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Traumaseelsorge


helmut

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Es ist spannend zu sehen, wie sich in ganz vielen therapeutischen Ansätzen in den letzten Jahren die Erkenntnis durchsetzt, dass Spiritualität etwas ist, das zutiefst zum Menschen dazu gehört ...

Erkenntnis? Mir für meinen Teil ist jedenfalls noch keine Definition von Spiritualität begegnet, die unabhängig ist von der Frage, ob man religiös ist oder nicht. So wüßte ich nicht, wie man es eine "Erkenntnis" nennen könnte, daß etwas "zutiefst zum Menschen gehört", wenn man sich noch nicht einmal darüber einig ist, was dieses "etwas" ist.

Das ist OT hier.

Aber das sehe nicht nur ich so, in den letzten Jahren werden immer mehr Bücher von Atheisten publiziert, die sich mit dem Thema "atheistische Spiritualität" befassen und sich dagegen wehren, dass dieses Thema ausschließlich von Religionen besetzt ist.

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Ein Trauma zu therapieren verlangt nicht automatisch, das die traumatisierte Person religiös ist.

Ein nicht religiöser Therapeut, sollte sich auch auf keinen Fall anmaßen, Glauben mit in seine Therapie einzubinden. Das müsste m.M.n. absolut schief laufen.

Trauma-Ereignis und Glaubensproblem treten vermutlich auch nicht miteinander, sondern nacheinander auf.

Das ist Unsinn. Sonst wären wir wieder bei dem Thema, dass jeder Suchttherapeut auch schonmal süchtig gewesen sein muss. Und Probleme - welcher Art auch immer - halten sich selten an Reihenfolgen...
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Es ist spannend zu sehen, wie sich in ganz vielen therapeutischen Ansätzen in den letzten Jahren die Erkenntnis durchsetzt, dass Spiritualität etwas ist, das zutiefst zum Menschen dazu gehört ...

Erkenntnis? Mir für meinen Teil ist jedenfalls noch keine Definition von Spiritualität begegnet, die unabhängig ist von der Frage, ob man religiös ist oder nicht. So wüßte ich nicht, wie man es eine "Erkenntnis" nennen könnte, daß etwas "zutiefst zum Menschen gehört", wenn man sich noch nicht einmal darüber einig ist, was dieses "etwas" ist.

Das ist OT hier.

Aber das sehe nicht nur ich so, in den letzten Jahren werden immer mehr Bücher von Atheisten publiziert, die sich mit dem Thema "atheistische Spiritualität" befassen und sich dagegen wehren, dass dieses Thema ausschließlich von Religionen besetzt ist.

Ja, ich weiß. Der Spiegel titelt diese Woche auch damit: "Glaube ohne Gott". Aber nur weil man den gleichen Begriff verwendet, heißt das ja noch nicht, daß damit auch das Gleiche begriffen wird.

 

P.S.: Wer mal nach dem Stichwort "Spiritualität" in Threadtiteln dieses Forums sucht, bekommt 10 Fundstellen, darunter auch einige zu "atheistischer Spiritualität" und vergleichbarem. Wenn man sich da durchliest, ist man auch nicht schlauer. Es scheint einer dieser Begriffe zu sein mit viel Bedeutung, aber wenig Inhalt. ;)

bearbeitet von Marcellinus
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....

Ja, ich weiß. Der Spiegel titelt diese Woche auch damit: "Glaube ohne Gott". Aber nur weil man den gleichen Begriff verwendet, heißt das ja noch nicht, daß damit auch das Gleiche begriffen wird.

 

P.S.: Wer mal nach dem Stichwort "Spiritualität" in Threadtiteln dieses Forums sucht, bekommt 10 Fundstellen, darunter auch einige zu "atheistischer Spiritualität" und vergleichbarem. Wenn man sich da durchliest, ist man auch nicht schlauer. Es scheint einer dieser Begriffe zu sein mit viel Bedeutung, aber wenig Inhalt. ;)

welche begriffe sind eindeutig in der verwendung, incl. ihrer beschreibenden begriffe? wie ist es mit "symbol"?

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GerhardIngold

Ich wehre mich immer noch gegen diese Spezialisierung. TRAUMA-Seelsorger.

Wie weit soll man denn diese Spezialisierung vorantreiben?

Traumaseelsorger für Leute mit Trauma durch sexuellen Missbrauch?

Traumaseelsorger für sexuell Missbrauchte im Alter von 4,5 bis 8 Jahren?

Aber nur, wenn dieser Mensch nun über 28 Lebensjahre ist?

 

Im Therapiebereich finde ich solche Spezialisierungen manchmal sinnvoll. Da kommen dann oft noch andere Spezialisierungen (z.B. durch die Methodenwahl, auf die sich ein Therapeut spezialisiert) hinzu. Und dort ist das meiner Meinung auch sinnvoll.

 

Aber für die Seelsorge?

 

 

Ich weiß nicht, ob es unbedingt eine Spezialisierung innerhalb der Seelsorge braucht.

Aber wichtig wäre auf jeden Fall, dass sich Seelsorger (ganz umfassend - jeder, der offen ist für die Nöte und Bedürfnisse anderer und zuhören und so da sein will, dass es dem andern gut tut) Wissen über das, was sich während eines Traumas in einem Menschen abspielt und was das für Konsequenzen für seine Psyche hat, aneignet.

 

Dieses Wissen ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Unter anderem ist z.B. überdeutlich geworden, wie leicht es in Gesprächen mit traumatisierten Menschen - gerade, wenn man bereit ist, jemanden in diesem Gespräch auch dorthin zu begleiten, wo die Verletzungen und Wunden sind - zu Retraumatisierungen kommt.

Der Rat, den du z.B. in deiner Krankenhausseelsorgeausbildung bekommen hast, den halte ich für fatal.

Dahinter steht ein Denken, das früher auch theoretischer Hintergrund im therapeutischen Kontext war: es ist auf jeden Fall gut und heilsam, wenn man einem Menschen ermöglicht, sich emotional den traumatisierenden Situationen zu nähern. Sich damit zu konfrontieren und die Gefühle, die damals da waren, wieder bewusst zu spüren.

Wie falsch das ist, versteht man erst in den letzten Jahren: wenn so eine Traumaexposition nicht in einem ganz bestimmten, lange vorbereiteten Kontext stattfindet, wenn der Betroffene nicht sehr gut gelernt hat, sich zu schützen und auf innere sichere Plätze zurückzuziehen, wenn ihn die Erinnerung zu überfluten droht, ist die wichtigste Regel in der Begleitung wohl die, dass man in Gesprächen möglichst einen großen Bogen um solche Situationen machen soll.

"Primum non nocere" ist oberstes Gebot.

Dass Traumatisierte nicht über die auslösende Situation sprechen wollen, hat höchstens am Rand was mit Peinlichkeit und Oberpeinlichkeit zu tun - es ist ein ausgesprochen sinnvoller Schutzmechanismus.

Mit jeder Traumaerinnerung werden nämlich genau die Strukturen im Gehirn geübt und verstärkt, die dazu führen, dass ein Opfer unter dem, was damals geschehen ist, leidet.

Sich nicht erinnern wollen, Schweigen und Verdrängen sind in dem Fall wirklich Ausdruck eines guten Gespürs für das, was einem gut tut.

Das Aufarbeiten des Traumas (mit Traumaexposition) gehört definitiv in die Hände von Fachleuten!

 

 

Ansonsten geht es mir wie einigen andern hier auch:

Ich halte die Trennung zwischen Seelsorger und Therapeut für eine künstliche.

Für ein Übrigbleibsel aus einer Zeit, in der in der Nachfolge Freuds seriöse Psychotherapeuten auf keinen Fall religiös sein durften und allein das Bekenntnis eines Therapeuten, auf so etwas wie "Gott" zu vertrauen, ihn schon von vornherein verdächtig gemacht hat.

Es ist spannend zu sehen, wie sich in ganz vielen therapeutischen Ansätzen in den letzten Jahren die Erkenntnis durchsetzt, dass Spiritualität etwas ist, das zutiefst zum Menschen dazu gehört und dass man ganz schwer heilsam (therapeutisch) unterwegs sein kann, wenn diese Dimension ausgeklammert wird.

Die Kunst und die Herausforderung sowohl für Therapeuten als auch für Seelsorger ist die, zu lernen, dass jeder Mensch seine eigene Sprache und seine eigenen Ausdrucksformen für seine Spiritualität hat. Dass ein guter Therapeut und ein guter Seelsorger, der nicht nur für eine ganz genau definierte Gruppe von Menschen da sein will, lernen muss, mit einem Christen in christlicher Sprache darüber zu sprechen und mit einem Atheisten in der Sprache, die er sich dafür erarbeitet hat.

 

Dass Traumatisierte nicht über die auslösende Situation sprechen wollen, hat höchstens am Rand was mit Peinlichkeit und Oberpeinlichkeit zu tun - es ist ein ausgesprochen sinnvoller Schutzmechanismus.

Mit jeder Traumaerinnerung werden nämlich genau die Strukturen im Gehirn geübt und verstärkt, die dazu führen, dass ein Opfer unter dem, was damals geschehen ist, leidet.

Sich nicht erinnern wollen, Schweigen und Verdrängen sind in dem Fall wirklich Ausdruck eines guten Gespürs für das, was einem gut tut.

 

Hier zweifle ich an Deiner Sicht. Richtig ist, wenn man erstmals über Verletzungen redet, wiederholen sich die Bilder. Doch bei den Wiederholungen verlieren sie immer mehr an Kraft. Werden die Erinnerungen jedoch verdrängt und verschwiegen, machen sich die verdrängten Erinnerungen dafür zB durch Alkoholabhängigkeit, Tablettenabhänigkeit usw. bemerkbar.

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GerhardIngold

Es ist spannend zu sehen, wie sich in ganz vielen therapeutischen Ansätzen in den letzten Jahren die Erkenntnis durchsetzt, dass Spiritualität etwas ist, das zutiefst zum Menschen dazu gehört ...

Erkenntnis? Mir für meinen Teil ist jedenfalls noch keine Definition von Spiritualität begegnet, die unabhängig ist von der Frage, ob man religiös ist oder nicht. So wüßte ich nicht, wie man es eine "Erkenntnis" nennen könnte, daß etwas "zutiefst zum Menschen gehört", wenn man sich noch nicht einmal darüber einig ist, was dieses "etwas" ist.

 

Ich denke, das jeder Mensch in seinem religiösen oder nichtreligiösen Umfeld ernst genommen werden sollte. Bei Dir ist das "Etwas" sicher anders, als bei tiefgläubigen Menschen. Bei letzteren ihr Fundament auszuklammern, wie es die freudsche Schule gemacht hat, ist eher antitherapeutisch. So meine ich, sollte eben vorerst die Chemie zwischen Hilfesuchenden und Hilfeanbietenden stimmen.

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Es ist spannend zu sehen, wie sich in ganz vielen therapeutischen Ansätzen in den letzten Jahren die Erkenntnis durchsetzt, dass Spiritualität etwas ist, das zutiefst zum Menschen dazu gehört ...

Erkenntnis? Mir für meinen Teil ist jedenfalls noch keine Definition von Spiritualität begegnet, die unabhängig ist von der Frage, ob man religiös ist oder nicht. So wüßte ich nicht, wie man es eine "Erkenntnis" nennen könnte, daß etwas "zutiefst zum Menschen gehört", wenn man sich noch nicht einmal darüber einig ist, was dieses "etwas" ist.

 

Ich denke, das jeder Mensch in seinem religiösen oder nichtreligiösen Umfeld ernst genommen werden sollte. Bei Dir ist das "Etwas" sicher anders, als bei tiefgläubigen Menschen. Bei letzteren ihr Fundament auszuklammern, wie es die freudsche Schule gemacht hat, ist eher antitherapeutisch. So meine ich, sollte eben vorerst die Chemie zwischen Hilfesuchenden und Hilfeanbietenden stimmen.

Ja, eine Lebenskrise ist sicherlich nicht der richtige Augenblick, um jemanden von den Vorzügen eines realistischeren Weltbildes zu überzeugen!* :D Es sei denn, sein bisheriges Weltbild war Ursachen seiner Lebenskrise. ;)

 

______________

* Obwohl nicht gerade selten religiöse wie politische Sekten solche Augenblicke der Schwäche zur Missionierung mißbrauchen.

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Bei Spiritualität kann es um zweierlei Geist gehen:

1. Den Geist des Menschen. Mit Spiritualität kann man auch etwas bezeichnen, was sich mental ereignet.

2. Den Geist Gottes, also den heiligen Geist. Jemand begegnet auf dem Grunde seiner eigenen Seele einer Bewegungskraft, deren Quelle er Gott zurechnet.

 

Spiritualität im ersten Sinne kann jeder pflegen - völlig unabhängig davon, ob er glaubt oder nicht. An sein eigenes Innenleben wird er wohl schon glauben, denn er spürt es ja.

Spiritualität im zweiten Sinne ist Glaubenssache.

 

Interessant sind Germanheretics Gedanken dazu. Die klingen für mich irgendwie so: Man kann bestimmte religiöse (wohl spirituell verstandene) Rituale auch pflegen, auch wenn man nicht (an Götter) glaubt. Sie wirken trotz des Nichtglaubens. Über solche Vorstellungen rentiert es sich, ein wenig länger nachzudenken. Da steckt 'ne ganze Menge drin.

bearbeitet von Mecky
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...Hier zweifle ich an Deiner Sicht. Richtig ist, wenn man erstmals über Verletzungen redet, wiederholen sich die Bilder. Doch bei den Wiederholungen verlieren sie immer mehr an Kraft. Werden die Erinnerungen jedoch verdrängt und verschwiegen, machen sich die verdrängten Erinnerungen dafür zB durch Alkoholabhängigkeit, Tablettenabhänigkeit usw. bemerkbar.

nein, sie verlieren häufig nicht an kraft sondern verstärken sich. was zutrifft ist die kunst und das wissen des therapeuten. retraumatisierungen durch falsche therapieversuche können im suizid enden. deshalb bestheht hohe gefahr.

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...

Ja, eine Lebenskrise ist sicherlich nicht der richtige Augenblick, um jemanden von den Vorzügen eines realistischeren Weltbildes zu überzeugen!* :D Es sei denn, sein bisheriges Weltbild war Ursachen seiner Lebenskrise. ;)

 

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* Obwohl nicht gerade selten religiöse wie politische Sekten solche Augenblicke der Schwäche zur Missionierung mißbrauchen.

das festzustellen obliegt dir. :D eine demissionierung unterscheidet sich nicht von primitiver missionierung.

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Man kann bestimmte religiöse (wohl spirituell verstandene) Rituale auch pflegen, auch wenn man nicht (an Götter) glaubt.

Ja, man kann, aber man sollte nicht.

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GerhardIngold

Es ist spannend zu sehen, wie sich in ganz vielen therapeutischen Ansätzen in den letzten Jahren die Erkenntnis durchsetzt, dass Spiritualität etwas ist, das zutiefst zum Menschen dazu gehört ...

Erkenntnis? Mir für meinen Teil ist jedenfalls noch keine Definition von Spiritualität begegnet, die unabhängig ist von der Frage, ob man religiös ist oder nicht. So wüßte ich nicht, wie man es eine "Erkenntnis" nennen könnte, daß etwas "zutiefst zum Menschen gehört", wenn man sich noch nicht einmal darüber einig ist, was dieses "etwas" ist.

 

Ich denke, das jeder Mensch in seinem religiösen oder nichtreligiösen Umfeld ernst genommen werden sollte. Bei Dir ist das "Etwas" sicher anders, als bei tiefgläubigen Menschen. Bei letzteren ihr Fundament auszuklammern, wie es die freudsche Schule gemacht hat, ist eher antitherapeutisch. So meine ich, sollte eben vorerst die Chemie zwischen Hilfesuchenden und Hilfeanbietenden stimmen.

Ja, eine Lebenskrise ist sicherlich nicht der richtige Augenblick, um jemanden von den Vorzügen eines realistischeren Weltbildes zu überzeugen!* :D Es sei denn, sein bisheriges Weltbild war Ursachen seiner Lebenskrise. ;)

 

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* Obwohl nicht gerade selten religiöse wie politische Sekten solche Augenblicke der Schwäche zur Missionierung mißbrauchen.

 

Da gebe ich Dir recht.

 

Doch ich mache auch einen Unterschied zwischen krank- oder gesundmachenden Religiosität oder Religionslosigkeit. ekklesiogenen Erkrankungen sind bekannt und doch sind die nicht-ekklesiogenen Erkrankungen weitaus häufiger. Es kann eben alles krank machen. Wenn religiöse Menschen Kinder missbrauchen oder eben nicht-religiöse Menschen dasselbe tun, sind letztlich die Auswirkungen immer dieselben.

 

Mich schockte es aber während meiner Ausbildung 1984 bis 1987 schon, dass wir oft bis 30% Patienntinnen aus sehr religiösen freikirchlichen Kreisen hatten. Aber auch da bin ich vorsichtig, was das auslösende Moment angeht: Seelisch verletzte Menschen suchen nicht selten in vereinfachten Strukturen einer rigiden Religiosität einen Halt. Dass solche Menschen dort nicht aufgefangen werden können, ist für mich nachvollziehbar. Rigide Gruppierungen werden nicht selten von Menschen gegründet, die selbst grundlegende Hilfe nötig hätten.

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...

Ich denke, das jeder Mensch in seinem religiösen oder nichtreligiösen Umfeld ernst genommen werden sollte. Bei Dir ist das "Etwas" sicher anders, als bei tiefgläubigen Menschen. Bei letzteren ihr Fundament auszuklammern, wie es die freudsche Schule gemacht hat, ist eher antitherapeutisch. So meine ich, sollte eben vorerst die Chemie zwischen Hilfesuchenden und Hilfeanbietenden stimmen.

deswegen gibt es ja ein weiterdenken über freud hinaus, z.b. viktor frankl. auch das ist noch nicht der weisheit letzter schluß. neurobiologie mit all ihren facetten wird weiteres eröffnen. das menschenbild hinter allem ist das entscheidende.

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Ein Trauma zu therapieren verlangt nicht automatisch, das die traumatisierte Person religiös ist.

Ein nicht religiöser Therapeut, sollte sich auch auf keinen Fall anmaßen, Glauben mit in seine Therapie einzubinden. Das müsste m.M.n. absolut schief laufen.

Trauma-Ereignis und Glaubensproblem treten vermutlich auch nicht miteinander, sondern nacheinander auf.

Das ist Unsinn. Sonst wären wir wieder bei dem Thema, dass jeder Suchttherapeut auch schonmal süchtig gewesen sein muss. Und Probleme - welcher Art auch immer - halten sich selten an Reihenfolgen...

 

Wenn du nur diesen einen Satz siehst, ist das sicher so nicht absolut korrekt. Aus dem Zusammenhang wird aber deutlich, dass hier ganz konkret von einer Glaubenskrise aufgrund eines traumatischen Ereignisses gesprochen wurde. Dann steht die Glaubenskrise und nicht das traumatische Ereignis im Mittelpunkt.

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Hier zweifle ich an Deiner Sicht. Richtig ist, wenn man erstmals über Verletzungen redet, wiederholen sich die Bilder. Doch bei den Wiederholungen verlieren sie immer mehr an Kraft. Werden die Erinnerungen jedoch verdrängt und verschwiegen, machen sich die verdrängten Erinnerungen dafür zB durch Alkoholabhängigkeit, Tablettenabhänigkeit usw. bemerkbar.

 

Unmittelbar nach einer Traumatisierung kann es wichtig und heilsam sein, über das Erlebte zu sprechen.

Allerdings braucht es auch dabei einen bestimmten Rahmen und einen Ort, wo das alles wirklich Platz hat und gehört wird und möglichst gut aufgefangen wird.

Wenn jemand nicht mehr aufhört, über sein Trauma zu berichten und das überall und zu jeder Zeit tut, überfordert er damit nicht nur Angehörige und Freunde, sondern auch sich selbst und tut sich nichts Gutes.

 

Bei länger zurückliegenden Traumatisierungen und Traumafolgekrankheiten wie posttraumatischen Belastungsstörungen ist es dann aber - und das weiß man inzwischen aus der Neurobiologie sehr gut (Don Gato hatte das unlängst auch in der Katakombe angesprochen) - unbedingt notwendig, Retraumatisierungen zu vermeiden. Wenn so eine Erinnerung nicht wirklich in ein gutes Setting eingebunden wird und nicht auch gewährleistet ist, dass der Betroffene danach mit dem, was hochgekommmen ist, nicht allein gelassen wird, dann macht man die Spuren, die das Trauma im Gehirn hinterlassen hat, nur tiefer. Heilung geschieht dabei keine.

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GerhardIngold

 

Hier zweifle ich an Deiner Sicht. Richtig ist, wenn man erstmals über Verletzungen redet, wiederholen sich die Bilder. Doch bei den Wiederholungen verlieren sie immer mehr an Kraft. Werden die Erinnerungen jedoch verdrängt und verschwiegen, machen sich die verdrängten Erinnerungen dafür zB durch Alkoholabhängigkeit, Tablettenabhänigkeit usw. bemerkbar.

 

Unmittelbar nach einer Traumatisierung kann es wichtig und heilsam sein, über das Erlebte zu sprechen.

Allerdings braucht es auch dabei einen bestimmten Rahmen und einen Ort, wo das alles wirklich Platz hat und gehört wird und möglichst gut aufgefangen wird.

Wenn jemand nicht mehr aufhört, über sein Trauma zu berichten und das überall und zu jeder Zeit tut, überfordert er damit nicht nur Angehörige und Freunde, sondern auch sich selbst und tut sich nichts Gutes.

 

Bei länger zurückliegenden Traumatisierungen und Traumafolgekrankheiten wie posttraumatischen Belastungsstörungen ist es dann aber - und das weiß man inzwischen aus der Neurobiologie sehr gut (Don Gato hatte das unlängst auch in der Katakombe angesprochen) - unbedingt notwendig, Retraumatisierungen zu vermeiden. Wenn so eine Erinnerung nicht wirklich in ein gutes Setting eingebunden wird und nicht auch gewährleistet ist, dass der Betroffene danach mit dem, was hochgekommmen ist, nicht allein gelassen wird, dann macht man die Spuren, die das Trauma im Gehirn hinterlassen hat, nur tiefer. Heilung geschieht dabei keine.

 

Ist für mich einleuchtend. Ich bin wohl immer noch zu sehr von Freud geprägt.

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Ein Trauma zu therapieren verlangt nicht automatisch, das die traumatisierte Person religiös ist.

Ein nicht religiöser Therapeut, sollte sich auch auf keinen Fall anmaßen, Glauben mit in seine Therapie einzubinden. Das müsste m.M.n. absolut schief laufen.

Trauma-Ereignis und Glaubensproblem treten vermutlich auch nicht miteinander, sondern nacheinander auf.

Das ist Unsinn. Sonst wären wir wieder bei dem Thema, dass jeder Suchttherapeut auch schonmal süchtig gewesen sein muss. Und Probleme - welcher Art auch immer - halten sich selten an Reihenfolgen...

 

Wenn du nur diesen einen Satz siehst, ist das sicher so nicht absolut korrekt. Aus dem Zusammenhang wird aber deutlich, dass hier ganz konkret von einer Glaubenskrise aufgrund eines traumatischen Ereignisses gesprochen wurde. Dann steht die Glaubenskrise und nicht das traumatische Ereignis im Mittelpunkt.

Es ist üblich, dass Klient und Therapeut vor Beginn der Therapie abklären, ob sie zueinander passen. Ein seriöser Therapeut hat im übrigen sein therapeutisches Handwerk gelernt und wird sich nicht anmaßen, "den Glauben" (welchen?) "mit in die Therapie einzubinden", er wird im Verlauf der Trauma-Therapie mit den aus Glauben erwachsenen Vorstellungen eines Klienten umgehen müssen, sein Job ist aber die Behandlung von Traumatisierten und der aus der Traumatisierung resultierenden Störungen. Deswegen ist Deine Annahme, eine Therapie müsse in der Konstellation "nicht religiöser" Therapeut und gläubiger Klient "absolut schief laufen" absolut nicht richtig. Dir als Klientin stünde es selbstverständlich offen, diese Konstellation zurückzuweisen. Dir als Klientin steht es auch zu Gebote festzulegen, was im Mittelpunkt Deiner Therapie stehen soll: Glaubenskrise oder traumatisches Ereignis (sofern beides erstmal voneinander abgegrenzt ist). Darüber zu befinden, wie das bei anderer Menschen zu sein habe, steht Dir absolut nicht zu und wäre anmaßend (um mich hier mal Deiner Begrifflichkeiten zu bedienen).

Schwierigkeiten in der Traumatherapie (und wie ich annehme auch in der Traumaseelsorge) ergeben sich wohl nicht so sehr aus der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer (bestimmten) Religion, sondern aus unterschiedlichem kulturellem Hintergrund (der auch mit religiösen Vorstellungen vergesellschaftet ist/sein kann) - über umfangreiche praktische Erfahrungen hierzu verfügt z.B. diese Einrichtung.

bearbeitet von Julius
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Ein Trauma zu therapieren verlangt nicht automatisch, das die traumatisierte Person religiös ist.

Ein nicht religiöser Therapeut, sollte sich auch auf keinen Fall anmaßen, Glauben mit in seine Therapie einzubinden. Das müsste m.M.n. absolut schief laufen.

Trauma-Ereignis und Glaubensproblem treten vermutlich auch nicht miteinander, sondern nacheinander auf.

Das ist Unsinn. Sonst wären wir wieder bei dem Thema, dass jeder Suchttherapeut auch schonmal süchtig gewesen sein muss. Und Probleme - welcher Art auch immer - halten sich selten an Reihenfolgen...

 

Wenn du nur diesen einen Satz siehst, ist das sicher so nicht absolut korrekt. Aus dem Zusammenhang wird aber deutlich, dass hier ganz konkret von einer Glaubenskrise aufgrund eines traumatischen Ereignisses gesprochen wurde. Dann steht die Glaubenskrise und nicht das traumatische Ereignis im Mittelpunkt.

Es ist üblich, dass Klient und Therapeut vor Beginn der Therapie abklären, ob sie zueinander passen. Ein seriöser Therapeut hat im übrigen sein therapeutisches Handwerk gelernt und wird sich nicht anmaßen, "den Glauben" (welchen?) "mit in die Therapie einzubinden", er wird im Verlauf der Trauma-Therapie mit den aus Glauben erwachsenen Vorstellungen eines Klienten umgehen müssen, sein Job ist aber die Behandlung von Traumatisierten und der aus der Traumatisierung resultierenden Störungen. Deswegen ist Deine Annahme, eine Therapie müsse in der Konstellation "nicht religiöser" Therapeut und gläubiger Klient "absolut schief laufen" absolut nicht richtig. Dir als Klientin stünde es selbstverständlich offen, diese Konstellation zurückzuweisen. Dir als Klientin steht es auch zu Gebote festzulegen, was im Mittelpunkt Deiner Therapie stehen soll: Glaubenskrise oder traumatisches Ereignis (sofern beides erstmal voneinander abgegrenzt ist). Darüber zu befinden, wie das bei anderer Menschen zu sein habe, steht Dir absolut nicht zu und wäre anmaßend (um mich hier mal Deiner Begrifflichkeiten zu bedienen).

Schwierigkeiten in der Traumatherapie (und wie ich annehme auch in der Traumaseelsorge) ergeben sich wohl nicht so sehr aus der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer (bestimmten) Religion, sondern aus unterschiedlichem kulturellem Hintergrund (der auch mit religiösen Vorstellungen vergesellschaftet ist/sein kann) - über umfangreiche praktische Erfahrungen hierzu verfügt z.B. diese Einrichtung.

Nochmal:

In dem genannten Fall wäre eine Psychotherapie sinnlos, weil das traumatische Ereignis längst vergangen ist, aber sich daraus ein reines Glaubensproblem entwickelt hat.

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In dem genannten Fall wäre eine Psychotherapie sinnlos, weil das traumatische Ereignis längst vergangen ist, aber sich daraus ein reines Glaubensproblem entwickelt hat.

Oh, ich bitte ausnahmsweise um Entschuldigung: mir ist bisher entgangen, dass Du hier definierst, über welche "Fälle" diskutiert wird (oder überhaupt nur einen ganz speziellen "Fall" einbringen wolltest), anfänglich hast Du ja behauptet, über "allgemeine Erfahrungen" (oder sowas ähnliches) diskutieren zu wollen. Es ist mir auch entgangen, dass Du (ausser vielleicht für Dich selbst) feststellen kannst, dass sich ein "reines Glaubensproblem" aus einer Traumatisierung entwickelt hat und nicht schon vorher angelegt war. Immerhin ist dieser Thread noch mit "Traumaseelsorge" überschrieben - und traumatische Störungen richten sich nicht danach, wie lange ein traumatisierendes Ereignis zurückliegt: sonst könnte man sich auch Traumatherapien sparen und auf den Zeitfaktor setzen. Fragen könnte ich auch, weswegen Du - mit Deinen Vorgaben - ein übrig gebliebenes "reines Glaubensproblem" in diesem Thread erörtern willst, wenn die Traumatisierung selbst so lange zurück liegt, dass sie keine Rolle mehr spielen soll.

Mit einer inzwischen (angeblich) vom auslösenden Ereignis isolierten "reinen Glaubensproblem" (mal unterstellt, es gäbe dies) wäre ein Klient in der Tat beim Psychotherapeuten nicht an der richtigen Adresse. Bliebe zu fragen, weswegen er sich überhaupt an einen solchen wendet. Wenn es sich erst herauskristallisiert hat, dass es sich, wie von Dir unterstellt, um ein "reines Glaubensproblem" handelt, wird der seriöse Therapeut den Klienten darauf aufmerksam machen, dass er mit seinem Problem möglicherweise bei einem Pfarrer/Seelsorger besser aufgehoben wäre (es muss ja nicht unbedingt der "zuständige Priester" sein).

bearbeitet von Julius
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In dem genannten Fall wäre eine Psychotherapie sinnlos, weil das traumatische Ereignis längst vergangen ist, aber sich daraus ein reines Glaubensproblem entwickelt hat.

Nach meinem Verständnis von Glauben (hab ich hier z.B. beschrieben), gibt es kein "reines" (kognitives?) Glaubensproblem, das nichts mit der psychischen Verfasstheit eines Menschen zu tun hat.

 

Und du stellst den Zusammenhang mit der Psyche ja auch her: wenn das Glaubensproblem seine Wurzeln in der traumatischen Erfahrung hat, heißt das doch wohl, dass der Betroffene nicht mehr so leichtgläubig vertrauen kann, dass er misstrauischer geworden ist und mehr hinterfragt als früher. Eben frühere Sicherheiten nicht mehr hat.

 

Ich glaube nicht, dass sich sowas rein mit einem Gespräch über dogmatische Fragen lösen lässt.

Sondern es ginge doch genau darum, den Zusammenhang zwischen dem Glaubensverlust und dem in der Traumasituation weggebrochenen Vertrauen zu verstehen. Und dann danach zu suchen, ob es möglich ist, "Gott" und "Glauben" auf eine neue Weise zu verstehen, in der auch die schlimme Erfahrung von damals einen stimmigen Platz hat.

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...

Nochmal:

In dem genannten Fall wäre eine Psychotherapie sinnlos, weil das traumatische Ereignis längst vergangen ist, aber sich daraus ein reines Glaubensproblem entwickelt hat.

ein "reines" glaubensproblem hat wohl immer psychische hintergründe und damit diese "reinheit" nie gehabt.

 

deine konstruktion ist rationalisierung und gehörte zu den schutzmechanismen des traumas.

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In dem genannten Fall wäre eine Psychotherapie sinnlos, weil das traumatische Ereignis längst vergangen ist, aber sich daraus ein reines Glaubensproblem entwickelt hat.

Nach meinem Verständnis von Glauben (hab ich hier z.B. beschrieben), gibt es kein "reines" (kognitives?) Glaubensproblem, das nichts mit der psychischen Verfasstheit eines Menschen zu tun hat.

 

Und du stellst den Zusammenhang mit der Psyche ja auch her: wenn das Glaubensproblem seine Wurzeln in der traumatischen Erfahrung hat, heißt das doch wohl, dass der Betroffene nicht mehr so leichtgläubig vertrauen kann, dass er misstrauischer geworden ist und mehr hinterfragt als früher. Eben frühere Sicherheiten nicht mehr hat.

 

Ich glaube nicht, dass sich sowas rein mit einem Gespräch über dogmatische Fragen lösen lässt.

Sondern es ginge doch genau darum, den Zusammenhang zwischen dem Glaubensverlust und dem in der Traumasituation weggebrochenen Vertrauen zu verstehen. Und dann danach zu suchen, ob es möglich ist, "Gott" und "Glauben" auf eine neue Weise zu verstehen, in der auch die schlimme Erfahrung von damals einen stimmigen Platz hat.

Da magst du sehr wohl Recht haben. Nur frage ich mich dennoch, ob in diesem Fall ein Psychotherapeut der richtige Ansprechpartner wäre. In dem Beispiel, das mir vorschwebt, hätte sich das Problem (das das ursprüngliche Trauma ausgelöst hat), das den Glaubensverlust ausgelöst hat, längst in Luft aufgelöst; das Glaubensproblem jedoch durch den - wie du es nennst - Vertrauensverlust und weiteren hinzu kommendenden Erfahrungen verschärft.

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Nur frage ich mich dennoch, ob in diesem Fall ein Psychotherapeut der richtige Ansprechpartner wäre. In dem Beispiel, das mir vorschwebt, hätte sich das Problem (das das ursprüngliche Trauma ausgelöst hat), das den Glaubensverlust ausgelöst hat, längst in Luft aufgelöst; das Glaubensproblem jedoch durch den - wie du es nennst - Vertrauensverlust und weiteren hinzu kommendenden Erfahrungen verschärft.

 

Ich kann mich nicht entsinnen, dass irgend jemand den Psychotherapeuten als richtigen Ansprechpartner für das von Dir jetzt nachträglich spezifizierte und vom Ursprungstrauma gelöste Glaubensproblem genannt hätte. Davon abgesehen sind Gesprächstermine für Erstgespräche bei Psychotherapeuten häufig noch schwerer zu bekommen als bei für isolierte Glaubensprobleme "zuständigen Priestern" (Du hattest aufgrund Deiner Erfahrungen das Terminproblem ja ziemlich zu Beginn dieses Threads geschildert). Zumindest was dieses, zugegebenermaßen nachrangige Terminproblem betrifft, halten sich Psychotherapeuten und "zuständige Priester" inzwischen ziemlich die Waage.

bearbeitet von Julius
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...Hier zweifle ich an Deiner Sicht. Richtig ist, wenn man erstmals über Verletzungen redet, wiederholen sich die Bilder. Doch bei den Wiederholungen verlieren sie immer mehr an Kraft. Werden die Erinnerungen jedoch verdrängt und verschwiegen, machen sich die verdrängten Erinnerungen dafür zB durch Alkoholabhängigkeit, Tablettenabhänigkeit usw. bemerkbar.
nein, sie verlieren häufig nicht an kraft sondern verstärken sich. was zutrifft ist die kunst und das wissen des therapeuten. retraumatisierungen durch falsche therapieversuche können im suizid enden. deshalb bestheht hohe gefahr.

Das ist eine bittere Sache für Seelsorger und auch für Therapeuten.

 

Ich habe auch lange gebraucht, bis ich mich in eine solche Retraumatisierung hineinversetzen konnte.

Entlastend muss man vielleicht noch anfügen, dass die Retraumatisierung keineswegs immer von außen angestoßen wird. Häufig sind es auch innere Prozesse im Traumatisierten. Nach jahrelangem Vergessen/Verdrängen erinnert er sich plötzlich wieder. Oder ihm wird die Bedeutung eines Vorgangs für sein Leben schlagartig bewusst. Oder eine neue Bewertung einer Erinnerung. Oder schlicht die Erkenntnis, dass man das Trauma schon so lange mit sich herumschleppt, ohne dass es besser geworden ist: wie hoffnungszerstörend für die Zukunft!

 

Die missliche Lage eines Therapeuten besteht dann darin, dass er die Möglichkeit einer Retraumatisierung kennt. Aber es gibt keinen Überblick auf den jeweiligen Trigger. Das ist wie das Entschärfen einer Bombe, für deren Konstruktion man keinen Plan hat. Man muss sie entschärfen, sonst geht sie irgendwann spontan in die Luft. Geht man aber ans Entschärfen, kann man dabei selbst zum Auslöser werden.

 

Ich persönlich denke, dass man sich von diesem Wissen nicht allzusehr drücken lassen darf. Schlimmstenfalls kann dieses Wissen um Retraumatisierung zu einer furchtbaren Ausrede werden: Entweder gar nichts zu tun. Denn wer nichts tut, macht ja auch keine Fehler. (Oder doch? Oder doch? Oder gerade dann?) Oder einfach den "Fall" ersatzweise an einen Spezialisten weiterzureichen.

Aber sowohl das Nichtstun, als auch das Weiterreichen kann ein Trigger sein.

Was soll denn der Traumatisierte denken, wenn niemand sich mehr an ihn rantraut und er immer nur (und häufig ergebnislos) weitergereicht wird.

 

Am besten halte ich es, wenn man solche Vorgänge kennt und damit rechnet. Das macht einen einfach ein bisschen vorsichtiger und man bemüht sich vielleicht ein wenig mehr, Standard-Trigger zu vermeiden. Aber weiter sollte man sich nicht einschränken lassen. Man muss sich damit abfinden, dass es keinen sicheren Weg gibt. Dass jederzeit ein heftiger Rückschlag, ein Rückzug des Traumatisierten und sogar ein Suizid kommen kann. Mehr, als versuchen kann man nicht. Und mehr, als versuchen, können auch Spezialisten nicht. Es existiert auch ein Heer von Traumatisierten, die einen entsetzlichen Marathon durch die Spezialisten unternommen haben, ohne dass ihnen geholfen werden konnte. Und das ist lebensbedrohlich frustrierend und äußerst schmerzhaft.

 

Hier kann übrigens eine neue Therapie oftmals nicht mehr viel bringen. Womöglich verlängert sie den Marathon noch. Während eine seelsorgerliche Begleitung keineswegs darauf festgelegt ist, tatsächlich heilen zu können. Manchmal sind Bei-stand, Verstehen unter Freunden und Rücksichtnahme (bei zwischenmenschlichen Fehlern, die der Traumatisierte begeht), vor allem aber Solidarität und ein festes: "Ich halte zu dir. Ich lass dich nicht fallen!" dann wichtiger, als die nächste Therapie. Selbst bei Suizid.

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