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Basiert die Ablehnung "widernatürlicher Akte" auf einem Fehlschluss?


iskander

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Es ist bekannt, dass die katholische Kirche bestimmte sexuelle Praktiken strikt ablehnt und als (objektiv) schwer sündhaft betrachtet:

Hierunter fallen insbesondere Masturbation, jeder „vollendete“ sexuelle Akt (auch innerhalb der Ehe), der nicht potentiell zur Zeugung führen kann (z.B. orale oder manuelle Stimulation bis zum Orgasmus, Empfängnisverhütung) und homosexueller Verkehr.

 

Wie die Kirche argumentiert, wird beispielhaft aus einem Dokument der Glaubenskongregation deutlich ("Personae Humanae"). Es geht im Zitat um die Masturbation, aber was die eigentliche Begründung angeht, so lässt sie sich mutatis mutandis auf alle anderen oben genannten Akte übertragen. Ich zitiere ausführlicher (Fettungen und Absatz sind von mir):

 

Zitat

 

Sehr oft wird heute auch die überlieferte katholische Lehre, wonach die Masturbation einen schweren Verstoß gegen die sittliche Ordnung darstellt, in Zweifel gezogen oder ausdrücklich geleugnet. Man behauptet, daß Psychologie und Soziologie den Beweis dafür erbringen, daß es sich dabei, vor allem bei den heranwachsenden Jugendlichen, um eine normale Erscheinungsform geschlechtlicher Entwicklung handelt. Eine tatsächliche und schwere Schuld würde nur insoweit vorliegen, als der Handelnde mit freiem Willen einer in sich abgekapselten Selbstbefriedigung (»Ipsation«) nachgeben würde, da in diesem Fall die Handlung von ihrem Wesen her der liebenden Vereinigung zweier Personen verschiedenen Geschlechtes entgegengesetzt wäre, die nach manchen Autoren das Hauptziel beim Gebrauch der Geschlechtskraft ist[.]

 

Diese Auffassung widerspricht der Lehre und pastoralen Praxis der katholischen Kirche. Was auch immer der Wert gewisser Argumente biologischer oder philosophischer Natur sein mag, deren sich die Theologen mitunter bedient haben, Tatsache ist, daß sowohl das kirchliche Lehramt in seiner langen und stets gleichbleibenden Überlieferung als auch das sittliche Empfinden der Gläubigen niemals gezögert haben, die Masturbation als eine zuinnerst schwer ordnungswidrige Handlung zu brandmarken.19 Der Hauptgrund für diese Beurteilung ist, daß der freigewollte Gebrauch der Geschlechtskraft, aus welchem Motiv er auch immer geschieht, außerhalb der normalen ehelichen Beziehungen seiner Zielsetzung wesentlich widerspricht; denn es fehlt ihm die von der sittlichen Ordnung geforderte geschlechtliche Beziehung, jene nämlich, die »den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe«20 realisiert. Nur für diese reguläre geschlechtliche Beziehung ist jede freigewollte Ausübung der Geschlechtlichkeit vorbehalten.

 

https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19751229_persona-humana_ge.html

 

Die Argumentation geht hier ja etwa so:

 

1) Sexualität hat die "Zielsetzung" der Fortpflanzung.

2) Diese Zielsetzung wird durch Masturbation und ähnliche Akte nicht erreicht.

3) Also "widersprechen" solche Akte der Zielsetzung der Sexualität.


Meine These ist nun, dass diese Argumentation auf einem simplen Fehlschluss ("Non Sequitur") beruht.

Dazu zuerst die Frage: Was ist damit gemeint, dass Sexualität (auch) das "Ziel" der Fortpflanzung hat? Damit kann sinnvollerweise doch nur gemeint sein, dass Gott die Sexualität (auch) deswegen geschaffen hat, damit Menschen sich sexuell fortpflanzen können; dass er also will, dass Menschen in der Lage sind, sich sexuell fortzupflanzen. Zudem "will“ Gott nach Meinung der kath. Kirche im Übrigen, dass Ehepaare unter bestimmten Bedingungen auch tatsächlich Kinder zeugen. Wir haben dann also die Prämisse:
 

"Gott will, dass der Mensch seine Sexualität so gebrauchen kann (und u.U. Umständen auch tatsächlich so gebraucht), dass er Kinder zeugt."

 

Daraus ergibt sich aber gerade nicht folgende Schlussfolgerung:
 

"Gott will, dass der Mensch seine Sexualität NUR so gebraucht, dass er dabei Kinder zeugt (oder zeugen kann)."

 

Eine derartige Schlussfolgerung würde sich nur mit folgender Zusatzprämisse ergeben:
 

"Wenn Gott dem Menschen eine Anlage gibt, die (auch) zu einem gewissen Zweck dienen kann (und unter bestimmten Bedingungen auch zu diesem Zweck dienen soll), dann soll diese Anlage NUR zu so verwendet werden, dass sie diesem Zweck dienen kann."

 

Diese Zusatzprämisse scheint mir aber völlig unbewiesen und in der Tat sogar unplausibel zu sein. Normalerweise würde man doch davon ausgehen, dass der Mensch die von Gott gegebenen Anlagen frei gebrauchen kann, solange dadurch niemandem ein Nachteil entsteht. Wir Menschen halten es ja normalerweise auch so, wenn wir jemandem etwas geben.

Abgesehen davon könnte man argumentieren, dass wir Menschen auch in anderen Fällen Dinge in einer Weise verwenden, die ihrer "natürlichen Zielsetzung" nicht entsprechen (und ihnen also nach kirchl. Lehre also "widersprechen"). Zum Beispiel ist es eindeutig der "natürliche Zweck" meines Blutes, meinen Körper zu versorgen, und nicht den eines anderen, und auch nicht, im Labor in einer Schale zu landen. (In Wahrheit lässt sich natürlich weder vom einzelnen Halbliter Blut noch vom einzelnen sexuellen Akt sagen, dass sie selbst einen direkt von Gott gewollten Zweck  hätten – einen solchen kann nur die jeweilige von Gott geschaffene Anlage haben.)

 

Auch scheint für die kirchliche Argumentation eine Rolle zu spielen, das sexuelle Akte wie Masturbation usw. in dem Sinne "unvollständig" sind, dass ihnen die Zeugungsfunktion fehlt.

Nun gibt es aber zwei Formen der Unvollständigkeit: Eine, bei der das "Unvollständige" neutral oder sogar immer noch gut ist, nur eben vielleicht nicht so gut wie das Ideal ist, und eine, wo es schlecht und schädlich ist. Die kirchliche Lehre scheint einfach anzunehmen, dass sexuelle Akte, die nicht potentiell zur Zeugung geeignet sind, in die zweite Kategorie fallen. Sie beweist diese (m.E. kontraintuitive) Annahme aber meines Wissens nirgendwo, und so scheint mir auch dieser Argumentationsstrang fehlschlüssig zu sein.

 

Übrigens hatte die kirchliche Lehre früher durchaus eine gewisse Logik und Folgerichtigkeit: Man ging davon aus, dass sexuelle Lust ein Übel sei, das nur durch den Zweck der (ehelichen) Kinderzeugung einigermaßen gerechtfertigt werden könne. Unter dieser Maßgabe ist es natürlich logisch, dass sexuelle Akte nur dann erlaubt sein können, wenn sie (potentiell) zu Kindern führen können, alle anderen aber nicht. Nachdem die Ablehnung der Sexualität aber offiziell vorbei ist, hängt die Lehre von den "widernatürlichen Akten" m.E. Aber komplett in der Luft.

 

Ich möchte diese Kritik einfach mal zur Diskussion stellen.

Edited by iskander
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vor 28 Minuten schrieb iskander:

Übrigens hatte die kirchliche Lehre früher durchaus eine gewisse Logik und Folgerichtigkeit: Man ging davon aus, dass sexuelle Lust ein Übel sei, das nur durch den Zweck der (ehelichen) Kinderzeugung einigermaßen gerechtfertigt werden könne. Unter dieser Maßgabe ist es natürlich logisch, dass sexuelle Akte nur dann erlaubt sein können, wenn sie (potentiell) zu Kindern führen können, alle anderen aber nicht. Nachdem die Ablehnung der Sexualität aber offiziell vorbei ist, hängt die Lehre von den "wideratürlichen Akten" m.E. Aber komplett in der Luft.

 

Das ist der entscheidenden Punkt! Die ursprüngliche Argumentation war in sich konsequent, ist der kath. Kirche nur mittlerweile peinlich. Daher eiert man an dieser Stelle seit Jahrzehnten rum. ;)

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@ Marcellinus:

 

Es wird hier im Forum ja auch immer wieder argumentiert, homosexuelle Akte seien illegitim, weil Gott den Menschen laut Bibel als Mann und Frau geschaffen und beauftragt hat, fruchtbar zu sein. Ganz abgesehen mal davon, wie fragwürdig die Argumentation als solche ist, was würde aus ihr folgen?

 

Doch wohl, dass alle Menschen - selbst wenn sie "stockschwul" oder "stocklesbisch" sind heterossexuell heiraten und Kinder kriegen sollen! Auch wenn sie mit dieser Lebensform völlig unglücklich wären!

Dass aber auch dann, wenn jemand eh nicht mit einem Partner des anderen Geschlechts (verheiratet) zusammenlebt,  homosexuelle Handlungen sündhaft sein sollen, folgt daraus doch auf keinen Fall.

 

Hier gibt es dann auch wieder nur (außer manche anderen Bibelstellen) die von mir weiter oben kritisierte "naturrechtliche" Argumentation.

Wobei "Naturrecht" aber eigentlich kein Recht der biologischen Natur gegenüber dem Menschen bedeutet (etwa das "Anrecht" der Natur, von technischen Handlungen verschont zu bleiben, etwa bei der Empfängnisverhütung). Sondern eigentlich ist damit gemeint, dass der Mensch seiner Natur gemäß leben soll, was beim Menschen heißt: gemäß seiner Vernunft-Natur als höchstem "Teil" seiner Person - und was nach Meinung der meisten Leute bedeutet, dass er Dinge lassen soll, die schädlich sind, aber Dinge normalerweise tun darf,  wenn diese niemandem schaden und die Rechte und legitimen Interessen von niemandem beeinträchtigen.

 

Edited by iskander
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11 hours ago, Marcellinus said:

 

Das ist der entscheidenden Punkt! Die ursprüngliche Argumentation war in sich konsequent, ist der kath. Kirche nur mittlerweile peinlich. Daher eiert man an dieser Stelle seit Jahrzehnten rum. ;)

Genau so ist es, und darum kümmert es bei diesem Thema inzwischen auch kaum noch jemanden, was die Kirche da an Absonderlichkeiten absondert.

was im Übrigen ein wichtiger Grund für den Bedeutungsverlust der Kirche ist.

Es ist schlicht und einfach nicht mehr wahr, dass das “sittliche Empfinden der Gläubigen” eine Basis für diese Lehren darstellt 

 

Werner

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12 hours ago, iskander said:

Daraus ergibt sich aber gerade nicht folgende Schlussfolgerung:
 

"Gott will, dass der Mensch seine Sexualität NUR so gebraucht, dass er dabei Kinder zeugt (oder zeugen kann)."

Genau so ist es. Es ist eine der vielen falschen (und sehr leicht als falsch erkennbaren) Schlussfolgerungen beim Thema Sexualität. 
die lehramtliche Schlussfolgerung “als Mann und Frau schuf er sie” bedeute, dass Homosexualität widernatürlich sei, ist eine andere.

Ich persönlich bin nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema “Christentum und Sexualität” zu dem Schluss gekommen, dass da antike Leibfeindlichkeit in die DNA des Christentums eingeimpft wurde (angefangen bei Paulus), die man nicht mehr loswird. 
 

Werner

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vor einer Stunde schrieb Werner001:

Ich persönlich bin nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema “Christentum und Sexualität” zu dem Schluss gekommen, dass da antike Leibfeindlichkeit in die DNA des Christentums eingeimpft wurde (angefangen bei Paulus), die man nicht mehr loswird. 

 

Es waren Teile der Stoa, denen man eine gewisse „Leibfeindlichkeit“ nachsagen könnte, nicht der griechisch-römischen Antike an sich. Und da ging es auch nicht um „Moral“, sondern um Seelenruhe. 

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vor einer Stunde schrieb Werner001:

Genau so ist es. Es ist eine der vielen falschen (und sehr leicht als falsch erkennbaren) Schlussfolgerungen beim Thema Sexualität. 
die lehramtliche Schlussfolgerung “als Mann und Frau schuf er sie” bedeute, dass Homosexualität widernatürlich sei, ist eine andere.

Ich persönlich bin nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema “Christentum und Sexualität” zu dem Schluss gekommen, dass da antike Leibfeindlichkeit in die DNA des Christentums eingeimpft wurde (angefangen bei Paulus), die man nicht mehr loswird.

Leibfeindliche Antike?

 

Wenn ich mich recht erinnere, war das Christentum auch deshalb eine interessante Alternativreligion, weil es die im römischen Reich allgegenwärtige sexuelle Ausbeutung von Frauen, Kindern und Sklaven deutlich einschränkte.

Ist leider etwas über das Ziel hinausgeschossen.

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49 minutes ago, Marcellinus said:

 

Es waren Teile der Stoa, denen man eine gewisse „Leibfeindlichkeit“ nachsagen könnte, nicht der griechisch-römischen Antike an sich. Und da ging es auch nicht um „Moral“, sondern um Seelenruhe. 

Ja, so meinte ich das. Dass die Antike generell nicht leibfeindlich war, weiß ich. Wenn man sich mit der Geschichte des Christentums in der Antike beschäftigt, fällt einem diese teils extrem Leibfeindlichkeit schnell auf. Eremiten, Säulenheilige, erste Tendenzen auch schon bei Paulus. In den Evangelien ist davon aber noch nichts zu sehen, es muss also mMn ein Einfluss von außen sein. 
Verstärkt wurde das vermutlich durch Verfolgungserlebnisse und das Ideal des Märtyrertums.

 

Das sitzt anscheinend bis heute in der DNA des Christentums, man kann es über die Jahrhunderte gut verfolgen. Dabei geht doch eigentlich um eine Frohe Botschaft

 

Werner

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vor 14 Stunden schrieb iskander:

Ich möchte diese Kritik einfach mal zur Diskussion stellen.

 

Na, damit bist Du ja nicht wirklich der erste hier im Forum.

 

Die Kirche sagt ganz einfach: jeder freiwillige Sexualakt, der willentlich und geplant Zeugung bestmöglich ausschließt, ist falsch.

 

Kann man ablehnen, kann man annehmen. 

 

Mehr ist das nicht. 

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45 minutes ago, rorro said:

Die Kirche sagt ganz einfach: jeder freiwillige Sexualakt, der willentlich und geplant Zeugung bestmöglich ausschließt, ist falsch.

Und paradoxerweise sagt die Kirche 3 Minuten später, “natürliche” Empfängnisverhütung sei völlig ok und verhindere, richtig angewandt, eine Zeugung zuverlässiger als die Pille.

 

Erinnert ziemlich an die auch Herrgottsb’scheißerle genannten Maultaschen, die man Freitags gegessen hat, weil das Fleisch darin gut versteckt war.

 

Wen wundert’s, wenn solcherlei Inkonsequenz nicht ernst genommen wird?

 

Werner

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vor einer Stunde schrieb Flo77:

Biber sind übrigens Fische, die man während der Fasten essen darf.

 

Ja, aber wer ißt schon Biber? ;)

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vor 10 Stunden schrieb rorro:

 

Na, damit bist Du ja nicht wirklich der erste hier im Forum.

 

Die Kirche sagt ganz einfach: jeder freiwillige Sexualakt, der willentlich und geplant Zeugung bestmöglich ausschließt, ist falsch.

 

Kann man ablehnen, kann man annehmen. 

 

Mehr ist das nicht. 

Man kann sich aber auch mit der Argumentation der Kirche auseinandersetzen, also die Prämissen rekonstruieren und schauen, ob die Konklusion aus ihnen folgt, und eruieren, welche Zusatzprämissen man eventuell noch bräuchte. Das war der Sinn meines Beitrags. Und in dieser Form hatte ich das auch noch nicht im Forum entdeckt, wobei ich natürlich nicht ausschließen kann, etwas übersehen zu haben.

 

Und im Grunde ist die Darstellung hier natürlich vereinfachend. Denn es geht ja nicht wirklich darum, dass die Zeugung ausgeschlossen wird. Wenn eine Frau Eierstöcke und Uterus entfernt bekommen hat, dürfen sie und ihr Mann trotzdem kein Kondom benutzen. (Um, sagen wir, das Sperma im Zusammenhang mit einem Vaterschaftstest aufzufangen. Früher auch nicht, um die Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten zu verhindern oder zu erschweren, aber das hat sich wohl mit Papst Benedikt relativiert.)

 

Es geht also gerade nicht darum, dass die Zeugung verhindert wird, sondern dass der Sexualakt so beschaffen sein muss, dass er bei Empfängnisbereitschaft und Disposition zur Zeugung führen könnte, auch wenn er es real nicht kann. Nur dann gilt er als "naturgemäß". (Deshalb ist die Redeweise, dass die Kirche künstliche Empfängnisverhütung ablehne, weil damit die Zeugung neuen Lebens verhindert werde, genau genommen auch irreführend.

(Und man sage nicht, dass Gott ein Wunder wirken und die definitiv unfruchtbare Frau fruchtbar machen kann - denn wenn er Eierstöcke und Uterus in einem Moment neu schaffen kann,  kann er auch ein Kondom durchlöchern.)

 

Was ist da der Sinn und Zweck hinter dieser Normierung? Ich sehe keinen. Es ist der reine Selbstzweck. Der Akt muss so sein, wie er angeblich sein soll, damit er so ist, wie er angeblich sein soll.

 

Wenn ich dies noch anmerken darf: Du hattest irgendwo in einem anderen Thread im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung geschrieben, dass die "Absichten der Natur" auf keinen Fall vereitelt werden dürften. Wenn man in diesem Sinne tatsächlich das Natürliche mit Gottes Absicht gleichsetzt (denn "Absichten der Natur" ist ja nur eine Metapher), dürften wir wohl vieles nicht tun. Wir dürften z.B. bei einer OP keine Anästhetika geben, da es ja offenbar die "Absicht der Natur" ist, dass wir Schmerzen empfinden, wenn wir beispielsweise tiefe Schnittwunden erhalten. Wahrscheinlich dürften wir nicht einmal Kleider anziehen - denn offenbar ist es ja die Absicht der Natur, dass wie einander unsere nackten Körper präsentieren. Andernfalls hätten wir ein dichtes Fell. Wir sollten auch nichts kochen oder braten - hätte Gott gewollt, dass wir die Speisen auf diese "widernatürliche" Weise zubereiten, hätte er uns einen integrierten Herd gegeben. Usw.

 

Da scheint mir die Auffassung sinnvoller zu sein, dass die Natur in ihrer Faktizität nicht eins zu eins mit dem göttlichen Willen identifizieren sollten, und dass der Mensch in die Natur eingreifen darf, sofern er einen sinnvollen Zweck verfolgt und legitime Mittel einsetzt. Der Zweck, Sex ohne Kinder zu haben, kann ja auch aus kirchl. Sicht legitim sein (sonst wäre NFP verwerflich) - und solange das Mittel niemandem schadet, sollte es auch akzeptabel sein.

 

Aber das alles geht eigentliche am springenden Punkt vorbei. Denn wie gesagt ist eine "Verhütung" ja selbst dort verboten, wo es nichts zu verhüten gibt, wie im Fall der aus medizinischen Gründen definitiv unfruchtbaren Frau. Insofern führt diese Diskussion aufs falsche Gleis.

Edited by iskander
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vor 26 Minuten schrieb iskander:
vor 9 Stunden schrieb rorro:

Kann man ablehnen, kann man annehmen. 

 

Mehr ist das nicht. 

[...] Insofern führt diese Diskussion aufs falsche Gleis.

 

Ich hatte @rorros Bemerkung so verstanden, daß es sinnlos ist, bei religiösen Ge- oder Verboten nach rationalen Begründungen zu suchen, weil jede Suche nach Begründung zuallererst eine Relativierung ist. Man kann es annehmen, oder ablehnen. Mehr ist da nicht. 

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vor 9 Stunden schrieb Werner001:

Ja, so meinte ich das. Dass die Antike generell nicht leibfeindlich war, weiß ich. Wenn man sich mit der Geschichte des Christentums in der Antike beschäftigt, fällt einem diese teils extrem Leibfeindlichkeit schnell auf. Eremiten, Säulenheilige, erste Tendenzen auch schon bei Paulus. In den Evangelien ist davon aber noch nichts zu sehen, es muss also mMn ein Einfluss von außen sein. 
Verstärkt wurde das vermutlich durch Verfolgungserlebnisse und das Ideal des Märtyrertums.

 

Das sitzt anscheinend bis heute in der DNA des Christentums, man kann es über die Jahrhunderte gut verfolgen. Dabei geht doch eigentlich um eine Frohe Botschaft

 

Werner

Da spielen wohl Gnosis und ähnliche Richtungen eine große Rolle, siehe etwa:

https://www.mittelalter-entdecken.de/sexualitaet-christentum/

 

Ja, die Sexualfeindlichkeit ist so früh so tief ins Mark des Katholizismus und großer Teile des Christentums vorgedrungen, dass man sich wirklich fragt, ob das je wieder abgeschüttelt wird.

 

Übrigens möchte ich noch auf folgende Probleme im Zusammenhang mit der Lehre der widernatürlichen Akte hinweisen:

 

- Normalerweise können wir den sachlichen Grund eines moralischen Verbotes einsehen (z.B. bei Ehebruch, Verleumdung, Diebstahl, Mord). Wir erkennen, wieso Gott etwas nicht will (davon ausgehend, dass es Gott gibt). Bei den "widernatürlichen Akten" könnte man aber - selbst wenn man die kirchliche Begründungsfigur akzeptiert - nur erkennen, dass Gott diese Akte (angeblich) nicht will, aber nicht warum er sie nicht will. Wir können kein intrinsisches Übel an ihnen erkennen.

Das macht diese Lehre ziemlich einzigartig im System einer Moral.

 

- Damit hängt zusammen: Normalerweise haben ethisch hochstehende Atheisten und ethisch hochstehende Christen eine sehr ähnliche Moral - der einzige Unterschied bezieht sich vermutlich auf moralische Aspekte der Gottesbeziehung. Wie immer das Verhältnis von Gott und Moral sein mag - man muss sich jedenfalls nicht unbedingt unmittelbar auf Gott beziehen, um die moralische Qualität einzelner Handlungen zu beurteilen.

Beim Thema "widernatürliche Akte" jedoch müssen sich die Wege zwischen dem streng katholischen Christen und dem menschenfreundlichen Atheisten jedoch trennen, denn das einzige Argument gegen die "widernatürlichen Akte" ist ja die unmittelbare Berufung auf den göttlichen Willen, der direkt aus der biologischen Faktizität in der diskutierten Weise ableitbar sei.

 

Insofern nimmt die Lehre von den "widernatürlichen Akten" tatsächlich eine merkwürdige Sonderstellung ein. Mein Beitrag sollte aufzeigen, dass sie nicht nur auf den ersten Blick unbegründet bzw. fehlschlüssig wirkt, sondern es auch ist.

vor 4 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Ich hatte @rorros Bemerkung so verstanden, daß es sinnlos ist, bei religiösen Ge- oder Verboten nach rationalen Begründungen zu suchen, weil jede Suche nach Begründung zuallererst eine Relativierung ist. Man kann es annehmen, oder ablehnen. Mehr ist da nicht. 

 

Das sieht die Kirche aber wohl anders. Gerade im Hinblick auf die "widernatürlichen Akte" scheint sie davon auszugehen, dass diese Lehre im Prinzip jedem Menschen [jedenfalls, wenn er an Gott glaubt, möchte ich hinzufügen] einsichtig sei. Deshalb bringt sie für ihre Lehre ja auch Argumente vor, was immer man von diesen halten mag.

Ausdrücklich richtet dann auch Papst Paul VI. "Humane Vitae" dann auch an "alle Menschen guten Willens". Die Kirche scheint überzeugt zu sein, dass ihre Lehre in diesem Punkt rational einleuchtend ist, auch ohne Offenbarung. Sie hält sich zwar in besonderer Weise zur Erkenntnis und Urteilsbildung berufen, meint aber offenbar, dass ihre Argumente allgemein überzeugend seien.

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Gerade eben schrieb iskander:

Die Kirche scheint überzeugt zu sein, dass ihre Lehre in diesem Punkt rational einleuchtend ist, auch ohne Offenbarung. Sie hält sich zwar in besonderer Weise zur Erkenntnis und Urteilsbildung berufen, meint aber offenbar, dass ihre Argumente allgemein überzeugend seien.

 

Ja, so kann man sich täuschen. Aber diesem Irrtum sollen ja auch Philosophen schon erlegen sein. ;)

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vor 11 Stunden schrieb Werner001:

Und paradoxerweise sagt die Kirche 3 Minuten später, “natürliche” Empfängnisverhütung sei völlig ok und verhindere, richtig angewandt, eine Zeugung zuverlässiger als die Pille.

 

Daß sich die Kirche lehramtlich zur Sicherheit von NFP äußert, wäre mir neu. Da ich nicht glaube, daß Du nur schwätzt, kannst Du das bestimmt belegen.

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vor 2 Stunden schrieb iskander:

Das sieht die Kirche aber wohl anders. Gerade im Hinblick auf die "widernatürlichen Akte" scheint sie davon auszugehen, dass diese Lehre im Prinzip jedem Menschen [jedenfalls, wenn er an Gott glaubt, möchte ich hinzufügen] einsichtig sei.

 

Sex zwischen Verheirateten ist kein widernatürlicher Akt. Und daß die Lehre der Kirche zur Empfängnisverhütung jedem einsichtig sei, lehrt die Kirche explizit nicht. Lies HV, da steht es drin.

Du verwechselst zudem das Naturrecht als solches mit der Behauptung, daß da Naturrecht jedem eingängig sein müsse (was die Kirche nicht lehrt). Das Wort "Natur" hat damit gar nichts zu tun.

Edited by rorro
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Ich wundere mich immer, wie viele Menschen sich über die Lehre der Kirche zu diesem anscheinend enorm wichtigen Thema äußern, ohne HV intensiv gelesen zu haben. So lang und schwierig ist das Ding ja nicht. Ablehnen kann jeder was er will - nur sollte man das kennen, was man ablehnt. Sonst lehnt man was ab, was die Kirche gar nicht lehrt, das geht ja gar nicht.

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vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Ich hatte @rorros Bemerkung so verstanden, daß es sinnlos ist, bei religiösen Ge- oder Verboten nach rationalen Begründungen zu suchen, weil jede Suche nach Begründung zuallererst eine Relativierung ist. Man kann es annehmen, oder ablehnen. Mehr ist da nicht. 

und wie ist es, sich dieser sinnlosen gedanken zu enthalten statt der sexualität?

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vor einer Stunde schrieb rorro:

Ich wundere mich immer, wie viele Menschen sich über die Lehre der Kirche zu diesem anscheinend enorm wichtigen Thema äußern, ohne HV intensiv gelesen zu haben. So lang und schwierig ist das Ding ja nicht. Ablehnen kann jeder was er will - nur sollte man das kennen, was man ablehnt. Sonst lehnt man was ab, was die Kirche gar nicht lehrt, das geht ja gar nicht.

vielleicht ist es uninteressant und die diskussionen belästigen?

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8 hours ago, rorro said:

 

Daß sich die Kirche lehramtlich zur Sicherheit von NFP äußert, wäre mir neu. Da ich nicht glaube, daß Du nur schwätzt, kannst Du das bestimmt belegen.

Wo habe ich was von “lehramtlich” gesagt? Was ändert das an meiner Feststellung, dass die Kirche einerseits sagt, Sex ohne Zeugungsoffenheit sei Sünde und gleichzeitig, “natürliche” Zeugungsverhinderung sei ok?

abef das wurde bereits ad nauseam diskutiert, das ist dir natürlich bekannt.

 

 

Werner

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vor 3 Stunden schrieb Werner001:

Wo habe ich was von “lehramtlich” gesagt?

 

Eine Meinung der Kirche - und die hast Du unterstellt - ist immer lehramtlich oder sie ist eine bloße Meinung dieser Person. Natürlich kann auch eine Person eine lehramtliche Meinung verkünden (gehört u.a. zur Stellenbeschreibung von Bischöfen), dann ist sie nicht nur eine bloße Meinung von vielen.

 

Die Kirche hat sich zur Sicherheit von NFP bislang nicht geäußert - wieso sollte sie auch.

 

Daß das ad nauseam diskutiert wurde stimmt allerdings, deswegen wäre ich für korrekte Aussagen dankbar ...

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