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Benedikt XVI., der klerikale Missbrauch und die sexuelle Revolution


iskander

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Zu der wohl als Tatsache aufgefassten Vorstellung, Kardinal Trujillo habe seine Stellung ausgenutzt, um sich Seminaristen sexuell anzunähern, hätte ich eine Frage: Findet sich diese Behauptung auch außerhalb von Martells Buch? Und hat das kirchenintern (kanonisch) irgendwelche Spuren hinterlassen? 

 

Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin nicht daran interessiert, das aus Prinzip und Reflex heraus zu hinterfragen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich das in dieser oder ähnlicher Form zugetragen hat. Allerdings habe ich vor einiger Zeit im Schweizer Fernsehen ein Gespräch mit dem Autor Martell gesehen und da schien es mir - trotz aller Betonung des Schutzes der Quellen - doch sehr wenig wirklich Handfestes zu geben. Jedenfalls kam es mir so vor, als würde er viel über unbestätigte Gerüchte und Lücken in der Dokumentation hinweg extrapolieren, um seine Thesen zu stützen. Gerade ein "Fall Trujillo" würde das verbreitete Narrativ, nach dem besonders konservativ und "homophob" auftretende Kirchenfürsten oft selbst mit diesem Thema hadern, fast zu gut und on the nose bedienen. Was nicht heißen muss, dass es nicht zutrifft. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 3 Stunden schrieb Moriz:

 

1. ab 60er: wenn durch die Wohnform die soziale Kontrolle wegfiel und dies die Missbrauchszahlen erhöhte, dann scheint ein gewisser Drang nach Ausleben von Sexualität vorhanden gewesen zu sein, der sich nicht allein durch innere Kontrolle, also durch das Einhalten einer priesterlichen Lebensführung, sublimieren ließ. Durch den Wegfall der Sozialkontrolle ließ sich sexualprogressives Material auch leichter konsumieren. Das bestätigt meine These.

 

2. 70er: Mir erscheint das recht unwahrscheinlich, dass der Anstieg allein auf eine Verringerung der Dunkelziffer beruhen sollte. Statt dessen war die soziale Kontrolle noch geringer geworden, der Sexualisierungs-Hype noch größer und sexualprogressives Material noch leichter verfügbar.

 

3. Die Beichte: mir sind keine Daten bekannt, zu welchen Zeitphasen Priester Pönitenten besonders zum sechsten Gebot ausgefragt hätten.

 

4. Der Abschwung lässt sich mit dem schwindenden Sexualisierungs-Hype und der zunehmenden Ächtung der Pädophilie erklären. Die Pädophilieächtung war aber kein genuines Produkt der sexuellen Revolution, im Gegenteil.

 

Hier wird immer wieder gesagt, missbrauchende Priester hätten eine restriktive Erziehung genossen, die ihre Sexualität unfrei machte und sie zum Missbrauch begünstigte.

 

1. Gibt es Daten zu der These, Priester hätten eine restriktive Erziehung erlebt? Ich glaube nicht. Ich glaube eher, das ist nur ein Narrativ.

 

2. Die MHG-Studie hat bei über 1700 Täter die sexuelle Reife/Unreife gar nicht erhoben. Daraus lässt sich also keine These "Sexuelle Unreife begünstigt Missbrauch" bilden.

 

vor 3 Stunden schrieb Moriz:

 

 

 

 

 

Zum Punkt monokausale Erklärung:

 

Die MHG-Studie bietet in ihren Empfehlungen - die sie selbst nicht aus ihrem Ergebnisteil ableiten kann - ein kompliziertes Gemisch aus Spekulationen an. Dieses Gemisch ist so kompliziert, dass man es kaum entwirren kann, und dass es auch kaum einer transparent erklären kann. Auch hier nicht.

 

Ich habe den Eindruck, man möchte immer wieder rufen: "Der Kaiser hat etwas an, er hat etwas an!" Dabei ist der Kaiser einfach nur nackt.

 

Deine Phasenerklärungen sind auch recht kompliziert, man muss die Gefahr einer monokausalen Erklärung nicht übertreiben.

 

Man sollte an diesen Kleiderwust des Kaisers vielleicht einfach mal mit Occam's Rasiermesser herangehen:

 

"1. Von mehreren möglichen hinreichenden Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.

2. Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält und wenn diese in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt."

https://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser

 

Wenn man das macht, dann kommt vielleicht heraus: der Aufschwung und der Abschwung der Missbrauchszahlen ist mit dem Aufschwung und Abschwung der "Sexwelle" und der mit ihr einhergehenden Legitimierung und Delegitimierung der Pädophilie zu erklären. Nichts weiter.

 

Was nicht heißt, dass man sich nicht weiterhin Gedanken darüber machen sollte, was gute Lebensbedingungen für einen Priester sein sollten. Aber das ist nicht meine Aufgabe. Ich vertraue da der Kirche. Hier gibt es genug Kompetenz.

 

 

bearbeitet von Inge33
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@Chrysologus

 

Mal eine direkte Frage an Dich als "Praktiker":

 

Ergeben sich aus der Befragung von Tätern denn Anhaltspunkte dafür, dass sie maßgeblich von pädophilen Ideen aus dem "progressiven" Lager beeinflusst waren? Sagen die Täter also Sachen wie "Damals hieß es doch, dass das für Kinder okay ist, und das habe ich halt geglaubt" oder etwas in der Art? Und wenn ja, ist das eher typisch oder atypisch?

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vor 15 Minuten schrieb iskander:

@Chrysologus

 

Mal eine direkte Frage an Dich als "Praktiker":

 

Ergeben sich aus der Befragung von Tätern denn Anhaltspunkte dafür, dass sie maßgeblich von pädophilen Ideen aus dem "progressiven" Lager beeinflusst waren? Sagen die Täter also Sachen wie "Damals hieß es doch, dass das für Kinder okay ist, und das habe ich halt geglaubt" oder etwas in der Art? Und wenn ja, ist das eher typisch oder atypisch?

Ich habe diesen Satz oder Varianten dieses Satzes in keiner Vernehmung und in keiner Erklärung gefunden, ich habe aber selbst auch keine Täter der 1970er direkt zu ihre Beweggründen befragt. Kern der Untersuchungen dieser Jahre war immer die Frage, was den Betroffenen widerfuhr, nicht aber, warum der Täter dies getan hat. Letzteres spielt in den Begutachtungen eine Rolle, und auch hier findet sich dieser Entschuldigungsversuch nie.

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8 hours ago, Moriz said:

Mir fällt hier zunehmend die Behauptung auf, die 'Sexuelle Revolution' hätte die Pädophilie gefördert.

Ich denke, damit verkennt man die Anliegen der Sexuellen Revolution: Es ging darum, das zu enge Korstett der Moral abzustreifen um die eigene Sexualität in gesunder Weise leben zu können.

In dem Zusammenhang ist es nur logisch, daß man diese Befreiung der Sexualtität von der Einengung einer zu rigiden Moral nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder und Jugendliche gefordert hat.

Das haben Revolutionen halt so an sich. Sie laufen aus dem Ruder. Hier ein Album Label von 1976.

Wie es aussieht regte sich damals kein Mensch über sowas auf.

War auch hier ein Thema. Es gibt (oder gab vor 15 Jahren) immer noch Leute die sowas für "Kunst" hielten.

 

Was B16 angeht, halte ich seine Ausführungen eben nicht für eine historisch-kritische Aufarbeitung des Missbrauchs in der kath. Kirche, sondern für eine Suche nach Sündenböcken. Und wenn die katholische Moraltheologie nach seinen Worten im Wettstreit um Meme sozusagen mit der "Sexuellen Revolution" schlappmachte dann sagt das nur aus dass sie wertlos ist.

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vor 52 Minuten schrieb Studiosus:

Zu der wohl als Tatsache aufgefassten Vorstellung, Kardinal Trujillo habe seine Stellung ausgenutzt, um sich Seminaristen sexuell anzunähern, hätte ich eine Frage: Findet sich diese Behauptung auch außerhalb von Martells Buch? Und hat das kirchenintern (kanonisch) irgendwelche Spuren hinterlassen?

 

Außerhalb von Martels Buch habe ich dazu nichts gefunden. Martel selbst sagt, dass es zahlreiche verlässliche Zeugen gebe. Er sowohl in Südamerika wie im Vatikan recherchiert. Die Abhandlungen sind sehr umfangreich und detailliert, und es wäre unmöglich, auch nur ein Zwangzigstel zu zitieren, aber ich versuche Dir einen gewissen Eindruck zu verschaffen. Ich kann natürlich auch nicht ausschließen, dass Martel alles frei erfindet, halte es aber doch für recht unwahrscheinlich, zumal es in vielen ländern Gesetze geben dürfte, die das Ansehen von Toten gegen massive Verleumdungen schützen.

 

"The homosexuality of Cardinal Alfonso López Trujillo is an open secret that dozens of witnesses have talked to me about, and that has even been confirmed by several cardinals. His ‘pan-sexualism’, to quote one of the entries in his dictionary, was well known in Medellín, Bogotá, Madrid and Rome. [...]

A man close to the cardinal, Gustavo Álvarez Gardeazábal, even went so far as to write a roman-à-clef, La Misa ha terminado, in which he denounced the double life of López Trujillo, who was, under a pseudonym, its main character. As for the many gay militants who I questioned in Bogotá during my four trips to Colombia – particularly those of the association Colombia Diversa, which includes several lawyers – they have collected a large number of witness statements, which they shared with me. The Venezuelan academic Rafael Luciani tells me that Alfonso López Trujillo’s obsessive homosexuality is now ‘well known to the Latin American ecclesiastical authorities and some of the senior representatives of CELAM’. Furthermore, a book is reportedly in preparation concerning the double life and sexual violence of Cardinal López Trujillo, co-signed by several priests. As for the seminarian Morgain, one of López Trujillo’s assistants, he tells me the names of several of his touts and lovers, many of whom were obliged to satisfy the archbishop’s desires so as not to sabotage their careers. [...] Travelling ceaselessly on behalf of the Curia, wearing his hat as anticondom propagandist-in-chief, López Trujillo took advantage of these trips to find boys (according to the statements of at least two nuncios). [...]

Claudio Maria Celli, an archbishop who was one of Pope Francis’s envoys to Latin America, after being one of Benedict XVI’s directors of communication, knew López Trujillo well. In a carefully weighed phrase, he gives me his judgement of the man, during a discussion in Rome: ‘López Trujillo was not a saint by any means.’ [...]

Another Latin American specialist, the journalist José Manuel Vidal, who runs one of the main websites on Catholicism, in Spanish, recalls: ‘López Trujillo used to come here, to Spain, very often. He was a friend of the Cardinal of Madrid, Rouco Varela. He would also come with one of his lovers; I particularly remember a handsome Pole, then a handsome Filipino. He was seen here as the 'pope of Latin America', so they let him get on with it.’ [...]

‘When López Trujillo died, the decision was made to bury him here in Rome because he couldn’t be buried in Colombia,’ Cardinal Lorenzo Baldisseri tells me. ‘He couldn’t go back to his country, even in death!’"

 

(Der Begriff "boys" ist hier im Sinne von sehr jungen Männern und nicht im Sinne von Kindern zu lesen.)

 

Tatsächlich erhebt Martel noch weit schwerwiegendere Vorwürfe gegen Trujillo, die nichts mit Sex zu tun haben (das Zitat von Baldesseri deutet das an). Während aber die "sexuelle" Geschichte auch bei der Wikipedia nachzulesen ist, scheinen diese anderen Anschuldigungen nicht im Internet zu stehen.; deshalb und weil es hier auch nichts zur Sache tut, möchte ich sie hier nicht öffentlich referieren.

 

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@iskander

 

Danke für das lange Zitat. Wie gesagt, ich möchte das nicht aus Prinzip abstreiten, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dazu bin ich zu sehr Realist, um das für unmöglich zu halten. Viele andere, eindeutig dokumentierte, von den Tätern zugegebene und kirchlich wie staatlich ausermittelte und durch Prozesse erwiesene Fälle sprechen eine klare Sprache. Der Skandal um P. Marcial Maciel ist in meinen Augen beispielsweise über jeden berechtigten Zweifel hinaus aufgearbeitet und die Vorwürfe gegen ihn haben sich als zutreffend herausgestellt. 

 

Ich unterstelle Martel auch nicht, dass er seine dargestellten Fälle frei erfunden hätte. Allerdings bin ich, das gebe ich zu, etwas skeptisch, was die Evidenzen und "O-Töne" angeht, die er bringt. Nur weil kein in seinem Buch zitierter Amtsträger geklagt hat, heißt das nicht, dass das alles in dieser Zusammenstellung und vor allem hinsichtlich der Interpretation Martels zutrifft.

 

Ich bleibe beim obigen Zitat: Da steht etwas von dutzenden Zeugen und sogar Kardinälen, die die sexuellen Eskapaden Trujillos bestätigen würden. Werden diese Zeugen namentlich bekannt gemacht? Ich habe das Buch nicht vor mir. Weiter unten im Zitat wird ein Ausspruch Kardinal Baldisseris überliefert, wonach Trujillo nicht einmal im Tod in seine Heimat zurückkehren konnte. Das liest sich für mich ziemlich offen, jedenfalls nicht als hard fact. Warum konnte er nicht zurückkehren? Wegen der Gerüchte oder weil Baldisseri hier bestätigt, dass die Gerüchte der Wahrheit entsprechen? Vielleicht war es überhaupt aus allen denkbaren Gründen nicht opportun, Trujillo in seine Heimat zu überführen. Also mir, das ist nur meine subjektive Sicht, ist das nicht eindeutig genug, um daraus Schlüsse auf die Faktizität der Anschuldigung zu ziehen. 

 

Man kann das mit fast jedem Argument machen: Da schrieb ein Priester einen Roman, in dem eine Figur auftritt, die Trujillo nachempfunden sein soll. Nun ist eine Nachempfindung in einem literarischen Werk, das ja meist Fiktion mit realer Geschichte verquickt, in meinen Augen womöglich ein Indiz, aber kein gerichtsfester Beweis. Ich habe gerade neulich ein Buch (Roman, Belletristik) gelesen, in dem historische Persönlichkeiten der katholischen Kirche, so z. B. sogar Johannes Paul II., mit Sprechrolle vorkommen. Die Handlung ist - das verschweigt der Autor auch nicht - natürlich fiktiv. Johannes Paul II. fand ich erschreckend gut getroffen. Aber Wirklichkeit ist das natürlich nicht. Vielleicht kannst Du nachvollziehen, was ich sagen will. 

 

Ich bin da einfach etwas vorsichtig, solche Bücher oder Reportagen, die selten ihre Quellen vollkommen offen legen und Ross und Reiter nennen, für die unverrückbare Wahrheit und bare Münze zu nehmen. Und genau das ist mit diesem Buch geschehen. Eine interessierte Öffentlichkeit, die sowieso von der flächendeckenden Homophilie des katholischen Klerus - gerade im Vatikan - überzeugt ist, hat sich auf das Buch gestürzt als sei es ein vom Himmel herab gesandtes Evangelium. 

 

bearbeitet von Studiosus
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vor 10 Stunden schrieb Inge33:
Also wenn jemand hier obsessiv agiert, dann bist es Du, iksander…. Allein schon gemessen an der Länge Deiner Beiträge. Du kämpfst wie ein Berserker.

 

Siehst Du, so unterscheiden sich die Wahrnehmungen. Für mich sieht es so aus, dass Du mit zähnen und Klauen eine These verteidigst, nicht nur in diesem Thread, die außer von einigen wenigen Konservativen von niemandem für wahr gehalten wird, und die auch bei kirchennahen Experten auf Ablehnung stößt. Es ist eine These die, soweit ich sehe, auch von den anderen "Konservativen" hier im Forum nicht unterstützt wird.

Sie hat zahlreiche gravierende Schwächen, die von zahlreichen Leuten extensiv dargelegt wurden, und doch hältst Du an ihr fest. 🙂

 

Zitat

Um die These einer Überforderung von sexualmoralisch streng sozialisierten Priestern durch die sexuelle Revolution zu überprüfen, müsste man deren Sozialisationshintergrund kennen.

 

Genauso wie für Deine These.

 

Zitat

Ich sehe diese schiefe Ebene der sexuellen Befreiung in Bezug auf Priester (oder auch Vätern, Homosexuellen usw.) so, wie ich sie dargestellt habe.

 

Du rückst damit womöglich Menschen, die sich einfach einer restriktiven Moral entziehen moralisch zumindest in eine gewisse Nähe von Leuten, die sexuelle Handlungen an Kindern vornehmen.

 

Zitat

Die Legitimierung des Sexualkontaktes von Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen war nicht nur eine spezielle Randerscheinung. Das ging vom kleinen Hippie hoch bis in die Sexualwissenschaft und in die juristisch-akademische Diskussion um eine Veränderung des Strafrechts.

 

Die entscheidende Frage wäre wie sehr das jeweilige Feld beeinflusst war; alles andere bringt uns nicht weiter. Und dann müsste man noch sehen, welchen Einfluss das eventuell auf die Kleriker hatte. Das ist genau das, was ich Dir die ganze Zeit zu erklären versuche.

 

Zitat

 

Du fragst: „Wo genau hat er (Kentler) welche Rolle gespielt und in welchem Umfang? Und wo genau gab es definitiv keine kritische Reflexion?“

Das habe ich hier alles schon dargelegt. Du machst mir viel Mühe, deshalb bitte ich Dich, mich noch nicht zusätzlich zu belasten. Lies nach.

 

 

Meine Frage ist eigentlich rhetorischer Natur und soll Dir veranschaulichen, dass die Aussage "Kentler hat da eine Rolle gespielt" absolut alles und nichts bedeuten kann. Sie kann besagen, dass Kentler eine absolut marginale oder ungemein wichtige Rolle innerhalb des "progressiv-katholischen" Milieus gespielt hat - und alles dazwischen.
 

Zitat

 

Du fragst: „Wo genau hatte Hartmut von Hentig (nicht Henting) denn einen Platz, und was genau war das für ein Platz?“

In der progressiv-katholischen Zeitschrift „Publik“, da ging es um Lehrerbildung. Es belegt , dass es zwischen dem progressiv-katholischen Milieu und dem progressiv-linken Milieu Kontakte und Wohlwollen gab. Die weitere Entwicklung Hentig wird man wohl mitverfolgt haben.

 

 

Das ist genau diese assoziative Kontakt-Schuld-Argumentation, die wie heute ständig sehen. Von Hentig hat zwar selbst nichts Böses gesagt oder getan, aber er war mit einem Pädagogen befreundet, der problematische Dinge gesagt hat, und der, wie sich weit später herausgestellt hat, auch Schlimmes getan hat. Wusste man damals überhaupt von der engen Freundschaft, von welcher von Hentig meinte, sie wäre ein Versuch Kentlers gewesen, von seinem pädophilen Treiben wegzukommen? Und was nutzt es, wenn man die weitere Entwicklung eines Experten, den man eingeladen hatte, verfolgt, wenn der dann Jahrzehnte später etwas tut, was offensichtlich bedenklich ist (unangemessene Kommentare, für die er sich entschuldigt)?

 

Zitat


Du sagst, es wurde die Beinflussung durch pädosexuelle Ideen in den verschiedenen Missbrauchsmilieus fast keinem Fall nachgewiesen.

 

Ach, wo sage ich das denn?

Was ich sicherlich gesagt habe ist, dass es zu beweisen gälte, dass pädosexuelle Ideen, die im Folge der sexuellen Revolution aufkamen, auch im katholisch-klerikalen Milieu eine bedeutende Rolle spielten. Dass sie eine wichtige Rolle in entsprechenden "progressiven" Milieus (Odenwaldschule usw.) spielten, liegt natürlich auf der Hand, und das streite ich auch gewiss nicht ab.

 

Zitat

Was Deine Ansprüche zum Beleg meiner These angeht: wie Chrysologus schon sagte: wir sind hier nicht in einem Oberseminar und in keinem realen wissenschaftlichen Diskurs. Zudem denke ich, dass auch kein Journalist dieser Messlatte unterlegen muss, und dennoch zu einem Thema veröffentlichen darf.

 

Wie ich schon geschrieben habe, wirst Du den Ansprüchen an eine gute Beweisführung aber nicht nicht nicht vollkommen gerecht, sondern nicht einmal entfernt. Entsprechend solltest Du Deine Hypothese klar als das darstellen, was sie ist: Eine Hypothese.

 

Zitat

 

Du sagst: „Die meisten der Täter haben schon deutlich vor 1968 begonnen, also deutlich bevor pädosexuelle Ideen ihre Blütezeit erlebt hatten.“

Nun – wodurch erklärst Du Dir denn den Anstieg der Zahlen bis zum Höhepunkt der sexuellen Revolution in den 1970ern?

 

 

Dass diese Täter in den Folgejahren etwas mehr Taten begangen haben als am Anfang ihrer Karriere? Vielleicht zum Beispiel, weil sie versierter wurden?

 

Zitat

 

Du sagst: „Es gibt in der Statistik aber keine Sprung und keine Delle, die auf irgendetwas Besonderes hinweisen würde.“

Ich halte es für verfehlt, die Kriminalstatistik als Beleg gegen die Übersexualisierung von Priestern anzuführen.

 

 

Das tue ich auch nicht. Ich führe sie als Beleg dafür auf, dass die "Sexualisierung" der Allgemeinbevölkerung allem Anschein nach nicht zu vermehrtem Missbrauch von Kindern geführt hat. Anders als angeblich bei Priestern, wo er nach Deiner These einen solchen ungünstigen Effekt hatte.

 

Zitat

Im kirchlichen Bereich, in der Kentler-Szene und in der Odenwaldschule fanden die Übergriffe allerdings vorwiegend an Jungs statt.

 

Im kirchlichen Bereich hat das wohl auch mit Gelegenheit und unreifer eigener Sexualität zu tun. In der Odenwaldschule usw. hat das vermutlich auch viel mit der Veranlagung der Täter zu tun. Bei den letztgenannten Tätern handelt es sich vermutlich weit öfter um Pädosexuelle im eigentlichen Sinne (also Personen mit entsprechender Veranlagung).

 

Zitat


Zu den Legionären Christi: die damaligen Missbrauchstäter könnte man vielleicht als „Vorreiter“ verstehen. Wenn sie homosexuell waren, dann haben Sie in der Legitimation ihrer Taten vielleicht auf Hirschfeld, also auf die „erste“, „kleine“ sexuelle Revolution um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zurückgegriffen.

 

Dass irgendwelche sehr konservativen mexikanischen Geistlichen den Missbrauch mit irgendeinem deutschen Autor gerechtfertigt haben sollen, ist, um es vorsichtig zu sagen, doch etwas weit hergeholt. Zumal ich jedenfalls auf die Schnelle keine Hinweise darauf finden konnte, dass Hirschfeld den Missbrauch von Kindern oder Schutzbefohlenen gebilligt hätte. Im Gegenteil:

 

"Während die Gegner der Senkung des Schutzalters und der Abschaffung des §175 RStGB häufig den Zusammenhang von Homosexualität und Pädophilie/Kindesverführung behaupten, zieht Hirschfeld zwischen beiden eine scharfe Trennlinie. Er betont auf der einen Seite die 'Natürlichkeit' von Homosexualität (zu der nicht verführt werden kann) und belässt auf der anderen Seite die Pädophilie im Bereich des Verachtungswürdigen, Pathologischen – in der Nähe von Mord.

Als Therapie empfiehlt Hirschfeld bei 'Kinderschändern' die Kastration. Sie wirke bei ihnen in dreifacher Weise 'erstens als Strafe, zweitens zwecks Sterilisierung (Verhütung von Nachkommen), drittens zwecks Heilung”.

https://magnus-hirschfeld.de/institut/theorie-praxis/infantilismus/

 

Zitat

Sie haben den Konservatismus m.E. als Deckmantel benutzt, um damit Gehorsam zu erzwingen. Wären sie wirklich konservativ gewesen, hätten sie nicht missbraucht.

 

Das ist aus meiner Sicht der Kein-wahrer-Schotte-Trugschluss:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kein_wahrer_Schotte

 

Genauso gut könnte man auch sagen, dass ein "wahrer" Progressiver keine Kinder missbraucht, und dass Priester, die es doch tun, die wahre progressive Idee pervertieren.

 

In jedem Fall und unabhängig aller Wortklauberei gibt es Leute, die allem "progressiven" Gedankengut fernstehen und "dennoch" sexuellen Missbrauch begehen. Oder wie sollte man sonst den Missbrauch erklären, den es schon vor Jahrhunderten gab?

Es gibt eben Leute, die solche Dinge tun, innerhalb wie außerhalb der Kirche. Und keineswegs vertreten alle diese Leute eine Moral, die dies legitimieren würde. 

 

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@Studiosus

 

Martel nennt die meisten Quellen aus Gründen der Vertraulichkeit nicht namentlich, man muss ihm also vieles entweder glauben oder nicht glauben. Wenn er die Wahrheit sagt, gibt es viele gute Quellen. In diesem Fall nennt er einige Namen, die nachprüfbar sein müssten, so etwa José Manuel Vidal, welcher ja eine recht klare Aussage getätigt hat. Auch die diplomatische Aussage von Erzbischof Claudio Maria Celli, dass Trujillo "keinesfalls ein Heiliger" gewesen sei, spricht für sich. Martel nennt auch, soweit ich mich erinnere, mindestens einen oder mehrere Zeugen aus Südamerika namentlich, welche ihm ihre Erlaubnis dazu gegeben haben.

 

Natürlich wäre es günstiger, wenn jede Aussage klar einer Quelle zuzuordnen wäre. Aber ohne Zusage der Verschwiegenheit hätten viele Leute vermutlich nichts gesagt. Welcher ranghohe Prälat möchte schon damit erwischt werden, peinliche Interna in aller Klarheit auszusprechen. Aber klar, dadurch stehen erhebliche Teile des Buchs unter dem Vorbehalt, dass man dem Autor prinzipiell vertraut.

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vor 2 Stunden schrieb Inge33:

Man sollte an diesen Kleiderwust des Kaisers vielleicht einfach mal mit Occam's Rasiermesser herangehen:

 

"1. Von mehreren möglichen hinreichenden Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.

2. Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält und wenn diese in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt."

https://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser

 

Nur ist deine Erklärung in diesem Sinne nicht einfach, sondern sie enthält mehrere Annahmen, die extrem unwahrscheinlich, wenn nicht gar falsch sind.

 

Ansonsten sollte man alle Kartenspieler schnellstens einsperren, denn schon mein Vater wusste:

"Wer Karten spielt, der lügt. Wer lügt, der betrügt. Wer betrügt, der stiehlt und wer stiehlt, der frisst kleine Kinder."

(Eine einfache Theorie, mit wenigen Variablen  und Hypothesen, die in einer klaren, logiscen Beziehung zueinander stehen. Finde den Fehler!)

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vor 14 Stunden schrieb phyllis:

Das haben Revolutionen halt so an sich. Sie laufen aus dem Ruder. Hier ein Album Label von 1976.

Wie es aussieht regte sich damals kein Mensch über sowas auf.

War auch hier ein Thema. Es gibt (oder gab vor 15 Jahren) immer noch Leute die sowas für "Kunst" hielten.

Du reflektierst das kritisch, im Gegensatz zu manch anderen hier, die die sexuelle Revolution als "heilig" verteidigen.

bearbeitet von Inge33
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vor 10 Stunden schrieb Moriz:

Ansonsten sollte man alle Kartenspieler schnellstens einsperren, denn schon mein Vater wusste:

"Wer Karten spielt, der lügt. Wer lügt, der betrügt. Wer betrügt, der stiehlt und wer stiehlt, der frisst kleine Kinder."

Eine einfache Theorie ist auch: "Die Erde ist eine Scheibe". Das ist in nichts nachgewiesen. Das liegt auf dem ähnlichen Niveau wie: "Sexueller Missbrauch wird durch die katholische Sexualmoral begünstigt." Dies ist ebenfalls in nichts nachgewiesen.

 

Benedikt XVI. hatte das richtige Gespür für die Zeitläufte und die empirischen Zusammenhänge.

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vor 13 Stunden schrieb iskander:

Siehst Du, so unterscheiden sich die Wahrnehmungen

Du sagst, ich müsse nachweisen, dass Priester nicht durch eine sexualmoralische strenge Sozialisation überfordert gewesen seien. Das muss ich nicht. Wer eine These zuerst aufstellt, muss sie belegen. Nicht der andere. Also belege - aber nicht an Einzelfällen.
Du sagst, ich argumentierte mit Kentler und Hentig mit Kontaktschuld. Hentig hätte nichts Böses getan. Doch, hat er. Das Böse lag mindestens in seiner unkritischen Haltung zur Pädophilie/Ephebophilie und im Täterschutz. Lies seine Autobiographie. Dort werden Beckers sexuelle Übergriffe teilweise als einvernehmliche Kontakte dargestellt sowie die Glaubwürdigkeit der Betroffenen in Frage gestellt. Der Erziehungswissenschaftlerin Hanna Kiper sagt dazu: „„Wenn sich als Pädagogen verstehende Menschen dabei solche Argumentationsfiguren benutzen, die Täter sexueller Gewalt zur Leugnung oder Verteidigung ihres Handelns wählen und diese als ‚pädagogisch‘ ausgeben, ist ein entschiedenes Zurückweisen notwendig, auch um den Unterschied zwischen pädagogischem Denken und Handeln und dem Benutzen eines pädagogischen Jargons zur Verhüllung krimineller Absichten zu verdeutlichen.“ Immerhin ist ihm in Zuge der kritischen Reflexion seiner Ideen etwa der ihm 1994 verliehene Comenius-Preis und der Ernst-Christian-Trapp-Preis von der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft aberkannt worden. Auch einen Ehrendoktor hat er verloren. Da scheint der Zeitgeist also Vernunft angenommen zu haben.

Du sagst, die Übergriffe an Jungs im kirchlichen Bereich hätten etwas mit der Gelegenheit zu tun. Ich glaube das nicht. Nicht bei etwa 4000 Tätern in den USA und über 1700 Tätern in Deutschland – weltweit noch mehr. Es erscheint mir recht unwahrscheinlich, dass diese alle im Grunde heterosexuell gewesen sein sollen, dann aber mangels Gelegenheit sich an Jungs vergriffen haben. Ich glaube nicht, dass man so "schnell" entgegen seiner sexuellen Neigung agiert. Wahrscheinlicher (Occam‘s Gesetz) ist die Annahme , dass sie eine homosexuelle Neigung hatten.

 

Du sagst, Hirschfeld hätte den Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen nicht gebilligt. Hier muss man unterscheiden. Die Pädophilen unter den Homosexuellen hielt er für unglückliche Geschöpfe. Zu den Ephebophilen äußerte er sich in diesem Zusammenhang nicht in gleicher Weise (Hirschfeld: die Homosexualität des Mannes und der Frau), daraus lässt sich eine tolerante Haltung schließen. Was etwa der George-Kreis ähnlich sah.

 

Du schreibst: Wie sollte man sonst den Missbrauch erklären, den es schon vor Jahrhunderten gab? Natürlich gab es den schon immer, sogar im antiken Griechenland und im alten Rom, wo junge Mädchen verschachert wurden. Aber hier geht es um eine Erklärung der Verlaufskurve im 20. Jahrhundert. Wie erklärst Du Dir diese?

 

Im übrigen finde ich auch eine Haltung, die pädosexuelles Bildmaterial nicht für unmoralisch hält, für eine Art moralische Unreife.

bearbeitet von Inge33
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vor 13 Stunden schrieb Chrysologus:

In dieser Gruppe finden sich verhältnismäßig viele Täter mit einer infantilen Sexualentwicklung

Wie misst Du das? D.h. anhand welcher Kritierien schätzt Du die Sexualentwicklung anderer Täter als nicht-infantil ein?

bearbeitet von Inge33
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vor einer Stunde schrieb Inge33:

im Gegensatz zu manch anderen hier, die die sexuelle Revolution als "heilig" verteidigen.

Wer tut das denn? Ich für meinen Teil halte weder sie noch die Moral noch die Kirchenleitung für alleinschuldig, sie haben alle einen je unterschiedlichen Anteil daran. Die einzige, die hier etwas als "heilig" (ohne das Wort zu verwenden) verteidigt, bist nun Du. Zum Beispiel hier:

vor einer Stunde schrieb Inge33:

Benedikt XVI. hatte das richtige Gespür für die Zeitläufte und die empirischen Zusammenhänge.

 

vor 34 Minuten schrieb Inge33:

Das Böse lag mindestens in seiner unkritischen Haltung zur Pädophilie/Ephebophilie und im Täterschutz.

Nun, beides kann man für nicht wenige Bischöfe nachweisen. Täterschutz reichte bis hin in höchste kirchliche Kreise, die unkritische Haltung erschließt sich erst dann, wenn man den Umgang mit heterosexuellem, homosexuellem und missbräuchlichen Zölibatsbruch betrachtet. Hier wird schnell deutlich, dass die ziemlich ähnlich behandelt wurden, man redete dem Täter ins Gewissen, er versprach Besserung, man versetztet ihn. Das kann man zumindest ab den 1960ern nachweisen, hier handelten Bischöfe und Personalverantwortliche, die den Geburtsjahrgängen 1900 bis 1910 angehört haben dürften.

vor 39 Minuten schrieb Inge33:

Du sagst, die Übergriffe an Jungs im kirchlichen Bereich hätten etwas mit der Gelegenheit zu tun. Ich glaube das nicht. Nicht bei etwa 4000 Tätern in den USA und über 1700 Tätern in Deutschland – weltweit noch mehr. Es erscheint mit recht unwahrscheinlich, dass diese alle im Grunde heterosexuell gewesen sein sollen, dann aber mangels Gelegenheit sich an Jungs vergriffen haben. Ich glaube nicht, dass man so "schnell" entgegen seiner sexuellen Neigung agiert. Wahrscheinlicher (Occam‘s Gesetz) ist die Annahme , dass sie eine homosexuelle Neigung hatten.

Im wesentlichen Vermutungen - ich habe die entsprechenden Stellen kursiv markiert. Du glaubst nicht, weil du nicht glauben willst, und weil du sexuellen Missbrauch primär für ein sexuelles und nicht für ein machtförmiges Problem hältst. Sexueller Missbrauch ist aber zuerst ein Machtmisbrauch, und Macht kann ich gegenüber jedem missbrauchen, unabhängig von meiner sexuellen Ausrichtung. Da geht es dann vor allem um Gelegenheit, und die war nun einmal ungleich verteilt. 

Soweit es sich um Gewalt gegen präpubertäte Kinder geht, ist es für die meisten Täter ziemlich egal, ob das ein Junge oder ein Mädchen ist. Das Körperschema ist ja auch ziemlich gleich. Bei sexueller Gewalt gegen pubertierende wird das Geschlecht mit zunehmendem Alter der Betroffenen relevanter. Allerdings sehen wir gerade bei sexuell unreifen Männern eine hohe Affinität zu Jungen - sie sind sich Frauen (und auch Mädchen) gegenüber derart unsicher, dass das gar nicht in Frage kommt, hier aktiv zu werden. So finden sich auch Täter mit mehr als 20 betroffenen Jungs/männlichen Jugendlichen, die dann laisiert werden, heiraten und eine lange Ehe führen. Und wir sehen immer wieder Täter, die gefragt nach ihrer sexuellen Identität entweder gar nichts sagen oder allgemein darauf verweisen, dass sie als Mann und Priester sicher nicht homosexuell sein könnten. Das geht dann am Ende in der Tat etwa pari auf - aber das Problem hier ist nicht ihre Homosexualität, sondern ihr nicht-wissen darum. 

vor 47 Minuten schrieb Inge33:

Wie misst Du das? D.h. anhand welcher Kritierien schätzt Du die Sexualentwicklung anderer Täter als nicht-infantil ein?

Ich messe das gar nicht, ich lese das in den Gutachten. Da, wo es keine Gutachten gibt, kann ich dazu nichts sagen. Manchmal drängt dich der Verdacht auf (wenn ein Priester den Rechner voll mit Bildern nackter Jungs hat (naja, ein Mädchen dabei), er aber bestreitet, homosexuell zu sein), aber zu praktisch allen Tätern der letzten 20 Jahre haben wir Gutachten.

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Wieso sollte ich das nicht wissen können- ein Gutachter muss ja seine Aussagen immer begründen und darlegen, wie er dazu kommt. Gutachten basieren immer auf einer gründlichen Exploration des Betroffenen, bestehend aus standardisierten Inventaren und Befragungen. Dazu kommen Beobachtungen, sofern man den Kandidaten für einige Zeit auf Station hatte. Ein Thema dabei ist auch die psychosexuelle Entwicklung aus Sicht des Probanden, wobei anzumerken ist, dass Kleriker von Berufs wegen darin trainiert sind, über sich zu sprechen oder über sich zu schweigen, das verzerrt das Ergebnis ein wenig. 

Hier geht es unter anderem auch um die Frage, ob jemand einen Zugang hat zu eigenen sexuellen Wünschen und Bedürfnissen, wie er mit diesen umgeht und ob er altersadäquat darüber sprechen kann: Es ist nicht ohne Bedeutung, ob ein Mann im Gespräch mit dem Arzt/Gutachter von seinem Penis, seinem Pipimann oder seinem Schwanz spricht. Wobei das kein einfaches Abhaken ist (wer a sag, der ist so, wer b sagt, der ist so), sondern immer Teil eines Gesamtbildes.

Das alles vergleicht man mit Erfahrungswerten aus der ja nun breit vorhandenen Forschung. 

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vor einer Stunde schrieb Chrysologus:

Wer tut das denn?

Du sagst, niemand hier verteidigte die sexuelle Revolution als „heilig“. Das sehe ich nach den Diskussionen der letzten Tage anders. Aber vielleicht kehrt hier ein Umschwung ein, was gut ist.
Ich habe hier mehr als einmal deutlich gemacht, dass ich sexuellen Missbrauch nicht an der sexuellen Orientierung festmache. Ich befasste mich selbst lange ausschließlich mit Missbräuchen an Mädchen. Dagegen wurde öffentlich sichtbar Position bezogen. Homosexuelle Missbräuche kamen in meinem Horizont nicht vor. Erst durch die Missbrauchs-Problematik in der Kirche, ist mir diese Seite bewusst geworden - damit auch die Kentler-Problematik.
Sexuellen Missbrauch allein als ein Problem sexueller Ausrichtung zu betrachten, würde auch die historische Realität verkennen. Missbrauch von Mädchen gab es ebenfalls nicht nur im 20. Jahrhundert: im alten Rom etwa durfte ein Mädchen mit 7 Jahren verlobt werden. Manche Mädchen wurden schon mit 12 Jahren verheiratet. Sicher bietet die Geschichtswissenschaft hierzu noch einiges anderes. Die historische Realität verkennt man aber auch dann , wenn man sexuellen Missbrauch durch Homosexuelle ausblendet oder Thesen entwickelt, die homosexuelle Missbräuche zu Missbräuchen von heterosexuellen Männern umdefiniert.
Vielen Dank für Deine weiteren Ausführungen zur Messung der sexuellen Reife.
bearbeitet von Inge33
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vor 2 Minuten schrieb Chrysologus:

Hier geht es unter anderem auch um die Frage, ob jemand einen Zugang hat zu eigenen sexuellen Wünschen und Bedürfnissen, wie er mit diesen umgeht und ob er altersadäquat darüber sprechen kann: Es ist nicht ohne Bedeutung, ob ein Mann im Gespräch mit dem Arzt/Gutachter von seinem Penis, seinem Pipimann oder seinem Schwanz spricht. Wobei das kein einfaches Abhaken ist (wer a sag, der ist so, wer b sagt, der ist so), sondern immer Teil eines Gesamtbildes.

Das alles vergleicht man mit Erfahrungswerten aus der ja nun breit vorhandenen Forschung. 

Vielen Dank. Für mich sieht es im Moment so aus, als ob die sexuelle Reife vor allem über die Sprachfähigkeit gemessen wird.

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vor 33 Minuten schrieb Chrysologus:

man redete dem Täter ins Gewissen, er versprach Besserung, man versetztet ihn.

Mich würde mal interessieren, wie groß der Anteil der Täter war, bei denen diese Handlungsweise tatsächlich funktioniert hatte, die also dieses Versprechen ernst genommen und nicht mehr rückfällig geworden waren. Denn das wäre für die Bewertung der Handlungen der Verantwortlichen wichtig. Wenn so etwas 'nie' funktioniert hätte, dann hätte sich doch jeder Bischof spätestens beim dritten Fall was anderes überlegen müssen. Wenn das aber 'eigentlich immer' funktioniert hat, dann hätte ein Bischof keinen wirklichen Grund gehabt, es anders zu handhaben.

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vor 6 Minuten schrieb Inge33:

Für mich sieht es im Moment so aus, als ob die sexuelle Reife vor allem über die Sprachfähigkeit gemessen wird.

Man kann die psychische sexuelle Reife nicht messen, sondern mit den von Chrysologus erläuterten wissenschaftlichen Methoden beurteilen. Da wird nicht solange gewürfelt, bis das passende Ergebnis herauskommt.

bearbeitet von Wunibald
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vor 13 Minuten schrieb Inge33:

Vielen Dank. Für mich sieht es im Moment so aus, als ob die sexuelle Reife vor allem über die Sprachfähigkeit gemessen wird.

Nein. @Chrysologus hat das nur als ein (leicht verständliches) Beispiel gebracht. Er hat auch von

vor 17 Minuten schrieb Chrysologus:

standardisierten Inventaren und Befragungen

gesprochen (was auch immer das nun genau ist).

Letztlich läuft in dem Bereicht die Befundung natürlich hauptsächlich über Sprache, denn es gibt keine andere Möglichkeit, die Gedankenwelt eines anderen zu erforschen, im MRT dürfte nix auffälliges zu sehen sein. Das verwendete Vokabular ist dabei ein Aspekt unter vielen, der bewertet wird.

Und es ist schon auffällig, wenn jemand, der reden gewohnt ist und sich ausdrücken kann (bei Priestern eigentlich Standard) im sexuellen Bereich dann auf ein kindliches Vokabular zurückgreift.

 

bearbeitet von Moriz
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