wünschte, mein Schreibtisch wäre getauft ...)

 

Soll ich den mir hier im Forum bekannten kath. Priester bitten, dies zu tun?

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Werner agnosticus


Zitat von Ketelhohn am 20:09 - 16.September.2002

Nur, wenn er weder Kaffee noch Bier noch Faßbrause zur Taufe verwendet. Das hatten wir schon. Hat nichts geholfen.


Das wäre ja auch bestimmt ungültig!

Aber ein Gläschen Weihwasser über Tastatur und Bildschirm, das könnte ein unauslöschliches Siegel hinterlassen!

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