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Traumaseelsorge


helmut

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Die besten Seelsorge-Gespräche finden ohne Erfolgsdruck und ohne Erwartungen statt.

 

Wenn man an Stellen verweist, kann dies zu einem späteren Gesprächszeitpunkt, also wenn man schon eine Weile geredet hat, sehr sinnvoll sein. Aber manchmal fühlen sich Menschen auch durch solche Verweise abgewimmelt.

Ob sich jemand abgewimmelt fühlt, hängt stark von der Art und Weise ab, wie dieser Vorschlag kommt, nicht vom Zeitpunkt.

 

Themenzentrierte Beratungen oder Psychologische Therapien haben meist ein definierbares Ziel. Und hinterher kann man sich dann fragen, ob dieses Ziel erreicht wurde. Hat die Therapie den Erwartungen entsprochen?

O Ja | O Nein | O Teilweise.

Zutreffendes bitte ankreuzen.

Bitte Rückmeldung geben, was der Therapeut noch verbessern konnte.

 

Ein seelsorgerliches Gespräch läuft meistens anders. Vor dem Seelsorger soll keine "Depression aus Zimmer 25" sitzen, kein Trauma, kein Assozialer. Eigentlich sitzt überhaupt niemand vor dem Seelsorger, sondern da reden zwei Menschen. Und da hat viel Platz. Es gibt keine standartisierte Vorgehensweise. Oft ist es ein ganz normales Gespräch. Der eine fasst im Gespräch Vertrauen, und spricht gewisse Themen an, die er nicht einfach so daherplappert, sondern die ihm auf der Seele lasten. Und der andere erweist sich als vertrauenswürdiger, einfühlsamer und mitdenkender Gesprächspartner. Wenn es ein christliches Seelsorgegespräch ist (und das ist bei Weitem nicht jedes Seelsorgegespräch), dann wird aus dem Glauben heraus gesprochen - normalerweise von beiden. Glaubensinhalte (wie z.B. Lehrsätze) spielen eine total untergeordnete Rolle. Was viel mehr zählt, ist die Glaubensfähigkeit. Die Fähigkeit, auch in düsteren Situationen nicht den Mut und das Vertrauen auf Gott zu verlieren. Und die Fähigkeit, sich zu jemandem zu stellen. Seine Anliegen zu verstehen. Sich nicht in einen Strudel mit hineinziehen lassen, auch wenn der andere sich gerade in einem solchen befindet oder fühlt. Mitzudenken und den Weg der Zukunft (so bitter er auch sein mag) als einen Weg nicht ohne Hoffnung, ohne Ziel und ohne Gottes Hilfe zu sehen.

Der einzige Unterschied zwischen den beiden dürfte wohl ausschließlich im letzten Satz: ... nicht ohne Gottes Hilfe ... > also die Zielsetzung des Gesprächs.

 

Ein Seelsorgegespräch, dem eigentlich ein psychisches, soziales oder materielles Problem zugrunde liegt, kann letztendlich nicht wirklich zum Ziel führen.

Eine Psychotherapie, die aufgrund eines Glaubensproblems - auch wenn sich dieses in einer psychischen Erkrankung äußert - ist ebenso zum Scheitern verurteilt (außer der Psychotherapeut erkennt dies und betätigt sich als Seelsorger)

 

Mich fasziniert immer wieder die Story von Edith Stein in Auschwitz. Was wird sie den Kindern gesagt haben? Von der großen irdischen Zukunft wird sie wohl kaum vorgeschwärmt haben. Dafür war sie viel zu sehr Realistin. Ich rechne damit, dass jedes ihrer Gespräche mit den Kindern oder deren apathisch gewordenen Müttern wahre Seelsorge-Gespräche waren. Und Trauma gab es in Auschwitz wohl genug. Und an irgendwelche Beratungsstellen wird sie niemanden verwiesen haben. Und doch hat sie sich nicht unterkriegen lassen, hat sich um die Kinder gekümmert. Allein schon dies ist Seelsorge - ganz abgesehen vom jeweiligen Inhalt der Gespräche. Und hätte sie den Kindern alberne Zauberkunststückchen vorgeführt: Auch dies wäre Seelsorge gewesen. Ich stelle mir aber bei Edith weit mehr vor, als alberne Zauberkunststücke.

 

Zweifel und eine furchtbare Story hat sie selbst aufzubieten gehabt - wer in Auschwitz war, war niemals ohne.

Aber sie ist irgendwie damit zurecht gekommen und hatte noch Schmiss genug, diese lebenszugewandte Stimmung mit anderen zu teilen. Im Angesicht der Gaskammern. Mit Kindern, wo immer wieder neue Opfer durch die Eintrittspforte hinzukamen und wo immer wieder welche durch die Türen der Gaskammern auf Nimmerwiedersehen verschwanden.

 

Die Frollein Doktor (so wurde sie gerne genannt) ist damit zumindest für mich ein Vorbild für Seelsorge geworden. Mehr noch als Don Bosco oder andere.

Kann man solche extremsten Ausnahmesituationen wirklich mit dem Alltag vergleichen? Wohl kaum. Jeder Mensch reagiert in Extremsituationen anders. Edith Stein war eine große Persönlichkeit - das steht außer Zweifel. Aber sie als Vorbild für seelsorgerisches Handeln zu sehen, empfinde ich doch ein klein wenig als gewagt. Ich könnte mir vorstellen, dass dies bei ihr ihre Art war, mit der Situation halbwegs klar zu kommen und zu überleben. Vielleicht hat sie instinktiv gespürt, dass sie durch dieses Tun ihren eigenen Gang durch die Tür zur Gaskammer hinausschieben kann.

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...Dass ein traditionell gläubiger Christ eine tiefe Glaubenskrise als absolute eigene Schuld sieht, liegt nahe. Schließlich gibt es das 1. Gebot, in dem Gottesliebe im Vordergrund steht.

Der eigene Glaube war eben nicht stark genug, um diesen Schicksalsschlag als gottgewollt erkennen zu können.

und nun?

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Kann man solche extremsten Ausnahmesituationen wirklich mit dem Alltag vergleichen? Wohl kaum. Jeder Mensch reagiert in Extremsituationen anders. Edith Stein war eine große Persönlichkeit - das steht außer Zweifel. Aber sie als Vorbild für seelsorgerisches Handeln zu sehen, empfinde ich doch ein klein wenig als gewagt. Ich könnte mir vorstellen, dass dies bei ihr ihre Art war, mit der Situation halbwegs klar zu kommen und zu überleben. Vielleicht hat sie instinktiv gespürt, dass sie durch dieses Tun ihren eigenen Gang durch die Tür zur Gaskammer hinausschieben kann.

Entschuldige bitte, aber das liest sich für mich beinahe zynisch. Wen hätte die Jüdin Edith Stein denn mit ihrem Tun beeindrucken können, um ihren "eigenen Gang durch die Tür zur Gaskammer" hinauszuschieben? Die SS-Wachmannschaften? Was gab es da denn "instinktiv zu spüren"?

Im übrigen: Der Transport mit Edith Stein verließ am 7.8.1942, nachts um 3.30 Uhr das Durchgangslager Westerbork. Am selben Nachmittag gelang es Edith Stein gegen 13.00 Uhr bei einem kurzen Aufenthalt des Transports in Schifferstadt, aus dem vergitterten Transportwaggon heraus den Bahnhofsvorsteher auf dem Bahnsteig in Schifferstadt anzusprechen und ihn zu bitten, Grüße an einen ihr gut bekannten Pfarrer in Schifferstadt zu übermitteln. Wenige Minuten später setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Der Bahnhofsvorsteher war der letzte Zeuge, der über diese kurze Begegnung mit Edith Stein berichten konnte. Es gab keine überlebenden Zeugen, die über Edith Stein in den letzten Stunden ihres Lebens hätten berichten können. Nach der Selektion, unmittelbar nach Ankunft des Transports in Auschwitz-Birkenau am Abend des 8.8.1942 wurden knapp die Hälfte der Menschen, die in dem Transport zusammengepfercht waren, in das Lager Auschwitz lebend überstellt. Deren Namen sind registriert worden und überliefert. Von allen anderen fehlt jede Spur. Sie sind spätestens am darauffolgenden Tag in die Gaskammern in Birkenau getrieben worden, darunter wohl auch Edith Stein und ihre Schwester Rosa. Mehr ist nicht bekannt, und auch das ist nur eine Annahme aufgrund der Rekonstruktion der Ablaufs anhand der dokumentierten Anhaltspunkte. Die beiden Schwestern wurden wie die anderen "verschwundenen" Juden dieses Transport von den Behörden später für tot erklärt und als Todestag der 9.8.1942 festgelegt. Für Mutmaßungen über Überlebensstrategien bleibt da kein Platz.

Über den zu vermutenden sehr kurzen Aufenthalt von Edith Stein in Auschwitz gibt es also keine Augenzeugenberichte. Mecky hat wohl über den Aufenthalt im niederländischen Durchgangslager Westerbork berichtet (dort gab es keine Gaskammern), in dem die verhafteten Juden gesammelt wurden.

Das alles ist gut dokumentiert und auf zahlreichen Websites nachzulesen, weswegen Deine oben beschriebene Spekulation von einer Art Überlebensstrategie, die Edith Stein nach Deiner Vorstellung möglicherweise betrieben habe, schon überaus merkwürdig und um einiges gewagter daherkommt als Meckys Beschreibung ihres seelsorgerischen Wirkens unter ihren Leidensgefährten (viele unter ihnen waren wie sie vom Judentum zur RKK konvertiert) im Durchgangslager Westerbork.

bearbeitet von Julius
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...

Ein Seelsorgegespräch, dem eigentlich ein psychisches, soziales oder materielles Problem zugrunde liegt, kann letztendlich nicht wirklich zum Ziel führen....

also ist traumaseelsorge ein falsches, ein vergebliches unterfangen? was bemühen sich also die eingangs angeführten, sich um eine ausbildung kümmernden?

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@ Julius

 

... weswegen Deine oben beschriebene Spekulation von einer Art Überlebensstrategie, die Edith Stein nach Deiner Vorstellung möglicherweise betrieben habe, schon überaus merkwürdig und um einiges gewagter daherkommt ...

 

Meine Spekulation begann mit dem Wort "Vielleicht" und enthielt das Wort 'instinktiv' - ja es ist eine Spekulation meinerseits.

Ich habe aber auch klar festgestellt, dass ich Edith Stein als Persönlichkeit (und somit als Vorbild) schätze.

 

Meine Vermutung gründet sich auf einen Vortag von Hermann Scheipers, den ich vor wenigen Jahren hören durfte. Dabei verstand ich, dass die NS sehr wohl erkannten, wenn ihnen ein Häftling nützlich war und diesen dann schonten. Ich selbst habe mich bisher mit Edith Stein nicht intensiv beschäftigt. So wie Mecky sie beschrieben hat, hat sie in dieser Situation ihre Leidensgenossen beruhigt und getröstet und somit für Ruhe im Lager gesorgt (was den Nutzen für die Wärter darstellt).

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...

Ein Seelsorgegespräch, dem eigentlich ein psychisches, soziales oder materielles Problem zugrunde liegt, kann letztendlich nicht wirklich zum Ziel führen....

also ist traumaseelsorge ein falsches, ein vergebliches unterfangen? was bemühen sich also die eingangs angeführten, sich um eine ausbildung kümmernden?

 

Evtl. verstehst Du am Beispiel, was ich meine.

Ein Mann kommt tiefbetrübt zum Pfarrer, weil sich seine Frau scheiden lassen will. Der Seelsorger kann zwar trösten, beraten, Ursachen aufzeigen, sinnvolles Verhalten aufzeigen, aber er kann dem Mann kein glückliches Eheleben geben.

 

Leider hast du den zweiten Teil meines Gedankenganges weggelassen: " Eine Psychotherapie, die aufgrund eines Glaubensproblems - auch wenn sich dieses in einer psychischen Erkrankung äußert - ist ebenso zum Scheitern verurteilt (außer der Psychotherapeut erkennt dies und betätigt sich als Seelsorger)"

 

Beispiel: Eine depressive Person geht zum (nicht religiösen) Psychotherapeuten. Wenn aber die Ursache darin liegt, dass diese Person von Gott enttäuscht war, wird dieser kaum die richtigen Worte finden. Antidepressiva könnten höchstens die Symptome bekämpfen, aber die Ursache wird auch eine reine Psychotherapie nicht lösen können.

 

Im ersten Fall wäre der Gang zur Eheberatung viel effektiver - im zweiten Fall wohl ein Gespräch mit einem Priester.

 

Traumaseelsorger werden wohl in jedem ein wenig ausgebildet

- was sicher in leichteren Fällen ausreichend ist

- lernen, wohin sie dann eben ihre Klienten weiter vermitteln können.

bearbeitet von Schatir
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@ Julius

 

... weswegen Deine oben beschriebene Spekulation von einer Art Überlebensstrategie, die Edith Stein nach Deiner Vorstellung möglicherweise betrieben habe, schon überaus merkwürdig und um einiges gewagter daherkommt ...

 

Meine Spekulation begann mit dem Wort "Vielleicht" und enthielt das Wort 'instinktiv' - ja es ist eine Spekulation meinerseits.

Ich habe aber auch klar festgestellt, dass ich Edith Stein als Persönlichkeit (und somit als Vorbild) schätze.

 

Meine Vermutung gründet sich auf einen Vortag von Hermann Scheipers, den ich vor wenigen Jahren hören durfte. Dabei verstand ich, dass die NS sehr wohl erkannten, wenn ihnen ein Häftling nützlich war und diesen dann schonten. Ich selbst habe mich bisher mit Edith Stein nicht intensiv beschäftigt. So wie Mecky sie beschrieben hat, hat sie in dieser Situation ihre Leidensgenossen beruhigt und getröstet und somit für Ruhe im Lager gesorgt (was den Nutzen für die Wärter darstellt).

bei den kurzen zeitabläufen, 2.8. verhaftung bis 6/7.8. transport, ist von einer schonung nichts zu bemerken.

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Long John Silver

Ich weiss nicht, ob ich das ganze hier richtig verstehe, aber der Punkt: Glaubensverlust - da wuerde ich persoenlich auf jeden Fall zu einem Therapeuten gehen und nicht zu einem Seelsorger, falls mich das bedrueckte. Ich denke naemlich dass die Gruende dafuer besser mit jemandem besprochen werden koennen, der ausserhalb des religioesen Systems steht, aussserdem denke ich, dass es Gruende fuer einen solchen Einbruch gibt, die viel mehr mit dem allgemeinen Zustand und Situation einer Person zu tun haben, dass also der Glaubensverlust moeglicherweise nur ein Symptom von mehreren ist fuer etwas ganz anderes.

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Dabei verstand ich, dass die NS sehr wohl erkannten, wenn ihnen ein Häftling nützlich war und diesen dann schonten. Ich selbst habe mich bisher mit Edith Stein nicht intensiv beschäftigt. So wie Mecky sie beschrieben hat, hat sie in dieser Situation ihre Leidensgenossen beruhigt und getröstet und somit für Ruhe im Lager gesorgt (was den Nutzen für die Wärter darstellt).

Weißt Du, was ich denke? Ich denke, Du bist hier einfach auf Widerspruch gebürstet, willst nichts, was Dir von anderen angeboten wird gelten lassen und wolltest die von Mecky hier am Beispiel von Edith Stein in Westerbork beschriebene Vorstellung, von dem was Seelsorge bedeutet, entkräften (ich drücke das mal sehr zurückhaltend aus). Und da wird dann halt der Name Edith Stein, von ihm hier eingebracht, flugs aufgespießt und mit irgendwelchen Dingen, die Du von irgendwem irgendwo mal in einem Vortrag gehört hast, verquirlt. Hermann Scheipers in allen Ehren: aber er war nicht Jude, der in ein Vernichtungslager deportiert werden sollte, er hat Zustände und Überlebensstrategien im KZ Dachau geschildert: das war kein Sammellager, in dem Transporte in die Vernichtungslager zusammengestellt worden. Dachau wurde gar nicht für diesen Zweck errichtet, als es 1933 in Betrieb genommen wurde, Dachau hatte zwar eine Gaskammer, die aber nicht in Betrieb genommen worden war - arbeitsunfähig gewordene Häftlinge wurden in andere Lager transportiert, um dort getötet zu werden - viele starben in den Gaskammern im österreichischen Hartheim. Die Zahl der Menschen, die in Dachau zu Tode geschunden, mit medizinischen Experimenten zu Tode gebracht oder einfach erschossen wurden, ist erschreckend. Es gab dort den Priesterblock, über den Herrmann Scheipers berichtet hat, und es wurden tatsächlich Überlebensstrategien entwickelt - die Berichte derer, die Dachau durchlitten aber überlebt haben, sind nicht gerade spärlich. Einer, ein biederer bayerischer Dorfpfarrer, hat als Überlebensstrategie sogar neue Apfelsorten gezüchtet. Da das einige Jahre in Anspruch nimmt, hat er die kleinen Sämlinge nach der Befreiung ausgegraben ... Einige der Bücher, die Überlebende später darüber geschrieben haben, wurden auch verfilmt. Mit Edith Stein und dem was Mecky an ihrem Beispiel veranschaulichen wollte, hat das aber gar nichts zu tun. Da wolltest Du halt einfach nicht gelten lassen: Edith Stein hat im Lager Westerbork für Ruhe gesorgt, um sich den "Wärtern" als "nützlich" zu erweisen, denn "instinktiv" hat sie erkannt, dass sie so "vielleicht" ihr Leben retten hätte können ... "vielleicht".

Dahinter lässt sich ohne weiteres erkennen, dass Du Dich nicht nur mit Edith Stein wenig bis gar nicht beschäftigt hast, sondern auch vom Lager Westerbork und seiner Funktion nahe null Ahnung hast - und vermittelst mir zunehmend den Eindruck, dass Du auf Deine anfängliche Frage hier eigentlich gar keine Antwort suchst.

bearbeitet von Julius
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Beispiel: Eine depressive Person geht zum (nicht religiösen) Psychotherapeuten. Wenn aber die Ursache darin liegt, dass diese Person von Gott enttäuscht war, wird dieser kaum die richtigen Worte finden. Antidepressiva könnten höchstens die Symptome bekämpfen, aber die Ursache wird auch eine reine Psychotherapie nicht lösen können.

 

Eine depressive Person muss nicht zum "nicht religiösen" Psychotherapeuten gehen, es gibt durchaus solche mit religiösem Hintergrund und solidem religiösen Wissen. Ich kenne einen solchen, der grinsend zu erklären pflegt: "Ich habe eine abgeschlossene katholische Ausbildung". Und er ist bei einer katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle angestellt.

 

Traumaseelsorger werden wohl in jedem ein wenig ausgebildet

- was sicher in leichteren Fällen ausreichend ist

- lernen, wohin sie dann eben ihre Klienten weiter vermitteln können.[/Quote]

 

Richtig, so ist es auch auf der von helmut verlinkten Website nachzulesen. Und sie lernen, wie sie, wenn erforderlich, eine psychotherapeutische Traumatherapie als Seelsorger begleiten zu können.

bearbeitet von Julius
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...

Ein Seelsorgegespräch, dem eigentlich ein psychisches, soziales oder materielles Problem zugrunde liegt, kann letztendlich nicht wirklich zum Ziel führen....

also ist traumaseelsorge ein falsches, ein vergebliches unterfangen? was bemühen sich also die eingangs angeführten, sich um eine ausbildung kümmernden?

 

Evtl. verstehst Du am Beispiel, was ich meine.

Ein Mann kommt tiefbetrübt zum Pfarrer, weil sich seine Frau scheiden lassen will. Der Seelsorger kann zwar trösten, beraten, Ursachen aufzeigen, sinnvolles Verhalten aufzeigen, aber er kann dem Mann kein glückliches Eheleben geben....

ein traumaseelsorger, ein traumathrapeut schafft doch keine fakten weg, z.b. das verlassenwerden. er schafft doch kein glück herbei. er schafft gar nichts. aber er zeigt dir möglichkeiten trotz der traumatischen erfahrung des verlassenwerdens, der daraus resultierenden angst vor einer neuen beziehung, diese angst zu bewältigen.

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Beispiel: Eine depressive Person geht zum (nicht religiösen) Psychotherapeuten. Wenn aber die Ursache darin liegt, dass diese Person von Gott enttäuscht war, wird dieser kaum die richtigen Worte finden. Antidepressiva könnten höchstens die Symptome bekämpfen, aber die Ursache wird auch eine reine Psychotherapie nicht lösen können.

 

Eine depressive Person muss nicht zum "nicht religiösen" Psychotherapeuten gehen, es gibt durchaus solche mit religiösem Hintergrund und solidem religiösen Wissen. Ich kenne einen solchen, der grinsend zu erklären pflegt: "Ich habe eine abgeschlossene katholische Ausbildung". Und er ist bei einer katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle angestellt.

 

Traumaseelsorger werden wohl in jedem ein wenig ausgebildet

- was sicher in leichteren Fällen ausreichend ist

- lernen, wohin sie dann eben ihre Klienten weiter vermitteln können.[/Quote]

 

Richtig, so ist es auch auf der von helmut verlinkten Website nachzulesen. Und sie lernen, wie sie, wenn erforderlich, eine psychotherapeutische Traumatherapie als Seelsorger begleiten können.

in http://www.psnv-hn.de/fileadmin/user_upload/Trauma-Seelsorge-KalterSchweiss.pdf wird es etwas detaillierter beschrieben. ich würde es als traumatherapie light bezeichnen.

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Ich wehre mich immer noch gegen diese Spezialisierung. TRAUMA-Seelsorger.

Wie weit soll man denn diese Spezialisierung vorantreiben?

Traumaseelsorger für Leute mit Trauma durch sexuellen Missbrauch?

Traumaseelsorger für sexuell Missbrauchte im Alter von 4,5 bis 8 Jahren?

Aber nur, wenn dieser Mensch nun über 28 Lebensjahre ist?

 

Im Therapiebereich finde ich solche Spezialisierungen manchmal sinnvoll. Da kommen dann oft noch andere Spezialisierungen (z.B. durch die Methodenwahl, auf die sich ein Therapeut spezialisiert) hinzu. Und dort ist das meiner Meinung auch sinnvoll.

 

Aber für die Seelsorge?

 

Von Tiki Küstenmacher kenne ich eine Karikatur über die Telefonseelsorge. Dargestellt ist eine Art Call-Center. Im Mittelpunkt steht ein Bürotisch, darauf eine Art Namensschild, auf dem steht "Suizid durch Sprung von Brücken oder Türmen". Hinter dem Schreibtisch hält ein Mann einen Telefonhörer in den Hand und fragt den Anrufenden: "Stehen sie auf eine Brücke oder auf einem Turm?"

Das ist - klar: Tiki - eine Karikatur. Die Karikatur einer Seelsorgesituation.

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Ich habe diese Bezeichnung vor allem im Zusammenhang von Betreuung solcher Menschen gelesen, die in ihrer Tätigkeit bei Feuerwehr, Notarzteinsätzen und ähnlichem (bei Katastrophen) traumatisiert wurden. Ein "Fitmachen" von Seelsorgern wäre dann eher konkret als geringe Kenntnisse auf "allen Gebieten des Lebens."

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Ich wehre mich immer noch gegen diese Spezialisierung. TRAUMA-Seelsorger.

...

grundsätzlich wehre ich mich auch. aber was gehört dazu, wenn ein mensch beides leisten soll?

ist der klient ein areligiöser mensch ist es einfacher. ist der klient aber ein religiös reflektierender, kommt neben methoden der traumatherapie eigene passende reflektionen des therapeuten bis zur verkündigung hinzu.

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Ich habe diese Bezeichnung vor allem im Zusammenhang von Betreuung solcher Menschen gelesen, die in ihrer Tätigkeit bei Feuerwehr, Notarzteinsätzen und ähnlichem (bei Katastrophen) traumatisiert wurden. Ein "Fitmachen" von Seelsorgern wäre dann eher konkret als geringe Kenntnisse auf "allen Gebieten des Lebens."

 

Das ist richtig. Im Fachjargon spricht man dabei von "Sekundärtraumatisierung": Feuerwehr, Sanitäter, andere Hilfskräfte die bei Unfällen und Katastrophen zum Einsatz kommen, werden durch die Konfrontation mit dem schweren Schicksal anderer Menschen traumatisiert. Eine mögliche Folge dieser so genannten Sekundärtraumatisierung ist bei Angehörigen von Helferberufen z.B. das Burnout-Syndrom.

Inzwischen wird von den verschiedenen Einrichtungen inzwischen sehr viel Prävention betrieben, und zur Prävention trägt, neben den Fachleuten aus Pschologie und Psychotherapie, auch der Seelsorger bei. Hier ist z.B. seit vielen Jahren ein Pastoralreferent (ehrenamtlich) als Feuerwehrseelsorger tätig, von dem ich weiss, dass er häufig bei einschlägigen Fortbildungen ist.. Der Feuerwehrseelsorger ist was anderes als der Notfallseelsorger, er steht ausschließlich den Feuerwehr- und anderen Einsatzkräften zur Verfügung.

bearbeitet von Julius
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Ich weiss nicht, ob ich das ganze hier richtig verstehe, aber der Punkt: Glaubensverlust - da wuerde ich persoenlich auf jeden Fall zu einem Therapeuten gehen und nicht zu einem Seelsorger, falls mich das bedrueckte. Ich denke naemlich dass die Gruende dafuer besser mit jemandem besprochen werden koennen, der ausserhalb des religioesen Systems steht, aussserdem denke ich, dass es Gruende fuer einen solchen Einbruch gibt, die viel mehr mit dem allgemeinen Zustand und Situation einer Person zu tun haben, dass also der Glaubensverlust moeglicherweise nur ein Symptom von mehreren ist fuer etwas ganz anderes.

 

An wen sich ein Betroffener wendet hängt wohl sehr von seiner Situation und seiner Einstellung ab.

Beispiel: Jemand, der mit Kirche und Glaube nichts mehr zu tun haben will, wird sich kaum an einen Seelsorger wenden.

 

 

Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand helfen könnte, der von der Materie keine Ahnung hat.

Konkret meine ich damit: Wenn sich bei jemanden, der seine eigene Situation recht gut einschätzen kann - im Grunde also keine Ursachenforschung braucht - das Bedürfnis einstellt, er möchte mit einer kompetenten Person über seinen Glauben bzw. über seine Zweifel sprechen um diese Zweifel wieder los zu werden, an einen Psychologe/-therapeut wendet, kann nur enttäuscht werden. Den das was er sucht, wird er dort nicht finden.

 

In der Praxis stellt sich aber dann wohl auch das konkrete Problem, dass er einen Seelsorger findet, der bereit ist, so viel Zeit zu investieren, um wirklich zu einem guten Ergebnis zu kommen.

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Ich habe diese Bezeichnung vor allem im Zusammenhang von Betreuung solcher Menschen gelesen, die in ihrer Tätigkeit bei Feuerwehr, Notarzteinsätzen und ähnlichem (bei Katastrophen) traumatisiert wurden. Ein "Fitmachen" von Seelsorgern wäre dann eher konkret als geringe Kenntnisse auf "allen Gebieten des Lebens."

Fit wird man in Seelsorge meiner Meinung nach am besten durch learning by doing. Natürlich nicht gleich bei den größten Problemen anfangen. So ein echtes Trauma ist für jeden Gesprächspartner ein Hammer. Die Traumatisierten sind auch normalerweise sehr, sehr vorsichtig. Denn es wäre ihnen oberpeinlich, wenn sie noch einen anderen Menschen traumatisieren. Davor haben sie in der Regel sogar Angst. Das würde ihr Leiden noch schlimmer machen.

 

Ich halte Seelsorge eine Aufgabe für jeden Christen. Es ist Glaubensaufgabe. Jemand, der keinerlei Seelsorge betreibt, verkümmert auch selbst - auch im Glauben. (Papst Franziskus spricht als davon.)

Eltern sorgen sich um die Seele ihrer Kinder. Und da braucht es erst einmal keine große Ausbildung. Und man fängt ja meistens mit der Seelsorge seiner Kinder nicht mit Traumabewältigung an, sondern greift die vielen tausend kleinen Themen seiner Kinder auf. Wie wichtig diese Eltern-Seelsorge ist, erkennt man, wenn man auf Kinder (oder erwachsen gewordene Kinder) trifft, die nie be-seelsorgt wurden. Es gibt fast nichts Schlimmeres. Oftmals schlimmer, als so manches Trauma.

 

Ich hatte Schulkameraden von außerordentlicher Seelsorgefähigkeit. Ein Klassenkamerad wurde zum Schwimmbad-Kiosk-Engel. Auf den Plastikstühlen vor diesem Kiosk kamen immer wieder viele Gleichaltrige (naja ... es waren meist Mädels), weil es ganz einfach gut tat, mit ihm zu reden.

 

Je öfter man seelsorgt, desto fitter wird man darin. Und desto mehr Lebenskatastrophen bekommt man aufgetischt. Und desto hilfreicher wird man, wenn auch mal größere Brocken kommen - sogar handfeste Traumata. Priester oder Nichtpriester spielt in solch direkten Bezügen fast keine Rolle. Vielleicht kommt ein Priester schneller mal auf glaubensspezifische Formulierungen. Aber dies muss nicht in jedem Falle ein Vorteil sein. Manche haben eine Allergie gegen diese Formulierungen. Andere dagegen brauchen das. Das ist eben ganz verschieden.

 

Wenn jemand mit einem ganz speziellen Problem zum Pfarrer geht und explizit hier eine Seelsorge wünscht, handelt es sich bereits um eine artifizielle Situation. Das ist nicht mehr das spontane "Seele-Ausschütten" oder "Einfach mal was Loswerden". Es ist auch nicht das intime Gespräch mit einem Vertrauten, der zu bestimmten Aspekten eben häufig was Hilfreiches zu sagen hat. Sondern es ist ein Sondersituation. Und dann rückt die ganze Seelsorge immer näher an eine Therapie-Situation. Dann treten professionelle Erwartungen an die Stelle eines Austestens oder eines interessierten Nachfragens. Zudem geschieht so etwas normalerweise in einem Zweiergespräch, also unter vier Augen. Auch dies finde ich nicht optimal. Das Gespräch ist häufig aus der normalen Lebenssituation herausgenommen.

 

Ganz oft habe ich bei solchen Gesprächen erlebt, dass sie sehr gewinnbringend waren. Aber sehr unnatürlich. Alleine schon dieses unselige Seelsorger-Klient-Verhältnis. Und wenn man noch so sehr auf Augenhöhe spricht: Das kommt allein schon strukturell auf - in dem Moment, da man ein solches Gespräch verabredet. Der "Klient" genießt es zwar, vielleicht wird ihm wirklich geholfen, aber zu so etwas greift man nur, wenn es gar nicht anders geht. Sehr oft kommt es zu keinem weiteren Gespräch. Kann man da noch wirklich von Seelsorge sprechen? Oder war das nicht eher ein Beratungsgespräch - vielleicht noch mit ein paar Glaubensaspekten drin?

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GerhardIngold
Ich habe diese Bezeichnung vor allem im Zusammenhang von Betreuung solcher Menschen gelesen, die in ihrer Tätigkeit bei Feuerwehr, Notarzteinsätzen und ähnlichem (bei Katastrophen) traumatisiert wurden. Ein "Fitmachen" von Seelsorgern wäre dann eher konkret als geringe Kenntnisse auf "allen Gebieten des Lebens."

Fit wird man in Seelsorge meiner Meinung nach am besten durch learning by doing. Natürlich nicht gleich bei den größten Problemen anfangen. So ein echtes Trauma ist für jeden Gesprächspartner ein Hammer. Die Traumatisierten sind auch normalerweise sehr, sehr vorsichtig. Denn es wäre ihnen oberpeinlich, wenn sie noch einen anderen Menschen traumatisieren. Davor haben sie in der Regel sogar Angst. Das würde ihr Leiden noch schlimmer machen.

 

Ich halte Seelsorge eine Aufgabe für jeden Christen. Es ist Glaubensaufgabe. Jemand, der keinerlei Seelsorge betreibt, verkümmert auch selbst - auch im Glauben. (Papst Franziskus spricht als davon.)

Eltern sorgen sich um die Seele ihrer Kinder. Und da braucht es erst einmal keine große Ausbildung. Und man fängt ja meistens mit der Seelsorge seiner Kinder nicht mit Traumabewältigung an, sondern greift die vielen tausend kleinen Themen seiner Kinder auf. Wie wichtig diese Eltern-Seelsorge ist, erkennt man, wenn man auf Kinder (oder erwachsen gewordene Kinder) trifft, die nie be-seelsorgt wurden. Es gibt fast nichts Schlimmeres. Oftmals schlimmer, als so manches Trauma.

 

Ich hatte Schulkameraden von außerordentlicher Seelsorgefähigkeit. Ein Klassenkamerad wurde zum Schwimmbad-Kiosk-Engel. Auf den Plastikstühlen vor diesem Kiosk kamen immer wieder viele Gleichaltrige (naja ... es waren meist Mädels), weil es ganz einfach gut tat, mit ihm zu reden.

 

Je öfter man seelsorgt, desto fitter wird man darin. Und desto mehr Lebenskatastrophen bekommt man aufgetischt. Und desto hilfreicher wird man, wenn auch mal größere Brocken kommen - sogar handfeste Traumata. Priester oder Nichtpriester spielt in solch direkten Bezügen fast keine Rolle. Vielleicht kommt ein Priester schneller mal auf glaubensspezifische Formulierungen. Aber dies muss nicht in jedem Falle ein Vorteil sein. Manche haben eine Allergie gegen diese Formulierungen. Andere dagegen brauchen das. Das ist eben ganz verschieden.

 

Wenn jemand mit einem ganz speziellen Problem zum Pfarrer geht und explizit hier eine Seelsorge wünscht, handelt es sich bereits um eine artifizielle Situation. Das ist nicht mehr das spontane "Seele-Ausschütten" oder "Einfach mal was Loswerden". Es ist auch nicht das intime Gespräch mit einem Vertrauten, der zu bestimmten Aspekten eben häufig was Hilfreiches zu sagen hat. Sondern es ist ein Sondersituation. Und dann rückt die ganze Seelsorge immer näher an eine Therapie-Situation. Dann treten professionelle Erwartungen an die Stelle eines Austestens oder eines interessierten Nachfragens. Zudem geschieht so etwas normalerweise in einem Zweiergespräch, also unter vier Augen. Auch dies finde ich nicht optimal. Das Gespräch ist häufig aus der normalen Lebenssituation herausgenommen.

 

Ganz oft habe ich bei solchen Gesprächen erlebt, dass sie sehr gewinnbringend waren. Aber sehr unnatürlich. Alleine schon dieses unselige Seelsorger-Klient-Verhältnis. Und wenn man noch so sehr auf Augenhöhe spricht: Das kommt allein schon strukturell auf - in dem Moment, da man ein solches Gespräch verabredet. Der "Klient" genießt es zwar, vielleicht wird ihm wirklich geholfen, aber zu so etwas greift man nur, wenn es gar nicht anders geht. Sehr oft kommt es zu keinem weiteren Gespräch. Kann man da noch wirklich von Seelsorge sprechen? Oder war das nicht eher ein Beratungsgespräch - vielleicht noch mit ein paar Glaubensaspekten drin?

 

Fett von mir. Vielleicht ein Hinweis für Christen und Nichtchristen gleichermassen. Macht sensibel für die Nöte.

 

Ich tue mich mit der Unterscheidung von SeelsorgerInnen und PsychologInnen schwer. Seelenlehre, was Psychologie meint, hilft Menschen, die anderen Menschen in Krisen begleiten möchten, durch die Seelenlehre bessere SeelsorgerInnen zu werden.

 

Das meine ich nicht als Kritik an Deinen Aussagen.

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Long John Silver
Ich habe diese Bezeichnung vor allem im Zusammenhang von Betreuung solcher Menschen gelesen, die in ihrer Tätigkeit bei Feuerwehr, Notarzteinsätzen und ähnlichem (bei Katastrophen) traumatisiert wurden. Ein "Fitmachen" von Seelsorgern wäre dann eher konkret als geringe Kenntnisse auf "allen Gebieten des Lebens."

Fit wird man in Seelsorge meiner Meinung nach am besten durch learning by doing. Natürlich nicht gleich bei den größten Problemen anfangen. So ein echtes Trauma ist für jeden Gesprächspartner ein Hammer. Die Traumatisierten sind auch normalerweise sehr, sehr vorsichtig. Denn es wäre ihnen oberpeinlich, wenn sie noch einen anderen Menschen traumatisieren. Davor haben sie in der Regel sogar Angst. Das würde ihr Leiden noch schlimmer machen.

 

 

Da irrst du. Co-Traumatisierung von Angehoerigen ist ziemlich verbreitet, d.h. der Traumatisierte entwickelt haeufig fatale Strategien (mehr oder weniger unbewusst), in welche die anderen gefangen sind wie das Opfer der Spinne im Netz. Somit kann er sie in der Art funktionalisieren, dass sie an sein Trauma nicht ruehren und ihn somit vor sich selbst schuetzen. Oder er gibt das Trauma an die anderen in der Art weiter, dass er sie ebenfalls durch konkrete Handlungen (missbrauch, Gewalt etc. ebenso traumatisiert wie er es ist. Also dass eine Tradition von Missbrauch und Gewalt oder anderen psychischem Extremsituationen in einer Familie einsetzt (Familiengeheimnisse, Totschweigen von bestimmten Ereignissen usw.)

bearbeitet von Long John Silver
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Beide Phänomene können prima parallel existieren:

1. Das Ausbreiten des Traumas auf andere

2. Dass ihnen dies oberpeinlich ist.

 

Das ist wie bei Alkoholikern und Co-Alkoholikern. Der Alkoholiker prägt sein Umfeld sehr wohl und produziert Co-Alkoholiker. Aber dies kann trotzdem allen Beteiligten furchtbar peinlich sein. Es entwickeln sich Heimlichkeitszonen und Tabuthemen. Und es ist eine große persönliche Leistung (sowohl für Abhängige, wie auch für Co-Abhängige), wenn sie es irgendwann schaffen, trotz der Peinlichkeit darüber zu reden. Und dem Ursprungs-Alkoholiker ist das sehr oft furchtbar peinlich, dass er andere in seinen Strudel hineingezogen hat.

 

Gleiches gilt eben auch für Traumata. Es ist den meisten sehr peinlich, darüber zu reden.

Und diese Peinlichkeit macht einsam. Da gibt es einen Bereicht über den man nicht reden kann. Und selbst, wenn man drüber reden könnte, wäre es fast unmöglich einem anderen Menschen zu erklären, was da in einem abläuft. Gerade bei Traumata sind viele Dinge eben nicht aussprechbar.

 

Wenn ein Traumatisierter sich auch noch an einen Pfarrer wendet und auch noch förmlich um einen Gesprächstermin bittet, dann kann sich der Pfarrer gleich schon mal auf eine hübsche Portion Elend gefasst machen. Für so eine Aktion bedarf es großer Überwindung.

 

Ich habe anschließend an mein Studium eine Miniaturausbildung in Krankenhaus-Seelsorge gemacht. Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die uns unser Ausbilder mitgegeben hat war: "Wenn es bei jemandem schlimm aussieht und ihr den Eindruck habt, er spricht nicht unbefangen und hält vieles zurück, dann sprecht nachts mit ihm." In der Nacht sinken die Peinlichkeitsgrenzen oftmals enorm. Wir haben damals diskutiert, ob es wirklich gut sei, jemanden nachts zum Sprechen zu bekommen - und am nächsten Morgen ist ihm dann umso peinlicher, was er nachts preisgegeben hat. Aus Erfahrung kann ich sagen: In gewisser Weise ist das Gegenteil der Fall. Es ist zwar richtig, dass den Betreffenden peinlich ist, was sie gesagt haben. Aber: Dass sie es geschafft haben, darüber zu sprechen, ist trotz aller Peinlichkeit ein Erfolg, manchmal sogar ein umwerfender Erfolg. Manchmal ist da ein Damm gebrochen und sie reden fortan mit einer eher schockierenden Offenheit, bei der man sie gelegentlich sogar stoppen muss. (Zum Beispiel wenn es sich um sexuelle Dinge dreht, wo man nicht so richtig weiß, was sie mit dem Aussprechen erreichen wollen.)

bearbeitet von Mecky
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Ich wehre mich immer noch gegen diese Spezialisierung. TRAUMA-Seelsorger.

Wie weit soll man denn diese Spezialisierung vorantreiben?

Traumaseelsorger für Leute mit Trauma durch sexuellen Missbrauch?

Traumaseelsorger für sexuell Missbrauchte im Alter von 4,5 bis 8 Jahren?

Aber nur, wenn dieser Mensch nun über 28 Lebensjahre ist?

 

Im Therapiebereich finde ich solche Spezialisierungen manchmal sinnvoll. Da kommen dann oft noch andere Spezialisierungen (z.B. durch die Methodenwahl, auf die sich ein Therapeut spezialisiert) hinzu. Und dort ist das meiner Meinung auch sinnvoll.

 

Aber für die Seelsorge?

 

 

Ich weiß nicht, ob es unbedingt eine Spezialisierung innerhalb der Seelsorge braucht.

Aber wichtig wäre auf jeden Fall, dass sich Seelsorger (ganz umfassend - jeder, der offen ist für die Nöte und Bedürfnisse anderer und zuhören und so da sein will, dass es dem andern gut tut) Wissen über das, was sich während eines Traumas in einem Menschen abspielt und was das für Konsequenzen für seine Psyche hat, aneignet.

 

Dieses Wissen ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Unter anderem ist z.B. überdeutlich geworden, wie leicht es in Gesprächen mit traumatisierten Menschen - gerade, wenn man bereit ist, jemanden in diesem Gespräch auch dorthin zu begleiten, wo die Verletzungen und Wunden sind - zu Retraumatisierungen kommt.

Der Rat, den du z.B. in deiner Krankenhausseelsorgeausbildung bekommen hast, den halte ich für fatal.

Dahinter steht ein Denken, das früher auch theoretischer Hintergrund im therapeutischen Kontext war: es ist auf jeden Fall gut und heilsam, wenn man einem Menschen ermöglicht, sich emotional den traumatisierenden Situationen zu nähern. Sich damit zu konfrontieren und die Gefühle, die damals da waren, wieder bewusst zu spüren.

Wie falsch das ist, versteht man erst in den letzten Jahren: wenn so eine Traumaexposition nicht in einem ganz bestimmten, lange vorbereiteten Kontext stattfindet, wenn der Betroffene nicht sehr gut gelernt hat, sich zu schützen und auf innere sichere Plätze zurückzuziehen, wenn ihn die Erinnerung zu überfluten droht, ist die wichtigste Regel in der Begleitung wohl die, dass man in Gesprächen möglichst einen großen Bogen um solche Situationen machen soll.

"Primum non nocere" ist oberstes Gebot.

Dass Traumatisierte nicht über die auslösende Situation sprechen wollen, hat höchstens am Rand was mit Peinlichkeit und Oberpeinlichkeit zu tun - es ist ein ausgesprochen sinnvoller Schutzmechanismus.

Mit jeder Traumaerinnerung werden nämlich genau die Strukturen im Gehirn geübt und verstärkt, die dazu führen, dass ein Opfer unter dem, was damals geschehen ist, leidet.

Sich nicht erinnern wollen, Schweigen und Verdrängen sind in dem Fall wirklich Ausdruck eines guten Gespürs für das, was einem gut tut.

Das Aufarbeiten des Traumas (mit Traumaexposition) gehört definitiv in die Hände von Fachleuten!

 

 

Ansonsten geht es mir wie einigen andern hier auch:

Ich halte die Trennung zwischen Seelsorger und Therapeut für eine künstliche.

Für ein Übrigbleibsel aus einer Zeit, in der in der Nachfolge Freuds seriöse Psychotherapeuten auf keinen Fall religiös sein durften und allein das Bekenntnis eines Therapeuten, auf so etwas wie "Gott" zu vertrauen, ihn schon von vornherein verdächtig gemacht hat.

Es ist spannend zu sehen, wie sich in ganz vielen therapeutischen Ansätzen in den letzten Jahren die Erkenntnis durchsetzt, dass Spiritualität etwas ist, das zutiefst zum Menschen dazu gehört und dass man ganz schwer heilsam (therapeutisch) unterwegs sein kann, wenn diese Dimension ausgeklammert wird.

Die Kunst und die Herausforderung sowohl für Therapeuten als auch für Seelsorger ist die, zu lernen, dass jeder Mensch seine eigene Sprache und seine eigenen Ausdrucksformen für seine Spiritualität hat. Dass ein guter Therapeut und ein guter Seelsorger, der nicht nur für eine ganz genau definierte Gruppe von Menschen da sein will, lernen muss, mit einem Christen in christlicher Sprache darüber zu sprechen und mit einem Atheisten in der Sprache, die er sich dafür erarbeitet hat.

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Aber: Dass sie es geschafft haben, darüber zu sprechen, ist trotz aller Peinlichkeit ein Erfolg, manchmal sogar ein umwerfender Erfolg. Manchmal ist da ein Damm gebrochen und sie reden fortan mit einer eher schockierenden Offenheit, bei der man sie gelegentlich sogar stoppen muss. (Zum Beispiel wenn es sich um sexuelle Dinge dreht, wo man nicht so richtig weiß, was sie mit dem Aussprechen erreichen wollen.)

 

Das ist für mich z.B. auch ein Beispiel dafür, wie unsinnig die Abgrenzung Seelsorge/Therapie ist.

Du hast weiter vorne recht flappsig etwas skizziert, was zum therapeutischen Kontext explizit dazu gehört: dass sich Klienten und Therapeut darüber Gedanken machen, was das Ziel ihrer gemeinsamen Arbeit sein soll und dass sie dieses Ziel auch benennen.

Mir scheint, diese Frage wäre auch in einem Seelsorgegespräch durchaus angebracht!

Das, was du da beschreibst: "Das Gespräch war ungemein erfolgreich - er hat gesprochen! Nur - was hat er eigentlich damit erreichen wollen? Wofür war das jetzt gut?" - das zeigt das doch überdeutlich. Über sich reden um des Redens willen ist kein Wert an sich.

Es kann schon sein, dass es das ist, was ein Mensch will: endlich mit jemandem über Dinge sprechen, die ihn schon lang belasten und die er nie jemandem sagen konnte.

Dann ist das das Ziel: Sprechen und einen Zuhörer finden. Das wird oft genügen - zumal wenn dieser Zuhörer jemand ist, dem der, der das Gespräch sucht, die Kompetenz zu lösen zuspricht.

 

Aber bei vielen anderen Gesprächen ist der Betroffene noch gar nicht so weit, dass er so etwas annehmen kann.

Und mir käme es schon sehr notwendig vor, dass ich - bevor ich jemanden zum Reden bewege, mit ihm auch wenigstens kurz abkläre, was für Erwartungen er mit diesem Gespräch verbindet und das abstimme mit meinen eigenen Möglichkeiten.

(Das Ziel kann dann auch ganz offen gelassen werden: "Ich bin jetzt erstmal einfach froh, wenn mir jemand zuhört - was dann weiter geschieht, wird sich zeigen." - Aber wo das gar nicht geschieht, sehe ich wirklich die große Gefahr, dass bei jemandem viel heraufgewühlt wird und er dann damit völlig alleingelassen und noch zerstörter zurückbleibt.)

 

Und es schadet auch Seelsorgern nicht, wenn sie sich ein Feedback erbitten und danach fragen, was ein Seelsorgegespräch bewirkt hat und gegebenenfalls daraus lernen!

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Es ist spannend zu sehen, wie sich in ganz vielen therapeutischen Ansätzen in den letzten Jahren die Erkenntnis durchsetzt, dass Spiritualität etwas ist, das zutiefst zum Menschen dazu gehört ...

Erkenntnis? Mir für meinen Teil ist jedenfalls noch keine Definition von Spiritualität begegnet, die unabhängig ist von der Frage, ob man religiös ist oder nicht. So wüßte ich nicht, wie man es eine "Erkenntnis" nennen könnte, daß etwas "zutiefst zum Menschen gehört", wenn man sich noch nicht einmal darüber einig ist, was dieses "etwas" ist.

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