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Friedensgruss


Gast Juergen

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In meiner münsterländischen Heimat wird der Friedensgruß, insbesondere in den hinteren Bänken (wo die alteingesessenen Bauernfamilien sitzen) mit deutlichen Anzeichen von Mitleid mit dem Klerus ausgetauscht. Man kann sich vorstellen, dass ein derartiges Theater guten Gesprächsstoff für den anschließenden Frühschoppen bietet. Eigentlich versuchen bei uns nur noch die Gastpriester und Kapläne, diese Unsitte durchzusetzen.

bearbeitet von Squire
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Allein schon die Aufforderung zum Friedensgruss läßt m.E. oft zu Wünschen übrig.

 

Teils heißt es: Gebt euch ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung.

Ich soll mich also mit dem mir unbekannten Banknachbarn versöhnen. - Hm, Wieso? Ich kenne ich doch gar nicht und liege schon gar nicht mit ihm im Streit. Was soll ich mich da mit ihm Versöhnen? Er hat mir nix getan und ich ihm auch nicht.

 

Oder es heißt: Gebt euch ein Zeichen des Friedens und der Gemeinschaft.

Gemeinschaft ist ja was Schönes. Aber nach der Messe verlasse ich und der Banknachbar die Kirche und wir sehen uns u.U. nie mehr wieder. Vielleicht sollte ich ihn auch während des Friedensgrusses gleich zum Bierchen und Frühschoppen einladen um unsere neue Gemeinschaft zu begießen.

Gemeinschaft im Gottesdienst geschieht genug durch das gemeinsame Feiern, das gemeinsame Beten und Singen in der Messe; aber doch wohl kaum dadurch, daß ich ihm das Patschehändchen hinstrecke.

 

Oder es heißt kurz: Gebt euch ein Zeichen des Friedens. - bzw. in den lat. Hochämtern: Offerte vobis pacem.

Aber ist des Händeschütteln wirklich ein "Zeichen des Friedens"?

 

Was Robert gesagt hat ist wohl richtig. Das eigentliche Zeichen des Friedens wäre der Friedenskuss.

Doch der mag auch nicht unproblematisch sein, wie mein Prof. für Liturgiewissenschaft immer erzählte. Er kommt aus dem Dt.-Franz.-Grenzgebiet. Dort, so sagt er, knutschen sich die Leute so ab, daß man eigentlich, um der Würde des Gottesdienstes willes, die Paxtafeln wieder einführen müßte.

bearbeitet von Juergen
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In meiner münsterländischen Heimat wird der Friedensgruß, insbesondere in den hinteren Bänken (wo die alteingesessenen Bauernfamilien sitzen) mit deutlichen Anzeichen von Mitleid mit dem Klerus ausgetauscht. Man kann sich vorstellen, dass ein derartiges Theater guten Gesprächsstoff für den anschließenden Frühschoppen bietet.  Eigentlich versuchen bei uns nur noch die Gastpriester und Kapläne, diese Unsitte durchzusetzen.

Was verstehst du unter >> .... wird der Friedensgruss, insbesondere in den hinteren Bänken

( wo die alteingessenen Bauernfamilien sitzen) mit deutlichem Anzeichen von Mitleid mit dem Klerus ausgetauscht>>?

Mitleid, dass dieser Priester etwas neues einführt?

Ich bin selber " eingeborener " Eifler- für viele heute noch ein Inbegriff für eingefahrene Sitten und Gebräuche. Aber dieser Friedensgruss wird eigentlich positiv aufgenommen.

Auch wenn es für einige hier als Unsitte empfunden wird, ich finde diese Geste- wenn sie mit Sinn erfüllt wird- als positiv!

Irgendwie fand ich die Messen früher immer als eine eintönige und eingefahrene Angelegenheit.

Irgendwie war man nur" Teil der Masse" ohne eigene Identität. Ist dieser Friedensgruss nicht eine Gelegenheit den anderen Menschen bewußt anzunehmen?

Jesus Christus hat den einzelnen Menschen mit all seinen Fehlern und Schwächen angenommen. ER ist auf Menschen zugegangen, die für andere " unberührbar" waren. ER hat damit auch "Normen " verletzt und die Menschen damit zum Nachdenken bewegt!

Und das ist für mich Glauben!

Danach versuche ich zu handeln- mit all meinen Schwächen und Fehlern!

 

Gruss

Ellen :unsure:

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Eines ist sicher: diese Diskussion ist sehr 'deutsch'. In Italien gibt es den Friedensgruss auch. Nach meinen Erfahrungen ist es dort etwas ganz natürliches. Aber hier ist das natürlich ganz anders. Da ist auch das sehr kompliziert :unsure:

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Mitleid, dass dieser Priester etwas neues einführt?

Nein, die Leute wundern sich lediglich, wie man so un-feinfühlig sein kann.

 

Entweder kennen sich die Leute überhaupt nicht, dann hat der Friedensgruß, wie Jürgen schon dargestellt hat, wenig Sinn. Oder sie kennen sich von Jugend auf, dann besteht für sie kaum ein Grund, sich diesen Schuljungen-Befehlen (Los, gebt euch die Hand!) beugen zu müssen. Gestandene Männer (und Frauen) lassen sich höchst ungern auf diese Weise herumkommandieren. Die Loyalität zur Kirche überwiegt hier lediglich das persönliche Unbehagen. Ich glaube, die nachfolgenden Spötteleien haben durchaus eine wichtige psychologische Funktion: Auf diese Weise wird das durch die erzwungene Aufdringlichkeit belastete Verhältnis zwischen den Leuten wieder normalisiert.

bearbeitet von Squire
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Eines ist sicher: diese Diskussion ist sehr 'deutsch'. In Italien gibt es den Friedensgruss auch. Nach meinen Erfahrungen ist es dort etwas ganz natürliches. Aber hier ist das natürlich ganz anders. Da ist auch das sehr kompliziert  :unsure:

Ganz Deiner Meinung! Das wollte ich auch fast anführen, daß in Italien das Händeschütteln überall üblich ist.

 

Und Robert: ich schüttele tatsächlich Hinz und Kunz die Hände. Wer anderes steht neben mir? Und was bin ich anderes? Hältst Du Dich für was besseres als Hinz und Kunz?

 

Axel

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Hallo!

Ich habe den Friedensgruß (wie überhaupt die Hl. Messe) bei einem Jugendgottesdienst bei einer Großveranstaltung der KJM kennengelernt. Dort ist eh vieles ungezwungener und „unsteifer“. Auch bei normalen Gottesdiensten im Jugendhaus ist der Friedensgruß stets ein wichtiger Punkt, da man sich untereinander kennt (spätestens durch das gemeinsame Erleben des jeweils vergangenen WE) bzw. eng befreundet fällt die Form zwischen herzlichem Händedruck und warmer Umarmung aus. (Das Gefühl von wirklicher Gemeinschaft).Der Priester selbst macht auch „seine“ Runde (bei ca. 20 –30 Leuten ist das realisierbar). Was ich ganz toll fand, war bei einer Jugendwallfahrt hat der Weihbischof die Hl. Messe zelebriert (inkl. einem „Haufen“ Konzelebranten) und dieser hat sich zum Friedensgruß zu den Jugendlichen aufgemacht, d. h. von den ersten drei Bankreihen auf jeder Seite die zwei/drei. Das fand ich sehr schön und wirkungsvoll. (ich hatte auch solchen Platz abgefaßt, da ich Gabenbereitung machen durfte! :blink:

„Kontrastprogramm“: Wochentagsmesse in einer „richtigen“ Gemeinde: Dort bleibt der Pfarrer und/oder Kaplan im Altarbereich, und die Gemeinde macht das unter sich aus. Da finde ich – persönlich – nicht so schön – rein subjektiv gefühlsmäßig. Beim Friedensgruß kann man die bestehende bzw. sich formende Gemeinschaft untereinander Ausdruck verliehen werden.

Eins muß ich noch anbringen: Ziemlich gruselig ist, wenn der Gemeindereferent oder wer sonst gerade vor den „Gesangsbeginn“ zuständig ist. Schon mit Agnus Dei anfängt, bevor der Friedensgruß beendet ist. :unsure:

 

@Eifellady: „Obwohl beim Friedenskuß hätte ich dann doch meine Probleme“ Ich auch!

 

Eure Uhu

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Mitleid, dass dieser Priester etwas neues einführt?

Nein, die Leute wundern sich lediglich, wie man so un-feinfühlig sein kann.

 

Entweder kennen sich die Leute überhaupt nicht, dann hat der Friedensgruß, wie Jürgen schon dargestellt hat, wenig Sinn. Oder sie kennen sich von Jugend auf, dann besteht für sie kaum ein Grund, sich diesen Schuljungen-Befehlen (Los, gebt euch die Hand!) beugen zu müssen. Gestandene Männer (und Frauen) lassen sich höchst ungern auf diese Weise herumkommandieren. Die Loyalität zur Kirche überwiegt hier lediglich das persönliche Unbehagen. Ich glaube, die nachfolgenden Spötteleien haben durchaus eine wichtige psychologische Funktion: Auf diese Weise wird das durch die erzwungene Aufdringlichkeit belastete Verhältnis zwischen den Leuten wieder normalisiert.

Hallo,

wieso ist ein Priester un- feinfühlig wenn er " gestandene" Menschen auffordert sich den Frieden zu wünschen? :blink:

Gibt es unter diesen "gestandenen " Menschen nie Streit oder Neid? Sie fällen nie ein Urteil, dass ihnen im Nachhinein leidtut, weil sie unrecht hatten? Immer alles im Lot?

Sicher ist dies nicht der Fall und von daher ist es für mich nicht nachvollziehbar, warum man sich nicht bewusst die Hand geben soll :blink: .

Wenn ich jemanden von Jugend auf kenne, ist es doch keine Aufdringlichkeit, wenn ich ihm oder ihr die Hand reiche auch wenn ich dazu aufgefordert werde.

Wenn ich keinen Streit mit der Person habe, dann wünsche ich ihm den Frieden eben für die Zukunft und wenn ich irgendwelche Probleme mit ihm habe, dann ist dies eben ein

bewusstes Zeichen des Versuches der Versöhnung und kein Schuljungen-Befehl

Tut mir leid, aber diese Argumentation kann ich nicht nachvollziehen :unsure:

 

Ellen

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»Dort, so sagt er, knutschen sich die Leute so ab« (Jürgen)

 

Abknutschen ist sicher nicht Sinn der Sache. Es geht ja vor allem um eine symbolische Handlung, bei der auch eine gewisse Würde gewahrt bleiben sollte. Berührungsfrei sollte es allerdings auch nicht abgehen, denn rein geistige Symbole sind was für Gespenster. Wir sind Menschen. Also leichte Berührung der Wangen einmal hüben, einmal drüben, das scheint mir angemessen. Vorsicht ist erfahrungsgemäß da geboten, wo zwei Brillenträger einander begegnen.

 

Ferner noch folgende Anmerkungen, ohne daß ich jetzt Zeit hätte, tiefer in die Materie einzusteigen:

 

1. Ich korrigiere mich insofern, als der ursprüngliche und eigentliche liturgische Ort des Friedenskusses nach fast allen Zeugen wohl doch nicht vor, sondern nach der Opferung ist, vor dem Kanon (der Anaphora); so noch heute im byzantinischen Ritus (und in den meisten andern östlichen Riten, was ich jetzt aber nicht im Detail nachprüfen kann). Für den Platz vor der Opferung scheint allein die wahrscheinlich auf Hyppolit von Rom zurückgehende Traditio Apostolica zu sprechen.

 

2. In der lateinischen Kirche scheint immerhin schon Innozenz I. Anfang des fünften Jahrhunderts den Friedenskuß dorthin verschoben zu haben, wo er heute noch seinen Platz hat (ep. 25); ob sich das unmittelbar durchgesetzt hat – oder gar Innozenz damals nur einen bereits eingeführten Brauch bekräftigt hat –, kann ich auf die Schnelle nicht feststellen.

 

3. Der Friedenkuß hatte und hat immer seinen Platz in der Liturgie, sei es vor dem Hochgebet oder vor der Kommunion. Er ist lediglich im Laufe der Zeit – und zwar im Osten ebenso wie im Westen – auf den Klerus im Altarraum eingeschränkt worden.

 

4. Wann diese Einschränkung wo erfolgte, könnte ein Spezialist vielleicht eher herausfinden als ich. Bei Rupert von Deutz scheint jedenfalls der Friedenskuß noch nicht auf den zelebrierenden Klerus im Altarraum beschränkt zu sein.

 

5. Da es, soweit es den Klerus betrifft, beim Kuß bleibt, halte ich das Händeschütteln für um so befremdlicher. Weshalb soll da unterschieden werden? Der Priester küßt seinen Diakon, aber das Volk wird bloß abgeschüttelt und schüttelt einander? Oder – wie Squire’s bäuerlich-münsterländische Einwürfe illustrieren – es hockt auf den Zuschauerrängen, schaut sich Priesters Vorstellung an, bis der Vorhang fällt, und läßt zwischendurch Kommentare à la Waldorf und Statler ab? Das ist Klerikalismus.

 

6. Daß Ratzinger die Verlegung des Friedenskusses nach östlichem Vorbild befürwortet, habe ich oben schon zitiert. Von Meisner habe ich ähnliches persönlich vernommen. Aber ob nun an diesem oder jenem Platz: Daß es nach unsern Meßbüchern – sowohl vor als auch nach „dem“ Konzil – um einen Kuß und keinen feuchten Händedruck geht, ist vielleicht doch des Nachdenkens wert.

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Hallo UHU,

bei uns geht der Priester auch zumindest in die ersten Reihen und wenn bei einer Wochenmesse die Kirche ziemlich leer ist, dann geht er auch zu jedem. Das finden besonders die älteren Leute- eben die " gestandenen"( nach Squire) - besonders schön!

Ich empfinde es immer als eine sehr schöne und bewusste Sache! :unsure:

 

Viele Grüsse

Ellen

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Robert,

zu deinen Anmerkungen bezügl. der historischen Seite.

Hier (mal wieder) aus Kunzler: Liturgie der Kirche, 358-360.

...Auch der Friedensgruß ist liturgisches Urgestein; er findet bereits bei Justin Erwähnung. Die ursprüngliche Stelle war am Ende des Wortgottesdienstes als Besiegelung des vorausgegangenen Gebetes und als Ausdruck der brüderlichen Gesinnung vor dem Beginn der Eucharistie. Wie erwähnt, bestehen Überlegungen, den Bußakt in Einheit mit dem Friedensgruß als Ausdruck der geschwisterlichen Liebe wieder an die Stelle zu legen. Auch die Byzantiner haben ihn noch ungefähr an dieser Stelle, wenn auch hier nach der Niederlegung der Gaben auf dem Altar nach dem Großen Einzug das Motiv im Vordergrund steht, nach dem Gebot des Herrn miteinander versöhnt die Gabe zu opfern (Mt 5,23f.) Gerade als Besiegelung des vorausgegangenen Gebets rückt der Friedensgruß aber schon zu Beginn des 5. Jahrhunderts hinter das Hochgebet, damit er auch dieses Gebet besiegele. Nach der Verlegung des Vaterunsers an den unmittelbaren Rand des Hochgebets rückte der Friedensgruß noch hinter das Herrengebet, gleichsam als Besiegelung der Aussage "sicut et nos dimittimus debitoribus nostris". Wie das Herrengebet schließlich selbst in einem engen Zusammenhang zur Kommunion gesehen wurde, so auch der Friedensgruß; er galt sogar als Kommunionersatz für die Nichtkommunizierenden. Diese Sichtweise fand ihren Ausdruck auch darin, daß der Friedensgruß vom Altar ausging und "wie eine Botschaft, ja wie eine Gabe, die aus dem Allerheiligsten kommt, an die übrigen und an das Volk weitergegeben" wurde. Als solche Gabe mußte auch der Zelebrant den Friedensgruß selbst empfangen, und er tat dies, indem er den Altar küßte. Die Intimität des Kusses führte aber schof früh zu gewissen Reglungen: Männer durften nur Männen, Frauen nur Frauen den Friedensgruß geben, was durch die Geschlechtertrennung in den Kirchen leicht zu praktizieren war [...]

Das dem Friedenskuß vorausgehende Friedensgebet entstand in Deutschland im 11. Jahrhundert unter Anlehnung an Joh 14,27; es wurde auch in das neue Meßbuch übernommen. [...]

Während in verschiedenen Ländern der Austausch dieses Zeichens problemlos Aufnahme fand, tun sich andere Kulturkreise damit schwer.

 

Zu der letzten Aussage verweist Kunzler in der Fußnote auf:

H. O. Schierbaum: Offerte vobis pacem. Eine regionale Umfrage zur Praxis des Friedensgrußes. In: LJ 30 (1980), 120-123.

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Tut mir leid, aber diese Argumentation kann ich nicht nachvollziehen :unsure:

Die zelebrierenden Priester anscheindend auch nicht. Meinst du nicht, dass man derartige Friedenswünsche den Leuten selbst überlassen sollte?

 

Man muss allerdings auch sagen, dass die gemeinsame Ablehnung dieses Rituals auch etwas Verbindendes haben kann. Man sieht das lange Gesicht des Nachbarn und merkt "Er/sie hat auch keine Lust".

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Tut mir leid, aber diese Argumentation kann ich nicht nachvollziehen :unsure:

Die zelebrierenden Priester anscheindend auch nicht. Meinst du nicht, dass man derartige Friedenswünsche den Leuten selbst überlassen sollte?

 

Man muss allerdings auch sagen, dass die gemeinsame Ablehnung dieses Rituals auch etwas Verbindendes haben kann. Man sieht das lange Gesicht des Nachbarn und merkt "Er/sie hat auch keine Lust".

sag ich doch: sehr deutsch.

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Wenn jetzt gar noch anstelle des Händeschüttelns wieder Umarmung und Kuss eingeführt würde, da bräche bei manchen wohl vollends die Krise aus:

 

"Früher, da musste man den Leuten nur die Hand schütteln. Jetzt soll man sie gar noch küssen! Ich kenne die doch gar nicht! Warum soll ich wildfremde Leute küssen, wo ich ihnen ja noch nicht einmal die Hand schütteln wollte? Ist das nicht auch ziemlich unhygienisch? Holt man sich da nicht am Ende noch was?"

 

usw.usf.

 

Eigentlich bestürzend, dass solche alten Elemente der Liturgie - Jürgens Beitrag ist da ja sehr erhellend und interessant - auf so wenig Verständnis und Zustimmung hoffen dürfen. Das scheint mir tatsächlich eine spirituelle Verarmung zu sein.

bearbeitet von altersuender
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Ich korrigiere meine vorige Korrektur noch einmal. Bei Justin scheint der Kuß auch vor der Opferung zu liegen. Dies mag also doch der früheste Brauch sein – vielleicht aber auch nur in der römisch-afrikanischen Ritenfamilie, der man ja Hyppolit ebenso wie – das behaupte ich einmal kühn – auch den ursprünglich aus Palästina stammenden Justin zurechnen darf. Eben dort wäre es dann zur Verschiebung auf den Zeitpunkt vor der Kommunion gekommen, wofür der oben erwähnte Brief Innozenzens I. steht, vielleicht auch ein – allerdings nicht ganz sicheres – Zeugnis bei Augustin.

 

In dieselbe Richtung deuten könnte eine Passage in einer Katechese des Nicetas von Remesiana – auch Dacien gehört zur römisch-afrikanischen Liturgiefamilie –, wo vor der Kommunion der Vers aus dem Hohenlied »Mit den Küssen seines Mundes« erläutert wird. Im gallikanischen Ritus dagegen ist noch im sechsten Jahrhundert der Ort des Friedenskusses derselbe wie bei den Byzantinern: nach der Opferung, vor der Anaphora (und schließt übrigens ausdrücklich das Volk ein). Im (ehemals) gallikanischen Bereich ist der Friedenskuß also jedenfalls erst mit der Ausbreitung des römischen Ritus im Zuge der karolingisch-alcuinischen Reform auf den Zeitpunkt vor der Kommunion gerutscht.

 

Ich gebe allerdings zu, daß ich wild spekuliere. Und entschuldige mich, daß ich keine ordentlichen Quellenangaben liefere. Dazu fehlt mir im Augenblick der Nerv. Ist aber ein interessantes Thema. Wäre näherer Betrachtung wert, falls es noch nichts Einschlägiges gibt.

bearbeitet von Ketelhohn
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Ach, da warst du ja auch schon zugange, Jürgen. Eine Anmerkung zu Kunzler –

 

»Gerade als Besiegelung des vorausgegangenen Gebets rückt der Friedensgruß aber schon zu Beginn des 5. Jahrhunderts hinter das Hochgebet, damit er auch dieses Gebet besiegele.« (Kunzler)

– sei noch angefügt: Das gilt auch im Abendland nur für den römischen Ritus (incl., wie ich mutmaße, der verwandten Riten von Africa und Dacien). Der gallikanische Ritus hat das (damals) nicht mitgemacht. Interessant wäre, wie es dort heute ist. Hast du zufällig Meßbücher der gallikanischen „Reste“ zur Hand, des mozarabischen Ritus von Toledo und des Mailänder Ritus?

bearbeitet von Ketelhohn
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Zum Threma "einschlägig Literatur" sind wohl vor allem zwei Werke zu nennen.

 

DER Klassiker:

J. A. Jungmann: Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe. 2 Bde. Freiburg u.a. 5. Aufl. 1962. (nicht mehr im Handel)

 

Sowie:

Joh. H. Emminghaus: Die Messe. Wesen, Gestalt, Volzug. / Durchgesehen und Überarbeitet von Th. Maas-Ewerd. Kloserneuburg. 5. Aufl. 1992.

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Mitleid, dass dieser Priester etwas neues einführt?

Nein, die Leute wundern sich lediglich, wie man so un-feinfühlig sein kann.

 

Entweder kennen sich die Leute überhaupt nicht, dann hat der Friedensgruß, wie Jürgen schon dargestellt hat, wenig Sinn. Oder sie kennen sich von Jugend auf, dann besteht für sie kaum ein Grund, sich diesen Schuljungen-Befehlen (Los, gebt euch die Hand!) beugen zu müssen. Gestandene Männer (und Frauen) lassen sich höchst ungern auf diese Weise herumkommandieren. Die Loyalität zur Kirche überwiegt hier lediglich das persönliche Unbehagen. Ich glaube, die nachfolgenden Spötteleien haben durchaus eine wichtige psychologische Funktion: Auf diese Weise wird das durch die erzwungene Aufdringlichkeit belastete Verhältnis zwischen den Leuten wieder normalisiert.

Hallo Squire,

du schriebst>> Die Loyalität zur Kirche überwiegt hier lediglich das persönliche Unbehagen>>

Wenn sogar der Friedenskuss zur Liturgie gehört und die Menschen, die du erwähnst noch nicht einmal das Händeschütteln akzeptieren, weil es sie in ihrer Enstcheidungsfreiheit einschränkt, dann würde ich das nicht unbedingt als Loyalität zur Kirche zählen. Denn den Kuss würden die doch ganz gewiss auch ablehnen.

Ich glaube auch es ist, wie schon einige Male bemerkt, ein Problem des Kulturkreises.

 

Aber wie ich schon selber erfahren haben, gibt es auch ältere Menschen, die sich noch für die Ursprünglichkeit des Glaubens begeistern können.

Für mich ist der Glaube an Gott etwas schönes, freudiges und befreiendes.

Deshalb finde ich es immer positiv, wenn dieses auch vom Priester vermittelt wird.

Glauben bedeutet für mich auch, dass ich auch mal meine Einstellungen ändern muß, wenn ich nach Gottes Willen leben will. Ich muß auch mal Dinge machen, die mir nicht gefallen.

 

Ellen

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...Interessant wäre, wie es dort heute ist. Hast du zufällig Meßbücher der gallikanischen „Reste“ zur Hand, des mozarabischen Ritus von Toledo und des Mailänder Ritus?

Kunzler fügt bei jedem Kapitel seines Buches kurze Anmerkungen zu anderen Riten an. In diesen Anmerkungen finden sich aber in Bezug auf den Friedensgruß in der byzantinischen und mozarabischen Liturgie keine Angaben.

Bei der ambrosianischen Liturgie schreibt er:

"...das Mailänder Missale [bietet] vor der Kommunion einen (zweiten) Friedensgruß an, der nur volzogen wird, wenn der erste am Anfang der eucharistischen Liturgie ausfällt." (Kunzler S. 371f.)

 

Andere Meßbücher habe ich selbst keine.

bearbeitet von Juergen
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Das scheint mir tatsächlich eine spirituelle Verarmung zu sein.

Eher Rücksichtslosigkeit. Wenn die Herren Theologen man wieder mal was aus ihren Folianten ausgegraben haben, soll das Volk gefälligst kuschen. Katholiken, die in Ihrer Kindheit noch den alten Ritus erlebt haben, sind in dieser Hinsicht ohnehin schon leidgeprüft. Man denke nur an die Klampfen-Seligkeit der 70er Jahre oder die sogenannten "Kindergottesdienste" (graus).

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»"...das Mailänder Missale [bietet] vor der Kommunion einen (zweiten) Friedensgruß an, der nur volzogen wird, wenn der erste am Anfang der eucharistischen Liturgie ausfällt." (Kunzler S. 371f.)«

 

Na, das reicht doch schon. Die Mailänder Liturgie hat also eigentlich den Friedenskuß immer noch am alten Platz, man hat aber eine an den römischen Ritus angeglichene Nebenform als Alternative geschaffen. Hm. Und welche Form wählen die Mailänder in der regel? Hm. Tettamanzi fragen.

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...Das gilt auch im Abendland nur für den römischen Ritus (incl., wie ich mutmaße, der verwandten Riten von Africa und Dacien.

Damit hast Du Recht.

 

Im Buch Archieratikon (S. 320) zitiert Kunzler Augustinus: "Nach dem Vaterunser wird gesagt: Der Friede sei mit euch! Und die Christen küssen sich mit dem heiligen Kuß." (mit Verweis auf: Ennar. in Ps. 124,10 - PL 37,1656).

Ebenso merkt er an, daß auch Gregor der Große den Friedensgruß als Element der Kommunionvorbereitung sieht (mit Verweis auf: Dial. III, 36 - PL 77,304C / Kunzler S. 320f.).

Ähnliches, so Kunzler, berichet Sophronius (mit Verweis auf: Via s. Mar. aegypt. 22 - PG 73,687B)

Er zitiert ferner aus den Canones des Theodor von Canterbury: "Diejenigen, die nicht kommunizieren, kommen auch nicht zum Friedensgruß und zum Kuß in der Kirche" (nr. 50 / Kunzler S. 321).

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Eher Rücksichtslosigkeit. Wenn die Herren Theologen man wieder mal was aus ihren Folianten ausgegraben haben, soll das Volk gefälligst kuschen. Katholiken, die in Ihrer Kindheit noch den alten Ritus erlebt haben, sind in dieser Hinsicht ohnehin schon leidgeprüft. Man denke nur an die Klampfen-Seligkeit der 70er Jahre oder die sogenannten "Kindergottesdienste" (graus).

Du hast in gewisser Hinsicht recht.

Man kann nicht einfach sagen "back to the roots", in der Urkirche wurde es so oder so gemacht, dahin müssen wir zurück.

Dennoch ist es oft hilfreich zu sehen, wie sich gewisse Riten und Strukturen entwickelt und verändert haben. Nicht alles Entwicklungen sind "gut" verlaufen bei der ein oder anderen mag durchaus ein "back to the roots", oder auch Anlehnungen an andere Riten angebracht sein.

 

Grund für Änderung muß aber immer die Frage sein: Führt uns diese Änderung näher zum göttlichen Geheimnis? -- Es sollte keine Änderung um der Änderung Willen sein - egal ob als Wiedereinführung von Altem oder als "Einführung von Neuem".

 

Nur zu sagen: "Wir wollen etwas anders machen!" ist m.E. schon erst recht kein hinreichender Grund: "Etwas anderes" zu machen, ist kein Qualitätsmerkmal.

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Hallo,

es ist ja nicht so, dass ich alles als gut empfinde, nur weil es ursprünglich so war.

Aber oft ist es so, dass die Menschen auf Änderungen negativ reagieren, weil es gegen ihre Gewohnheiten verstösst, die sie schon seit Gedenken kennen.

Als Beispiel möchte ich hier einmal anbringen- gehört zwar nicht direkt zum Thema- das es schon ein Riesenproblem ist, ältere Leute dazu zu bringen, bei manchen Liedern zu klatschen- ich meine diese rythmische Klatschen, dass bei einigen neuen Liedern dazugehört.

Das meinte ich mit eingefahrenen Gewohnheiten und die Freude, die der Glauben eigentlich bringen sollte. Für manche ist es undenkbar während einer Messe Gefühle zu zeigen und sich irgendwie aktiv daran zu beteiligen.

Wenn ich das ganze immer nur so an mir vorbeilaufen lasse und sozusagen nur noch reflexartig handle weil ich das eben schon über endlose Jahre so mache, dann kann es doch meiner Meinung nach passieren, das ich garnicht mehr mit ganzem Herzen dabei bin, obwohl ich das eigentlich garnicht will.

Und das möchte ich für mich auf gar keinen Fall. :unsure:

Was natürlich nicht heißt, das ich alles gut heiße, nur weil es neu ist.

Wenn ich an Länder denke, wo die Begeisterung der Menschen in einem Gottesdienst durch ihr Agieren und Mitmachen freudig zutage tritt... Da komme ich direkt ins Schwärmen :blink:

 

Ich will die Freude am Glauben nie wieder verlieren- denn ich hatte ihn schon einmal verloren- und weiß wovon ich spreche!

 

Gruss :blink:

Ellen

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Klatschen? Ach Du scheiße, was bin ich dankbar, daß ich in einer stinkaltmodischen Gemeinde bin.

 

Wenn ich mir überlege, wie komplett unfähig viele Leute sind, einen Rhythmus zu halten, selbst wenn er ihnen mit dem Rohrstock aufs Fell gegerbt wird...

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