Jump to content

Benedikt XVI., der klerikale Missbrauch und die sexuelle Revolution


iskander

Recommended Posts

vor 10 Minuten schrieb Wunibald:

Man kann die psychische sexuelle Reife nicht messen, sondern (...) beurteilen.

Ich weiß schon. Das war nur ein schnell hingeschriebener Begriff von mir.

bearbeitet von Inge33
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 3 Minuten schrieb Moriz:
vor 41 Minuten schrieb Chrysologus:

man redete dem Täter ins Gewissen, er versprach Besserung, man versetztet ihn.

Mich würde mal interessieren, wie groß der Anteil der Täter war, bei denen diese Handlungsweise tatsächlich funktioniert hatte, die also dieses Versprechen ernst genommen und nicht mehr rückfällig geworden waren. Denn das wäre für die Bewertung der Handlungen der Verantwortlichen wichtig. Wenn so etwas 'nie' funktioniert hätte, dann hätte sich doch jeder Bischof spätestens beim dritten Fall was anderes überlegen müssen. Wenn das aber 'eigentlich immer' funktioniert hat, dann hätte ein Bischof keinen wirklichen Grund gehabt, es anders zu handhaben.

Die Frage ist für mich eher, welche Gefahr mit einem "Rückfall" verbunden ist. Wenn ein Priester eine beendete sexuelle Beziehung zu einer Frau oder einem Mann seines Alters einräumt und keinerlei Hinweise auf das Ausnutzen von Abhängigkeiten vorliegt, dann verwarnen wir ihn und legen ihm eine angemessene Buße auf, es ist ja kein Schaden beim anderen über das maß einer gescheiterten Beziehung hinaus entstanden. Aber selbst wenn der "Täter" später nochmals mit einem altersadäquaten Partner intim wird, dann mag das seinen Zölibat beschädigen, aber das war es dann auch. Er kann weiterhin in der Seelsorge arbeiten und ich habe keinerlei Anlass zu der Sorge, er werde übergriffig. 

Wenn hingegen Machtungleichgewichte ausgenutzt wurden, wenn Verletzungen des anderen entstanden sind (oder glücklicherweise gerade eben nicht entstanden sind), dann geht der Bischof ein ganz anderes Risiko ein. Wer einmal über die Grenze gegangen ist, der tut das leichter wieder. Und daher ist es ganz wichtig, genau hinzusehen, was passiert ist - was leider oft nicht geschah. 

Wie es um die Wiederholungen steht, das ist schwer zu sagen - Stichwort Dunkelziffer. Manchmal kann man etwas ahnen: Auch Täter folgen mehr oder minder deutlich dem, was man in meiner Jugend mal die Stufenleiter der Zärtlichkeit nannte (Heterosexuell: Bruststimulation über der Kleidung, Bruststimulation unter der Kleidung, genitale Stimulation, Petting, Geschlechstverkehr). Ob ein Paar das nun im Laufe von Monaten oder von Minuten hinter sich bringt, das sagt auch etwas über die sexuelle Erfahrung aus!) - sie tasten sich langsam heran. Wenn ich also den Bericht lese, dass ein Täter innerhalb von 30' vom ersten Berühren zur Penetration gekommen ist, dann vermute ich zumindest, dass dies nicht seine erste sexuelle Begegnung war. Das ist dann oft nur ein Verdacht, aber ich glaube dem nicht, der mir sagt, er sei 40 Jahre perfekt zölibatär gewesen, habe dann eine Jugendliche an einem Abend zum Sex verführt, und sei danach wieder 20 Jahre zölibatär gewesen. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 30 Minuten schrieb Moriz:

Letztlich läuft in dem Bereicht die Befundung natürlich hauptsächlich über Sprache, denn es gibt keine andere Möglichkeit, die Gedankenwelt eines anderen zu erforschen, im MRT dürfte nix auffälliges zu sehen sein

Das sage ich doch.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich mag da hemdsärmelig sein, aber für mich ist jeder, der Kinder und Jugendliche missbraucht oder entsprechendes Bildmaterial für akzeptabel hält, sexuell unreif, ganz unabhängig von seiner Sprachfähigkeit. Für mich impliziert sexuelle Reife auch sexualethische Reife.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 41 Minuten schrieb Chrysologus:
vor 59 Minuten schrieb Moriz:
vor 1 Stunde schrieb Chrysologus:

man redete dem Täter ins Gewissen, er versprach Besserung, man versetztet ihn.

Mich würde mal interessieren, wie groß der Anteil der Täter war, bei denen diese Handlungsweise tatsächlich funktioniert hatte, die also dieses Versprechen ernst genommen und nicht mehr rückfällig geworden waren. Denn das wäre für die Bewertung der Handlungen der Verantwortlichen wichtig. Wenn so etwas 'nie' funktioniert hätte, dann hätte sich doch jeder Bischof spätestens beim dritten Fall was anderes überlegen müssen. Wenn das aber 'eigentlich immer' funktioniert hat, dann hätte ein Bischof keinen wirklichen Grund gehabt, es anders zu handhaben.

Expand  

[Viele interessante und wichtige Aspekte]

Meine Frage war eine andere: Welche Erfahrungen machten die Verantwortlichen in der Vergangenheit mit dem damals üblichen Vorgehen, Versprechen und Versetzen. Hat das so oft funktioniert, daß die Verantwortlichen keinen Grund hatten, ihr Vorgehen zu überdenken, oder hat das oft genug nicht funktioniert so daß schon alleine deshalb das Vorgehen hätte hinterfragt werden müssen. Das halte ich für die Bewertung ihrer individuellen Schuld der Führungskräfte für unerlässlich.

Beim heutigen Wissensstand sieht vieles natürlich anders aus.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wir sehen zumindest versetzte Wiederholungstäter, haben aber keinen guten Überblick über die Zölibatsbrecher, weil das kein Straftatbestand ist und Vermerke entsprechend nicht immer vorliegen oder aber nur in der Personalakte (die wir nicht alle anschauen).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 29 Minuten schrieb Moriz:

Ja, aber @Chrysologus sagte nichts anderes, dein Widerspruch lief also in Leere.

Ich habe gar nicht widersprochen, sondern abstrahiert. Dein Widerspruch gegen mich läuft ins Leere. Kann man diese Kindereien nicht mal lassen?

bearbeitet von Inge33
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 13 Minuten schrieb Inge33:

Ich mag da hemdsärmelig sein, aber für mich ist jeder, der Kinder und Jugendliche missbraucht oder entsprechendes Bildmaterial für akzeptabel hält, sexuell unreif, ganz unabhängig von seiner Sprachfähigkeit. Für mich impliziert sexuelle Reife auch sexualethische Reife.

Du setzt hier zwei Dinge in eins, die so nicht zusammen gehören - Sexualethik ist volatil, uneindeutig uns alles andere als allen gemeinsam. Je nach persönlichem Standpunkt kann der eine schon seine Existenz als sexuelles Wesen verbunden mit entsprechenden Wahrnehmungen, Wünschen und Träumen für sündhaft halten, während andere die Grenzen etwas weiter ziehen. Und das Einhalten ethischer Normen bedeutet so wenig, dass man diese internalisiert haben (ich kann auch einfach mangels Gelegenheit treuer Ehemann bleiben), noch besagt ein Verstoß gegen meine ethischen Vorstellungen, dass diese "falsch" sind. Impulskontrolle und ethische Überzeugung sind etwas anderes.  Und nicht jeder Täter hält sein Tun für ethisch akzeptabel, es gehört vor allem bei den Bilderkonsumenten fast schon dazu, dass sie das auch wieder löschen, gerade weil sie den Widerspruch klar sehen. Dass der Kunde der Stricherszene sich nachher beschmutzt fühlt. Sie halten das nicht für akzeptabel, aber sie konsumieren es.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Gerade eben schrieb Inge33:

Ich habe gar nicht widersprochen, sondern abstrahiert . Dein Widerspruch gegen mich läuft ins Leere. Kann man diese Kindereien nicht mal lassen?

Ich habe das zumindest anders verstanden - deine Aussage klang so, als messe man die Sprach- und Ausdrucksfähigkeit (und - so die von mir erwartete Folgerung - ist das ja gar nicht aussagefähig). Darum geht es aber nicht - man kann das mit einbeziehen, aber das wäre nur ein Nebenaspekt. Man schaut sich den sprachlichen Ausdruck an und setzt diesen in Relation zum Bildungshorizont des Probanden - aber am Ende schaut man auf die sexuelle Reife, nicht auf die rhetorischen Fähigkeiten.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Minuten schrieb Chrysologus:

Impulskontrolle und ethische Überzeugung sind etwas anderes.

Hm. Aber weshalb sollte ich meine Impulse kontrollieren, wenn ich deren unkontrolliertes Ausagieren nicht für unethisch halte?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Minuten schrieb Inge33:
vor 6 Minuten schrieb Chrysologus:

Impulskontrolle und ethische Überzeugung sind etwas anderes.

Hm. Aber weshalb sollte ich meine Impulse kontrollieren, wenn ich deren unkontrolliertes Ausagieren nicht für unethisch halte?

Andersrum wird ein Schuh draus: Ich kontrolliere meine Impulse nicht ausreichend, obwohl ich ihr Ausagieren für unethisch halte.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Minuten schrieb Inge33:

Hm. Aber weshalb sollte ich meine Impulse kontrollieren, wenn ich deren unkontrolliertes Ausagieren nicht für unethisch halte?

Z.B. weil einem bewusst ist, daß das persönlich für vertretbar gehaltene Handeln juristische oder soziale Folgen haben kann.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 5 Minuten schrieb Moriz:

Andersrum wird ein Schuh draus: Ich kontrolliere meine Impulse nicht ausreichend, obwohl ich ihr Ausagieren für unethisch halte.

Aber auch in diesem Fall hängt Impulskontrolle (hier nicht-gelungen) und Ethik miteinander zusammen: im schlechten Gewissen.

bearbeitet von Inge33
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Minute schrieb Flo77:

Z.B. weil einem bewusst ist, daß das persönlich für vertretbar gehaltene Handeln juristische oder soziale Folgen haben kann.

Klar, aber das zeigt ja nur, dass Impulskontrolle (oder das Scheitern) von der ethischen Ebene eben nicht wegzudenken ist.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Gerade eben schrieb Inge33:

Klar, aber das zeigt ja nur, dass Impulskontrolle (oder das Scheitern) von der ethischen Ebene eben nicht wegzudenken ist.

Bitte?

 

Gerade Du, die gerne von der Beichte redet sollte der Unterschied zwischen unvollkommener und vollkommener Reue geläufig sein.

 

Etwas nur aus Furcht vor Gott oder der Strafe nicht zu tun oder etwas nur zu bereuen, weil man erwischt wurde zeugt nunmal nicht davon, daß derjenige seine ethischen Standards vernünftig gesetzt hat.

 

Wer keine Angst vor Konsequenzen haben muss, lebt sich auch aus, wenn er der Meinung ist, etwas sei ethisch vertretbar.

 

Der andere Fall ist, daß die Impulskontrolle TROTZ ethischem Schuldbewusstsein nicht greift.

 

Es sind zwei Paar Schuhe, die unterschiedlich behandelt werden müssen.

 

Man kann die Täter nunmal nicht - wie Du es allem Anschein nach gerne hättest - alle über einen Kamm scheren.

 

Und nebenbei: die erste Gruppe, die mit der fehlenden Angst vor Konsequenzen ist die, die sich gerade in der Kirche recht wohlfühlen und sicher fühlen konnte...

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 21 Minuten schrieb Flo77:

Gerade Du, die gerne von der Beichte redet sollte der Unterschied zwischen unvollkommener und vollkommener Reue geläufig sein.

Wir reden hier gerade über säkulare, psychiatrische Theorien. Da spielt dieser Unterschied oder Gott keine Rolle. Und auch bei Nicht-Religiösen gibt es ein schlechtes Gewissen.

 

Ich meine nur, dass man - auch aus säkularer Pespektive - die Frage der Impulskontrolle nicht von der ethischen Ebene abtrennen kann. Aber ich bin für säkulare Gegenargumente offen.

 

bearbeitet von Inge33
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 36 Minuten schrieb Flo77:

Man kann die Täter nunmal nicht - wie Du es allem Anschein nach gerne hättest - alle über einen Kamm scheren.

Das, was Du hier ansprichst, betrifft das Urteil über die einzelnen Täter samt Gewichtung der je konkreten (inneren) Umstände. Natürlich kann man die Täter hier nicht alle über einen Kamm scheren. Das tun säkulare Gerichte auch nicht.

 

Mir geht es aber um die psychiatrische Theorie der Impulskontrolle und der Ansicht, diese sei von der Ebene der Ethik getrennt zu betrachten.

bearbeitet von Inge33
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich denke, man kann sich darauf verständigen, dass auch psychologische Explorationen nicht über jeden denkbaren Restzweifel erhaben sind. Die Psychologie ist eben keine exakte Wissenschaft und eine Begutachtung funktioniert nicht wie das Messen des Blutzuckers: Ein Tropfen Blut, ein Teststreifen und am Ende kommt ein Wert heraus. So einfach ist es dann doch nicht. Was nicht heißt, dass psychologische Begutachtungen nicht geeignet wären, auffällige und bisweilen potentiell gefährliche Züge in der psychosexuellen Entwicklung festzustellen. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 14 Stunden schrieb Inge33:
Du sagst, ich müsse nachweisen, dass Priester nicht durch eine sexualmoralische strenge Sozialisation überfordert gewesen seien.

 

Wo sage ich das denn?

 

Was Du beweisen solltest (und was ich auch sage) ist vielmehr dies:

 

- Du solltest aufzeigen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz der Pädophilie außerhalb einiger spezieller Milieus so weit verbreitet war, wie Du behauptest; und zudem, dass sie maßgeblich den Klerus beeinflusst hat.

- Ebenfalls solltest Du plausibel machen, wieso die Sichtbarkeit von erwachsener  "Sexualität" die Priester zum Missbrauch an Kindern verführt haben soll, obwohl alles dagegen spricht, dass sie den gleichen Effekt auf den Rest der männlichen Allgemeinbevölkerung hatte. Was stimmt mit den Priestern (angeblich) nicht?

- Und Du könntest erklären, wieso Bilder einer leicht bekleideten Frau auf einem Plakat oder eine im TV laufende "Sex-Klamotte" eher zu einer "Sexualisierung" führen sollten als beispielsweise eine nahezu omnipräsente und explizite Sex-Werbung nachts.

 
Zitat

Also belege - aber nicht an Einzelfällen.

Da es sich - wie ich von Anfang an mehrfach klargemacht habe - bei meiner Hypothese eben nur um eine Hypothese handelt, die eine mögliche und naheliegende Erklärung der Fakten darstellt, muss ich das nicht. Du hingegen hast Deine eigene These immer als eine ziemlich unzweifelhaft erwiesene Tatsache dargestellt - hier liegt also eine weit größere Beweispflicht auf Deinen als auf meinen Schultern.

Zitat

Du sagst, ich argumentierte mit Kentler und Hentig mit Kontaktschuld. Hentig hätte nichts Böses getan. Doch, hat er. Das Böse lag mindestens in seiner unkritischen Haltung zur Pädophilie/Ephebophilie und im Täterschutz.

Das und alles andere was Du beschreibst wurde aber doch erst Jahrzehnte ruchbar, nachdem von Hentig mal einen (?) Vortrag vor progressiven Katholiken gehalten hat, oder?

In die Zukunft können selbst progressive Katholiken gewöhnlich nicht schauen. Und mein Kommentar, dass v. Hentig damals weder die Pädophilie befürwortet hatte noch sich des Missbrauchs schuldig gemacht hatte noch sonst etwas Schlimmes gesagt hatte, bezog sich eben auf diese frühere Zeit. (Übrigens hat v. Hentig sich für seine späteren Kommentare auch entschuldigt.) Genau so hatte ich das übrigens auch primär schon geschrieben:

 

"Wo genau hatte Hartmut von Hentig (nicht Henting) denn einen Platz [im Progressiv-Katholizismus], und was genau war das für ein Platz?

 

Und was ist daran so schlimm? Jedenfalls die Wikipedia lässt keinerlei Rückschlüsse darauf zu, dass er irgendeines Missbrauchs schuldig gemacht hätte oder die Pädosexualität verteidigt hätte. Er hatte später Becker, mit dem er eine enge (und wohl auch amuröse) Beziehung hatte, zuerst in bedenklicher Weise in Schutz genommen (das war wohl um das Jahr 2010 herum) und sich dafür später entschuldigt. Sollte man ihn in weiser Voraussicht deswegen im Jahr 1968 gemieden haben?"

 

Zitat

Wahrscheinlicher (Occam‘s Gesetz) ist die Annahme , dass sie eine homosexuelle Neigung hatten.

 

Das hat mit dem Ockhamschen Rasiermesser nichts zu tun, denn dieses besagt (in meinen Worten) einfach, dass eine Erklärung, die wenige Faktoren bemühen muss, einer Erklärung vorzuziehen ist, die auf viele Faktoren angewiesen ist - und auch das nur, wenn die "sparsamere" Erklärung gleich gut ist. "Gelegenheit" ist keine"komplexere" Erklärung als Neigung - sie wäre bestenfalls eine weniger plausible.

 

Des Weiteren wundert mich Dein Einwand ein wenig, weil Du doch sonst gerne der systematischen Forschung das Wort redest. Und da zeigt sich nun doch gerade anhand einer der John-Jay-Studien, auf die Du Dich selbst gerne berufst, dass Homosexualität kein relevanter Risiko-Faktor ist. Höchstens scheint es so zu sein, dass Homosexualität es ein Stück weit wahrscheinlicher macht, dass ein Junge anstatt ein Mädchen zum Opfer wird. Siehe hier S. 62 f.

 

 

Zitat

Zu den Ephebophilen äußerte er sich in diesem Zusammenhang nicht in gleicher Weise (Hirschfeld: die Homosexualität des Mannes und der Frau), daraus lässt sich eine tolerante Haltung schließen.

 

Das ist aber ja auch ein Unterschied. Zum Teil wird der Begriff "Ephebophilie" so weit gebraucht, dass auch Vorlieben erfasst sind, die sich auf 18+-Jährige beziehen. Zum anderen ist es aber auch noch einmal ein großer Unterschied, ob jemand mit einem 16- oder einem 6-Jährigen eine sexuelle Beziehung anfängt. Das sieht übrigen auch das Gesetz nicht anders; ein sexuelles Verhältnis mit einem Jugendlichen ist, wenn kein Abhängigkeitsverhältnis besteht, nur unter bestimmten Bedingungen illegal. Man mag das dennoch moralisch bedenklich finden (zumindest bei Partnern unter 18 oder 17), aber es ist dennoch einmal eine ganze andere Hausnummer als sexuelle Handlungen mit Kindern.

 

Des Weiteren kam es ja (auch in entsprechenden konservativen Kreisen) eben nicht nur zum Missbrauch von Jugendlichen in einem Abhängigkeitsverhältnis, sondern oft auch zum Missbrauch von Kindern. Und spätestens hier nun kann sich keiner mehr auf Hirschfeld berufen - selbst wenn dieser die sexuelle Interaktion mit Jugendlichen in einem Abhängigkeitsverhältnis gebilligt haben sollte, was ich im Übrigen bis zum Beweis des Gegenteils auch eher bezweifeln würde. Abgesehen davon erscheint mir schon die Idee, dass erzkonservative Kleriker erst einmal irgendwelche liberalen Sexualforscher studieren und sich dann deshalb später vergehen als sehr weit hergeholt, und es scheint keinerlei Hinweis für diese These zu geben. Oder zumindest habe ich noch nie von solchen Hinweisen gehört.

 

Zitat

Aber hier geht es um eine Erklärung der Verlaufskurve im 20. Jahrhundert. Wie erklärst Du Dir diese?

 

Ich kann das auch nicht mit Sicherheit sagen, vermute aber eine Kombination der unterschiedlichen Erklärungsansätze, die hier bereits diskutiert wurden. Dabei mag auch einer Deiner Erklärungsansätze eine gewisse Rolle spielen, das schließe ich nicht aus. Aus den von anderen und mir dargelegten Gründen bezweifle ich jedoch, dass er eine allzu prominente Rolle spielt. 

 

Ich kann mich (zum Glück) zwar nicht wirklich in jemanden hineinversetzen, der Kinder missbraucht; aber wenn ich so etwas getan hätte, weil ich gelesen hätte, dass sexuelle Kontakte mit Kindern nach Meinung von Pädagogen in Ordnung seien, hätte ich genau das in einer Begutachtung sicherlich als Exkulpationsgrund angegeben. Nirgendwo habe ich aber Hinweise auf solche Aussagen gefunden, und @Chrysologus, der sich hier weit besser auskennt, hat das offenbar auch nicht.

 

Interessant ist übrigens auch folgende Passage aus dem oben verlinkten John-Jay-Report (S. 62):

 

"Priests who, as minors and/or in a family context, were involved in discussions about sex as a “taboo” subject or who never discussed sex at all as minors or in a family were more likely to have post-ordination sexual behavior. However, there was not a significant relationship between how sex was discussed in the home and whether the post-ordination sexual behavior involved a child or an adult. The majority of all priests in the sample reported having sex described to them in a negative context (sex was introduced either as taboo or was not discussed at all)."

 

Das heißt: Die Priester, die eine "negative" Sexualerziehung gehabt hatten, waren dann im statistischen Schnitt später sexuell aktiver als die anderen Priester, sei es mit Erwachsenen oder minderjährigen. Demnach wäre vielleicht eine strenge Sexualerziehung ein wichtiger Faktor der "Sexualisierung".

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

19 hours ago, Inge33 said:

Aber hier geht es um eine Erklärung der Verlaufskurve im 20. Jahrhundert. Wie erklärst Du Dir diese?

Wie sieht sie denn aus diese Verlaufskurve? Ein statistischer "Beweis" dass Missbräuche seit der sexuellen Revolution oder wie man das nennt zugenommen haben halte ich für nonsense.  Resp. wir haben einfach mehr Daten über 1970-1980 als über 1900-1910 zb. Die "Residential Schools" in Kanada sind mmn Indiz genug. Nun aber lässt sich aus jener Zeit heute keine brauchbare Statistik mehr erstellen, selbst mit den neusten Erkenntnissen nicht.

 

Im übrigen hast du mich durchschaut. 🙂 Ja ich denke sehr sehr kritisch über diese Zeit, obwohl ich sie nicht selber erlebt habe, und die 68er generell. Wobei "kritisch" ist ein Euphemismus. 🙂  Nicht primär wegen den sexuellen Auswüchsen. Vor allem nervt mich ihre Bewunderung totalitärer menschenverachtender Regimes wie in China (rote Büchlein-Schwenker) oder Vietnam (Ho-Chi-Minh Brüllaffen). Oder auch was zur Machtergreifung Khomeinis im Iran geführt und das Leben von bisher etwa 4 Generationen (insbesondere die weiblichen darunter) vollkommen versaut hat. Gut vllt wäre Khomeini auch ohne die 68er an die Macht gekommen, aber geschadet haben sie ihm sicher nicht.

bearbeitet von phyllis
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 26.2.2023 um 00:16 schrieb Inge33:

Ich interessiere mich für die größeren Verläufe. Man kann sich natürlich auch Einzelfälle ansehen, aber das habe ich ja schon getan und hier dargelegt, was meine Einschätzung ist. Mehr kann man von mir nicht erwarten. Wenn Du dieses Thema wichtig findest - was ja in Ordnung ist - dann starte dazu einen Thread und lege Deine Ergebnisse dar. Ich werde es mit Interesse lesen.

 

Das ist kein Desinteresse, sondern eine Frage der Zeitressourcen und der Schwerpunktsetzung. Es mag erlaubt sein, dass ich mich für die Ursachen der Missbräuche mehr interessiere - das ist seit 30 Jahren so. Es steht Dir frei, Dich der systematischen Verdrängung zu widmen, von mir aus auch mit Obsession. Dann lege Deine Ergebnisse dar. Ich werde es mit Interesse lesen.

 

Ich empfinde, dass Du eine mögliche Ursache für Missbräuche in den Raum legst, die ich als Ursache als absurd wahrnehme. Der Grund ist offensichtlich. Diese Gründe gegen Deine Sicht haben wir dargelegt: Die Verhaltensmuster gegen Kinder in katholisch geführten Heime in Kanada, Irland usw. waren identisch mit den Missbräuchen, die uns in im letzten Jahrhundert bewusst geworden sind. Diese Missbräuche sind lange vor den sexuellen Veränderungen nach 1960 geschehen. Was Nonnen usw. in der Zeit, seit es Psychiatrien gibt, an Fehlleistungen geliefert haben, kannst Du in der Geschichte der Psychiatrie nachlesen. 

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Psychiatrie

 

Wiki beschreibt hier einiges. Und alle Berichte im positiven wie negativen Sinne sind immer nur Gipfel von Eisbergen. Dort kannst Du die sexuelle Veränderung nicht als Ursache der Fehlleistungen anführen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 12 Stunden schrieb phyllis:

Oder auch was zur Machtergreifung Khomeinis im Iran geführt und das Leben von bisher etwa 4 Generationen (insbesondere die weiblichen darunter) vollkommen versaut hat. Gut vllt wäre Khomeini auch ohne die 68er an die Macht gekommen, aber geschadet haben sie ihm sicher nicht.

 

Zur Machtergreifung Khomeinis hat m.E. letztlich, wenn auch mittelbar, die Operation Ajax geführt:

 

https://www.dw.com/de/1953-irans-gestohlene-demokratie/a-17008768

 

bearbeitet von iskander
  • Thanks 1
  • Sad 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Stunden schrieb iskander:

 

Zur Machtergreifung Khomeinis hat m.E. letztlich, wenn auch mittelbar, die Operation Ajax geführt:

 

https://www.dw.com/de/1953-irans-gestohlene-demokratie/a-17008768

 

Dann haben wir das Gegenteil eines Gottesstaats indirekt der USA zu verdanken.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...