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Warum argumentiert die Kirche noch immer über das Naturrecht?


nobis11

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Hi Nobis!

 

Gegen das Naturrecht wäre nichts einzuwenden, wenn man sich der Mehrdeutigkeit bewusst wäre.

Aus einer Naturerkenntnis ergibt sich ja keineswegs EINE Handlungsanweisung, sondern normalerweise eine ganze Fülle verschiedener Handlungsmöglichkeiten, die sich auch locker widersprechen können.

 

Von der Natur trennen lassen sich allerdings Ethik und Recht nicht. Eine naturentfremdete Ethik oder rechtliche Anweisung wäre Blödsinn. Total weltfremd.

 

Die ganzen Begründungen des Rechts oder der Ethik müssen sich auf natürliche Gegenbenheiten beziehen lassen und sich sogar vor ihnen rechtfertigen.

 

Das Problem beim sogenannten Naturrecht besteht primär darin, dass man eine Eingleisigkeit behauptet ("Aus dieser Naturerkenntnis kann nur Folgendes geschlossen werden: ...") und so tut, als habe man nicht nur die Natur, sondern gleich noch ihre ethischen Konsequenzen verstanden und man kenne die einzig richtige Art, der Natur zu gehorchen. Das ist natürlich grandioser Mist. Aber - wie viele reißerische Thesen - das ist sehr einfach. Und solche Behauptungen können sehr suggestiv oder demagogisch wirken.

 

Wenn ich irgendwelche Artikel lese, die Naturrecht propagieren, fällt mir im Handumdrehen regelmäßig deren demagogische Ausrichtung auf. Die beiden Dinge (Naturrechtsbehauptung und Demagogie) hängen miteinander zusammen.

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Wenn ich irgendwelche Artikel lese, die Naturrecht propagieren, fällt mir im Handumdrehen regelmäßig deren demagogische Ausrichtung auf. Die beiden Dinge (Naturrechtsbehauptung und Demagogie) hängen miteinander zusammen.

 

Ich weiß ja nicht, was du für Zeug liest. In den von mir empfohlenen Werken findest du keine Demagogie. - Ich hab manchmal das Gefühl, über das Naturrecht reden hier Leute, die ihr Wissen nur aus drittklassigen Pamphleten beziehen. Daß es auch sackdämliche Propagisten eines Vulgärnaturrechts geben mag, sei dahingestellt.

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Wir haben in D z. B. beschlossen, dass die Menschenrechte unantastbar sind. Das finde ich gut und richtig, aber es ist genau so gesetztes Recht wie die Straßenverkehrsordnung.

D.h. jemand, der die Menschenrechte auf formell einwandfreiem Wege abschafft, wäre für dich kein Rechtsbrecher?

 

Auf welcher Grundlage sollte er das denn sein? "Menschenrechte" sind sinnvolle konstrukte, aber keine heiligen Dogmen.

 

Sie wurden aber nicht einfach so ins Blaue hinein konstruiert, sondern sie spiegeln eine Realität wider.

 

In der Enzyklika "Pacem in terris" ist das recht gut beschrieben (Nr.9)

 

Jedem menschlichen Zusammenleben, das gut geordnet und fruchtbar sein soll, muß das Prinzip zugrunde liegen, daß jeder Mensch seinem Wesen nach Person ist. Er hat eine Natur, die mit Vernunft und Willensfreiheit ausgestattet ist; er hat daher aus sich Rechte und Pflichten, die unmittelbar und gleichzeitig aus seiner Natur hervorgehen. Wie sie allgemein gültig und unverletzlich sind, können sie auch in keiner Weise veräußert werden

 

Mir ist bekannt, dass die Kirche sich mit den in internationalen Vereinbarungen niedergelegten Menschenrechten schwer tut. Es geht mir im Moment nur darum darzustellen, dass es auch Rechte außerhalb des positiven Rechts geben kann.

bearbeitet von Merkur
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Mir ist bekannt, dass die Kirche sich mit den in internationalen Vereinbarungen niedergelegten Menschenrechten schwer tut.

 

 

Ja , sie tun sich schwer, weil sie seltsamerweise noch immer glauben, dass ihre Meinung mehr zählen müsste, als die anderer Organisationen.

 

 

Es geht mir im Moment nur darum darzustellen, dass es auch Rechte außerhalb des positiven Rechts geben kann.

Sollt es sowas tatsächlich geben krankt es daran dass es keinerlei Möglichkeiten gibt dieses "angebliche Recht" durchzusetzen, wodurch es gänzlich wertlos wird.

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Wir haben in D z. B. beschlossen, dass die Menschenrechte unantastbar sind. Das finde ich gut und richtig, aber es ist genau so gesetztes Recht wie die Straßenverkehrsordnung.

D.h. jemand, der die Menschenrechte auf formell einwandfreiem Wege abschafft, wäre für dich kein Rechtsbrecher?

 

Ich will nochmal versuchen, zu erklären, worum es mir geht.

Das mittelalterliche Weltbild basierte auf der Vorstellung, dass Gott die Welt hierarchisch geschaffen hat, An der Spitze der gesalbte König, dessen Fürsten in genau festgelegter Rangfolge bis hin zu den einfachen Untertanen. Jeder Mensch leitete seine Stellung in Welt und Gesellschaft aus dieser Hierarchie her, die als so unantastbar gesehen wurde, das die Königssalbung sogar mal ein Sakrament war.

Diese hierarchische Weltordnung wurde als über dem gesetzten Recht stehend gesehen, der Gedanke, jemand könnte sie abschaffen wollen, war schlicht undenkbar.

Trotzdem hat sich diese Ordnung überlebt. Nicht, weil jemand kam und sagte "wir schaffen das jetzt ab", sondern weil sich etwas Neues entwickelt hat: Gleichberechtigung aller Menschen, Chancengleichheit, durchlässige Gesellschaften, Demokratie, es sind im Endeffekt die Menschenrechte, die diese alte Ordnung abgelöst haben.

Uns, auch mir, ist es nicht vorstellbar, auf die Menschenrechte verzichten zu können. Aber warum soll sich nicht irgendetwas Neues, Besseres entwickeln, dass die Menschenrechte ablöst.

Und möglich ist das, weil es sich eben nicht um etwas Absolutes, unabhängig von menschlichem Denken und menschlichen Vorstellungen Seiendes handelt, sondern um etwas durch und von Menschen Erdachtes und Geschaffenes.

Und damit ist es eben nicht "Naturrecht" im eigentlichen Sinn.

 

Ich hoffe, man kann meine Gedanken einigermaßen nachvollziehen.

 

Werner

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Sollt es sowas tatsächlich geben krankt es daran dass es keinerlei Möglichkeiten gibt dieses "angebliche Recht" durchzusetzen, wodurch es gänzlich wertlos wird.

 

Ohne Strafsystem lässt sich Recht nie durchsetzen.

 

Die 3 Grunderkenntnisse des Naturrechts sind insofern richtig, dass sie die Bereiche aufzeigen, in denen der Menschen Rechte und Pflichten hat (im Bezug auf Gott, im Bezug auf die Mitmenschen, im Bezug auf sich selbst).

 

Die haben sich dann in unterschiedlicher Form entwickelt. Rechte und Pflichten zu Gott wurden in den privaten Bereich verschoben, wo die Religiösität angesiedelt wäre. Rechte und Pflichten sich selbst gegenüber wurden generell im privaten Bereich verortet, nicht einmal im Religiösen. Rechte und Pflichten gegenüber den Mitmenschen wurden als etwas betrachtet, was sich im Konsens zwischen den Menschen - bzw "mit den (anderen) Menschen" - finden muss, woraus dann "positives Recht" entstand. Wie hier am Anfang bereits durch einen anderen Foranten angedeutet wurde.

 

"Positives Recht" KÖNNTE man quasi als logische Konsequenz aus einem Teilbereiches des Naturrechtes betrachten. Die anderen Naturrechtsbereiche hingegen werden nicht als öffentlich relevant betrachtet und stehen daher außerhalb der Rechtsnorm. Das ist anders als z.b. in einem islamischen Staat, in dem das Rechtssystem sowohl die Rechten und Pflichten gegenüber Gott und gegenüber sich selbst regelt und mit einbezieht.

 

Was würde eigentlich passieren, wenn man die religiösen Rechten und Pflichten mit zum öffentlichen Teil der Rechtssprechung macht? Wenn man also, wenn wir eigenen wirren Köpfen folgen, die heterosexuelle Familie zur Pflicht für jeden Menschen machen, dann wäre das quasi auch das Ende des zölibatären Priestertums.

bearbeitet von nobis11
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Wenn man also, wenn wir eigenen wirren Köpfen folgen, die heterosexuelle Familie zur Pflicht für jeden Menschen machen, dann wäre das quasi auch das Ende des zölibatären Priestertums.

 

Nach katholischer Lehre ist die Eingehung einer Ehe keine Pflicht für niemanden. Wer dafür nicht taugt, soll es lassen, wer zu anderem berufen ist, ebenfalls. Der unverheiratet lebende Laie, vielleicht sogar durch ein Gelübde gebunden, der zölibatäre Geistliche, Mönch oder die zölibatar lebende Ordensfrau sind dem verheirateten Ehemann, der verheirateten Ehefrau doch völlig gleichwertig.

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Ohne Strafsystem lässt sich Recht nie durchsetzen.

 

Das sollte man bei einem naturrechtlich geprägten Rechtssystem gar nicht erst versuchen. Die Stärke des Naturrechts liegt eher darin, im Rechtsdenken einer Bevölkerung so fest verankert zu sein, dass seine Autorität größer ist, als die des gesetzten Rechts. Ein oktroyiertes Naturrecht würde, mangels seiner demokratischen Legitimation, als unerträglicher angesehen als jedes demokratisch zustandegekommenes Gesetz.

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Es geht mir im Moment nur darum darzustellen, dass es auch Rechte außerhalb des positiven Rechts geben kann.

Sollt es sowas tatsächlich geben krankt es daran dass es keinerlei Möglichkeiten gibt dieses "angebliche Recht" durchzusetzen, wodurch es gänzlich wertlos wird.

 

 

Das stimmt ja nicht. Du kannst ja zum Beispiel eine Revolution veranstalten oder dich anderweitig empören, um der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn du nicht an Rechte außerhalb des positiven Rechts glaubst, dürftest du das gar nicht. Von daher Vorsicht mit Kritik am Naturrecht von links.

 

Es ist ja richtig, dass das Naturrecht heute meistens von Rechts zur Begründung des Status quo instrumentalisiert oder gar missbraucht wird. Dass naive Ableitungen von Rechtsregeln aus der "Natur" dem eigtl. Wesen des Naturrechts widersprechen, wurde in diesem Thread ja schon herausgearbeitet. Das bedeutet aber nun nicht, dass wir von links aus auf einen Naturrechtsbezug verzichten könnten.

 

Als entschieden anarchistischer Katholik würde ich das Naturrecht schön hochhalten. Ohne Naturrecht lässt sich Christus nicht als Inkarnation des Empörungstriebs begreifen.

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Für mich ist nicht einsichtig, warum das Naturrecht in der Kirche noch immer so eine große Rolle einnimmt. Bereits aus dem Anfang des 19. JH, als die Kirche sogar gegen Gasbeleuchtung und Eisenbahnen mit dem Naturrecht argumentierte, sollte die Kirche doch gelernt haben, dass Deutungen und Schlussfolgerungen aus dem Naturrecht hochspekulativ sind.

 

 

wen interessiert denn heute noch dieses sog. "Naturrecht"?

 

schau, nobis11: Gasbeleuchtungen sind heute weitestgehend abgeschafft, kein Bischof fährt mehr mit der Eisenbahn (da geht es dann eher um so Sachen wie business-class oder so, mit dem Flugzeug), die Pillen-Enzyklika ist auch dahin verschwunden, wo sie hingehört (in die Versenkung) ...

 

nein, heute müssen sich die Bischöfe mit etwas anderem beschäftigen: Mit der Wiederverheiratung Geschiedener. Aber vielleicht hat das auch etwas mit diesem sog. Naturrecht zu tun?

bearbeitet von Petrus
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Wenn ich irgendwelche Artikel lese, die Naturrecht propagieren, fällt mir im Handumdrehen regelmäßig deren demagogische Ausrichtung auf. Die beiden Dinge (Naturrechtsbehauptung und Demagogie) hängen miteinander zusammen.

 

Ich weiß ja nicht, was du für Zeug liest. In den von mir empfohlenen Werken findest du keine Demagogie. - Ich hab manchmal das Gefühl, über das Naturrecht reden hier Leute, die ihr Wissen nur aus drittklassigen Pamphleten beziehen. Daß es auch sackdämliche Propagisten eines Vulgärnaturrechts geben mag, sei dahingestellt.

 

woher beziehst du deine sicherheit demagogie zu erkennen?

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Franciscus non papa

Antwort auf die Frage des Threaderöffners:

 

Weil ihr nichts sinnvolles und nachvollziehbares als Begründung für den Schwachsinn einfällt den sie bisweilen erzählt.

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Über den von @Lamarck kritisierten und von @nobis11 treffend illustrierten Standpunkt war diese Diskussion aber eigtl. schon hinaus.

 

Es ist doch sofort einsichtig, dass die plumpe Ableitung eines relativ willkürlich postulierten Sollens aus einem ebenso willkürlich angenommenen Sein bloß eine Karikatur des Naturrechts ist. Eben eine ideologische oder gar demagogische Instrumentalisierung.

 

Das "echte" Naturrecht heißt ja nur, dass Gesetze nicht willkürlich gemacht werden dürfen. Dass es also vorgegebene, unverfügbare Kriterien gibt, um richtige und falsche Gesetze zu unterscheiden. Wer das verneint, bekommt Schwierigkeiten, einen Rechtsstaat von einem Unrechtssystem zu unterscheiden.

 

@Helmuts Frage, woran man Demogogie (oder Ideologie) erkennt, ist auch relativ leicht zu beantworten: Du musst halt Ideologiekritik betreiben, also versuchen den ideologischen Überbau von der Sachebene zu trennen. Dann merkst du, ob jemand ausschließlich interessegeleitet (also ideologisch) oder gar manipulativ (also demagogisch) argumentiert oder sich in der Debatte um Sachlichkeit, Ausgewogenheit und Unvoreingenommenheit bemüht. Und ob es ihm allein darum geht, die eigene Sichtweise durchzudrücken, oder ob er zur redlichen Würdigung des anderen Standpunkts und der von der Gegenseite vorgebrachten Argumente bereit und fähig ist.

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Nur zur Erinnerung: Wir befinden uns hier in den Glaubensgesprächen. Deshalb habe ich Posts und (Folgeposts) von hier nicht Schreibberechtigten ins Tohu geschoben.

 

chrk.

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Das "echte" Naturrecht heißt ja nur, dass Gesetze nicht willkürlich gemacht werden dürfen. Dass es also vorgegebene, unverfügbare Kriterien gibt, um richtige und falsche Gesetze zu unterscheiden. Wer das verneint, bekommt Schwierigkeiten, einen Rechtsstaat von einem Unrechtssystem zu unterscheiden.

Das ist alles in der Theorie vernünftig und gut.

Nur: Was sind das für Kriterien? Welche auch immer man ins Spiel bringt, sie werden diskutiert, kritisiert und in Frage gestellt.

Damit sind sie nicht unverfügbar.

Wenn aber jemand (und die Kirche tut das) behauptet, seine Kriterien seien die wirklichen, wahrhaftigen, unverfügbaren Kriterien, dann muss er das schon irgendwie belegen können.

Und letzteres ist nicht möglich.

So bleibt das Ganze eben nur ein theoretischer Denkansatz für Fachleute ohne praktische Bedeutung.

 

Werner

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Was die Mod-Kritik angeht, geht es hier im entsprechenden Strang weiter. Das Posting von Jorge habe ich dorthin verschoben.

 

chrk.

bearbeitet von chrk
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